Rentenversicherung
Zuschuss zu den Aufwendungen für eine freiwillige Krankenversicherung während eines Aufenthalts im außereuropäischen Ausland
Vorübergehender Aufenthalt im Ausland
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine freiwillige Krankenversicherung
(KV) während eines Aufenthalts im außereuropäischen Ausland.
Dem 1950 geborenen Kläger wurde zuletzt durch Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2013 ab 1. Dezember 2012 Altersrente für
schwerbehinderte Menschen sowie ein Zuschuss zum KV-Beitrag bewilligt. Der Kläger war und ist bei der Techniker Krankenkasse
(TK) freiwillig gesetzlich krankenversichert. Zusätzlich schloss er 1985 eine private Krankenversicherung bei der A-Versicherungsgruppe
ab.
Vom 30. November 2015 bis 17. März 2016 hielt sich der Kläger zu einer Urlaubsreise in Thailand auf und vereinbarte für diesen
Zeitraum mit der TK eine Anwartschaftsversicherung nach Maßgabe von §
240 Abs.
4a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V); auf den Bescheid der TK vom 24. September 2015 wird Bezug genommen. Daneben schloss er mit der A für den Urlaubszeitraum
eine private Auslandskrankenversicherung ab (Pauschalbeitrag 112,80 €).
Nachdem der Kläger seine Absicht, ins Ausland zu verreisen, der Beklagten mitgeteilt hatte, berechnete diese mit Bescheid
vom 1. Oktober 2015 die Altersrente des Klägers ab dem 30. November 2015 neu, wobei sie mWv 1. Dezember 2015 die Bewilligung
des Zuschusses zum KV-Beitrag aufhob. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit welchem er die Zahlung eines Beitragszuschusses
für seine Anwartschaftsversicherung und die private Auslandskrankenversicherung begehrte. Durch Widerspruchsbescheid vom 28.
Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger habe während seines Auslandsaufenthaltes
und dem Bestehen lediglich einer Anwartschaftsversicherung keinen Anspruch auf Beitragszuschuss gemäß §
106 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI), weil ein solcher neben dem Bestehen einer freiwilligen Mitgliedschaft einen Leistungsanspruch gegenüber der KV voraussetze.
In Zeiten, in welchen die Krankenkasse für den Versicherten lediglich eine Anwartschaftsversicherung durchführe, ruhten jedoch
die Leistungsansprüche des Versicherten, weshalb die Zahlung eines Beitragszuschusses auf der Grundlage der zur Anwartschaftserhaltung
entrichteten Beiträge nicht in Betracht komme.
Durch Urteil vom 15. September 2016 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beitragszuschuss zu den ihm im streitgegenständlichen Zeitraum
entstandenen Kosten für die Versicherungen bei der A. Das Gesetz sehe nur einen Zuschuss zu einer Vollversicherung und nicht
zu einer privaten Zusatzversicherung vor. Im System der gesetzlichen KV sei auch ein Krankenversicherungsschutz im Ausland
nicht vorgesehen. Deshalb komme auch ein Zuschuss für die Auslandskrankenversicherung nicht in Betracht. Darüber hinaus habe
der Kläger auch keinen Anspruch auf Beitragszuschuss zu den für seine bei der TK während seines Auslandsaufenthaltes bestehende
Anwartschaftsversicherung. Ein solcher setze einen Leistungsanspruch gegenüber dem KV-Träger voraus, dieser ruhe jedoch im
Falle der Anwartschaftsversicherung. Bei den vom Kläger hierfür geleisteten Beiträgen handle es sich um zur Aufrechterhaltung
der Anwartschaft geleistete Beiträge und nicht um Beitragsaufwendungen für einen Leistungsanspruch. Da ein Rentenbezieher,
der auf eine eigene KV verzichte, ebenfalls keinen Leistungsanspruch und damit keinen Anspruch auf Beitragszuschuss habe,
müsse Gleiches auch für den Kläger gelten. Es habe sich auch nicht um einen Fall des §
240 Abs.
4a SGB V gehandelt, da der Auslandsaufenthalt des Klägers ausschließlich privat und nicht beruflich bedingt gewesen sei. Der Kläger
habe auch nicht klären können, welchen Sinn der Abschluss der Anwartschaftsversicherung für ihn gehabt habe.
