Versicherungsschutz von Organspendern in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Gesundheitsschäden infolge der Organentnahme
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Der Kläger ließ sich für seinen Bruder am 17.10.2002 operativ die linke Niere entnehmen. Während der Operation wurde zur Nierenentfernung
ua ein Flankenschnitt gesetzt, der zu einer partiellen Bauchwandparese links führte. Im Übrigen zeigten sich die stationäre
Behandlung vom 16. bis zum 29.10.2002, die primäre Wundheilung und der weitere postoperative Verlauf unauffällig.
Die Beklagte lehnte es ab, das "Ereignis vom 17.10.2002" als Arbeitsunfall anzuerkennen (Bescheid vom 21.1.2005; Widerspruchsbescheid
vom 14.9.2005). Das SG Halle hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.11.2007). Das LSG Sachsen-Anhalt hat die Berufung zurückgewiesen
(Urteil vom 22.6.2011). Der zu Organentnahme notwendige operative Eingriff erfülle schon den Versicherungstatbestand des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII und scheide damit als Unfallereignis iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII aus. Ein Arbeitsunfall komme nur bei einem weiteren von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis in Betracht. Eine über
die versicherte Tätigkeit der Organspende hinausgehende äußere Ursache für die partielle Bauchwandparese links liege aber
nicht vor. Zudem habe sich der Kläger dem Eingriff freiwillig unterzogen. Die Unfreiwilligkeit einer Einwirkung sei aber dem
Unfallbegriff immanent.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII. Nach der Systematik des
SGB VII stelle die Organspende als die den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit zwar keinen Unfall dar. Damit wären aber zahlreiche
mittel- und langfristig eintretenden Komplikationen nicht geschützt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die gesetzliche
Krankenversicherung allein für die Organentnahme an sich und die mit ihr zwangsläufig einhergehenden Folgen eintrittspflichtig.
In allen anderen Fällen einer im Zusammenhang mit der Organspende stehenden Gesundheitsbeeinträchtigung greife hingegen die
gesetzliche Unfallversicherung ein. Als Unfall sei jede Komplikation anzusehen, mit der sich - wie bei der partiellen Bauchwandparese
links - nicht lediglich das durch die Organentnahme erhöhte allgemeine Krankheitsrisiko verwirkliche.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 2011 und des Sozialgerichts Halle vom 9. November 2007 abzuändern
sowie die Ablehnung der Feststellung eines Versicherungsfalls im Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass infolge der Organspende vom 17. Oktober
2002 am 27. Mai 2004 ein Arbeitsunfall eingetreten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf das Tatbestandsmerkmal "Unfall" könne ohne Gesetzesänderung nicht
verzichtet werden.
II
Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.
Die Ablehnung der Beklagten, einen Arbeitsunfall anzuerkennen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Anspruch
auf Feststellung dieses Versicherungsfalls aus §
102 SGB VII iVm §
8 Abs
1 SGB VII. Er hat infolge der Organspende vom 17.10.2002 einen Arbeitsunfall erlitten. Allerdings lässt sich anhand der tatsächlichen
Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob sich der Arbeitsunfall bereits vor dem 5.11.2009 ereignet hat.
Nach §
8 Abs
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit, Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte
zur Zeit des Unfalls (genauer: davor) durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt;
nur dann ist er kraft Gesetzes Versicherter. Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper
einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität
und haftungsbegründende Kausalität im engeren Sinn; vgl BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat dadurch, dass er seinem Bruder eine Niere spendete, als (Lebend-)Organspender
iS des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII eine versicherte Tätigkeit verrichtet (dazu 1.). Diese Verrichtung hat den zur Organentnahme durchgeführten Flankenschnitt
als das Unfallereignis (dazu 2.) und dieses hat die partielle Bauchwandparese links als Gesundheitserstschaden (dazu 3.) rechtlich
wesentlich verursacht (dazu 4.). Die Freiwilligkeit der Organspende und die Vorhersehbarkeit der mit der Operation notwendig
verbundenen Körperschäden schließen den Arbeitsunfall nicht aus (dazu 5.). Anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann
jedoch nicht entschieden werden, wann infolge der Organspende der Arbeitsunfall eingetreten ist (dazu 6.).
