Abgabepflicht für Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Redaktionsmitglieder für die Herausgabe eines Ärzteblattes
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin aufgrund der Herausgabe des Ärzteblattes Mecklenburg-Vorpommern (M-V) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) abgabepflichtig ist.
Das monatlich erscheinende Ärzteblatt M-V ist das offizielle Mitteilungsblatt der Klägerin. Deren Mitglieder erhalten es kostenlos,
für Nichtmitglieder betrug der Preis im Abonnement 19,50 Euro jährlich, für das Einzelheft 5,80 Euro (Preise für 2004). Zudem
wird die Zeitschrift (seit 2004 vollständig) auf der Internetseite der Klägerin der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Die
aus 6 Ärzten bestehende Redaktion hat ihren Sitz - wie die Klägerin - in A-Stadt. Die Abonnementverwaltung und Anzeigenleitung
erfolgte im Jahr 2004 durch die Leipziger Verlagsanstalt GmbH (seit Januar 2015 durch die Quintessenz Verlags - GmbH in Berlin).
Mit Bescheid vom 30. November 2005 stellte die Beklagte eine Abgabepflicht der Klägerin als Herausgeberin des Ärzteblattes
M-V wegen Betreibens eines Verlages dem Grunde nach fest (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSVG).
Mit Bescheid vom 08. Februar 2006 erfolgte eine erste Festsetzung der Höhe der Künstlersozialabgabe für die Jahre ab 2001
auf der Grundlage einer Schätzung, ausgehend von Entgelten in Höhe von zwischen 80.000 und 111.000 Euro, nachdem die Klägerin
der Aufforderung zur Meldung der Entgelte nicht nachgekommen war. Für den Zeitraum bis 2004 betrug die Forderung 15.456,97
Euro.
Am 08. März 2006 beantragte die Klägerin die Überprüfung und rückwirkende Aufhebung des Bescheides über die Abgabepflicht
gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Sie sei nicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 KVSG abgabepflichtig, da Verlegerin ausschließlich die Leipziger Verlagsanstalt GmbH sei. Auch eine Abgabepflicht
gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 KVSG liege nicht vor, da die Redaktion ausschließlich aus ehrenamtlich tätigen Kammermitgliedern
bestehe, die ihre Beiträge aus kostenlos zugesandten Informationen, Mitteilungen etc. auswählten und gelegentlich selbst Artikel
verfassten. Die Redaktionsmitglieder selbst erhielten lediglich eine Aufwandsentschädigung für Reisekosten und Verdienstausfall
und somit kein Entgelt. Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten seien weder erteilt noch für zugesandte Beiträge
ein Honorar gezahlt worden. Lediglich wenige unregelmäßige - maximal zweimal jährlich - Einzelaufträge an eine selbstständige
Grafikerin seien in den Jahren 2002, 2003 und 2005 zu verzeichnen (mit hierfür entrichteten Beträgen im Bereich von 35 bis
maximal 263 Euro je Auftrag).
Am gleichen Tag erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Abgabenbescheid (Schätzung) vom 08. Februar 2006 unter Vorlage der
Meldung der Entgelte von 2001 bis 2004.
Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. März 2006 mit der Begründung ab, dass die Klägerin als Herausgeberin
des Arztblattes M-V Unternehmer i.S. von § 24 KSVG sei. Kennzeichnend für eine verlegerische Tätigkeit sei die Vervielfältigung und Verbreitung von Druckwerken. Eine Abgabepflicht
bestehe selbst dann, wenn die Verwertung von Kunst oder Publizistik der Erfüllung öffentlicher Aufgaben diene. Den Begriff
der Professionalität kenne das KSVG nicht; gemeint sei lediglich, dass die Inanspruchnahme der Künstler nicht nur gelegentlich geschehe, wozu auch die Verfolgung
öffentlicher Aufgaben oder gemeinnütziger Zwecke ausreiche. Zum abgabepflichtigen Entgelt gehörten auch pauschale Aufwandsentschädigungen.
Aufgrund der Meldung der Klägerin errechnete die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 10. März 2006 für die Jahre 2001 bis 2004
nunmehr eine Abgabenhöhe von 3.789,51 Euro.
