Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit dem Fußhebersystem Bioness L 300.
Die 1945 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet nach einem Schlaganfall, den sie im Jahr 1969
erlitten hatte, an einer Halbseitenlähmung links. Im Bereich des linken Armes besteht eine Spastik. Die linke Hand ist gebrauchsunfähig.
Im Bereich des linken Beines besteht eine Muskeltonuserhöhung des Ober- und Unterschenkels sowie teilweise im Bereich der
Fußmuskulatur mit Krallenzehenbildung bei externen Reizen. Darüber hinaus liegt eine ausgeprägte linksbetonte Ödemneigung
im Bereich der Unterschenkel vor. Im Jahr 2008 wurde die Klägerin nach einer Oberschenkelhalsfraktur links mit einem künstlichen
Hüftgelenk versorgt.
Am 17. Dezember 2015 ging bei der Beklagten ein Kostenvoranschlag des Sanitätshauses S______ & J______ GmbH für das Bioness
L 300 - System ein (5.875,64 EUR) mit einer Verordnung der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. A______, T______, T_____-A______,
W______ vom 9. Dezember 2015. Das Sanitätshaus bat um Genehmigung der Versorgung und führte aus, dass das System erfolgreich
getestet worden sei.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, bei dem beantragten
Produkt handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin erhob am 5. Januar
2016 Widerspruch. Sie machte geltend, dass sie von dem Hilfsmittel profitiere. Bei dessen Verwendung werde nicht nur die Außenkante
des Fußes belastet, sondern auch die Innenseite, so dass die Schmerzen im Fuß geringer und ihr Gang aufrechter sei. Ohne das
Fußhebersystem sei sie in der Vergangenheit mehrfach gestürzt. Es handele sich bei dem streitgegenständlichen Hilfsmittel
in erster Linie um eine Mobilitätshilfe, die ein besseres und sichereres Laufen ermögliche. Ein günstigeres Hilfsmittel, welche
die Behinderung in gleicher Weise ausgleiche, sei am Markt nicht erhältlich. Deshalb sei die ärztlich verordnete Versorgung
auch nicht unwirtschaftlich.
Die Beklagte holte das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK) vom 3. März 2016 ein. Dr. Ta______
führte hierin aus, dass das Gangbild unter Nutzung der mechanischen Fußheberorthese sich nicht wesentlich von dem bei Nutzung
der myoelektrischen Orthese unterscheide. Ein Gebrauchsvorteil gegenüber einer mechanischen Fußheberorthese sei nicht erkennbar.
Die Beklagte bat den MDK um erneute Stellungnahme zu dem Argument der Klägerin, dass eine Standardorthese nicht getragen werden
könne, weil diese nach kurzer Tragezeit zu einem Lymphstau führe. Der MDK (Dr. K______-V______) erstattete das Gutachten vom
11. März 2016, in dem der Verdacht auf eine ungenügende, qualitativ nicht angemessene Versorgung mit einem Hilfsmittel geäußert
und der Krankenkasse empfohlen wurde, sich mit dem Leistungserbringer in Verbindung zu setzen, um eine sachgerechte, in Art,
Umfang und Qualität nicht zu beanstandende Hilfsmittelversorgung zu erreichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie
aus, die beantragte Versorgung entspreche nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V). Danach müssten die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürften das Maß des Notwendigen nicht
überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen. Ein Gebrauchsvorteil
gegenüber einer mechanischen Orthese sei vorliegend nicht erkennbar. Auch sei der medizinische Nutzen eines derartigen myo-elektrischen
Fußhebersystems im häuslichen Bereich bzw. die Alltagstauglichkeit bisher nicht auf höherem evidenzbasiertem Niveau belegt.
Neben der Versorgung mit einer mechanischen Orthese werde zudem die Durchführung von krankengymnastischen Behandlungen empfohlen.