1. Nach §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII sind Personen versichert, die Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden. Der Tatbestand dieser versicherten
Tätigkeit des "Spendens eines Organs" setzt folgende Verrichtungen voraus: Der Spender muss freiwillig und nach Maßgabe des
Transplantationsgesetzes (TPG) in seiner jeweils gültigen Fassung in die Entnahme seines Organs durch ein anerkanntes Transplantationszentrum und in die
Übertragung des Organs auf einen gesetzlich zugelassenen Empfänger eingewilligt, sich in ein Transplantationszentrum begeben
und sich dort der Entnahmeoperation einschließlich der Vor- und Nachbehandlung unterworfen haben. Denn das Gesetz soll nur
solchen Lebendorganspendern Unfallversicherungsschutz gewähren, die sich zu einer nach Maßgabe des Transplantationsgesetzes rechtmäßigen Organspende bereitfinden.
Der Kläger hat diesen Tatbestand erfüllt, die dafür notwendigen Handlungen vorgenommen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete
Handeln eines Verletzten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (zumindest auch) auf die Erfüllung des Tatbestandes
der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet (sog objektivierte Handlungstendenz) ist (BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen). Der Kläger hat sich freiwillig der Operation unterzogen, um
iS der §§ 8 bis 10 TPG (hier in der vor dem 1.8.2007 geltenden Fassung) für seinen Bruder, einen Verwandten zweiten Grades, die linke Niere, ein
körpereigenes Organ, in einem dafür zugelassenen Transplantationszentrum entfernen zu lassen. Durch das Entgegennehmen der
insoweit erforderlichen ärztlichen Behandlung war das Verhalten des Klägers darauf gerichtet, das Ziel der ärztlichen Maßnahme,
die Übertragung seiner Niere auf seinen Bruder zu erreichen.
Entgegen dem LSG ist die Verrichtung einer Organspende nicht in der operativen Nierenentnahme durch Ärzte und andere Kräfte
des Krankenhauses zu erblicken. Denn der Tatbestand einer versicherten Tätigkeit kann nur durch Verrichtungen/Handlungen des
Verletzten selbst erfüllt werden. Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit ist eine höchstpersönliche Handlung. Eine Zurechnung
des Handelns anderer Personen ist hierbei ausgeschlossen.
2. Infolge dieser Verrichtung einer Organspende ist es zu einem Unfall iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII und damit zu einem Arbeitsunfall gekommen. Nach §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum
Tod führen. Das im Wesentlichen durch das Handeln des Klägers verursachte (Unfall-)Ereignis bestand hinsichtlich des hier
umstrittenen Gesundheitserstschadens der Bauchwandparese links entgegen dem LSG in dem zur operativen Nierenentnahme durchgeführten
chirurgischen Flankenschnitt des Transplantationschirurgen. Er war ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers
einwirkendes Ereignis, das unmittelbar den physiologischen Zustand des Körpers verändert und die körperliche Integrität des
Klägers verletzt hat. Auch dann, wenn die Einwirkung auf den Körper nicht nur zu einer Veränderung seines physiologischen
Zustandes, sondern auch zu einer Verletzung der körperlichen (seelischen oder geistigen) Integrität führt, ist zwischen der
Einwirkung auf den Körper als mögliche Ursache und dem Gesundheitserstschaden (oder dem Tod) als mögliche Wirkung der Einwirkung
auf den Körper zu unterscheiden (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 42 vorgesehen).
Das einwirkende Ereignis erfasst (auch) Geschehnisse, die aufgrund der jeweiligen versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Es
bedarf keines außergewöhnlichen Vorgangs. Vielmehr genügt jedes Ereignis, bei dem ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt.
Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen
aus inneren Ursachen sowie zu absichtlichen Selbstschädigungen. Die Einwirkung des Transplantationschirurgen auf den Körper
des rechtmäßigen Organspenders, die dessen Körper notwendig verletzt, ist nach dem Tatbestand der versicherten Tätigkeit des
Spendens von Organen die Einwirkung, die rechtlich wesentlich Gesundheitserstschäden iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII verursachen kann, aber nicht muss (dazu 3.).
