Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bei Erhalt eines monatlichen Zuschlages zum Arbeitslosengeld II nach § 24 Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II)
1. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht ersetzen, sondern
zugänglich machen. Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden. Mithin muss
der Erfolg nicht gewiss sein, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso
wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen.
2. Kann eine Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf bereits vorliegende Rechtsprechung nicht
ohne Schwierigkeiten beantwortet werden und steht eine höchst- oder obergerichtliche Klärung noch aus, läuft es dem Gebot
der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Begehrens Prozesskostenhilfe
vorzuenthalten. Denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren
Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen.
3. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV stellt nach seinem eindeutigen Wortlaut nur darauf ab, dass ein Zuschlag nach § 24 SGB
II nicht bewilligt wurde.
Sobald ein Zuschlag nach § 24 SGB II gezahlt wird, ist der genannte Befreiungstatbestand nicht erfüllt. Dabei ist die Höhe
des Befreiungszuschlags unbeachtlich. Die Aufzählung der Befreiungstatbestände in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV ist abschließend
zu verstehen.
4. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ist auch mit dem Recht auf gleichen Zugang zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen
vereinbar (Art.
3 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
5 Abs.
1 Satz 1
GG). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG verbietet es lediglich, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln, d.h. eine rechtliche Unterscheidung vorzunehmen,
die nicht in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze findet.
5. Angesichts der in § 6 Abs. 1 RGebStV klar zum Ausdruck kommenden, vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung der Befreiungstatbestände
kann diese Vorschrift nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die die Voraussetzungen für eine Befreiung
danach nicht erfüllen, dem Härtefalltatbestand des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet werden.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Antrags (§
166 VwGO i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO) abgelehnt.
Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen,
darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische
Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren
soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht ersetzen, sondern zugänglich machen. Die Anforderungen
an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, BayVBl. 2006, 677, und Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361). Mithin muss der Erfolg nicht gewiss sein, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein
Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (vgl. P. Schmidt, in: Eyermann,
VwGO, 12. Aufl., §
166 Rn. 26). Prozesskostenhilfe muss nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch
nicht höchst- oder - bei der Anwendung von Landesrecht - obergerichtlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet
einer solchen Klärung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf
bereits vorliegende Rechtsprechung ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies dagegen nicht der Fall und steht
eine höchst- oder obergerichtliche Klärung noch aus, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten
wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuhalten. Denn dadurch würde der unbemittelten Partei
im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von
dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006, a.a.O.).
Gemessen hieran hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass die auf eine
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gerichtete Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Eine Befreiung von
der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV komme nicht in Betracht, weil die Klägerin in dem maßgeblichen
Bewilligungszeitraum monatlich einen Zuschlag zum Arbeitslosengeld II nach § 24 SGB II erhalten habe.
Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 4.5.2009 - 1 D 35/09 - zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausführte, nicht zu beanstanden. Sie stehen vielmehr mit der in diesem Zusammenhang
ergangenen Rechtsprechung in Einklang. Insbesondere trifft die Auffassung zu, dass ein Befreiungstatbestand nicht erfüllt
ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV werden von der Rundfunkgebührenpflicht u.a. Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld
II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches befreit. Da
die Klägerin - unstreitig - einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten hat, ist der genannte Befreiungstatbestand nicht erfüllt.