Die Klägerin hat am 26. April 2016 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Sie hat vorgebracht, dass sich durch eine Peronäusschiene
nicht der Grad an Mobilität erreichen lasse wie ihn das begehrte Hilfsmittel ermögliche. Eine Peronäussschiene sei lediglich
eine sogenannte Wadenhalbschale, die die Wadenrückseite, die Archillessehne und die Fußsohle umschließe. Sie könne nur bewirken,
dass die Fußspitze nicht absinke. Das zum normalen Laufen notwendige Anheben der Fußspitze werde durch das Hilfsmittel nicht
ermöglicht. Deshalb bleibe es in seiner Auswirkung auf den Behinderungsausgleich hinter dem Bioness L 300 zurück. Das habe
auch die Probeversorgung am 9. Dezember 2015 gezeigt. Deshalb habe sie Anspruch auf die Versorgung mit dem streitigen Hilfsmittel.
Die Kostenübernahmefähigkeit sei von zahlreichen Sozialgerichten bestätigt worden.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2016 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, sie linksseitig mit dem Bioness L 300 - Fußheber-System zu versorgen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden bezogen und darüber hinaus vorgebracht, dass ein Versorgungsanspruch
der Klägerin mit dem streitigen Hilfsmittel auch an der fehlenden positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA) scheitere. Das Fußhebersystem Bioness L 300 verfüge über einen Gang- und einen Trainingsmodus, die nicht voneinander
zu trennen seien. Der Trainingsmodus sei als neue Behandlungsmethode anzusehen, so dass eine positive Empfehlung des G-BA
unabdingbar sei. Aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Juli 2015 - B 3 KR 5/14 R - folge, dass Anspruch auf einen Behinderungsausgleich nur gegeben sei, wenn das Hilfsmittel im Rahmen der vertragsärztlichen
Versorgung eingesetzt werden dürfe. Das sei ohne positive Empfehlung des G-BA zu der zugrunde liegenden Behandlungsmethode
nicht möglich. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin das Hilfsmittel zum Muskeltraining und damit zur
Sicherung einer ärztlichen Behandlung einsetzen werde.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Orthopädietechnikers Dipl.-Ing. D______ K______ vom 24. Mai 2017 eingeholt. Nach vorheriger
Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht der Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2017 stattgegeben. Zur Begründung
hat es ausgeführt:
"Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus §
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 3
SGB V. Nach §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die
im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder
eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen
oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen sind. Die angestrebte Hilfsmittelversorgung muss verhältnismäßig sein, das heißt, sie muss im Einzelfall geeignet,
erforderlich und angemessen sein, um dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot der gesetzlichen Krankenversicherung zu genügen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Sachverhalt erfüllt. Bei dem Fußheber-System Bioness L 300 handelt es sich nicht
um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, das System ist vielmehr ausschließlich für behinderte Menschen mit einer
Schwäche des Peronaeus-Nerven vorgesehen. Ein Leistungsausschluss nach §
34 Abs.
4 SGB V ist ebenso wenig ersichtlich.
Daneben kommt von den drei in §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V genannten Varianten der Hilfsmittelversorgung vorliegend allein der Ausgleich der Behinderung nach §
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 3
SGB V in Betracht. Der von den Krankenkassen danach geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung
des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs betroffen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.8.2009, Az. B 3 KR 6/08 R, zit. nach juris). Der unmittelbare Behinderungsausgleich hat das Ziel eines möglichst weitgehenden funktionellen Ausgleichs
der Behinderung, hierunter fallen zum Beispiel Prothesen oder Hörgeräte. Er orientiert sich an einer möglichst weitgehenden
oder zumindest bestmöglichen Wiederherstellung der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Ein unmittelbarer Funktionsausgleich
liegt danach vor, wenn das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen ausgleicht, indem es die Ausübung
der Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder zumindest erleichtert (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 3 KR 20/08 R, zit. nach juris (Rn 15)). Der Anspruch des Versicherten zielt dabei auf einen möglichst vollständigen funktionellen Ausgleich
der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des
medizinischen und technischen Fortschritts. Die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel
kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich
der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 3 KR 20/08, zit. nach juris). Das Hilfsmittel muss das von der Behinderung betroffene Körperteil
nicht rekonstruieren oder die von der Behinderung betroffene Körperfunktion nicht vollständig ersetzen, sondern es genügt,
wenn es einen Ausgleich für den entsprechenden Funktionsverlust bringt (Beck in Schlegel/Voelzke, juris-PK,
