Vergütung stationärer Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Fallpauschalen
Unzulässigkeit der Kodierung der Hauptdiagnose T83.5 - Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder
Transplantat im Harntrakt – bei einem Harnwegsinfekt mit Nachweis von multiresistenten Keimen mit eingesetztem suprapubischen
Blasenkatheter
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach §
108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten H. S. (im Folgenden: Versicherter)
in der Zeit vom 5. bis 11.8.2009 vollstationär wegen eines Harnwegsinfekts mit Nachweis von Extended-Spectrum-Betalaktamase
(ESBL, Hinweis auf multiresistente Keime). Der Versicherte war zum Zeitpunkt der Aufnahme mit einem suprapubischen Blasenkatheter
(Dauerkatheter) versorgt. Ein solcher Katheter wird über einen Hautschnitt oberhalb des Schambeins durch die Bauchwand in
die Harnblase eingeführt, sodass der Urin unter Umgehung der Harnröhre abgeleitet wird. Zu einem Katheterwechsel kam es während
der stationären Behandlung nicht. Die Klägerin stellte der Beklagten für die stationäre Behandlung des Versicherten 2984,82
Euro in Rechnung auf der Grundlage der Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2009 [DRG]) L69B (Andere schwere Erkrankungen
der Harnorgane, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren oder schweren CC, Alter > 9 Jahre). Zu dieser DRG gelangte
sie, indem sie nach dem in diesem Jahr geltenden ICD-10-GM als Hauptdiagnose T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch
Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) kodierte und als Nebendiagnosen U80.4! (Escherichia, Klebsiella und Proteus
mit Resistenz gegen Chinolone, Carbapeneme, Amikacin, oder mit nachgewiesener Resistenz gegen alle Beta-Laktam-Antibiotika
[ESBL-Resistenz]) sowie N18.81 (Chronische Niereninsuffizienz, Stadium I). Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst,
verrechnete jedoch später 1526,68 Euro aufgrund von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)
mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin. Abzurechnen sei die mit 1458,14 Euro zu vergütende DRG L63F (Infektionen
der Harnorgane ohne äußerst schwere CC, Alter > 5 Jahre) nach Maßgabe der Hauptdiagnose N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation
nicht näher bezeichnet) bzw - so der Vortrag im weiteren Verlauf des Verfahrens - N30.0 (Akute Zystitis). Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von 1526,68 Euro nebst Zinsen verurteilt (Urteil vom 23.5.2013), das LSG hat die dagegen gerichtete
Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Nach dem Wortlaut, ergänzt um systematische Erwägungen, sei T83.5 gegenüber N30.0 der
spezifischere Kode. Bei dem liegenden suprapubischen Katheter handele es sich um eine Prothese, ein Implantat oder Transplantat
iS von T83.5 (Urteil vom 27.10.2017).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der Vorschriften zur Kodierung der Hauptdiagnose nach der Deutschen Kodierrichtlinie
(DKR, 2009) D002f und von ICD-10-GM (2009) T83.5. Der suprapubische Blasenkatheter sei nicht Prothese, Implantat oder Transplantat
iS dieses Kodes. Das LSG habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass der nachgewiesene Harnwegsinfekt durch den Katheter
eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Oktober 2017 und des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2013 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach medizinischer Erfahrung und aufgrund der Wirkweise des Katheters sei
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der vorhandene Katheter Ausgangspunkt der Infektion
gewesen sei.
II
Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Das LSG hat zu Unrecht deren Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. LSG- und SG-Urteil verletzen revisibles Recht.
Die Klage ist in dem hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis als (echte) Leistungsklage gemäß §
54 Abs
5 SGG zulässig (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN), jedoch unbegründet. Die Beklagte hat den unstreitig entstandenen Vergütungsanspruch
der Klägerin aus der Behandlung anderer Versicherter in Höhe von 1526,68 Euro dadurch erfüllt, dass sie mit einem aus der
Behandlung des Versicherten resultierenden Gegenanspruch aus öffentlich-rechtlicher Erstattung wirksam aufrechnete. Der Klägerin
standen als Vergütung nur 1458,14 Euro für die stationäre Behandlung des Versicherten zu, nicht hingegen die dafür von der
Beklagten gezahlten weiteren 1526,68 Euro.
1. Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der stationären Behandlung des Versicherten vom 5. bis 11.8.2009 geltend gemachten
Vergütungsanspruchs ist §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG, vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, 15 f; BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 20/19 R - juris RdNr 11 mwN).
2. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Die Zahlungsverpflichtung der KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung
durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird
und iS von §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl BSG aaO mwN). Dies war nach den bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG vorliegend der Fall.
Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht auch nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter
der Beklagten Anspruch auf 1526,68 Euro hatte und der Klägerin unter der Voraussetzung, dass die DRG L63F abzurechnen war,
nur ein Vergütungsanspruch von 1458,14 Euro für die stationäre Behandlung des Versicherten zustand, hingegen der Vergütungsanspruch
dafür sich auf 2984,82 Euro belief, wenn die DRG L69B abzurechnen war. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats zur Höhe
der streitigen Beträge erübrigt sich. Der vom LSG zugrunde gelegte übereinstimmende Beteiligtenvortrag genügt insoweit als
ausreichende Tatsachengrundlage für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen und Gegenrechte. Auch wenn amtliche Sachaufklärung
nicht von Beteiligtenvorbringen (Tatsachenbehauptungen, Beweisanregungen, Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Amtsermittlungsgrundsatz
keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch
sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. In diesem Sinne findet die amtliche Sachaufklärungspflicht
ihre Grenze an der Mitwirkungslast der Verfahrensbeteiligten. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - beide Beteiligten eine
besondere professionelle Kompetenz aufweisen (stRspr; vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17, dort zu einer Arzneimittelvergütung; s ferner BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 39/17 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 9 und 29, zu Krankenhausvergütungen in einer Aufrechnungslage).
3. Der Klägerin stand neben den von der Beklagten gezahlten 1458,14 Euro kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der
darüber hinaus geforderten 1526,68 Euro und damit auch kein Zinsanspruch zu. Zu Unrecht rechnete die Klägerin den Behandlungsfall
des Versicherten nach Maßgabe der DRG L69B unter Kodierung der Hauptdiagnose T83.5 ab. Abzurechnen war stattdessen die von
der zu kodierenden Hauptdiagnose N30.0 (Akute Zystitis) angesteuerte DRG L63F.
a) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach
vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter
in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V iVm § 7 KHEntgG und § 17b KHG (vgl oben 1). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen
[FPV]) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren
nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung
für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen
zu Verlegungsfällen und zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden
Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3
KHEntgG.
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 Satz 1 FPV 2009; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm (Grouper) greift dabei auch
auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen
und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen
wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10)
in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums
für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (ICD-10-GM, Version 2009, idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 28.10.2008, BAnz Nr 170 vom 7.11.2008, S 4016, in Kraft getreten am 1.1.2009),
die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS, zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR
(Version 2009 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden
der Rechtswissenschaft. Die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehenen Abrechnungsbestimmungen
sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems
stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr, vgl BSG vom 17.12.2019 - B 1 KR 19/19 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 15 RdNr 13 mwN).
b) Zu Recht sind die Beteiligten darüber einig, dass die von der Klägerin abgerechnete DRG L69B nur angesteuert wird, wenn
neben der - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Nebendiagnose U80.4! für den resistenten Infektionserreger die Hauptdiagnose
T83.5 zu kodieren wäre. Dies war aber nicht der Fall. Als Hauptdiagnose zu kodieren war stattdessen N30.0, die DRG L63F ansteuert.
Die Hauptdiagnose wird nach der DKR D002f definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die
hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist (vgl dazu auch
BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 16 ff). Die DKR D002f regelt ferner (S 6 f), dass Kodes nach den Kategorien T80-T88 (Komplikationen
bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert) nur dann als Hauptdiagnose zu
verschlüsseln sind, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw Störung existiert oder die Verschlüsselung
dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum des ICD-10-GM ausgeschlossen ist.
Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen von T83.5 vorlagen, dh ob der bei dem Versicherten vorliegende Harnwegsinfekt
durch den bei ihm eingesetzten suprapubischen Blasenkatheter als Unterfall einer Prothese, eines Implantats oder Transplantats
bedingt war (vgl dazu BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 27/18 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 12 RdNr 15 ff), scheidet eine Kodierung dieses Kodes als Hauptdiagnose danach vorliegend aus. Denn in
Bezug auf die bei dem Versicherten vorliegende Erkrankung existiert mit N30.0 ein spezifischerer Kode (dazu aa), dessen Verschlüsselung
auch nicht durch ein Exklusivum des ICD-10-GM ausgeschlossen ist (dazu bb).
aa) Nach dem Wortlaut der DKR D002f ist die Frage, ob kein spezifischerer Kode als ein Kode aus der dort abgebildeten Tabelle
1 (die ebenfalls alle den Zusatz "anderenorts nicht klassifiziert" enthalten) oder nach den Kategorien T80-T88 existiert,
"in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung" zu prüfen.
Der Ursache der Erkrankung oder Störung kommt danach nur dann Bedeutung zu, wenn damit die Erkrankung bzw Störung als solche
näher spezifiziert werden kann, als dies mit anderen Kodes der Fall ist. Als Beispiel hierfür nennen die DKR die Elektrodendislokation
bei einem Herzschrittmacherträger (Beispiel 7 zur DKR D002f S 7). Hier beschreibt der Kode T82.1 (Mechanische Komplikation
durch ein kardiales elektronisches Gerät) die Störung spezifischer als der alternativ in Betracht kommende Kode I97.8 (Sonstige
Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert).
Das korreliert auch mit Wortlaut und Systematik des ICD-10-GM. Denn die in der DKR D002f geregelte Subsidiarität der Kodes
aus T80-T88 ergibt sich dort auch aus dem Zusatz "anderenorts nicht klassifiziert" im Titel der Gruppe T80-T88.
Danach war im Fall des Versicherten N30.0 gegenüber T83.5 der spezifischere Kode (vgl auch die Kodierempfehlung KDE-212 der
Sozialmedizinischen Expertengruppe "Vergütung und Abrechnung" der Medizinischen Dienste [SEG 4], abrufbar unter https://foka.medizincontroller.de/index.php/KDE-212,
zuletzt aktualisiert am 27.4.2015). Denn nach dem Gesamtzusammenhang der vom LSG getroffenen Feststellungen, die von den Beteiligten
nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und deshalb für den Senat bindend sind (§
163 SGG), litt der Versicherte an einer akuten Harnblasenentzündung, die den stationären Aufenthalt auch hauptsächlich veranlasst
hat. Diese Erkrankung wird durch den Kode N30.0 (Akute Zystitis) sowohl hinsichtlich ihrer Lokalisierung (Harnblase) als auch
hinsichtlich der Art der Erkrankung (akute Entzündung) spezifischer bezeichnet als durch den Kode T83.5 (Infektion und entzündliche
Reaktion durch ... im Harntrakt). Selbst wenn die Entzündung durch den suprapubischen Blasenkatheter verursacht worden sein
sollte - was das LSG nicht festgestellt hat -, wäre diese zusätzliche Information aus T83.5. im vorliegenden Fall nicht geeignet,
die Erkrankung als solche spezifischer zu beschreiben.
bb) Die Verschlüsselung des Kodes N30.0 war auch nicht durch ein auf T83.5 verweisendes Exklusivum ausgeschlossen.
Existiert wie hier ein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw Störung, kommt eine Verschlüsselung von Kodes der
Kategorien T80-T88 nach der DKR D002f nur in Betracht, wenn die Verschlüsselung des spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum
ausgeschlossen ist. Weder zu N30.0 noch zu der Gruppe Sonstige Krankheiten des Harnsystems (N30-N39) findet sich aber ein
Exklusivum in Bezug auf T83.5 oder die Gruppe T80-T88.
Das im Kapitelvorspann zum Kapitel XIV - Krankheiten des Urogenitalsystems (N00-N99) formulierte Exklusivum "Verletzungen,
Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)" (Kapitel XIX) schließt die Kodierung von N30.0 im Verhältnis
zu T83.5 nicht aus. Diesem Exklusivum kann zwar grundsätzlich ein Vorrang der ursachenspezifischen Erkrankungen des Kapitels
XIX (S00-T98) gegenüber den organspezifischen Krankheiten des Kapitels XIV (N00-N99) entnommen werden. Einschlägig ist es
aber nur dann, wenn die Voraussetzungen eines Kodes des Kapitels S00-T98 auch tatsächlich vorliegen. Dies ist bei den Kodes
der Kategorien T80-T88 nach dem Wortlaut der Gruppenüberschrift nur der Fall, wenn die jeweilige Erkrankung "anderenorts nicht
klassifiziert" ist. Diese Auslegung wird durch weitere systematische Erwägungen gestützt. Denn wollte man den in dem Kapitelvorspann
der meisten organspezifischen Krankheiten enthaltenen Exklusiva in Bezug auf das Kapitel XIX (S00-T98) einen generellen Vorrang
der Kodes dieses Kapitels beimessen, wären die zahlreichen spezielleren Exklusiva in anderen Kapiteln (vgl zB die Exklusiva
bei G93.1, H59.-, I97.-, J43.-, J95.-, K65.-, L23.3, L50.-, M96.6) in Bezug auf einzelne oder Kategorien von Kodes des Kapitels
XIX überflüssig und nicht verständlich.
c) Der Kode T83.5 war auch nicht als Nebendiagnose zu verschlüsseln. Eine Mehrfachkodierung für - wie hier - ein und dieselbe
Erkrankung findet nur in den in der DKR D012f abschließend aufgeführten Fallgruppen statt. Das sind zum einen die Schlüsselnummern
im sogenannten "Kreuz-Stern-System". Dieses System ist speziell dafür bestimmt, Schlüsselnummern mit Kreuzsymbol (†) für die
Ursache und Schlüsselnummern mit Sternsymbol (*) für die Manifestation einer Erkrankung bzw Störung zu kodieren. Darüber hinaus
sind das Fälle, in denen im ICD-10-GM bzw den DKR eine Doppelklassifizierung ausdrücklich vorgesehen ist. Dies ist bei der
Zystitis nur hinsichtlich des Infektionserregers der Fall (vgl die Anmerkung zur Kategorie N30.- im ICD-10-GM). In Bezug auf
andere Ursachen der Zystitis, wie hier etwa den suprapubischen Blasenkatheter, existiert eine entsprechende Regelung nicht.
Im Übrigen ist auch ein die Kodierung als Nebendiagnose rechtfertigender zusätzlicher Aufwand im Sinne der DKR D003d nicht
festgestellt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO. Die Streitwertentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.