Am 03. April 2006 meldete die Klägerin als abgabepflichtige Entgelte für 2005 "0,00 Euro", da ihrer Auffassung nach weder
die gezahlten Aufwandsentschädigungen an die Mitglieder der Redaktion noch die nur gelegentlichen und geringfügigen Entgelte
an eine Grafikerin (im Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 463 Euro) heranzuziehen seien. Unter dem 20. April 2006 erging daher
erneut ein auf einer Schätzung basierender Abgabenbescheid für das Jahr 2005, gegen welchen die Klägerin ebenfalls Widerspruch
erhob.
Am 05. April 2006 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den (negativen Zugunsten-) Bescheid vom 09. März 2006. Eine verlegerische
Tätigkeit werde ausschließlich von einem Verlag auf eigene Rechnung vorgenommen. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) das Vorliegen einer verlegerischen Tätigkeit in einer Fallgestaltung negiert, in dem es um die Herausgabe einer Mitgliederzeitschrift
einer Krankenkasse gegangen sei, die mit Hilfe von nicht festangestellten Journalisten, Fotografen und wissenschaftlichen
Autoren gestaltet worden sei (BSG, Urteil vom 20. April 1994, 3/12 RK 66/92). Es bestehe eine gesetzliche Pflicht, das Ärzteblatt (amtliches Bekanntmachungsorgan gemäß § 23 Abs. 3 Heilberufsgesetz
- HeilBerG) zu unterhalten. Es enthalte lediglich fachliche wissenschaftliche Beiträge, Satzungen und Ordnungen sowie Kammerinformationen.
Die Tätigkeit der Redaktionsmitglieder beruhe nicht auf entgeltlichen, werkvertragsähnlichen Verträgen, so dass auch nicht
von Aufträgen an selbstständige Publizisten im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 KSVG auszugehen sei. Es handele sich um freiwillige, ehrenamtliche Tätigkeiten ohne Entgelt. Lediglich tatsächlicher Aufwand werde
entschädigt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2006 zurück. Die Klägerin fungiere als Herausgeberin,
bei ihr sei auch die Redaktion der Zeitschrift angesiedelt. Es sei deshalb unerheblich, dass die Zeitschrift in einem Verlag
erscheine, der nicht mit der Klägerin identisch sei, da sie selbst einen Verlag betreibe.
Auch die Widersprüche der Klägerin gegen die Abgabebescheide (vom 08. Februar, 10. März und 20. April 2006) wurden mit dem
o.g. Widerspruchsbescheid zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid insgesamt hat die Klägerin am 13. September 2006 Klage beim Sozialgericht erhoben.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 09. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2006
zu verpflichten, ihren Bescheid vom 30. November 2005 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen
und die Bescheide vom 08. Februar 2006, 10. März 2006 und 20. April 2006 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10. August 2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat nunmehr ergänzend die Auffassung vertreten, dass eine grundsätzliche Abgabepflicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 KSVG gegeben sei (Unternehmen, dessen wesentlicher Zweck darin bestehe, für die Darbietung künstlerischer bzw. publizistischer
Werke zu sorgen).
Mit Urteil vom 11. Mai 2010 hat das SG die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und sich in den Entscheidungsgründen in erster Linie mit den Tatbeständen
des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Verlag) sowie Nr. 3 Alternative 2 KSVG (Unternehmen mit wesentlichem Zweck, künstlerische bzw. publizistische Werke darzubieten) befasst, deren Voraussetzungen
nicht vorliegen würden, da die Klägerin weder einen Verlag betreibe, noch im Verhältnis zu ihren gesetzlichen Pflichtaufgaben
(§ 4 Abs. 1 und 3 HeilBerG M-V) künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen in nennenswertem Gewicht darbiete.
Eine Abgabepflicht der Klägerin folge auch nicht aus § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG oder § 24 Abs. 2 KSVG, weil die Klägerin allenfalls gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteile. Die Mitglieder der
Redaktion des Ärzteblattes würden "ersichtlich nicht im Rahmen eines Auftrags tätig. Vielmehr handeln sie ehrenamtlich im
Rahmen eines freiwilligen mitgliedschaftlichen Arrangement, für das sie lediglich eine Aufwandsentschädigung erhalten".
