Rückwirkende Aufhebung einer Altersrente für Frauen
Rentenschädliche Einkünfte
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Genügen der Darlegungspflicht
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist.
2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt.
3. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen.
4. Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag eines Beschwerdeführers daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen
ließe.
Gründe:
Mit Urteil vom 5.10.2016 hat das Thüringer LSG die rückwirkende Aufhebung einer Altersrente für Frauen und die von der Beklagten
geltend gemachte Erstattung überzahlter Rentenleistungen für rechtmäßig erachtet.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Rechtsprechungsabweichung (Divergenz) und Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"wem die Beweislast für angeblich von einem Altersrentner bezogene rentenschädliche Einkünfte obliegt, wenn sich entscheidungserhebliche
Tatsachen nicht feststellen lassen."
Die Klägerin wird damit bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt
oder Anwendungsbereich einer revisiblen (Bundes-)Norm (vgl §
162 SGG) gestellt. Die Formulierung einer Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen
der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den
Aufgaben des BSG, den Vortrag der Beschwerdeführerin daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen
ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Zusätzlich fehlt es an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Insofern hätte die Klägerin aufzeigen
müssen, welchen Sachverhalt das LSG für das BSG bindend festgestellt hat (§
163 SGG) und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die mit der Beschwerde angesprochene Problematik
entschieden werden muss.
Auch die Rüge der Divergenz hat keinen Erfolg. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt
- das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde
gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem
vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat bereits keinen tragenden abstrakten Rechtssatz
des LSG herausgestellt, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG, des BVerfG oder des GmSOGB widersprochen habe.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisan- trag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Klägerin rügt eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von §
103 SGG. Hierzu trägt sie vor, dem LSG hätte sich eine eigene Tatsachenfeststellung aufdrängen müssen, weil dem Urteil des Amtsgerichts
hinsichtlich in Bezug auf ihre Person nur ein eingeschränkter Beweiswert zukomme. Offenbar verwechsele das LSG die Beteiligten,
nämlich den straffällig gewordenen ehemaligen Geschäftsführer der GmbH und sie - die Klägerin -, die sich gar nichts habe
zuschulden kommen lassen. Sie sei auch vor dem Amtsgericht nicht als Zeugin gehört worden.
Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht gerügt, muss die Beschwerdebegründung ua einen für das BSG ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Die Klägerin hat jedoch nicht aufgezeigt, einen (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag im Berufungsverfahren
gestellt zu haben. Soweit sie hervorhebt, dass die Tatsachengerichte von Amts wegen zur Sachermittlung verpflichtet seien,
ist dies zwar zutreffend. Aufgrund dessen muss eine Klägerin im Berufungsverfahren zur Erreichung einer sachgerechten Entscheidung
ihres Rechtsstreits zunächst auch keine Beweisanträge stellen. Vertraut sie aber auf eine Erforschung des Sachverhalts von
Amts wegen und unterlässt sie deshalb Beweisanträge bzw hält diese nicht aufrecht, kann sie später im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
nicht geltend machen, das LSG habe gesetzeswidrig gehandelt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens,
7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 127). Dies wäre mit den Vorgaben des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG nicht zu vereinbaren.
Mit ihrem übrigen Vorbringen macht die Klägerin die Unrichtigkeit des Berufungsurteils in der Sache geltend. Hierauf kann
nach §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.