Mit der vom SG zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, wobei er zuletzt (nur) noch einen Zuschuss für seine Aufwendungen
für die Anwartschaftsversicherung bei der TK geltend macht.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2015 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit seines Auslandsaufenthaltes
vom 30. November 2015 bis zum 17. März 2016 einen Zuschuss zu den Aufwendungen zu seiner freiwilligen Krankenversicherung
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt (vgl §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist in dem zuletzt noch anhängigen Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zuschuss zu den Beiträgen für die Anwartschaftsversicherung bei der TK
während seines Auslandsaufenthaltes vom 30. November 2015 bis 17. März 2016 gemäß §
106 Abs.
1 SGB VI. Er war während des Streitzeitraums freiwillig in der gesetzlichen KV versichert und nicht gleichzeitig in einer in- oder
ausländischen gesetzlichen KV pflichtversichert (§
106 Abs.
1 Sätze 1 und 2
SGB VI). Durch den Auslandsaufenthalt war die freiwillige Versicherung nicht entfallen; lediglich der Leistungsanspruch des Klägers
aus der gesetzlichen KV ruhte nach §
16 Abs.
1 SGB V.
Der Kläger hat für die Zeit seines Aufenthaltes in Thailand im streitgegenständlichen Zeitraum die Gewährung eines Anwartschaftsbeitrags
mit der TK nach Maßgabe von §
240 Abs.
4a SGB V vereinbart, weil sein Leistungsanspruch für länger als drei Monate nach §
16 Abs.
1 SGB V ruhte (vgl §
240 Abs.
4a Satz 2
SGB V). Mit dem in §
240 Abs.
4a SGB V normierten Anwartschaftsbeitrag sollte nach der Gesetzesbegründung einem praktischen Bedürfnis Rechnung getragen und sicher
gestellt werden, dass den durch sie Begünstigten freiwillig Versicherten bei niedrigen Beiträgen die Möglichkeit der Fortsetzung
der freiwilligen Mitgliedschaft bis zur Rückkehr aus dem Ausland eröffnet bleibt während eines mehr als drei Monate dauernden
Zeitraums, in welchem der Anspruch auf Leistungen gemäß §
16 Abs.
1 Nr.
1 SGB V deshalb ruht, weil sich der Versicherte im außereuropäischen Ausland aufhält und die Ansprüche des freiwillig Versicherten
im Ausland auch nicht aufgrund von Sozialversicherungsabkommen weiter bestehen. In diesem Fall ist während des Ruhenszeitraums
ein Betrag in Höhe von 10 vH der monatlichen Bezugsgröße nach §
18 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (
SGB IV) zu Grunde zu legen; auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten kommt es nicht an. Zuvor hatten
freiwillige Versicherte auch im Falle eines Auslandsaufenthaltes trotzt fehlenden Leistungsanspruchs nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) die vollen Beiträge zur gesetzlichen KV weiter zu bezahlen. Denn eine Rechtsgrundlage für die Beitragsreduzierung existierte
nicht. Die Vorschriften des
SGB V, die eine Beitragsfreiheit oder eine Ermäßigung des Beitragssatzes vorsahen, waren auch nicht entsprechend anzuwenden (vgl
BSG, Urteil vom 26. Juni 1994 - 12 RK 25/94 - juris; Urteil vom 23. März 1993 - 12 RK 6/92 - juris).
