Nichtzulassungsbeschwerde
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Missbräuchliches Ablehnungsgesuch
Selbstentscheidung der abgelehnten Richter
1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage,
der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit
in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird.
3. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in
welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung
des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint.
4. Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und
die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.
5. Das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters steht in dem Fall eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs
einer Selbstentscheidung der abgelehnten Richter über das Gesuch nicht entgegen; wie im Zivil- und Strafprozess ist auch im
sozialgerichtlichen Verfahren anerkannt, dass der Spruchkörper ausnahmsweise in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern
über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheiden kann.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers - eines zugelassenen Rechtsanwalts - gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil
des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung
des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht
zulässig. Keinen der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet
(§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung
die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob
und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere
Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits
erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 65
f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und
die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit ihr zu entnehmen ist, dass als grundsätzlich
klärungsbedürftig die Frage erachtet wird, ob nach einer Übertragung der Berufung nach §
153 Abs
5 SGG durch Beschluss auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern eine Rückübertragung auf den Senat
zulässig ist, setzt sich die Begründung nicht mit bereits vorliegender Rechtsprechung des BSG auseinander. Nach dieser formuliert §
153 Abs
5 SGG nicht nähere inhaltliche Anforderungen an eine Übertragung der Berufung; vielmehr überantwortet das Gesetz die Entscheidung
über die Übertragung dem Senat als berufsrichterliches Kollegium, ohne die Möglichkeit einer Rückübertragung auf den Senat
zu regeln (BSG vom 9.3.2016 - B 14 AS 20/15 R - BSGE 121, 55 = SozR 4-4200 § 43 Nr 1, RdNr 13). Warum hiernach gleichwohl insoweit noch eine Klärungsbedürftigkeit besteht, lässt die
Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Soweit als grundsätzlich klärungsbedürftig zudem die Rechtmäßigkeit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (vom 9.12.2010,
BGBl I 1885, mit Wirkung vom 1.1.2011) geänderten Regelungen des SGB II und
SGB VI zur rentenrechtlichen Bewertung von Zeiten des Leistungsbezugs nach dem SGB II erachtet wird, können der Beschwerdebegründung keine Ausführungen dazu entnommen werden, dass diese Frage in einem Revisionsverfahren
klärungsbedürftig und klärungsfähig sein könnte, obwohl nach der Beschwerdebegründung vorliegend Leistungen nur für das Jahr
2008 streitbefangen sind.
Die im Zusammenhang mit den Grundsatzrügen hilfsweise geltend gemachte Abweichung (Divergenz) von höchstrichterlicher Rechtsprechung
(§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) genügt den Begründungsanforderungen nicht, weil schon nicht bezeichnet wird, von welcher Entscheidung welchen Gerichts die
angefochtene Entscheidung des LSG abweichen soll.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit eine fehlerhafte Besetzung des LSG durch seine Entscheidung nur
mit dem Berichterstatter und ehrenamtlichen Richtern gerügt wird, lassen sich der Beschwerdebegründung genügende Anhaltspunkte
dafür, dass das LSG von dem ihm durch §
153 Abs
5 SGG eingeräumten Ermessen in einer Weise fehlerhaft Gebrauch gemacht haben könnte, dass es bei seiner Entscheidung über die Berufung
gegen einen Gerichtsbescheid des SG strukturell falsch besetzt war, nicht entnehmen (zur Ermessensentscheidung nach §
153 Abs
5 SGG vgl BSG vom 9.3.2016 - B 14 AS 20/15 R - BSGE 121, 55 = SozR 4-4200 § 43 Nr 1, RdNr 13; zur strukturellen Falschbesetzung nach Zahl und/oder Status der mitwirkenden Richter im
Unterschied zur konkreten personellen Falschbesetzung der Richterbank vgl bereits BSG vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 13 f). Auch soweit die Mitwirkung des Richters am LSG H. als fehlerhaft gerügt wird, der selbst
im Urteil über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden habe, lassen sich der Beschwerdebegründung genügende
Anhaltspunkte für eine unzulässige Selbstentscheidung nicht entnehmen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass das Verfassungsgebot
des gesetzlichen Richters (Art
101 Abs
1 Satz 2
GG) in dem Fall eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs einer Selbstentscheidung der abgelehnten
Richter über das Gesuch nicht entgegensteht. Wie im Zivil- und Strafprozess ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anerkannt,
dass der Spruchkörper ausnahmsweise in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheiden
kann (vgl zu den Maßstäben BVerfG vom 15.6.2015 - 1 BvR 1288/14 - juris RdNr 11 ff). Dass diese Grenzen vorliegend überschritten sein könnten, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Soweit der Kläger rügt, dass das LSG einem Beweisantrag ohne zureichende Begründung nicht gefolgt sei (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG), fehlt es schon an der konkreten Bezeichnung des Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt sein soll. Ohne diese Bezeichnung
wird indes aufgrund der Beschwerdebegründung nicht klar, wieso das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt
sehen müssen (vgl zu den Anforderungen BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5).
Schließlich werden auch die den gerügten Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG) begründenden Tatsachen in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend konkret bezeichnet. Hierzu gehört, weil die Verletzung
des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl §
202 Satz 1
SGG iVm §
547 ZPO), grundsätzlich Vorbringen auch dazu, dass die Möglichkeit einer Beeinflussung der ergangenen Gerichtsentscheidung durch
den gerügten Gehörsverstoß gegeben sein muss (vgl zu den Anforderungen BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 169/15 B - juris RdNr 9; vgl zur Vermutung der Beeinflussung der Entscheidung bei rechtswidrig abgelehntem Terminverlegungsantrag
BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 11). Dies lässt sich der Beschwerdebegründung des Klägers, der an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG teilgenommen
hatte, indes nicht genügend entnehmen.
Die vom Kläger zusätzlich zur fristgemäßen Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte PKH ist ihm nicht
zu bewilligen. Zum einen bedarf er als zugelassener Rechtsanwalt der PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht, um den
Anforderungen des §
73 Abs
4 SGG über den Vertretungszwang beim BSG zu genügen, denn er kann sich selbst vertreten (§
73 Abs
4 Satz 5
SGG) und hat dies im Beschwerdeverfahren auch getan. Zum anderen bietet seine Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO).
Soweit der Kläger mit seinem PKH-Antrag zum Ausdruck bringen wollte, dass er trotz seiner Zulassung als Rechtsanwalt den Anforderungen
des §
73 Abs
4 SGG nicht zu genügen vermag und deshalb zur Wahrung dieser Anforderungen der Bewilligung von PKH bedarf, wäre sein PKH-Antrag
verspätet, weil nicht bis zum Ablauf der Beschwerdeeinlegungsfrist einen Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung
des LSG gestellt, sondern erst am letzten Tag der antragsgemäß verlängerten Frist zur Begründung der Beschwerde und gemeinsam
mit der Beschwerdebegründung durch den Kläger selbst.
Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen
(§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.