Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für Leistungen der stationären Eingliederungshilfe in der Einrichtung der Beigeladenen,
Wohnstätte für Kinder und Jugendliche mit geistigen, mehrfachen Behinderungen in B, über den 6. April 2012 hinaus bis zum
14. September 2017.
Der 1985 geborene, also jetzt 33 Jahre alte Kläger steht unter der Betreuung seiner Eltern, B und U S. Er leidet laut sozialmedizinischem
Gutachten der Fachärztin für Kinderheilkunde und Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. L vom 10. April 1992 an einem Zustand nach
frühkindlicher Hirnschädigung mit nachfolgendem Defekt (Komplexbehinderung); Wasserkopf; epileptischem Anfallsleiden. Für
den Kläger sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B (Notwendigkeit ständiger Begleitung), aG (außergewöhnliche
Gehbehinderung), H (Hilflosigkeit) und RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) unbefristet festgestellt. Er befand
(und befindet) sich seit dem 10. Februar 1986 in Einrichtungen, zunächst in der Kinderpflegestation P, anschließend in der
Wohnstätte III für Schwerstmehrfachbehinderte in W. Im Jahr 1996 wurde die Hilfegewährung durch den Beklagten übernommen.
Seit dem Jahr 2002 wurde der Kläger in der Kinderwohnstätte der Beigeladenen, Sstraße in B betreut.
Mit Bescheid vom 28. August 1996 hatte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Prignitz den Eltern des Klägers mitgeteilt,
dass dieser auf Empfehlung des Förderausschusses und auf den Wunsch der Eltern hin nicht mehr schulisch betreut werde.
Der bei Aufnahme des Klägers in die Kinderwohnstätte in B geltende Rahmenvertrag nach § 93 d Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 1. Januar 1999 regelt gemäß Teil I, Allgemeines, § 1 Abs. 1 die Rahmenbedingungen für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 93d Abs. 2 BSHG über die Erbringung von Leistungen der Sozialhilfe in Einrichtungen im Sinne des § 3 des Vertrages. Gemäß § 8 des Rahmenvertrages beinhaltete die Leistungsvereinbarung den vom Träger der Einrichtung zu betreuenden
Personenkreis (Zielgruppe). Die Zielgruppe bestimmte sich nach der Konzeption des Trägers. Grundsätzlich war dabei der Systematik
der Leistungstypen zu folgen. Der Leistungstyp I war in der Anlage zum Rahmenvertrag folgendermaßen beschrieben:
1. Kurzbezeichnung des LT [Leistungsträgers]: Wohnen für Kinder und Jugendliche (Einschränkung vgl. Zielgruppe) mit körperlichen,
geistigen und/oder mehrfachen Behinderungen (WS-K),
2. Zielgruppe: Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, die zum Personenkreis § 1, 2 EHVO gehören, noch nicht schulpflichtig oder schulpflichtig sind, stationärer Betreuung nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG bedürfen und bei denen nicht Leistungen nach dem BbgSchulG oder Maßnahmen nach § 40 I Nr. 4 BSHG im Vordergrund des Hilfebedarfs stehen.
Bezüglich der jungen Volljährigen ist in der Fußnote 1 angegeben: Keine Aufnahme von jungen Volljährigen in Kindereinrichtungen.
Nach der Konzeption der Kinderwohnstätte B Stand 12. August 2002, dort Pkt. 6. (Klientel) konnten in der Wohnstätte Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 5 Jahren bis 18 Jahren aufgenommen werden. Weiter war geregelt: "Die Jugendlichen
können bis Beendigung des Schulalters, 23 Jahre, in der Einrichtung wohnen. In der kleinen Wohnstätte in B werden vorrangig
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit schweren und schwerstmehrfachen Behinderungen aufgenommen". In der Leistungsvereinbarung
gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 1 BSHG vom 19. bzw. 20. Mai 2003, Stand 21. März 2003, zwischen der Einrichtung und dem Landesamt für Soziales und Versorgung war
st die Einrichtung folgendermaßen beschrieben:
"1. Kurzbeschreibung der Einrichtung (Kurzform der Konzeptionsinhalte sowie Vernetzungsangebote)
- Wohnstätte für geistigbehinderte und geistig/schwerstmehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche mit ganzheitlicher Betreuung
auf der Basis von Normalisierung und Individualisierung im Sinne einer sozialen Integration und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
- (...)
