Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren; Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Gebührenfestsetzung
Gründe:
Die statthafte Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren durch das Sozialgericht Gotha ist zulässig. Nach
§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) i.d.F. bis 1. August 2013 können die Antragsberechtigten gegen die gerichtliche Festsetzung Beschwerde einlegen, wenn der
Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Nachdem der Beschwerdeführer im Erinnerungsverfahren beantragt hatte,
die Vergütung des Beschwerdegegners entsprechend der Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) im Beschluss
vom 24. Januar 2014 auf 131,38 Euro festzusetzen und das Sozialgericht sie auf die Erinnerung des Beschwerdegegners auf 334,39
Euro erhöht hatte, bestehen keine Bedenken gegen das Erreichen des Beschwerdewerts. Er errechnet sich aus dem Unterschied
zwischen den von der Vorinstanz festgesetzten und die mit der Beschwerde erstrebte Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer
(vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. September 2011 - L 20 SO424/11 B, nach juris; Pukall in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, § 56 Rdnr. 25; Hartmann, Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 33 RVG Rdnr. 20), denn diese ist untrennbarer Bestandteil der zu erstattenden Gebühren und Auslagen. Die Ansicht des Beschwerdegegners,
der Beschwerdewert betrage 0,00 Euro, weil es nur auf den Unterschied zur Festsetzung der UdG ankomme, verkennt, dass sie
durch den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben worden ist. Unerheblich ist, dass die Vorinstanz (fehlerhaft) die Unanfechtbarkeit
ihres Beschlusses angenommen hat.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse
zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Den beiden Klägern war mit Beschluss vom 20. August 2013 PKH gewährt worden und sie waren kostenprivilegierte Beteiligte
i.S.d. §
183 S. 1
SGG. Dann scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 S. 1
SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,
der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz
1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist
die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender
Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B und 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung seines Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember
2010 - L 6 SF 808/10 B); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren. Dies ist hier hinsichtlich der beantragten Gebühren
der Fall.
Im Ergebnis kommt nur eine auf ¾ gekürzte Mittelgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG in Betracht (= 127,50 Euro); sie ist nach Nr. 1008 VV-RVG um 30 v.H. für einen weiteren Kläger zu erhöhen. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen,
den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auch auf die Sache verwenden musste (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren, nicht eingeschränkt auf Verfahren nach
dem SGB II (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2014 - L 6 SF 209/14 B -, Rn. 20, juris), ist ein durchschnittlicher Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nicht ersichtlich. Der Beschwerdegegner
fertigte nur einen Schriftsatz mit ca. 1,5 Seiten, der in Teilen mit anderen Klagebegründungen (z.B. S 37 As 2698/12) identisch
ist. Entsprechende Synergieeffekte sind grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. April 2015 - L 6 SF 145/15 B), denn sie mindern den Aufwand beträchtlich. Zuzustimmen ist allerdings der Vorinstanz, dass der Umfang von Schriftsätzen
nur ein Indiz für den Aufwand sein kann. Auf ihn ist aber abzustellen, wenn - wie hier - keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich
oder nachvollziehbar vorgetragen sind. Die objektive Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts der gängigen
Probleme ebenfalls unterdurchschnittlich. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger war entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers
noch durchschnittlich. Zwar hatte der Beschwerdegegner im Klageverfahren die Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht beziffert.
Allerdings ist der Vorinstanz zuzugestehen, dass der geltend gemachte Anspruch im Ergebnis der Klagebegründung entnommen werden
kann. Unter Berücksichtigung der deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger und des
nicht relevanten Haftungsrisikos kann eine Vergütung in Höhe von ¾ der Mittelgebühr akzeptiert werden. Nachdem die PKH beiden
Klägern gewährt worden war, war sie nach Nr. 1008 VV-RVG um 30 v.H. zu erhöhen.
Zusätzlich zu erstatten ist eine Terminsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr. Zur Begründung wird auf die Ausführungen
der Vorinstanz verwiesen. Hinzuzufügen ist, dass nach der ständigen Senatsrechtsprechung die durchschnittliche Dauer eines
Termins über (nicht bei) 30 Minuten liegt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2014 - L 6 SF 193/14 B).
Zusätzlich zu erstatten sind die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer.
Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdegegners wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG erhöht nach Nr. 1008 VV-RVG (ein weiterer Kläger)
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165,75 Euro
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Terminsgebühr Nr. 1006, 1002 VV-RVG
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40,00 Euro
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Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG
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20,00 Euro
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Zwischensumme
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225,75 Euro
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Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG
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42,89 Euro
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Vergütung
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268,64 Euro
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Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).