SGB V, 3. Aufl. §
33 Rn 25 f.).
Im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs sind die Leistungspflichten hingegen beschränkter, weil eine Wiederherstellung
der beeinträchtigten Körperfunktionen nicht möglich ist oder nur die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgeglichen
werden können, wie typischerweise bei einem Rollstuhl. Dann ist nach ständiger Rechtsprechung nur ein Basisausgleich in den
allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zu schaffen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei der streitgegenständlichen Versorgung mit dem Bioness L 300 der unmittelbare Behinderungsausgleich
betroffen. Die Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Fußheber-System zielt auf die Wiederherstellung der aufgrund des
Mediainfarktes ausgefallenen Fußfußheber-Funktion und betrifft damit die Fähigkeit den Fuß vor allem während des Gehens zu
heben. Damit werden anders als etwa bei einer Beinprothese zwar nicht fehlende Körperteile ersetzt, aber es wird die ausgefallene
Funktion eines beteiligten Körperteils weitgehend wiederhergestellt. Dies stellt einen Fall des unmittelbaren Behinderungsausgleiches
dar (in diesem Sinne auch SG Aachen, Urteil vom 21.05.2012, Az. S 14 AS KR 82/11, zit. nach juris (Rn 18)). Das System ist
auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet ist und dient der, den gesetzlichen Krankenkassen obliegenden medizinischen
Rehabilitation. Ob zusätzlich durch die Hilfsmittelversorgung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens erfüllt
ist, ist nicht zu prüfen. Denn schon durch den unmittelbaren Ausgleich eines körperlichen Funktionsdefizites ist ein Grundbedürfnis,
hier das möglichst sichere Gehen, wie es bei Menschen ohne Behinderung durch die uneingeschränkte Funktion der Füße und Beine
gewährleistet ist, betroffen. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (vgl. BSG, Urteil 21.03.2013, Az. B 3 KR 3/12 R, zit. nach juris (Rn 15)).
Daneben steht für die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Auswertung des eingeholten Sachverständigengutachtens
auch fest, dass die angestrebte Versorgung geeignet und erforderlich ist, um bei der Klägerin Funktionsdefizite auszugleichen
und auch keine wirtschaftlichere gleichermaßen wirksame Versorgungsmöglichkeit vorhanden ist.
Das Fußheber-System Bioness L 300 ist nach schlüssiger Darstellung des Sachverständigen K______ und unter Berücksichtigung
der Erkenntnisse aus der Testversorgung bei der Klägerin geeignet, um Einschränkungen beim Gehen durch die Fußheberschwäche
und die Spastik zu mindern. Zwar führt auch das streitige Hilfsmittel nicht dazu, dass die Klägerin ohne Gehstock und ohne
Gangstörungen wird gehen können. Dies ist für den Eintritt der Leistungspflicht der Beklagten aber auch nicht erforderlich.
Ausreichend ist vielmehr, dass sich aus der konkreten Verwendung wesentliche Gebrauchsvorteile für die Versicherte ergeben.