2. Beschreibung der Zielgruppe (Angabe der Personenzahl, Grundsätzlich ist d. Systematik d. Leistungstypen zu folgen)
- Geistigbehinderte Kinder und Jugendliche z.T. mit zusätzlichen Behinderungen/Verhaltensauffälligkeiten (unter Beachtung
der Zuständigkeit des SGB VIII), die auch als schwerstmehrfachbehinderte Personen gelten können, die noch nicht schulpflichtig sind und eines Aufenthaltes
in der Wohnstätte bedürfen.
- Die Aufnahme erfolgt bis zum Erreichen der Volljährigkeit. Mit Beendigung der Schulpflicht für junge Volljährige hat ein
Wechsel in eine geeignete Wohnform für Erwachsene zu erfolgen.
- Ausschlusskriterien für Neuaufnahmen: junge Volljährige mit Behinderungen."
Mit Bescheid vom 12. September 2003, der die Überschrift: "Gewährung von Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß
§§ 39, 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i.V.m. § 100 Abs. 1 BSHG für S" trägt, teilte der Beklagte den Betreuern des Klägers mit, dass aufgrund der bestehenden Notwendigkeit einer stationären
Betreuung bis auf weiteres Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe durch den Landkreis Prignitz rückwirkend ab dem 1.
Januar 1997 für die Unterbringung des Klägers in der Kinderwohnstätte der L e. V. übernommen würden. Mit Bescheid vom 23.
November 2005 teilte der Beklagte den Betreuern des Klägers unter der Überschrift: "Weitere Gewährung von Hilfen in Einrichtungen
gemäß Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch - (SGB XII) für S, mit, dass sich mit dem Inkrafttreten des SGB XII zum 1. Januar 2005 einige Änderungen ergeben hätten. Bis zum 31. Dezember 2004 habe die gewährte Eingliederungshilfe auch
den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt beinhaltet. Diese Regelung sehe das SGB XII nicht mehr vor, vielmehr seien alle Leistungen gesondert darzustellen. Es handele sich u.a. um die Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen gemäß § 53 ff. SGB XII. Die Berechnung und die jeweiligen Einzelleistungen sollten der anliegenden Übersicht entnommen werden. Der aktuelle Leistungsbescheid
bleibe weiterhin in Kraft und werde durch die dargestellten Leistungen sowie der als Anlage beigefügten Übersicht konkretisiert.
In den Akten des Beklagten finden sich Aktennotizen über Gespräche zwischen dem Betreuer des Klägers und Mitarbeitern des
Beklagten bzw. des Landesjugendamtes Brandenburg. Inhalt der Gespräche war, dass der Kläger langfristig in eine Einrichtung
für Erwachsene wechseln solle. In einer Fallkonferenz vom 25. September 2007 forderte der Vertreter des Landesjugendamtes
Brandenburg die Betreuer auf, eine andere Einrichtung für den Kläger zu finden.
In einer amtsärztlichen Begutachtung vom 5. Februar 2008 kam die Fachärztin für Allgemeinmedizin Gzu dem Ergebnis, dass ein
Umzug des Klägers in eine andere Einrichtung nicht unbedingt zu einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung bei ihm führen
müsse, es sei aber eine eher verlängerte Phase der Eingewöhnung von drei bis sechs Monaten zu favorisieren.
Laut dem in den Akten des Beklagten vorliegenden Beratungsprotokoll vom 4. Februar 2008 lehnte der Vater des Klägers den Umzug
in eine andere Einrichtung ab. Herr L vom Landesjugendamt Brandenburg legte als Endtermin für B den 31. Dezember 2008 fest.
Mit Schreiben vom 2. März 2012 übersandte das Landesjugendamt Brandenburg der Beigeladenen das Protokoll der Beratung vom
14. Februar 2012, an der die Eltern und Betreuer des Klägers sowie eine Frau B, die Bezugsbetreuerin des Klägers Frau S, Herr
B und Herr L vom Landesjugendamt teilgenommen hatten. Darin ist aufgeführt, dass der Kläger mit Vollendung des 27. Lebensjahres
kein junger Mensch im Sinne des Sozialgesetzbuchs/Achtes Buch (SGB VIII) mehr sei und eine Zuständigkeit des Landesjugendamtes nicht mehr gegeben. Ein Weiterwohnen sei ab dem 6. April 2012 ausgeschlossen.
