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LSG Sachsen, Urteil vom 26.04.2017 - 1 KR 185/12
Krankenversicherung Ganzkörper- und Tiefen-Hyperthermie-Therapien Unaufschiebbarkeit der Leistung Neue ärztliche Behandlungsmethoden
1. Bietet die Schulmedizin bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung nur noch eine palliative Therapie an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt eine aus Verfassungsgründen aufgrund einer notstandsähnlichen Situation zu erbringende Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg im Sinne einer Heilung oder wenigstens einer positiven Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung selbst besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2013 - 1 BvR 2045/12 - juris Rn. 15, und BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 48/09 R - juris Rn. 32).
2. Ob Indizien in diesem Sinne vorliegen, richtet sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft. Für die Kosten experimenteller Behandlungen aufgrund - ggf. auch wissenschaftlicher - Hypothesen müssen die Krankenkassen nicht aufkommen.
3. Auch bei einer Alternativbehandlung in einer notstandsähnlichen Situation muss der Arzt konkret bezogen auf den Einzelfall Risiken und Nutzen der Therapie nach dem voraussichtlich erreichbaren Behandlungsziel ermitteln, d.h. eine gewissenhafte Chancen-/Risikoabwägung durchführen.
1. Unaufschiebbarkeit im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten.
2. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, z.B. weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann.
3. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen.
4. Die medizinische Unaufschiebbarkeit bzw. Dringlichkeit einer Behandlung ist indessen nicht allein ausschlaggebend; denn der unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 und 2 SGB V in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs. 2 SGB V) und setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben.
5. Für neue ärztliche Behandlungsmethoden - d.h. Methoden, die nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM enthalten sind - gilt nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass von einer Wahrung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V grundsätzlich nur dann ausgegangen werden kann, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung zum diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat.
Normenkette:
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1
,
SGB V § 2 Abs. 2
,
SGB V § 135 Abs. 1 S. 1
,
SGB V § 12 Abs. 1
,
SGB V § 2 Abs. 1 S. 3
,
SGB V § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
Vorinstanzen: SG Chemnitz 09.08.2012 S 7 KR 550/11
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. August 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

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