Parallelentscheidung zu LSG Hamburg - L 4 AS 275/11 - v. 19.03.2015
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Regelbedarfs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2012.
Der 1961 geborene alleinstehende Kläger ist seit längerem hilfebedürftig und bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. In dem betreffenden Zeitraum war er erwerbsfähig und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von
50.
Mit Bescheid vom 15. November 2011, abgeändert mit Bescheid vom 26. November 2011, bewilligte der Beklagte dem Kläger laufende
Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012, darunter auch monatliche Regelleistungen in Höhe von 374 EUR.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wegen der nach Ansicht des Klägers zu niedrig bemessenen Regelleistungen wies der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2012 zurück.
Zudem beantragte der Kläger am 24. November 2011 zusätzliche monatliche Leistungen für eine Krankenkost. Der Beklagte lehnte
den Antrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 ab und verwies auf die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung
von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe. Hiergegen legte der Kläger am 29. Dezember 2011 Widerspruch ein, den der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2012 zurückwies.
Am 3. Februar 2012 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Diese hat er mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren
begründet und hat im Übrigen vorgetragen, dass ihm mindestens ein Betrag für den Regelbedarf von monatlich 511 EUR zu bewilligen
sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. März 2011 abgewiesen und hat zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass
die dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 26. November 2011 bewilligten Regelleistungen zutreffend nach § 20 SGB II festgesetzt worden seien. Es bestünden auch keinerlei Zweifel daran, dass diese gesetzliche Regelung mit höherrangigem Recht
vereinbar sei. Die neuen Regelbedarfe seien durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten
und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453) festgelegt worden. Hieran sei das Gericht gebunden. Es könne das Gesetz nur gemäß Art
100 Abs.
1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Dies komme aber nicht in Betracht, wenn das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit
der betreffenden gesetzlichen Norm überzeugt sei. Für eine Verfassungswidrigkeit des neuen Regelbedarfsgesetzes bestünden
keine Anhaltspunkte. Die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende sei vom Gesetzgeber für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 nicht
in verfassungswidriger Weise zu niedrig angesetzt worden. Die im Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25.4.2012
(S 55 AS 9238/12) vorgebrachten Argumente überzeugten nicht. Das erkennende Gericht schließe sich vielmehr der Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 12. Juli 2012 (B 14 AS 153/11 R und B 14 AS 189/11 R) an und verweise auf die Ausführungen in diesem Urteil. Zwar sei noch ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht zur Höhe
des Regelbedarfes anhängig. Das Bundesverfassungsgericht habe insoweit allerdings mit Beschluss vom 20. November 2012 (1 BvR 2203/12) die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, was dafür spricht spreche, dass die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht
auf Erfolg haben werde. Letztlich bestünden auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dauerhafte Transferleistungsbezieher
wie der Kläger einen höheren Bedarf hätten, als vorübergehende.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen
Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die bei ihm vorliegende Hypertonie sei diätisch mit einer Vollkost zu behandeln, die nicht
mit höheren Kosten als gewöhnlich verbunden seien und daher durch den Regelbedarf abgedeckt sei.
Gegen das ihm am 15. März 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. April 2013 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Leistungsbegehren
bezogen auf einen höheren Regelbedarf weiter. Er trägt vor, dass der Regelbedarf im SGB II im Hinblick auf das Gesetz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit
Behinderung zu gering bemessen. Das verbindliche Verbot von dauerhaften wie finanziellen Armutsabhängigkeiten und Armutsverhältnissen
gemäß Art. 4 i.Vm. Art. 28 Abs. 2 Buchstabe c) dieses Übereinkommens habe das Bundesverfassungsgericht bei seiner den Regelsatz
betreffenden Entscheidung vom 9. Februar 2010 nicht berücksichtigt. Durch verschiedene Veröffentlichungen werde belegt, dass
der Bundesgesetzgeber bewusst die Berechnung des Regelsatzes ab 2011 manipuliert habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung
der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihm über die bewilligten Leistungen hinaus für den Zeitraum von 1. Januar
2012 bis 30. Juni 2012 einen höheren Regelsatz von mindestens 511,00 EUR nebst Zinsen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen
und verweist zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils erster Instanz.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten
sowie der beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte hat den dem Kläger zustehenden Regelbedarf für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2012 zutreffend mit
374 EUR pro Monat bestimmt. Dieser Betrag entspricht dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II vorgesehenen monatlichen Regelbedarf für alleinstehende hilfebedürftige Personen welcher zum 1. Januar 2012 von 364 EUR gemäß
der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 SGB II vom 20. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2093) auf 374 EUR angehoben worden ist.
Einer Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung eines Regelbedarfs von 511 EUR monatlich, wie es der Kläger anstrebt, steht
entgegen, dass der Gesetzgeber den Pauschalbetrag in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgelegt hat und das Gericht gem. Art.
20 Abs.
3 des
Grundgesetzes - wie auch der Beklagte - an dieses Gesetz gebunden ist. Da der Gesetzgeber den Regelbedarf als Pauschalbetrag in das Gesetz
aufgenommen hat, ist diese Bestimmung auch keiner Auslegung durch das Gericht zugänglich. Das Gericht kann einen höheren Regelbedarf
auch nicht wegen der Behinderung des Klägers und seines schon länger dauernden Leistungsbezugs zusprechen. Denn die entsprechenden
Regelungen, die den Regelbedarf typisierend für sämtliche Leistungsempfänger nach dem SGB II festlegen, sehen dies nicht vor.
Zur Änderung des gesetzlichen Regelbedarfs kann nur das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber veranlassen. Der Senat ist
allerdings nicht davon überzeugt, dass die Bestimmung des Regelbedarfs verfassungswidrig ist, was erforderlich wäre, um sie
dem Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 des
Grundgesetzes (
GG) zur Entscheidung über die Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht vorzulegen (ständige Rspr. BVerfG, Urteil vom 20.3.1952 - 1
BvL 12, 15, 15, 24, 28/51). Im Gegenteil erachtet er diese Bestimmung für verfassungsgemäß. Bereits mit Urteil vom 24. April
2014 (L 4 AS 372/13), seinerzeit noch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R und B 4 AS 47/12 R sowie vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R und B 13 AS 189/11 R) hat der Senat zu dieser Frage befunden, dass die Regelbedarfe für Alleinstehende nicht in verfassungswidriger Weise zu
niedrig festgesetzt worden seien. Nachdem das Bundesverfassungsgericht erneut mit Urteil vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 10/12, 1 BvR 1691/13) entschieden hat, dass die betreffende Bestimmung mit Verfassungsrecht in Einklang steht, ist diese Auseinandersetzung inzwischen
endgültig obsolet geworden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der von dem Kläger an der Höhe des Regelbedarfs
angebrachten Kritik auf die Entscheidungsgründe des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils vom heutigen Tag zum Aktenzeichen
L 4 AS 275/11 verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen.