Vertreterbestellung für prozessunfähigen Kläger
Ausnahmefall von der Vertreterbestellung
Absurde Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz
Rechtsschutzgarantie
1. Ein Ausnahmefall von der Vertreterbestellung für einen prozessunfähigen Kläger ist anzunehmen, wenn es sich um eine aussichtslose
und abwegige Rechtsverfolgung, also in der Sache um eine offensichtlich unbegründete Klage handelt.
2. Ein solcher Ausnahmefall von der Vertreterbestellung ist zu bejahen bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz
oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur
allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht von sich gibt oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals
Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war.
3. Diese Ausnahmen sind in den seltenen Konstellationen zulässig, in denen bereits der Schutzbereich des Art.
19 Abs.
4 GG nicht berührt ist und damit keine Nachteile für den Prozessunfähigen verbunden sind.
4. Denn der nach Art.
19 Abs.
4 GG garantierte Rechtsschutz dient keinem Selbstzweck, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe
die ihm zustehenden materiellen Ansprüche durchsetzen bzw. rechtswidrige Eingriffe abwehren kann.
Gründe:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Gemäß §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO kann PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt
es hier.
Es sind unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der ersten und zweiten Instanz sowie des Akteninhalts keine
Gründe für die Zulassung der Revision in dem bezeichneten Verfahren ersichtlich. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), wenn das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Zwar hat das Berufungsgericht von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den bereits im Berufungsverfahren prozessunfähigen
Kläger abgesehen und kann hierin - als Verfahrensmangel - grundsätzlich ein absoluter Revisionsgrund liegen, bei dem unterstellt
wird, dass das Urteil des LSG auf ihm beruht. Das Berufungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Ausnahmefall
von der Vertreterbestellung anzunehmen ist, weil es sich um eine aussichtslose und abwegige Rechtsverfolgung, also in der
Sache um eine offensichtlich unbegründete Klage handelt. Aus dem gleichen Grund konnte der Senat von der Bestellung eines
besonderen Vertreters gemäß §
72 Abs
1 SGG absehen.
Ein solcher Ausnahmefall von der Vertreterbestellung ist zu bejahen bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz
oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur
allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht von sich gibt oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals
Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war. Diese Ausnahmen sind in den seltenen Konstellationen zulässig, in denen bereits
der Schutzbereich des Art
19 Abs
4 GG nicht berührt ist und damit keine Nachteile für den Prozessunfähigen verbunden sind (BSG vom 3.7.2003 - B 7 AL 216/02 B - SozR 4-1500 § 72 Nr 1; BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R - SozR 4-1500 §
72 Nr 2; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, § 72 RdNr 2c). Denn der nach Art
19 Abs
4 GG garantierte Rechtsschutz dient keinem Selbstzweck, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe
die ihm zustehenden materiellen Ansprüche durchsetzen bzw rechtswidrige Eingriffe abwehren kann (BSG vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr 1 RdNr 6).
Ausgehend von den Schriftsätzen des Klägers im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren und seinen Anträgen in der mündlichen
Verhandlung vor dem SG ist das LSG in zutreffender Auslegung des Klagebegehrens (§
123 SGG) davon ausgegangen, dass er begehrt,
1. festzustellen, dass gegenüber den bereits entschiedenen Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten eine neue Sachlage eingetreten
sei; kein Wahn- und Prozessunfähigkeit;
2. zu erklären, wie rasch eine Rechtsfrage nach §
55 SGG geklärt werden könne;
3. gegenüber der Beklagten festzustellen, dass eine Rechtsanhängigkeit einiger Rechtsfragen gegenüber der Beklagten nicht
sämtliche Rechtsverhältnisse erfasse;
4. festzustellen, dass die Sperrregelung des §
202 SGG iVm § 217
GVG nur innerhalb der Gerichte gelte;
5. festzustellen, dass auch eine Rechtshängigkeit kein Hindernis für eine Überprüfung nach § 44 SGB X sei und die Kommunikation nicht eingestellt werden dürfe, zB im Hinblick auf außergerichtliche Klärungen;
6. festzustellen, dass die Beklagte im Zusammenhang mit einem Teilhabeplan verpflichtet ist, auf ihn zuzukommen, wenn sie
etwas, was er schreibt, nicht versteht;
7. weitere schriftsätzlich gestellte Klageanträge zu bescheiden.
Das Berufungsgericht hat diese Anträge des Klägers zutreffend als ohne jeglichen Bezug zu konkreten Klagebegehren eingeordnet
und auch darauf hingewiesen, dass in zahlreichen weiteren Verfahren mit angegriffenen Sachentscheidungen, auch zur Erstellung
eines Teilhabeplans, zur Durchsetzung der Rechte des Klägers besondere Vertreter bestellt worden seien. Ansatzpunkte dafür,
dass unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgedankens auf eine sachdienliche Antragstellung hingewirkt werden bzw ein
besonderer Vertreter hinreichende Bezüge zum materiellen Recht formulieren könnte (vgl hierzu BSG vom 21.9.2016 - B 8 SO 7/16 B, RdNr 9), liegen nicht vor. Auch konkrete Anträge nach § 44 SGB X sind weder ersichtlich noch vom Kläger auf mehrfache gerichtliche Nachfrage bezeichnet. Es greift daher der allgemeine, nunmehr
auch in §
56a SGG niedergelegte Rechtsgedanke, dass ein Beteiligter eine Überprüfung des Verwaltungsverfahrens nicht verlangen kann, wenn eine
Verletzung eigener materieller Rechte durch die ergangene Verwaltungsentscheidung von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl
auch BSG vom 24.11.2004 - B 3 KR 16/03 R - SozR 4-2500 § 36 Nr 1 RdNr 19; BSG vom 14.12.1988 - 9/4b RV 55/86 - SozR 1500 § 144 Nr 39; vgl zum Grundsatz der Inzidentkontrolle behördlicher Verfahrenshandlungen bei der Prüfung der Sachentscheidung Luik
in Hennig,
SGG, §
56a RdNr 2, Stand Einzelkommentierung 6/2015).
Aus den genannten Gründen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter erfolgreich
eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder eine Divergenz rügen könnte.
Da dem Kläger PKH nicht zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
73a SGG iVm §
121 ZPO) nicht in Betracht.