Dies ist vorliegend gegeben. Das Gericht folgt an dieser Stelle der nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen, wonach
aufgrund der elektrischen Impulse zum einen eine Fußanhebung während der Schwungphase zu erwarten ist. Dies ermöglicht ein
sichereres Gehen und dient der Verminderung der Sturzgefahr, insbesondere im unebenen Gelände. Die hervorgerufene Fußhebung
führt daneben auch dazu, dass bei Beginn der Standphase ein deutlicherer Fersenkontakt besteht. Dies führt wiederum dazu,
dass der Fußaußenrand weniger belastet und damit ein schmerzfreies Gehen ermöglicht wird. Diese Verbesserung des Gehens wirkt
sich durchgängig im Alltagsleben der Klägerin aus und stellt gegenüber der bisherigen Versorgung mit Einlagen und Fußaußenkantenerhöhung
nicht nur einen besseren Komfort oder eine bessere Optik dar (vgl. zu diesem Ausschlusskriterium: BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az. B 3 KR 20/04, zit. nach juris (Rn 23)). Die Klägerin wird dadurch in die Lage versetzt, ihren
Alltag durch sichereres und schmerzfreies Gehen innerhalb und außerhalb der Wohnung weitgehend autonom zu gestalten. Dass
die Gehfähigkeit trotz des begehrten Hilfsmittels weiterhin aufgrund anderer Beeinträchtigungen eingeschränkt sein wird, steht
der Geeignetheit nicht entgegen.
Das Bioness-System ist zudem erforderlich, da die angestrebte Aufhebung der Fußheberlähmung nicht auf andere Weise erreicht
werden kann. Insbesondere muss sich die Klägerin nicht auf herkömmliche, insbesondere passive und dynamische Fußheberorthesen
verweisen lassen. Diese können aufgrund der vom Sachverständigen als glaubhaft bezeichneten Schmerzempfindlichkeit der Klägerin
am linken Bein nicht genutzt werden. Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen der Klägerin mit individuell angepassten Orthesen
und orthopädischen Schuhen geht das Gericht mit dem Sachverständigen davon aus, dass die am Markt erhältlichen und gegebenenfalls
auch individuell angepassten Orthesen als Versorgungsalternative ausscheiden. Auch bei einer individuell angepassten dynamischen
Fußheberorthese hat der Sachverständige Zweifel, ob ein vergleichbarer Funktionsausgleich wie mit dem System Bioness erreicht
werden kann. Darüber hinaus verbleibt das Risiko des aus der Vergangenheit bekannten Auftretens der Druck- und Schmerzproblematik.
Die Versorgung ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne, das heißt, sie ist nicht unwirtschaftlich. Eine Unwirtschaftlichkeit
kann nur dann angenommen werden, wenn der zusätzliche Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels im Alltagsleben eher gering ist, die
dafür anfallenden Kosten im Vergleich zu der Standardversorgung jedoch als unverhältnismäßig hoch einzuschätzen sind (vgl.
BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az. B 3 KR 68/01 R). Zur Überzeugung der Kammer ist der festgestellte zusätzliche Gebrauchsvorteil durch Bioness L 300 im Alltag schon nicht
als gering zu bezeichnen. Daneben erscheinen der Kammer die veranschlagten Kosten von etwa 6.000 € nicht unverhältnismäßig
hoch. Dies gilt vor allem mit Blick auf das betroffene Grundbedürfnis Gehen, das als elementar zu bezeichnen ist und mit der
Aufrechterhaltung der Selbstversorgungsmöglichkeiten und der Selbstbestimmung einhergeht.
Der Versorgungsanspruch ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA) für das streitgegenständliche Hilfsmittel fehlt. Bei der hier streitgegenständlichen Hilfsmittelversorgung handelt
sich nach Auffassung der Kammer entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Das gilt auch, obwohl mit dem Gerät im so genannten Trainingsmodus unter Umständen auch ein therapeutischer Erfolg erzielt
werden kann und das Gerät damit auch der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne von §
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 1
SGB V dienen könnte.
Aus Sicht der Kammer liegt bislang keine höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Zuordnung von Hilfsmitteln und Geräten vor,
die sowohl zum Behinderungsausgleich im Sinne von §
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 3
SGB V, als auch zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 1
SGB V) verwendet werden können.