Keiner Darlegung bedarf, dass die unfallversicherte Verrichtung des Klägers den Flankenschnitt des Transplantationschirurgen
rechtlich wesentlich verursacht hat.
3. Der Gesundheitserstschaden besteht in der Bauchwandparese links, die durch den Flankenschnitt (rechtlich wesentlich) verursacht
wurde.
Gesundheitserstschaden iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende,
zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung
der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind
diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare
Unfallfolgen) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des §
11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine
Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE 108, 274 und SozR 4-2700 § 11 Nr 1 vorgesehen).
Die Bauchwandparese des Klägers ist keine Unfallfolge, sondern der Gesundheitserstschaden. Zwar hat bereits der Flankenschnitt,
also die Einwirkung auf den Körper, unmittelbar zu einer Verletzung des Körpers geführt. Schon durch ihn ist in die körperliche
Integrität eingegriffen worden. Dies wird grundsätzlich rechtlich missbilligt. Nach dem sog natürlichen Schadensbegriff liegt
daher ein Gesundheitsschaden vor. Es handelt sich aber nicht um einen Gesundheitsschaden iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII. Denn der natürliche Schadensbegriff bedarf hier einer wertenden Korrektur, die sich aus dem Zweck der den Versicherungsschutz
begründenden Vorschrift ergibt (vgl stellv zu solchen Korrekturen BGH vom 8.4.2008 - VI ZR 49/07 - BGHZ 176, 109, 114).
Die Gesundheitsschäden, die beim Lebendorganspender durch eine rechtmäßige Transplantation (einschließlich Vor- und Nachbehandlung
für die Durchführung der Organentnahme) notwendig verursacht werden, sind nach dem Schutzzweck des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII keine missbilligten Wirkungen des Eingriffs, sondern gehören notwendig zur Organspende, die durch den das Transplantationsgesetz ergänzenden Unfallversicherungsschutz gebilligt wird und gefördert werden soll. Deshalb setzt der Versicherungstatbestand
des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII die Hinnahme der zur Organspende erforderlichen Körperverletzung voraus. Sieht aber schon der Tatbestand der versicherten
Tätigkeit den operativen Eingriff zur Organentnahme vor, ist der Gesundheitserstschaden im Falle einer Organspende nach Maßgabe
des Schutzzwecks dieser Vorschrift zu bestimmen.
Die Organtransplantation ist grundsätzlich Teil der dem Organempfänger von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung
zu gewährenden Krankenbehandlung; die ambulante und stationäre Behandlung des Organspenders stellen eine Nebenleistung zu
der dem Organempfänger zu erbringenden Behandlungsmaßnahme dar (BSG vom 16.7.1996 - 1 RK 15/95 - BSGE 79, 53 = SozR 3-2500 § 27 Nr 7).
In Abgrenzung zur gesetzlichen Krankenversicherung greift die gesetzliche Unfallversicherung erst dann ein, wenn im Zusammenhang
mit der Organentnahme beim Organspender gesundheitliche Schäden auftreten, die über die durch die Organentnahme notgedrungen
entstehenden Beeinträchtigungen hinausgehen und in ursächlichem Zusammenhang mit der Organentnahme stehen, oder wenn der Organspender
an der Organentnahme verstirbt (vgl BT-Drucks 15/5050 S 62 zu Abschn 7.2.2.1). §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII soll (freiwillige) Lebendorganspender gegen alle Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich des Todes schützen, die durch
die Organentnahme verursacht sind und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht zwingend mit dem operativen Eingriff
und einer erforderlichen Vor- und Nachbehandlung einhergehen.
Versicherte Gesundheitserstschäden sind daher nur diejenigen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die gerade nicht im Eingriff zu
Organentnahme selbst bestehen, also Gesundheitsschäden, die durch die Organentnahme zusätzlich zu den mit ihr notgedrungen
verbundenen Beeinträchtigungen wesentlich verursacht wurden. Das operative Geschehen nebst einer Vor- und Nachbehandlung ist
hingegen, wie gesagt, das durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit wesentlich bedingte einwirkende Ereignis iS des
§
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII. Eine damit zwingend verbundene Integritätseinbuße (hier der Flankenschnitt) scheidet demnach als Gesundheitserstschaden
aus.
