Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 01. Juli 2007 und begehrt von der Beklagten die Neuberechnung
ihrer Altersrente unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts West anstelle des Rentenwerts Ost.
Die 1929 geborene Klägerin, die nach dem Versicherungsverlauf ihre rentenrechtliche Biografie im Beitrittsgebiet durchlief,
bezog ab 01. Juni 1989 eine Rente aus dem Sozialversicherungssystem der ehemaligen DDR. Nach Rentenanpassung und Umwertung
erhielt die Klägerin mit Rentenbescheid vom 25. September 1995 eine Regelaltersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB VI) ab dem 01. Juli 1990. Die Rente wurde zuletzt mit Rentenbescheid vom 09. August 2001 für die Zeit ab dem 01. Mai 1999 neu
festgestellt.
Einen hiergegen unter dem 30. September 2001 erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin eine Neufeststellung ihrer Rente
ab 01. Januar 1993 begehrt hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2001, der bestandskräftig wurde,
zurück.
Auf einen als Überprüfungsantrag gewerteten Antrag der Klägerin vom 05. Oktober 2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom
25. Oktober 2006 die Rücknahme des Rentenbescheides vom 09. Oktober 2001 ab. Der Überprüfungsbescheid wurde bestandskräftig.
Im Juni 2007 teilte die Beklagte der Klägerin eine Rentenanpassung zum 01. Juli 2007 mit. Der neue aktuelle Rentenwert für
die Zeit ab 01. Juli 2007 betrage 26,27 € und der neue aktuelle Rentenwert (Ost) 23,09 €. Die Neubestimmung des aktuellen
Rentenwerts/aktuellen Rentenwerts (Ost) führe zu einer Erhöhung des Rentenbetrages. Der zuletzt erteilte Bescheid über die
Höhe des Rentenbetrages für die Zeit ab 01. Juli 2007 werde durch diesen Bescheid ersetzt. Mitgeteilt wurde der neue auszuzahlende
Betrag vom 829,32 € anstelle des bisherigen Monatsbetrages von 825,03 €.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23. Juli 2007 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, dass die Rentenpassung getrennt nach
Rentenwert West und Rentenwert Ost gegen das
Grundgesetz (
GG) verstoße. Die mit der Rentenanpassung verfolgte allmähliche Angleichung der Rente "Ost" an die Rente "West" werde mit der
jetzigen Rentenanpassung missachtet. Dadurch vergrößere sich die Trennung zwischen Ost und West, diese Praxis sei ein Verstoß
gegen das
GG und diskriminiere die Bürger der neuen Bundesländer.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juli 2007 die Ermittlung der aktuellen Rentenwerte erläutert hatte, wies sie den
Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2007 zurück. Die Anpassung der Rente zum 01. Juli 2007 sei gemäß §
65 SGB VI in der Weise vorzunehmen, dass der in der Formel für die Berechnung des Monatsbetrags der Rente enthaltene aktuelle Rentenwert
oder aktuelle Rentenwert (Ost) durch den jeweils neuen aktuellen Rentenwert ersetzt und die Rente mit den bisher ermittelten
persönlichen Entgeltpunkten neu berechnet werde. Der Widerspruch richte sich gegen eine Regelung, die sich unmittelbar aus
dem Gesetz ergebe. Der Rentenversicherungsträger sei an diese gesetzliche Regelung gebunden.
Hiergegen hat die Klägerin am 05. November 2007 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben, mit der sie die Aufhebung des Rentenanpassungsbescheides
vom Juni 2007 und die Verurteilung der Beklagten, ihr eine Altersrente für den Rentenbezugszeitraum ab dem 01. Juli 2007 auf
der Grundlage der Berechnung mit dem Rentenwert (West) zu gewähren, begehrt hat. Sie hat vorgetragen, dass die Beklagte die
Berechnung zutreffend vorgenommen habe. Sie wende sich jedoch gegen die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Regelungen
für die Versicherten in Ost und West. Die besondere Ausnahmesituation, die eine unterschiedliche Festlegung der aktuellen
Rentenwerte für Versicherte in Ost und West begründet hatte, sei nicht mehr gegeben. Durch die Rentenanpassungen in gleicher
Höhe für die alten und neuen Bundesländer wie im Jahr 2007 erhöhe sich die Differenz der ausgezahlten Renten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. September 2008 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berechnung
ihrer Altersrente unter Zugrundelegung eines anderen Rentenwerts nach §§
63,
64 SGB VI. Für die bei der Klägerin gegebenen Beitragszeiten im Beitrittsgebiet werde die Rentenberechnung in den §§
256 a und
254 b SGB VI geregelt. §
254 b SGB VI bestimme, dass bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland persönliche
Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente aus Zeiten außerhalb
des Bundesgebietes gebildet werde, die an die Stelle der persönlichen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwertes nach den
§§
63 ff.