Zur Auflösung dieser Problematik geht die erkennende Kammer nicht davon aus, dass aufgrund der dargelegten Doppelfunktionalität
des Hilfsmittels der Vorbehalt aus §
135 SGB V auch greift, wenn das fragliche Gerät lediglich zum Zwecke des Behinderungsausgleichs verwendet werden soll. Sofern - wie
hier - eine vom therapeutischen Nutzen (Trainingsmodus) unabhängige Funktion zum Ausgleich einer Behinderung (Gangmodus) vorhanden
ist und genutzt werden soll, bestimmen sich die Anforderungen an die Zulassung des Hilfsmittels in der gesetzlichen Krankenversicherung
nach den allgemeinen Anforderungen zu Hilfsmitteln nach §
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 3
SGB V. Das gilt jedenfalls dann, wenn die angestrebte Verwendung ausschließlich auf die Nutzung der Behinderungsausgleichsfunktion
abzielt. Eine Einbeziehung des Hilfsmittels in eine ärztliche Kranken- oder Untersuchungsmethode, die die Berücksichtigung
des §
135 SGB V erfordern würde, findet dann gerade nicht statt. In diesem Sinne versteht die Kammer auch die Entscheidung des BSG vom 8. Juli 2015 (Az. B 3 KR 5/14 R, zit. nach juris (Rn 27, 46)). Aus den Randnummern 27 und 46 der genannten Entscheidung ergibt sich für die erkennende Kammer,
dass es in Bezug auf die Berücksichtigung der Anforderungen des §
135 SGB V auch für das BSG darauf ankommt, ob ein Hilfsmittel nach §
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 1
SGB V oder nach Variante 3 vorliegt. Hilfsmittel, die dem Behinderungsausgleich dienen, können gerade auch von einem etwaigen ärztlichen
Behandlungskonzept getrennt werden (BSG, Urteil vom 8.7.2015, Az. B 3 KR 5/14 R, zit. nach juris (Rn 27)). Das gilt auch für solche Hilfsmittel, die unabhängig von ihrem Einsatz zur Sicherung der Krankenbehandlung
(§
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 1
SGB V) alternativ auch zum Ausgleich einer Behinderung (§
33 Abs.
1 Satz 1 Variante 3
SGB V) eingesetzt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 8.7.2015, Az. B 3 KR 5/14 R, zit. nach juris (Rn 46)). Die Rechtsprechung zur untrennbaren Zugehörigkeit eines Hilfsmittels zu einer Behandlungsmethode,
kommt demnach nicht zum Tragen, wenn das Hilfsmittel vorrangig zum Behinderungsausgleich genutzt werden soll. Vielmehr verbleibt
es in diesen Fällen bei der bisherigen höchstrichterlichen Einschätzung, dass für Hilfsmittel, die auf den Behinderungsausgleich
gerichtet sind, nicht der gleiche Beweismaßstab gilt, wie derjenige, der bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden sowie von Arzneimitteln anzuwenden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az. B 3 KR 20/04 R (zit. nach juris (Rn 15)). Dafür sind - außerhalb von §
139 Abs.
2 SGB V - keine weiteren Zulassungsvoraussetzungen nach dem
SGB V zu beachten. Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz (MPG), insbesondere die CE-Kennzeichnung, bleiben davon unberührt und sollen grundsätzlich ausreichend gewährleisten, dass das
Hilfsmittel im Sinne der Produktsicherheit und der Zwecktauglichkeit auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne funktionstauglich
ist, ohne dass dies von den Krankenkassen oder Gerichten noch eigenhändig zu prüfen wäre; der CE-Kennzeichnung kommt insoweit
eine Tatbestandswirkung zu (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az. B 3 KR 20/04 R, zit. nach juris (Rn 16)).