Mit Bescheid vom 20. März 2012 hob der Beklagte die Kostenzusage vom 12. September 2003 für die stationäre Betreuung zum 6.
April 2012 auf. Als Rechtsgrundlage benannte er § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Die Einrichtung sei eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und auf die Rechte und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen
ausgerichtet. Gemäß § 7 SGB VIII zählten hierzu Kinder, welche noch nicht 14 Jahre alt und Jugendliche, welche 14, aber noch nicht 18 Jahre als seien. Mit
dem 18. Geburtstag des Klägers seien die Betreuer darauf hingewiesen worden, dass ein Wechsel in eine geeignete Einrichtung
vorgenommen werden müsse. In der Fallkonferenz am 4. Februar 2008 sei dieser Umzug wieder angemahnt worden. Unter Berücksichtigung
des Wunsch- und Wahlrechtes seien dem Kläger nach pflichtgemäßem Ermessen Leistungen in der Einrichtung im Rahmen der Eingliederungshilfe
gewährt worden. Dennoch könne die Leistung nicht immer auf die Wünsche des Einzelnen abgestimmt werden, wenn, wie hier zutreffend,
die Geeignetheit der Maßnahme fehle. Der Kläger habe Anspruch darauf, als Erwachsener behandelt zu werden. Deshalb solle er
in eine Einrichtung für Erwachsene wechseln, damit dort geeignete Maßnahmen für Erwachsene angeboten werden könnten. Laut
Gutachten aus dem Jahr 2007 von Dr. M-gemeint ist wohl das Gutachten von Frau G müsse ein Einrichtungswechsel keine gesundheitlichen
Beeinträchtigungen mit sich bringen. Im Jahr 2008 seien dem Kläger bereits geeignete Einrichtungen angeboten worden. Leistungen
würden nur noch bis zum 5. April 2012 übernommen.
Zur Begründung des am 20. April 2012 bei dem Beklagten eingegangenen Widerspruches führten die Betreuer des Klägers aus, sie
lehnten eine Einrichtung der A ab. Es müsse eine Einrichtung der L sein. Der Kläger befinde sich auf dem Entwicklungsstand
eines Neugeborenen. Er fühle sich am Wohlsten, wenn er die sozialen Kontakte mit kleinen Kindern erfahre und ihre Stimmen
und Laute höre. Erst beim Berühren durch kleine Babyhändchen sei in seinem Gesicht eine Zufriedenheit zu erkennen. Dem Gutachten
von Dr. M werde nicht zugestimmt. Ein Wechsel der Wohnstätte sei für den Kläger problematisch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Argumentation entspricht derjenigen
in dem angefochtenen Bescheid.
Mit der am 3. August 2012 bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger wichtige emotionale Beziehungen zu den Mitarbeitern der Wohnstätte habe aufbauen
können. Es sei das Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 17 Abs. 2 i. V. m. § 9 SGB XII zu berücksichtigen. Dabei seien die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dies sei hier nicht erfolgt. Der Beklagte
beschränke sich auf eine rein formale Sichtweise ohne erkennbare Berücksichtigung des individuellen Bedarfs des Klägers.
Der Beklagte hat eingewandt, das Argument, dass der Kläger den Großteil seines Lebens in der Einrichtung verbracht habe, müsse
dahingehend entkräftet werden, dass die Betreuer sich früher um eine Einrichtung hätten kümmern müssen, da sie bei Aufnahme
in die Einrichtung gewusst hätten, dass es sich hierbei um eine Kinder- und Jugendeinrichtung handele. Das amtsärztliche Gutachten
bestätige nicht, dass es sich um einen unzumutbaren Umzug handele. Die Konzeption der Wohnstätte werde in Punkt 3 eindeutig
dahingehend beschrieben, dass in der Wohnstätte ausschließlich geistig und schwerstmehrfach behinderte Kinder, Jugendliche
und junge Erwachsene aufgenommen würden. Der Kläger gehöre zu keiner dieser Gruppen. Der Beklagte verwies auf die Konzeption
der Wohnstätte (Stand Mai 2002), in der es unter Punkt 3 Satz 1 heißt: "In dieser Wohnstätte finden ausschließlich geistig
und schwerstmehrfach behinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Landkreis Prignitz Aufnahme".