Als ein durch die Organentnahme hervorgerufener Gesundheitserstschaden kommt vielmehr nur eine Gesundheitsbeeinträchtigung
in Betracht, die nach den derzeit anerkannten medizinischen Erfahrungssätzen nicht notwendig allein schon durch die operative
Organentnahme verursacht wird. Dass eine Bauchwandparese zwingend mit einer Nierenentfernung verbunden ist, hat das LSG nicht
festgestellt und ist auch nicht ersichtlich. Es hat jedoch für das BSG bindend festgestellt, dass beim Kläger infolge des Flankenschnitts eine Bauchwandparese links aufgetreten ist.
4. Nach dem genannten Schutzzweck des in §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b Alt 2
SGB VII geregelten Versicherungstatbestandes war der Flankenschnitt auch die rechtlich wesentliche Ursache für die Bauchwandparese.
Denn der Unfallversicherungsschutz soll gerade eingreifen, wenn eine rechtmäßige Organspende zu weiteren (üblichen oder unüblichen)
Gesundheitsschäden führt, die über die mit der Organentnahme (einschließlich Vor- und Nachbehandlung) notwendig verbundenen
Gesundheitsbeeinträchtigungen hinausgehen. Anhaltspunkte dafür, dass das Unfallereignis oder der Gesundheitserstschaden durch
andere Umstände allein rechtlich wesentlich verursacht worden sein könnte, sind nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag
der Beteiligten offenkundig nicht gegeben.
5. Dem Anspruch auf Feststellung des Arbeitsunfalls steht auch nicht entgegen, dass der Kläger "freiwillig" in die Entnahme
seiner Niere eingewilligt hat (§ 8 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b TPG), er sich damit freiwillig dem operativen Eingriff unterzogen und die Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität durch
die Transplantation vorhergesehen hat.
Die Freiwilligkeit der rechtmäßigen (Lebend-)Organspende und die Vorhersehbarkeit der damit notwendig verbundenen Körperverletzungen
sind schon Tatbestandsvoraussetzungen der versicherten Tätigkeit ("Organe...spenden") und können schon deshalb den Eintritt
eines Versicherungsfalles nicht ausschließen. Zudem sind die wie auch immer zu verstehende "Freiwilligkeit" der das einwirkende
Ereignis verursachenden Verrichtung oder die "Unvorhersehbarkeit" des Gesundheitsschadens keine Tatbestandsvoraussetzungen
des gesetzlichen Unfallbegriffs des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII. Maßgeblich für die Erheblichkeit oder Unbeachtlichkeit dieser Aspekte ist grundsätzlich der Schutzzweck des jeweiligen Versicherungstatbestandes.
Das BSG hat unter Hinweis auf eine Entscheidung zu § 1252 Abs 2
Reichsversicherungsordnung (
RVO) über die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gesagt, dass die Unfreiwilligkeit einer
Einwirkung dem Unfallbegriff immanent sei, weil ihm ein geplantes, willentliches Herbeiführen der Einwirkung widerspreche
(vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R - Juris RdNr 17 mwN). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen zum Unfallbegriff tragend für die damalige Entscheidung
waren. Jedenfalls hat es ausdrücklich nur ein "geplantes, willentliches Herbeiführen der Einwirkung" als mit dem Arbeitsunfall
unvereinbar bezeichnet. Dem ist mit der Klarstellung beizupflichten, dass ein Versicherungsfall "wegen Freiwilligkeit oder
Vorhersehbarkeit" nur dann nicht vorliegen kann, wenn es dem Verletzten gerade darauf ankam (Absicht als dolus directus ersten
Grades), durch sein Handeln eine Einwirkung auf seinen Körper und dadurch seinen eigenen Gesundheitsschaden zu verursachen.
Dabei kann offen bleiben, ob je nach Versicherungstatbestand schon eine "Verrichtung" der versicherten Tätigkeit mangels einer
(auch) auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit gerichteten objektivierten Handlungstendenz
abzulehnen ist oder die rechtliche Wesentlichkeit der Verrichtung für die Verursachung des Schadens fehlt.
Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen
aus inneren Ursachen sowie zu geplanten willentlichen, also absichtlichen, Selbstschädigungen (vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 7). Auch bei der Entscheidung zu § 1252 Abs 2
RVO war ein Fall der versuchten Selbsttötung zu beurteilen und darüber zu entscheiden, ob die Erkrankung "infolge" eines Unfalls
eingetreten war. Die früheren Ausführungen zum Unfallbegriff stehen daher im Zusammenhang mit der Frage, ob die Verrichtung
einer versicherten Tätigkeit, die absichtlich ausgeübt wird, um ein Unfallereignis herbeizuführen, gerade in rechtlicher Wertung
wesentliche Ursache iS der Theorie der wesentlichen Bedingung für den dadurch verursachten Gesundheitserstschaden oder Tod
sein kann.
Unabhängig davon sind, wie gesagt, die Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit keine ausdrücklich genannten oder ungeschriebenen
Tatbestandsmerkmale des gesetzlich definierten Unfallbegriffs. §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII beschreibt den Unfall nicht als "unfreiwilliges", "unvorhergesehenes" oder "unvorhersehbares", sondern nur als ein von außen
auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Für eine Einengung des Anwendungsbereichs
dieser für Unfälle infolge sämtlicher versicherten Tätigkeiten geltenden Vorschrift fehlt es an einem dies rechtfertigenden
Zweck. Verschiedene in §
2 SGB VII aufgeführte Tatbestände einer versicherten Tätigkeit gehen gerade mit der freiwilligen Inkaufnahme eines vorhersehbaren und
vorhergesehenen Gesundheitsschadens oder sogar des Todes einher. Nicht nur Helfer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder
Not oder Retter aus einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit anderer (§
2 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB VII; vgl zum Unglückshelfer BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen), auch Beschäftigte, die sich zur Erfüllung ihrer Pflichten aus
dem Beschäftigungsverhältnis gefährlichen Einwirkungen aussetzen, handeln freiwillig und im Bewusstsein einer vorhersehbaren
und ggf vorhergesehenen Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität.
Gerade auch bei der Organspende iS des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b Alt 2
SGB VII würde durch eine Beschränkung des Unfallbegriffs auf lediglich unfreiwillig erlittene Einwirkungen der Regelungszweck dieses
Versicherungstatbestandes vereitelt. Diese Vorschrift schützt gerade diejenigen Personen, die sich freiwillig einer operativen
Organentnahme unterziehen. Ihr Schutzzweck, das von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckte gesundheitliche
Risiko des Organspenders im Zusammenhang mit der Organspende abzusichern (hierzu unter 3.), bliebe weitgehend unerfüllt, wenn
lediglich eine zusätzlich zum operativen Eingriff zur Organentnahme (mit Vor- und nachfolgender Heilbehandlung) hinzutretende
weitere Einwirkung geeignet wäre, ein Unfallereignis zu begründen. Anhaltspunkte für eine andere Intention des Gesetzes ergeben
sich weder aus dem Wortlaut des §
2 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB VII noch aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung und ihrer Vorläuferregelung des § 539 Abs 1 Nr 10
RVO. Die Freiwilligkeit der Organspende und des insoweit notwendigen operativen Eingriffs ist bereits Bestandteil dieser versicherten
Tätigkeit und kann schon deshalb nicht den Versicherungsfall ausschließen.
Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG seine partielle Bauchwandparese nicht absichtlich herbeiführen wollte, liegt
ein Arbeitsunfall vor.
6. Zu welchem Zeitpunkt infolge der Organspende der Arbeitsunfall eingetreten ist, lässt sich anhand der bisherigen tatsächlichen
Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der von Dr. Jungblut am 5.11.2009
durchgeführten ambulanten Untersuchung davon ausgegangen, dass der Flankenschnitt zu einer Vorwölbung der Bauchwand im kranialen
Bereich iS einer partiellen Parese geführt hat. Damit ist lediglich festgestellt, dass jedenfalls am 5.11.2009 der Gesundheitserstschaden
entstanden war. Ein davor liegender Zeitpunkt der Entstehung der Bauchwandparese wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Diesen
wird das LSG daher noch zu klären haben.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.