Ausgehend von diesen Maßstäben gilt im vorliegenden Verfahren: Die hier streitige Versorgung mit dem Fußheber-System Bioness
L 300 dient vorrangig dem Ausgleich der körperlichen Gehbehinderung der Klägerin und stellt daher keine neue Untersuchung
und Behandlungsmethode dar. Das Gerät wurde der Klägerin per Verordnung vom 9. Dezember 2015 als Fußheber-System bei Fußheberschwäche
und daher nicht im Rahmen einer besonderen Behandlungsmethode verordnet. Weder aus den Unterlagen des Sanitätshauses, noch
aus den Darstellungen des Gutachters ergibt sich, dass die Klägerin die Nutzung der Trainingsfunktion beabsichtigt. Vielmehr
strebt sie den ausschließlichen Einsatz des Gerätes zum Behinderungsausgleich an. Soweit das Fußheber-System durch den Trainingsmodus
auch zu therapeutischen Zwecken und damit im Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung eingesetzt werden kann, ist dieser Zweck
von dem Behinderungsausgleich durch den Gangmodus klar zu trennen. Ersterer bietet nur eine zusätzliche beziehungsweise alternative
Einsatzmöglichkeit. Dies führt nicht dazu, dass es sich um eine neue Untersuchung und Behandlungsmethode handelt und daher
ein positives Votum des G-BA erforderlich wird."
Gegen den ihr am 11. Oktober 2017 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 27. Oktober
2017 Schleswig-Holsteinschen Landessozialgericht eingegangen ist. Sie vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass es sich
bei der streitigen Hilfsmittelversorgung um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V handele, für die es an einer positiven Empfehlung des G-BA fehle. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei das Fußhebersystem
Bioness L 300 untrennbar mit einer speziellen Behandlungsmethode verbunden. Das Hilfsmittel verfüge über einen Gang- und Trainingsmodus,
mithin also über eine Komponente zum Behinderungsausgleich, durch die ein sicheres bzw. einfacheres Gehen ermöglicht werden
solle, andererseits aber auch über eine Komponente zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, wenn sich das Neurostimulationsgerät
während des Sitzens oder Liegens im Trainingsmodus befinde. Beide Modi seien - im Gegensatz zu den Ausführungen des Sozialgerichts
- auch nicht voneinander trennbar. Die durch das Gerät generierte dauerhafte funkfrequenzgesteuerte Neurostimulation der Fußhebermuskulatur
stelle unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 8. Juli 2015 - B 3 KR 5/14 R - (Gerät zur kontinuierlichen Gewebsglukosemessung) und - B 3 KR 6/14 - (Kniebewegungsschiene) sowie vom 11. Mai 2017 - B
3 KR 6/16 - Kopforthese) wegen der Doppelfunktionalität eine neue Behandlungsmethode dar, für die es keine entsprechende Abrechnungsziffer
im EBM-Ä gebe. Es handele sich um ein neues theoretisch wissenschaftliches Konzept im Vergleich zur Hilfsmittelausstattung
mit einer Standardorthese, die lediglich dem Behinderungsausgleich diene. Mit der Methode der dauerhaften funkgesteuerten
Elektrostimulation seien auch gesundheitliche Risiken verbunden. Das Sozialgericht verkenne in der angefochtenen Entscheidung,
dass die Nutzung des Trainingsmodus stets möglich und daher gerade nicht ausgeschlossen sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 6. Oktober 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BSG sei nicht einschlägig. Es sei allein auf den Einsatzzweck im konkreten Einzelfall abzustellen, dies sei bei ihr das Ersetzen
der fehlenden Fußhebung. Das Hilfsmittel werde zum unmittelbaren Behinderungsausgleich benötigt.
Der Senat hat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie F______ vom 8. März 2018 eingeholt und den Sachverständigen
in der mündlichen Verhandlung eingehend befragt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten
verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten ist lediglich ergänzend auszuführen:
Bei der Versorgung der Klägerin mit dem Fußhebersystem Bioness L 300 bzw. einem gleichwertigen System mit Neurostimulation
geht es um den unmittelbaren Behinderungsausgleich beim Gehen. Aufgrund der Halbseitenlähmung links liegt eine ausgeprägte
Gangstörung vor. Die Klägerin kann nur mit Unterarmgehstützen oder einem Rollator bzw. Festhalten an der Wand gehen. Freies
gehen ist ihr nicht möglich. Mit Unterarmgehstütze zeigt sich eine verlangsamte Ganggeschwindigkeit, der linke Fuß wird überwiegend
mit der Außenkante aufgesetzt, das Knie wird gestreckt gehalten. Während des Gehens zeigt sich eine Spastik im gesamten linken
Bein. Das Bein wird während des Gehens nach außen rotiert, die Hüfte vermehrt angehoben. Ohne Hilfsmittel zeigt sich eine
Spitzfußstellung. Barfußgehen ist der Klägerin nicht möglich.
