Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör,
Zurückverweisung an SG durch das LSG im Rahmen der Ermessensausübung
Gründe:
I
Der 1954 geborene Kläger bezog von der Beklagten auf seinen Antrag vom 10. Januar 2005 hin vom 10. Januar 2005 bis zum 31.
Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 345 Euro monatlich, im Januar 2005 anteilig für 22 Tage
(Bescheid vom 11. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2005). Kosten der Unterkunft hatte der
Kläger, der mietfrei bei seiner Mutter wohnte, nicht geltend gemacht. Seine Klage zum Sozialgericht (SG) Schleswig hiergegen blieb ohne Erfolg (Urteil vom 10. Februar 2006). Das SG hat ausgeführt, die Klage sei unstatthaft, soweit sich der Kläger gegen den Bestand der Regelungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB II) wende, weil das Gericht mangels Verwerfungskompetenz dem prozessualen Begehren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
entsprechen könne. Es fehle insoweit auch an der Klagebefugnis im Sinne des §
54 Abs
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG), denn der Kläger mache nicht geltend, durch das Regelungswerk in eigenen Rechten verletzt zu sein. Im Übrigen sei die Klage
unbegründet, denn der Kläger könne höhere als die ihm bewilligten Leistungen nicht verlangen; dabei verstoße insbesondere
die Festsetzung der Regelleistung in Höhe von 345 Euro für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen zur Überzeugung des Gerichts
nicht gegen Verfassungsrecht.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2008 unter anderem zu Protokoll
erklärt, es gehe ihm nicht um die Gewährung höherer Leistungen. Er halte die "Hartz-IV-Gesetze" für verfassungswidrig. Sie
müssten durch andere Gesetze ersetzt werden. Hilfsweise beantrage er, dass den Arbeitslosen Arbeitslosengeld gewährt werde
ohne Ausübung von Druck. Er hat dazu einen Schriftsatz vom 1. Juli 2008 überreicht und sich auf die hierin ausformulierten
Anträge bezogen. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 1. Juli
2008) und zur Begründung ausgeführt: Zwar sei das Urteil des SG unter Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangen, denn er habe unter Vorlage zweier Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen
einen Tag vor der mündlichen Verhandlung deren Vertagung beantragt; dem hätte stattgegeben werden müssen. Das Gericht sehe
aber von einer Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits nach §
159 Abs
1 Nr
2 SGG ab, weil die Sache entscheidungsreif und die Entscheidung im Ergebnis zutreffend sei. Wegen der in erster Linie vom Kläger
noch geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des SGB II sei die Klage unzulässig, wie das SG zutreffend ausgeführt habe (Hinweis auf §
153 Abs
2 SGG). Soweit sich aus den im Schriftsatz vom 1. Juli 2008 und in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen überhaupt die
konkrete Geltendmachung von Ansprüchen ergebe, seien dafür nicht annähernd Rechtsgrundlagen ersichtlich, die seinen behaupteten
Ansprüchen zugeordnet werden könnten.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
geltend. Durch die Hartz-IV-Gesetzgebung würden Künstler wie er ohne rechtfertigenden Grund schlechter gestellt als sonstige
Arbeitslose. Insoweit sehe er sich in seinen Grundrechten verletzt. Er rügt ferner als Verfahrensmangel die Verletzung rechtlichen
Gehörs, denn das LSG habe nicht über die Berufung entscheiden dürfen, sondern das Urteil des SG aufheben und den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen müssen. Das LSG habe schließlich seine Pflicht zur Amtsermittlung verletzt (Verstoß gegen §
103 SGG), denn es hätte darauf hinwirken müssen, dass der Kläger sachgerechte und eindeutige Anträge stellt und sein tatsächliches
Begehren erforschen müssen.
II
Die Beschwerde ist unzulässig.
Grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es muss daher anhand des
anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angegeben werden,
welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus
Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine
Klärung erwarten lässt. Der Kläger hat schon keine Rechtsfrage formuliert, die aus seiner Sicht grundsätzliche Bedeutung hat.
Es mangelt ferner an einer Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung
der Arbeitslosenhilfe und die Einführung des Arbeitslosengeldes II durch das SGB II ab 1. Januar 2005 (vgl BSG SozR 4-4300
§ 428 Nr 3). Wird die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung in Frage gestellt, muss unter Berücksichtigung nicht nur der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch des Bundessozialgerichts (BSG) im Einzelnen dargelegt werden, in welchem Umfang,
von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (vgl nur BSG Beschluss vom 13. September
2007 - B 13/4 R 551/06 B). Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung.
Auch soweit der Kläger Verfahrensfehler rügt, reichen seine Ausführungen nicht aus.
Soweit der Kläger eine Verletzung des §
159 Abs
1 SGG rügt, lässt die Beschwerdebegründung jede Auseinandersetzung mit der Norm und der hierzu ergangenen Rechtsprechung vermissen.
Ob eine Sache bei wesentlichen Mängeln des sozialgerichtlichen Verfahrens an das SG zurückverwiesen wird, steht nach §
159 Abs
1 SGG im Ermessen des LSG und kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob ein Ermessensfehlgebrauch des Berufungsgerichts
gegeben ist. Da das Berufungsgericht in vollem Umfang als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet ist und vorliegend Präklusionsvorschriften
nicht eingreifen, kann es allenfalls in Ausnahmefällen sachgerecht sein, den Rechtsstreit wegen einer geltend gemachten Verletzung
des rechtlichen Gehörs im ersten Rechtszug an das SG zurückzuverweisen. Im Zweifel ist die Entscheidung des LSG, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen
Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl zum Ganzen nur BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57; BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1). Die Beschwerdebegründung legt nicht dar, welche Anhaltspunkte hier für das Vorliegen einer solchen
Ausnahmesituation hätten bestehen sollen.
Ein Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Über einen gestellten Beweisantrag ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen.
Soweit der Kläger mit seinem Hinweis auf die Amtsermittlungspflicht und die Hinweispflichten (vgl §
106 Abs
1 SGG) der Gerichte darüber hinaus sinngemäß rügt, das LSG habe es unterlassen, sich über die von ihm erhobenen Ansprüche ohne
Bindung an die gestellten Anträge Klarheit zu verschaffen (§
123 SGG) und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, reichen die hierzu gemachten Ausführungen ebenfalls nicht aus.
Ein Versäumnis des Gerichts, ein bestimmtes Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, bedarf greifbarer Anhaltspunkte,
die der Beschwerdeführer im Einzelnen aufzuzeigen hat (vgl zB BVerfG Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06). Zudem muss der Beschwerdeführer darlegen, inwiefern die Einbeziehung seines vermeintlich unberücksichtigt gebliebenes Vorbringens
zu einem anderen Urteilsspruch hätte führen können (vgl BSGE 69, 280 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5). An beidem fehlt es vorliegend.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von §
193 SGG.