Gegen das ihr am 14. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07. Juli 2010 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG)
M-V erhoben, nunmehr damit begründet, dass die Klägerin Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte betreibe (gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG). Dabei seien die Mitglieder der Klägerin als Dritte im Sinne der Vorschrift anzusehen. Die Klägerin erteile auch nicht nur
gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten, weil eine ständige Beauftragung der Redaktion des Ärzteblattes
gegeben sei.
Die Beklagte beantragt:
Das Urteil des Sozialgericht A-Stadt vom 11. Mai 2010 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Sie macht hinsichtlich § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG geltend, keine private Interessenvertretung, sondern eine öffentlich-rechtliche Einrichtung zu sein, welche die Gesamtbelange
eines Berufsstandes zu vertreten und Staatsorgane zu beraten habe.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2015 ist eine Abtrennung des Verfahrens insoweit erfolgt, als seitens der
Beklagten Bescheide zur konkreten Höhe einer Abgabepflicht erlassen worden sind.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144 Abs.
1,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und begründet, als die Beklagte eine Abgabepflicht der Klägerin dem Grunde nach festgestellt hat.
Angesichts der erfolgten Abtrennung der Bescheide der Beklagten zur konkreten Höhe einer Abgabepflicht betrifft der (verbliebene)
Rechtsstreit im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die grundsätzliche Frage einer Abgabepflicht ab dem Jahr 2001.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, welcher gemäß § 36 a KSVG auch im Bereich des Künstlersozialversicherungsrechts anwendbar ist, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das
Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Beiträge
zu Unrecht erhoben worden sind. Zu den Beiträgen i.S. des § 44 SGB X gehören nicht nur Versicherungsbeiträge, sondern auch Zinsen, Säumniszuschläge und sozialversicherungsrechtliche Umlagen.
Der Begriff ist weit zu verstehen. Darunter fällt auch die Künstlersozialabgabe (BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 1/00 R).
§ 24 KSVG lautet:
Zur Künstlersozialabgabe ist ein Unternehmer verpflichtet, der eines der folgenden Unternehmen betreibt:
1. Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste),
2. Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen; Voraussetzung ist, dass ihr Zweck überwiegend
darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten; Abs.
2 bleibt unberührt,
3. Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist,
für die Aufführung und Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen; Abs. 2 bleibt unberührt,
4. Rundfunk, Fernsehen,
5. Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung),
6. Galerien, Kunsthandel,
7. Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte,
8. Varietee- und Zirkusunternehmen, Museen
9. Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten.
Zur Künstlersozialabgabe sind auch Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit
betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen (Abs. 1).
Zur Künstlerabgabe sind ferner Unternehmer verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder
Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser
Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Werden in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, in
denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt nur eine gelegentliche
Erteilung von Aufträgen im Sinne des Satzes 1 vor. Satz 1 gilt nicht für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten
regelmäßig tätig sind (Abs. 2).
Aufträge werden nur gelegentlich an selbstständige Künstler oder Publizisten im Sinne von Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1
erteilt, wenn die Summe der Entgelte nach § 25 KSVG aus den in einem Kalenderjahr nach Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 erteilten Aufträge 450 Euro nicht übersteigt, Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt (Abs. 3).
Zur Künstlersozialabgabe sind somit u.a. Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder
Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen
(§ 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlagen hat das BSG mit Urteil vom 08. Oktober 2014 (B 3 KS 1/13 R) entschieden, dass die Bundessteuerberaterkammer als Herausgeberin eines Informationsblattes
abgabepflichtig nach dem KSVG ist. Es hat dabei eine Unternehmenseigenschaft bejaht und ferner die Publikation (gedruckt und via Internet) als Öffentlichkeitsarbeit
für ihr eigenes Unternehmen eingestuft. Diese beiden Tatbestandsmerkmale sind in der vorliegenden Fallkonstellation ebenfalls
nicht ernsthaft zu diskutieren, zumal auch im dort entschiedenen Fall die Abrufbarkeit im allgemein zugänglichen Internetauftritt
(nicht nur im Passwort geschützten Mitgliederbereich) gegeben war.