Der Beklagte überreichte eine fachärztlich-gutachtliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.
M vom 8. Mai 2013, die dieser nach Besuch in der Einrichtung erstellt hatte. Darin heißt es u.a., dass davon ausgegangen werden
müsse, dass ein Umzug in der Zukunft in eine andere Einrichtung mit aller Wahrscheinlichkeit keine Gefahr für Leib und Leben
bzw. Gesundheit des Klägers mit sich bringe. In seinem Schriftsatz vom 3. Dezember 2013 bekräftigte der Beklagte, dass ein
Aufenthalt in der Einrichtung in B lediglich bis zum 18. Lebensjahr vorgesehen sei. Es handele sich um eine Einrichtung für
Kinder und Jugendliche.
Mit Schreiben vom 6. August 2012 erteilte das Landesjugendamt Brandenburg dem Beigeladenen die Auflage, die Betreuung des
Klägers zum 31. Dezember 2012 zu beenden. Diese Auflage war mit Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam unter dem Az.: VG 7 K 2179/12 anhängig und wurde nach dem Umzug des Klägers in die neue Wohnstätte für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 27. Februar 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat gemäß §
136 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass das Wunsch- und Wahlrecht die Bindungswirkung
des Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) für den Beklagten nicht aushebeln könne. Die Wohnstätte des Beigeladenen sei nach der Konzeption, der Vereinbarung gemäß
§ 75 Abs. 3 SGB XII, der Betriebserlaubnis eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche und maximal junge Erwachsene, die bereits als Kinder oder
Jugendliche aufgenommen worden seien. Mit Beendigung der Schulpflicht für junge Volljährige habe ein Wechsel in eine geeignete
Wohnform für Erwachsene zu erfolgen. Der besondere Schutzbedarf, insbesondere von Kindern, könne durch die Anwesenheit des
über 27jährigen Klägers in seiner Entsprechung gefährdet sein.
Gegen das am 16. März 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. April 2015 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt. Das Sozialgericht habe sich nur unzureichend mit der Argumentation des Klägers auseinandergesetzt. Die angebotenen
Zeugen- und Augenscheinsbeweise seien nicht berücksichtigt worden. Eine fünfminütige Begutachtung durch den Amtsarzt reiche
nicht aus. Eine Kindswohlgefährdung liege nicht vor. Der Kläger mache auch keinem anderen Kind einen Platz in der Einrichtung
streitig. Diese habe acht Plätze. Derzeit bewohnten neun Kinder die Einrichtung. Der des Klägers sei ein absoluter Einzelfall.
Seit 2003 hätten alle Bewohner spätestens mit Erreichen des 27. Lebensjahres die Einrichtung verlassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. Februar 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 20. März 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Wunsch- und Wahlrecht bestünde nur innerhalb der entsprechenden Kategorie, nicht aber dahingehend, als Erwachsener in
einer Kinder- und Jugendeinrichtung untergebracht zu werden.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Seine Argumentation entspricht im Wesentlichen derjenigen des Klägers. Der Beigeladene
hätte die Kosten für die erbrachten Leistungen gestundet.
In einem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht am 11. Oktober 2017 hat der Geschäftsführer des Beigeladenen erklärt,
dass der Kläger seit dem 15. September 2017 in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, die sich auf dem Gelände der Kinderwohnstätte
befindet. Es handelt sich um eine Einrichtung für junge Erwachsene und Erwachsene, jeweils mit schweren Behinderungen. Weiter
hat er erklärt, dass für den Zeitraum 6. April 2012 bis 15. September 2017 ein Betrag von nicht beglichenen Unterbringungskosten
in Höhe von 302.974,75 EUR aufgelaufen ist.
Die Berichterstatterin hat in dem Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass der Beklagte als Rechtsgrundlage für die Aufhebung
§ 48 SGB X benannt habe, allerdings bei Erlass des Bescheides vom 12. September 2003, mit dem die Kostenzusage rückwirkend ab den 1.