In der Vergangenheit erfolgten mehrfach Versuche, durch mechanische Hilfssysteme die Fußheberschwäche links auszugleichen.
Bei orthopädischen Schuhen bzw. Schienensystemen kam es innerhalb kurzer Zeit zu ausgeprägten Druckstellen und Schmerzen bedingt
durch die Überempfindlichkeit des linken Unterschenkels, welche sich im Rahmen der Schlaganfallerkrankung entwickelte, und
einer verstärkten Schwellneigung des Unterschenkels, die ebenfalls überwiegend auf die Folgen des Schlaganfalls zurückzuführen
ist, da sich eine ausgeprägte Seitendifferenz rechts zu links zeigt. Deshalb stellt entgegen der Auffassung des MDK in den
Gutachten vom 3. März 2016 und vom 11. März 2016 eine mechanische Fußheberorthese für die Klägerin keine alternative Versorgungsmöglichkeit
dar. Das ergibt sich zum einen aus der Empfindlichkeit ihres Unterschenkels, weil bei einer Standardorthese das gesamte Gewicht
des Fußes auf die Wade übertragen wird, die im Falle der Klägerin jedoch ausgeprägt druckschmerzhaft ist. Zum anderen besteht
eine starke Ödemneigung die im Laufe des Tages zu erheblichen Umfangsveränderungen führen kann, sodass selbst eine individuell
nach einem Abdruck angefertigte Carbonschiene nicht für die Klägerin geeignet ist. Diese wäre allenfalls in der Lage, einen
halben Zentimeter Umfangsveränderung auszugleichen. Die Schwellneigung ist bei der Klägerin jedoch derart ausgeprägt, dass
Umfangsveränderungen in einem deutlich größeren Ausmaß je nach Belastung und Körpersituation zu erwarten sind, sodass es mehrerer
Schienen bedürfte, die laufend kurzfristig gewechselt werden müssten, um überhaupt eine passgenaue Versorgung gewährleisten
zu können. Dem gegenüber führt der Einsatz des elektronischen Stimulationssystems Bioness L 300 nicht zu den vorgenannten
Problemen. Hier werden elektrische Impulse direkt auf den Muskel im Wadenbereich abgegeben, ohne die Wade mit Gewicht zu belasten.
Selbst bei stärkeren Ödemen kann die Klägerin unproblematisch durch die Befestigungsmanschette eine Anpassung an den veränderten
Wadenumfang selbst vornehmen. Insbesondere ist keine Einschnürung durch die jederzeit individuell anpassbare Manschette zu
erwarten. Die ausführliche Videodokumentation vom 9. Dezember 2015 belegt zudem einen objektivierbaren Gebrauchsvorteil des
elektronischen Fußheber-Systems gegenüber einer mechanischen Orthese nicht nur hinsichtlich der erheblichen Druckbelastung
und der schwierigen Anpassung aufgrund der Wasseransammlung im Bereich des linken Unterschenkels, sondern auch im Hinblick
auf das Gangbild. Die Videodokumentation zeigt, dass eine verminderte Außenrandbelastung und dadurch eine verringerte Triggerung
der im linken Bein vorhandenen Spastik durch das elektronische Fußhebersystem erzielt werden. Dies führt insgesamt zu einem
physiologischeren Gangbild, welches insbesondere im weiteren Verlauf auch eine Gehstreckenerweiterung bedingt.