Der Zuschuss zu den Aufwendungen für die KV ist eine Zusatzleistung der gesetzlichen Rentenversicherung und damit nicht Teil
der Rente. Er wird in Höhe des halben Beitrags geleistet, der sich aus der Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes der gesetzlichen
KV auf den Zahlbetrag der Rente ergibt. Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, den Rentenbezieher teilweise von der
finanziellen Belastung durch KV-Beiträge frei zu stellen, die auf dem Rentenbezug beruhen. Durch die Gewährung des Beitragszuschusses
stehen die freiwilligen Mitglieder in der Beitragsbelastung den pflichtversicherten Rentnern gleich; in diesem Fall trägt
der Rentenversicherungsträger gemäß §
249a SGB V die Hälfte des Beitrages. Der Zuschuss wird in Höhe des halben Betrags geleistet, der sich aus der Anwendung des allgemeinen
Beitragssatzes der gesetzlichen KV, hier indes des - niedrigeren - Anwartschaftsbeitrags nach §
240 Abs.
4a SGB V, ergibt.
Der Auslandsaufenthalt des Klägers im Streitzeitraum steht dem Anspruch auf Zuschuss nicht entgegen. Gemäß §
110 Abs.
1 SGB VI erhalten Berechtigte, die sich - wie der Kläger - nur vorübergehend im Ausland aufhalten, für diese Zeit Leistungen wie Berechtigte,
die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Einschränkungen sieht das Gesetz lediglich für Berechtigte mit gewöhnlichem
Aufenthalt im Ausland nach §
110 Abs.
2 SGB VI vor; diese erhalten Leistungen nur, soweit nicht die folgenden Vorschriften des
SGB VI über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen. Eine solche anderweitige Bestimmung ist in §
111 Abs.
2 SGB VI getroffen worden, wonach Berechtigte keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die KV erhalten.
Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift und insbesondere dem Verweis in §
110 Abs.
2 SGB VI ergibt sich eindeutig, dass dieser Ausschluss nur für Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gilt, nicht jedoch
für Berechtigte im Sinne des §
110 Abs.
1 SGB VI, also diejenigen Leistungsberechtigten, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten. Dies entspricht auch dem Gesetzeszweck:
In der Gesetzesbegründung zu der seit 1. Juni 1979 gültigen Vorgängervorschrift des §
110 Abs.
2 SGB VI in § 1321 Abs. 3
RVO (BT-Drs 9/458, S. 40) heißt es, es sei nicht Aufgabe der deutschen Rentenversicherung, für Rentner außerhalb des Geltungsbereichs
des Gesetzes Leistungen zur Sicherung gegen das Krankheitsrisiko zu erbringen. Im Hinblick darauf, dass diese Personen zumeist
im Krankenversicherungssystem ihres Wohnstaates versichert seien, sei es Aufgabe dieses Staates, das Krankheitsrisiko und
die damit verbundenen Kosten für den Berechtigten zu regeln (vgl hierzu auch Bourauel in Schlegel/Voelzke, 2. Aufl. 2013,
Rn. 12 zu § 111 SGBVI).
Der Kläger hielt sich jedoch nur vorübergehend im Ausland auf. Er war damit während dieser Zeit nicht von den Leistungen des
SGB VI ausgeschlossen. Der Begriff des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes ist im Gesetz nicht definiert, erklärt sich aber aus
der Gegenüberstellung zum gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (Abs. 2) bzw im Inland gem. §
30 Abs.
3 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (
SGB I). Nach der in dieser Vorschrift genannten Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes hat jemand diesen dort, wo er sich unter
Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der
Aufenthalt des Klägers in Thailand war jedoch von Anfang an als Urlaub zeitlich beschränkt. Er hat damit weiterhin auch während
dieses Aufenthaltes Anspruch auf Leistungen nach dem
SGB VI und damit auch Anspruch auf Gewährung des Zuschusses zu den Aufwendungen für seine freiwillige KV gemäß§ 106 VI, wozu auch
die Aufwendungen für den Anwartschaftsbeitrag zählen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.