Entscheidend ist daher aus Sicht des Senates im Weiteren, ob die sogenannten Aufwandsentschädigungen als Entgelte für die
Beauftragung selbstständiger Publizisten zu werten sind. Die Aufträge an die Grafiker allein dürften (jedenfalls nach Herausrechnung
der Umsatzsteuer) unter der Grenze von 450 Euro gelegen haben.
Dies ist vorliegend zu bejahen.
Die Redaktionsmitglieder sind zunächst Publizisten im Sinne des KSVG.
Gemäß § 2 Satz 2 KSVG ist Publizist im Sinne dieses Gesetzes, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist
oder Publizistik lehrt. Die Arbeit in der Redaktion des Ärzteblattes stellt dementsprechend eindeutig eine schriftstellerische
oder journalistische Tätigkeit dar, da z.B. Berichte, Leitartikel, Rezensionen, Nachrufe etc. verfasst und veröffentlicht
werden. Eine andere Wertung würde nur dann in Betracht kommen, wenn das Blatt allein dem gesetzlichen Mindestzweck dienen
würde, also allein Normsetzungsakte der Kammer und ähnliche amtliche Veröffentlichungen abgedruckt würden. Das ist aber ganz
eindeutig nicht der Fall.
Die Redaktionsmitglieder sind auch selbstständig im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG.
Es handelt sich bei den Redaktionsmitgliedern nicht um bei der Ärztekammer hauptamtlich Beschäftigte. Sowohl der Präsident
als auch Vizepräsident sind (in diesen Ämtern) ehrenamtlich für die Klägerin tätig, wie es auch in anderen Berufskammern üblich
ist. Die Tätigkeit für das Ärzteblatt stellt lediglich ein weiteres Ehrenamt dar, bei den anderen Redaktionsmitgliedern möglicherweise
das Einzige bei der Klägerin.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12. April 1995, 3 RK 4/94) sind die Mitglieder der Redaktion - weil nicht abhängig beschäftigt - selbstständig: "Mit dem Merkmal selbstständig werden
lediglich Entgelte an solche Künstler ausgeklammert, die beim abgabepflichtigen Unternehmer abhängig beschäftigt sind. Eine
weitergehende Bedeutung, insbesondere im Sinne einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, kommt dem Merkmal nicht zu".
Insoweit bedarf es dann noch der Feststellung, ob die Annahme des Ehrenamtes einen Auftrag an einen selbstständigen Publizisten
im Sinne des Gesetzes darstellt, ferner ob die "Aufwandsentschädigung" ein steuerfreies Entgelt beinhaltet und damit gemäß
§ 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KSVG nicht zu berücksichtigen ist. Anderenfalls kann sie nur Entgelt im Sinne der Vorschrift sein.
Der Begriff des Auftrags gegenüber den Redaktionsmitgliedern ist sicherlich nicht im Sinne von §
662 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) zu verstehen, da dort ja gerade von Unentgeltlichkeit ausgegangen wird und lediglich ein Anspruch auf Erstattung (konkreter)
Aufwendungen vorgesehen ist, §
670 BGB. Mit der Annahme des Ehrenamtes geht einerseits ein Anspruch auf (offenbar pauschale) Aufwandsentschädigung, anderseits zu
gleich die Pflicht einher, bei der Herausgabe des Blattes mitzuwirken, eigene Beiträge zu schreiben, fremde zu redigieren
usw. Warum es sich dabei nicht um einen Auftrag im Sinne des KSVG handeln sollte, erschließt sich nicht.
Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich das Tatbestandsmerkmal der "Erteilung von Aufträgen" nicht - wie es der Wortlaut zunächst nahelegt - auf die
Fälle, in denen ein Werk oder eine Leistung von dem Künstler nach Auftragserteilung erst geschaffen bzw. erbracht wird. Dies
ist nur der typische Fall, den der Gesetzgeber bei der Formulierung des Tatbestandes vor Augen hatte. Der Wortlaut ist ungenau
und untechnisch zu verstehen. Rechtlich geht es nicht um "Aufträge", sondern um den Abschluss von entgeltlichen Verträgen,
in der Regel um Werkverträge. Wenn § 24 KSVG den Zweck hat, alle Unternehmen der Abgabepflicht zu unterwerfen, die aus wirtschaftlichen Gründen künstlerische Werke und
Leistungen zu eigenen Zwecken verwerten, kann es allein darauf ankommen, ob ein Vertrag über die "Verwertung" eines künstlerischen
Werkes abgeschlossen wird, und zwar unabhängig davon, ob das Werk - wie hier - schon erstellt worden ist oder erst noch geschaffen
werden muss (BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 1/00 R).