Januar 1997 für die Unterbringung in der Kinderwohnstätte der L e.V. in B bewilligt worden sei, das 18. Lebensjahr des Klägers
bereits vollendet gewesen sei. Damit dürfte eine Änderung in den Verhältnissen nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom
12. September 2003 nicht vorliegen und es käme als Rechtsgrundlage dann nur § 45 SGB X in Betracht. Für eine Rücknahme dürften aber die Fristen, insbesondere die Zwei-Jahres-Frist, verstrichen sein.
Hierzu hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 6. November 2017 dahingehend Stellung genommen, dass § 48 SGB X doch die zutreffende Rechtsgrundlage sei. Entscheidend sei, wann die Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Dies sei
nicht der Zeitpunkt des 18. Geburtstags des Klägers, sondern erst der 27. Geburtstag des Klägers. Der Kläger sei bis zum 27.
Geburtstag berechtigt gewesen, in der Einrichtung in B zu leben. Dies ergebe sich aus dem Rahmenvertrag, in dem unter § 11
Abs. 2 2. Anstrich als Parameter für die Strukturqualität die Konzeption der Einrichtung angegeben sei. In der Konzeption
Punkt 3 sei angegeben, dass in der Wohnstätte ausschließlich geistig und schwerstmehrfachbehinderte Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene aus dem Landkreis Prignitz Aufnahme fänden. Im Rahmenvertrag sei somit eindeutig geregelt, dass junge Erwachsene,
also junge Volljährige im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII, in dieser Einrichtung leben dürften.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten
und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten und Auszüge aus der Akte des Verwaltungsgerichts Potsdam 7 K 2179/12 haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 SGG). Sie ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. Februar 2015 und der Bescheid des Beklagten vom
20. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen
Rechten. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 12. September 2003 sind nicht gegeben.
Der Beklagte hat als Rechtsgrundlage für die Aufhebung § 48 Abs. 1 SGB X benannt. Diese Vorschrift lautet:
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Eine Änderung in den Verhältnissen ist nach Erlass des Bescheides vom
12. September 2003 nicht eingetreten. Mit dem genannten Bescheid hatte der Beklagte dem Kläger gemäß § 39 ff BSHG rückwirkend ab dem 1. Januar 1997 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form einer Kostenzusage für die Unterbringung in
der Kinderwohnstätte des Beigeladenen in B bewilligt. Der Kostenübernahmeanspruch des behinderten Menschen kann jedoch nur
soweit reichen, wie der Leistungsträger dem Leistungserbringer rechtlich zur Übernahme einer Vergütung verpflichtet ist. Hierzu
bestimmte § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG in der Zeit bis zum 31. Dezember 2004 Folgendes:
Wird die Leistung von einer Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung für die Leistung
nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über
1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung),
2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung)
und
3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung)
besteht.
Der Kostenübernahmeanspruch des behinderten Menschen reicht nur soweit, wie der Träger der Einrichtung eine Vergütung schuldet.
Dies hängt ausschließlich von der Leistungsvereinbarung des Sozialhilfeträgers mit dem Träger der Einrichtung ab (Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2015, Az. L 23 SO 239/13, juris Rn. 40, im Anschluss an das Urteil des Bundessozialgerichts
- BSG - vom 2. Februar 2010, Az. B 8 SO 20/08 R, dokumentiert in juris und in FEVS 61, 534). In der zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung
geltenden Leistungsvereinbarung vom 19. bzw. 20. Mai 2003 mit der Anlage, Stand 21. März 2003, die noch nach dem BSHG geschlossen worden war, heißt es in Punkt 2: "Beschreibung Zielgruppe: Die Aufnahme erfolgt bis zum Erreichen der Volljährigkeit.
Mit Beendigung der Schulpflicht für junge Volljährige hat ein Wechsel in eine geeignete Wohnform für Erwachsene zu erfolgen".
