Bewertung der Wirksamkeit einer Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss; Protonenbestrahlung für die Anwendung
bei Mammakarzinomen; Rechtmäßigkeit der Beanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit
Gründe:
I
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der aufsichtlichen Beanstandung eines Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
(GBA) durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Der klagende GBA beschloss auf der Grundlage eines im August 2001 von den beigeladenen Spitzenverbänden der Krankenkassen
gestellten Antrags nach längeren Beratungen am 16.11.2004 mehrheitlich mit 11 zu 9 Stimmen, dass die Protonentherapie bei
der Indikation "Mammakarzinom" - anders als zB bei Augentumoren und Prostatakarzinomen - derzeit weder allein noch in Kombination
mit einer anderen Therapie die Kriterien des §
137c Abs
1 SGB V erfülle und deshalb nicht als Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden dürfe. Dementsprechend
sollte die Anlage B der Verfahrensregeln zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (seit 1.4.2006
als "Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung" bezeichnet, abgedruckt unter Nr 277 in Engelmann [Hrsg], Aichberger Ergänzungsband,
Gesetzliche Krankenversicherung - Soziale Pflegeversicherung, Stand Oktober 2008, dort nunmehr § 4) unter Nr 3.4 um die Worte "Protonentherapie beim Mammakarzinom" ergänzt werden. Das BMG der beklagten Bundesrepublik Deutschland beanstandete diesen ihm am 25.11.2004 zugeleiteten Beschluss gemäß §
94 Abs
1 Satz 2
SGB V wegen "erheblicher Bewertungsfehler". Der GBA habe Ausgangspunkt und Grundlage seiner Methodenbewertung nicht hinreichend
transparent dargelegt. Zudem habe er - trotz identischer biologischer Wirkungen von Protonen- und Photonenstrahlung - die
Prüfung unterlassen, ob die klinischen Studien zur Wirksamkeit der konventionellen Strahlentherapie beim Mammakarzinom auf
die Protonentherapie übertragen werden könnten. Ferner sei die gegenüber der konventionellen Strahlentherapie geringere Streustrahlung
der Protonentherapie und die daraus resultierende geringere Belastung der Patientinnen durch vermeidbare strahlenbedingte
Nebenwirkungen nicht ausreichend berücksichtigt worden (Bescheid vom 18.1.2005).
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat nach Befragung eines medizinischen Sachverständigen die Beanstandung aufgehoben; diese sei rechtswidrig, denn der GBA
habe bei seiner Entscheidung keine Rechtsverletzung begangen (Urteil vom 19.10.2005 - juris). Die dagegen von der Beklagten
eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 4.6.2008 - juris). Es hat ausgeführt, der
GBA habe die Protonentherapie bei Mammakarzinomen zu Recht als Behandlungsmaßnahme bewertet, die unter Berücksichtigung des
allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung
der Versicherten nicht erforderlich sei und deshalb im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen
erbracht werden dürfe. Der medizinische Nutzen dieser Therapieform sei für die Indikation "Mammakarzinom" bislang nicht hinreichend
belegt. Der GBA habe im Rahmen des Bewertungsvorgangs sämtliche erreichbaren Unterlagen und Untersuchungen herangezogen. Aus
den drei vorhandenen experimentellen Studien über den Einsatz der Protonenstrahlung beim Mammakarzinom lasse sich eine klinische
Relevanz der bei dieser Bestrahlungsart theoretisch günstigeren Dosisverteilung nicht ableiten. Dies habe auch der vom SG befragte Sachverständige bestätigt, welcher darauf hingewiesen habe, dass bislang Patientinnen mit Mammakarzinom nicht in
nennenswertem Umfang mit Protonenstrahlen behandelt worden seien und somit aussagekräftige Daten und Erkenntnisse hierzu fehlten.
Auch die evidenzbasierte nationale S-3-Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft für die "Diagnostik, Therapie und Nachsorge
des Mammakarzinoms" von 2008 und die "Stellungnahme zur Strahlentherapie mit Protonen in Deutschland" der Deutschen Gesellschaft
für Radioonkologie vom 8.12.2005 stuften die Protonentherapie beim Mammakarzinom nicht als Standardmethode, sondern als experimentelles
Vorgehen ein, das der weiteren Evaluation im Rahmen klinischer Studien bedürfe.