SGB VI treten. Die Angleichung der Einkommensverhältnisse sei nicht die Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung, die Beklagte
habe damit nicht die freie Entscheidung darüber, wann sie die Verwendung der Entgeltpunkte (Ost) nicht mehr für notwendig
halte. Die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass die Rentenberechnung als solche den gesetzlichen Vorschriften entspreche
und korrekt durchgeführt worden sei. Ein Verstoß gegen Art.
3 GG werde nicht gesehen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 07. November 2008 zugestellte Urteil am 03. Dezember 2008 Berufung eingelegt, mit der sie
ihr Begehren weiterverfolgt. Sie begehre die nach dem Gebot des Einigungsvertrages unterlassene Angleichung ihrer Rente entsprechend
den im Beitrittsgebiet erbrachten Vorleistungen. Vom Bundessozialgericht (BSG) seien zwar noch im Juli 2000 abweichende Regelungen
für das Beitrittsgebiet im Hinblick auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung angenommen worden. Diese
Ausnahmesituation habe aber im Juli des Jahres 2007 nicht mehr bestanden. Im Jahr 1999 habe das Verhältnis des Rentenniveaus
der neuen zu den alten Bundesländern 87 % betragen, im Jahr 2006 seien 87,9 % erreicht worden. Damit werde das Anpassungsgebot
aus Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages (EV) verletzt. Eine Verfassungsmäßigkeit ergebe sich auch nicht aus den angeblich
noch bestehenden unterschiedlichen Einkommensverhältnissen in den neuen und alten Bundesländern. Diese Unterschiede seien
in vielen Branchen bereits nicht mehr vorhanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. September 2008 und den Rentenanpassungsbescheid der Beklagten zum 01. Juli 2007
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung
der Rente der Klägerin anstelle des Rentenwerts (Ost) den Rentenwert (West) zugrunde zu legen und ihr eine höhere Rente zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sei als Organ der Exekutive gemäß Art.
20 Abs.
3 GG an Recht und Gesetz gebunden und habe keine Möglichkeit, über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu befinden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten
Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt
haben (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist
statthaft als Anfechtungsklage gegen die einen Verwaltungsakt verlautbarende Rentenanpassungsmitteilung sowie als unechte
Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) auf Festsetzung eines höheren Anpassungswertes und Zahlung höherer Rente.
Soweit die Klägerin einen Anspruch auf Neufeststellung ihres Rechts auf Altersrente unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts
an Stelle des aktuellen Rentenwerts (Ost) verfolgt, ist die Klage unzulässig. Die Rentenhöchstwertfestsetzung ist nicht Streitgegenstand
des hiesigen Verfahrens gegen die Anpassungsmitteilung. Zulässiger Streitgegenstand ist ausschließlich die Rentenanpassungsmitteilung
zum 01. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007, nur hierüber hat die Beklagte entschieden
und ist ein Vorverfahren (§
78 SGG) durchgeführt worden. Der Rentenanpassungsbescheid bildet einen selbständigen Streitgegenstand, in ihm wird nicht über den
Geldwert der Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung, d.h. über die wertmäßige Fortschreibung eines (bereits
zuerkannten) Werts des Rechts auf Rente, entschieden (vgl. BSG SozR 4-2600 § 260 Nr. 1 m. w. N.).
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die Rentenanpassung zum 01. Juli 2007 ist rechtmäßig und ein Anspruch
der Klägerin auf Feststellung eines höheren Anpassungswertes und Zahlung höherer Rente demzufolge nicht gegeben. Eine gesetzliche
Grundlage für eine Erhöhung der Rente ab 1. Juli 2007 über den festgesetzten Prozentsatz von 0,54 Prozent hinaus besteht nicht.