Bei Erlass des Bescheides vom 12. September 2003 hatte der Kläger das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet und er war bereits
seit 1996 ausgeschult, so dass sein Aufenthalt als junger Erwachsener in dieser Einrichtung nach der Vereinbarung schon nicht
mehr zulässig war. Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung im September 2003 hätte er nach der Leistungsvereinbarung gemäß § 93d BSHG bereits in eine Einrichtung für Erwachsene wechseln müssen. Dies bedeutet, dass der Beklagte den Bescheid in der Form, in
der er ihn erteilt hat, nämlich auch unbegrenzt für die Zukunft, nicht hätte erteilen dürfen. Etwas anderes ergibt sich auch
nicht aus dem Rahmenvertrag und aus der Konzeption der Einrichtung. Der Rahmenvertrag gemäß § 93d Absatz 2 BSHG regelt in seinem § 8, dass die Leistungsvereinbarung den vom Träger der Einrichtung zu betreuenden Personenkreis (Zielgruppe) beinhaltet. Nach
der Konzeption der Kinderwohnstätte B, Stand 12. August 2002, dort Pkt. 6. (Klientel) konnten in der Wohnstätte Kinder, Jugendliche
und junge Erwachsene im Alter von 5 Jahren bis 18 Jahren aufgenommen werden. Weiter ist geregelt: "Die Jugendlichen können
bis Beendigung des Schulalters, 23 Jahre, in der Einrichtung wohnen. In der kleinen Wohnstätte in B werden vorrangig Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene mit schweren und schwerstmehrfachen Behinderungen aufgenommen". Die Argumentation des Beklagten
ging bisher dahin, dass der Kläger als junger Erwachsener nicht mehr in der Einrichtung hätte verbleiben dürfen, so lautet
auch die Argumentation in dem Aufhebungsbescheid vom 20. März 2012. Dort wird ausgeführt, dass die Einrichtung eine Kinder-
und Jugendhilfeeinrichtung und auf die Rechte und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sei. Auch im Widerspruchsbescheid
heißt es: "Bei der Wohnstätte der L Prignitz e.V. in B handelt es sich um eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche". Soweit
sich der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 6. November 2017, also nach dem Hinweis der Berichterstatterin, dass hier eine
Anwendbarkeit von § 48 SGB X nicht gegeben sein dürfte, darauf berufen hat, dass die Änderung der Verhältnisse erst mit Vollendung des 27. Lebensjahres
eingetreten sei, weil der Kläger bis dahin ein junger Erwachsener gewesen sei, so widerspricht dies seinem vorherigen Vorbringen
und findet in keiner der einschlägigen Bestimmungen, nämlich Gesetz, Leistungsvereinbarung, Rahmenvertrag und Konzeption,
eine Stütze. Zwar ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch/Achtes Buch (SGB VIII) ein junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist, und es kommen für ihn ggfs. noch Hilfen nach dem SGB VIII in Betracht, dies ändert aber nichts daran, dass die Belegung gemäß dem Rahmenvertrag in Verbindung mit der Konzeption der
Einrichtung und der Leistungsvereinbarung nur mit Kindern und Jugendlichen und in Ausnahmefällen mit jungen Erwachsenen, die
noch zur Schule gehen, erfolgen durfte.
Damit ist eine Änderung in den Verhältnissen nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 12. September 2003 nicht eingetreten.
Als Rechtsgrundlage für eine Rücknahme kommt dann (nur) § 45 SGB X in Betracht. Diese Vorschrift lautet:
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze
2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand
des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig
ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition
getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der
Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben
beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht
hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit
liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren
nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend §
580 der
Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
1. die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt
des Widerrufs erlassen wurde.
(...)
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.
Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden
Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
Der Bescheid vom 12. September 2003 war, wie gesagt, zum Zeitpunkt seines Erlasses für die Zukunft rechtswidrig, weil der
Kläger in der Einrichtung nicht hätte verbleiben dürfen. Es handelte sich bei dem Bescheid auch um einen Dauerverwaltungsakt,
weil er ohne Befristung für eine unbestimmte Zeit eine Regelung trifft, nämlich die Kostenzusage. Abgesehen davon, dass eine
Umdeutung der Aufhebung gemäß § 48 SGB X in eine Rücknahme gemäß § 45 SGB X gemäß § 43 SGB X nicht zulässig sein dürfte, sind für eine Rücknahme nach § 45 SGB X auch die Fristen, insbesondere die Zweijahresfrist zur Rücknahme, verstrichen. Anhaltspunkte für eine Bösgläubigkeit des
Klägers bzw. seiner Betreuer, die zu einer Rücknahme für die Vergangenheit führen könnten, liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache. Dem Beigeladenen sind keine Kosten zu erstatten, weil er keinen Antrag gestellt
hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.