Ob es sich um einen entgeltlichen Vertrag, der nur in der Regel ein Werkvertrag sein soll, handelt, kann somit ebenfalls nicht
nach allgemeinen Kriterien, sondern nur nach denjenigen des KSVG beurteilt werden, da dieses eine eigene Begriffsbestimmung in § 25 Abs. 2 KSVG enthält:
§ 25 KSVG in der seit dem 01. Juli 2001 geltenden Fassung:
(1) Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen,
die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres
an selbstständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig
sind. Bemessungsgrundlage sind auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische
Werke oder Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden.
(2) Entgelt im Sinne des Abs. 1 ist alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten
oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Ausgenommen hiervon
sind
1. die Entgelte, die für urheberrechtliche Nutzungsrechte, sonstige Rechte des Urhebers oder Leistungsschutzrechte an Verwertungsgesellschaften
gezahlt werden,
2. steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die im § 3 Nr. 26 des Einkommenssteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, zur Vereinfachung des Abgabeverfahrens durch Rechtsverordnung
zu bestimmen, dass Nebenleistungen, die der zur Abgabe Verpflichtete im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Nutzung des Werkes
oder der Leistung erbringt, ganz oder teilweise nicht dem Entgelt im Sinne des Satzes 1 zuzurechnen sind.
Vorliegend zahlt die Klägerin den Redaktionsmitgliedern eine Aufwandsentschädigung offensichtlich aus dem Grund, "um das Werk
oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen".
Von der Abgabepflicht bliebe die Klägerin mithin nur verschont, wenn (und soweit) die gezahlten Aufwandsentschädigungen steuerfrei
waren.
Gemäß §
3 Nr. 26
EStG sind u.a. steuerfrei Einnahmen aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten im Dienst oder im Auftrag einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts bis zur Höhe von insgesamt 1.848 Euro im Jahr. Die zwischenzeitig eingeführte "Ehrenamtspauschale"
(§
3 Nr. 26 a
EStG) von 720 Euro p.a. gilt nicht kumulativ.
Bei insgesamt sechs Redaktionsmitgliedern ergibt sich für den Streitzeitraum damit ein maximal steuerfreier Betrag in Höhe
von 11.088 Euro p.a., während insgesamt ca. 24.000 Euro gezahlt wurden. Hinzu kommt, dass jedenfalls die Inhaber weiterer
Ehrenämter (Präsident und Vizepräsident, Dr. Sch als Mitglied in der Prüfungskommission, Dr. L als Mitglied im Aufsichtsausschuss
der Ärzteversorgung) ihre Pauschalen insoweit schon ausgeschöpft haben dürften.
Nach alldem ist vorliegend eine grundsätzliche Abgabepflicht der Klägerin nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG festzustellen.
Soweit die Beklagte darüberhinaus unter Berücksichtigung der weiterhin im § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG aufgelisteten Personenkreise eine Abgabepflicht der Klägerin angenommen hat, vermag der Senat dieser Wertung in Übereinstimmung
mit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu folgen. Die Klägerin ist Herausgeber und nicht Verleger i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSVG, da sie nicht eine Vervielfältigung und Verbreitung des Amtsblattes auf eigene Rechnung durchführt. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG ist ebenfalls nicht einschlägig. Das SG hat erstinstanzlich schon zutreffend gewichtet, dass von den in § 4 HeilBerG M-V genannten Aufgaben allenfalls einige wenige Aufgaben mittelbar berührt werden, da diese Aufgabenstellungen im
ganz Wesentlichen auf die Qualität der Berufsausübung ausgerichtet sind. Die Klägerin gehört auch nicht zu den professionellen
Vermarktern und das Ärzteblatt ist an die Mitglieder gerichtet, so dass es auch an einer Werbung für Dritte i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG fehlt.
Der Senat hat die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Bewertung des Auftragsbegriffs der gezahlten Aufwandsentschädigungen
als Entgelte zugelassen.