Weder die der Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 zu Grunde liegende Vorschrift des §
255 e SGB VI (vgl. BSG, Urteile vom 21.01.2009 - B 12 R 1/07 R - und vom 13.11.2008 - B 13 R 13/08 R - jeweils Juris) noch die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift durch die Beklagte verstößt gegen höherrangiges Recht.
Fehler bei der Rentenberechnung als solcher sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der hier maßgebenden Vorschriften der Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 bestehen nicht.
Zunächst ist festzuhalten, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich der Regelungen zur Rentenanpassung ein breites Einschätzungsrecht
zusteht und sich die verfassungsrechtliche Prüfungskompetenz auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (vgl. BVerfG 76, 220, 241).
Es kann erst dann von einem unangemessenen bzw. unverhältnismäßigen staatlichen Grundrechtseingriff gesprochen werden, wenn
bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der
Zumutbarkeit nicht mehr gewahrt ist. Hierbei ist bei der Abwägung zwischen der Belastung des Versicherten durch eine Schmälerung
von Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften einerseits sowie der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen
Rentenversicherung andererseits zu beachten, dass der Versicherte in das Solidarsystem eingebunden ist und auch die Risiken
dieses Systems trägt. Zu berücksichtigen ist gerade im Hinblick auf langfristig wirkende Rentenreformen die Generationengerechtigkeit
zwischen den Vergleichsgruppen der gegenwärtigen Beitragszahler und der Rentenempfänger, die einen sozialverträglichen Ausgleich
beinhaltet (Sodan, Verfassungsrechtliche Determinanten der gesetzlichen Rentenversicherung, NZS 2005, 561). Die demographische Last kann nicht ausschließlich von den Beitragszahlern getragen werden. Auch von den Rentenbeziehern
kann ein sozialverträglich ausgestalteter Anteil eingefordert werden, wobei zwar ein Eingriff in die eigentliche Substanz
ausscheidet, jedoch bei der Rentenanpassung möglich ist (Urteil des LSG Bayern vom 10. Mai 2006, Az.: L 1 R 4018/04). Das BSG hat im Übrigen zur Frage, ob die Aussetzung der sich aus §
68 SGB VI eigentlich ergebenden Rentenanpassung 2004 infolge Art. 2 des 2.
SGB VI-Änderungsgesetzes entgegen §
69 Abs. 1
SGB VI zu beanstanden war, darauf hingewiesen, dass das
GG keine Anspruchsgrundlage enthält, aus der sich ein Anspruch auf höhere Rentenzahlung gegen die Rentenversicherungsträger
ergeben könnte und keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht festgestellt (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2007, Az.: B 4 RA 51/05 R). Der Gesetzgeber verfolgte mit den bisher getroffenen Maßnahmen das Ziel, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung
zu stabilisieren. Schon dieses öffentliche Interesse ist geeignet, die hierzu getroffenen gesetzgeberischen Maßnahmen zu rechtfertigen,
denn sie tragen zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung bei. Andererseits
führen diese Maßnahmen nicht dazu, dass die Rente ihre Funktion als substanzielle Alterssicherung verliert (vgl. ausführlich
Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Oktober 2008 - L 1 R 504/08 - veröffentlicht in Juris).
Der Senat sieht auch in der gleichmäßigen Rentenanpassung West und Ost beziehungsweise der von der Klägerin angemahnten Rentenangleichung
Ost und West keinen Verstoß gegen Art.
3 Grundgesetz (
GG). Zutreffend hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 120/00, zitiert nach Juris) ausgeführt, dass Art.
3 Abs.
1 GG erst dann verletzt ist, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich
und seiner Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt und dass dies bei einer prozentual gleichen Anpassung der
Renten in West und Ost nicht gegeben ist.
Eine Verletzung verfassungsrechtlicher Vorschriften durch die ab 1. Juli 2007 vorgenommene Rentenanpassung liegt somit nicht
vor und wird von der Klägerin auch nicht substantiiert behauptet.
Die Berufung der Klägerin war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG lagen nicht vor.