Dabei ist die Höhe des Befreiungszuschlags unbeachtlich. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV stellt nämlich nach seinem eindeutigen
Wortlaut nur darauf ab, dass ein Zuschlag nach § 24 SGB II nicht bewilligt wurde. Diese Betrachtungsweise ist in der obergerichtlichen
Rechtsprechung auch nicht umstritten, insbesondere ist das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg auch der vom Verwaltungsgericht
Berlin vertretenen Rechtsauffassung, dass Zuschläge (§ 24 SGB II), die unterhalb der Höhe der Rundfunkgebühren liegen, nicht
zu berücksichtigen seien, nicht gefolgt (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.8.2008 - 11 B 20.08 -; VG Berlin, Urt. v. 28.3.2007 - 27 A 126.06, beide zitiert nach [...]; vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschl. v. 28.11.2007 - 16 E 1358/06 -). Auch der Meinung dieses Gerichts nach steht der Gesetzeswortlaut einer solchen Auslegung entgegen. Die Aufzählung der
Befreiungstatbestände in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV ist abschließend zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008, NVwZ-RR
2008, 704; SächsOVG, Urt. v. 20.8.2008 - 1 B 429/07 -). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung das Befreiungsverfahren auf bestimmte Personengruppen beschränken und insgesamt
vereinfachen (vgl. VGH BW, Urt. v. 16.3.2009 - 2 S 1400/08, zitiert nach [...]). § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ist dabei auch mit dem Recht auf gleichen Zugang zu den allgemein zugänglichen
Informationsquellen vereinbar (Art.
3 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
5 Abs.
1 Satz 1
GG). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG verbietet es lediglich, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln, d.h. eine rechtliche Unterscheidung vorzunehmen,
die nicht in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze findet.
Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV sind nicht erfüllt. Vor allem handelt es sich bei dieser
Regelung um keine allgemeine Auffangvorschrift für Fälle, in denen einer der Befreiungstatbestände in § 6 Abs. 1 RGebStV nicht
vollständig erfüllt ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008, a.a.O.; SächsOVG, Urt. v. 20.8.2008,
a.a.O.). Denn es ist zu berücksichtigen, dass die bloße Einkommensschwäche als solche im Gegensatz zum früheren Recht nicht
mehr zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führt, sondern eine Befreiung wegen geringen Einkommens auf die ausdrücklich
in § 6 Abs. 1 RGebStV genannten Fallkonstellationen beschränkt werden sollte. Angesichts dieser in § 6 Abs. 1 RGebStV klar
zum Ausdruck kommenden, vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung der Befreiungstatbestände kann diese Vorschrift nicht dadurch
umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die die Voraussetzungen für eine Befreiung danach nicht erfüllen, dem Härtefalltatbestand
des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008, a.a.O.; SächsOVG, Urt. v. 20.8.2008; a.a.O.;
BayVGH, Beschl. v. 10.12.2008 - 7 ZB 08.922, zitiert nach [...]; VGH BW, Urt. v. 16.3.2009 - 2 S 1400/08, zitiert nach [...]). Diese Auslegung steht auch mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang. Zwar führt die genannte Regelung
dazu, dass Bezieher geringer Einkommen ihre Rundfunkgebühren teilweise aus den Regelsätzen des ALG II zahlen müssen und damit schlechter gestellt werden, als rundfunkgebührenbefreite Personen ohne Zuschlagsberechtigung.
Für diese Ungleichbehandlung liegt jedoch ein tragfähiger sachlicher Grund vor. Denn die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV
getroffene Differenzierung zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld II mit oder ohne Zuschlag nach § 24 SGB II rechtfertigt
sich daraus, dass durch den Zuschlag, der für Alleinstehende bis zu 160 Euro monatlich betragen kann (§ 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB
II), grundsätzlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Empfänger erhöht wird. Der genannte Zuschlag dient dem Zweck,
einen Teil der Einkommenseinbußen abzufedern, die früheren Arbeitslosengeldempfängern beim Übertritt in die neue Leistung
entstehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.5.2008 - 11 B 2.08 - m.w.N., zitiert nach [...]; BayVGH, Urt. v. 12.2.2008, BayVBl. 2008, 603, m.w.N.). Der - der Änderung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags zustimmende - Landesgesetzgeber durfte deshalb bei typisierender
und pauschalierender Betrachtung davon ausgehen, dass sich ALG II-Empfänger, die einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten, in einer Übergangsphase zwischen Arbeitslosengeld und ALG II befinden und sich deshalb ihrem Typus nach von ALG II-Empfängern ohne Zuschlag unterscheiden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.5.2008, a.a.O.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).