Das LSG hat weiter ausgeführt, es sei mit der gesetzlichen Konzeption von §
137c Abs
1 SGB V als Erlaubnisnorm mit Verbotsvorbehalt vereinbar, dass der GBA Behandlungsmethoden von der medizinischen Versorgung im Krankenhaus
ausschließe, deren Nutzen nicht hinreichend belegt sei. Insoweit unterscheide sich die Methodenbewertung im Krankenhaus nicht
von derjenigen nach §
135 Abs
1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung, die als Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt konzipiert sei. Diese "Gleichschaltung"
sei erforderlich, um Wertungswidersprüche zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungssektor zu vermeiden und die
Bildung sektorenübergreifender Themengruppen für eine einheitliche Nutzenbewertung zu ermöglichen. Zudem sei das Beanstandungsrecht
des BMG gemäß §
94 Abs
1 Satz 2
SGB V auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt; fachaufsichtliche Ermessensund Zweckmäßigkeitserwägungen stünden ihm nicht zu.
Der Gesetzgeber habe in §
94 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB V die allgemeinen Regeln über Aufsichtsmittel gemäß §
89 SGB IV, §
91 Abs
8 SGB V lediglich modifiziert. Über eine Rechtsaufsicht hinausgehende Befugnisse des BMG seien auch nicht zum Ausgleich einer vermeintlich fehlenden demokratischen Legitimation des GBA erforderlich. Der GBA habe
schließlich die ihm obliegenden Darlegungs- und Begründungslasten nicht verletzt.
Den von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisanträgen habe das LSG nicht nachgehen müssen. Zum Teil fehle es an der Beweisbedürftigkeit.
Außerdem sei bereits erwiesen, dass die klinischen Erfahrungen mit der konventionellen Strahlentherapie nicht auf die Protonentherapie
übertragen werden könnten. Abgesehen davon komme nach geltender Rechtslage die Anerkennung einer Behandlungsmethode unter
Berücksichtigung der Grundsätze evidenzbasierter Medizin nur auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken
in Betracht; solche lägen für die Wirksamkeit der Protonentherapie bei Mammakarzinomen nicht vor.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
137c sowie von §
94 Abs
1 SGB V und macht darüber hinaus Verfahrensmängel geltend.
Das LSG habe zu Unrecht die Methodenbewertungen nach §
135 Abs
1 und nach §
137c Abs
1 SGB V gleich behandelt. Das Regelungskonzept des §
137c SGB V sehe einen Ausschluss nur solcher Methoden vor, die aufgrund ihrer Fragwürdigkeit als Schadensrisiko angesehen werden müssten.
Eine für eine bestimmte Methode noch unzureichende Daten- und Studienlage rechtfertige nicht deren Einstufung als fragwürdig.
Zudem enthalte die Vorschrift keinen Regelungsmechanismus für den Fall, dass später durch Studien die Wirksamkeit der Methode
doch noch bewiesen werde; ein Ausschluss nach §
137c SGB V sei - anders als in den Fällen von §
35b Abs
2 und von §
135 Abs
1 SGB V - vielmehr endgültig. Für die Bewertung nach §
137c SGB V könne es deshalb nicht auf den Beweis der Wirksamkeit einer Methode, sondern nur auf den Nachweis ihrer fehlenden Erforderlichkeit
ankommen. Denn die Vorschrift wolle nicht den Ausschluss noch nicht hinreichend evaluierter Methoden ermöglichen, sondern
lediglich den Ausschluss solcher Methoden, die bereits hinreichend - und negativ - evaluiert seien.
Außerdem habe das LSG das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" in §
137c SGB V fehlerhaft ausgelegt. Dessen Gleichsetzung mit "medizinischer Notwendigkeit" sei unzutreffend; vielmehr müsse - auch unter
Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) - in weiter Auslegung der Norm ermittelt werden, ob für bestimmte Patienten die Methode als therapeutische
Option benötigt werde. Der GBA habe danach nur zu prüfen, ob die vorhandenen Therapiemöglichkeiten ausreichten und ob die
fragliche Methode erkennbar kein Potenzial zur Überwindung bestehender Defizite biete. Dabei müsse er auch bedenken, ob es
für eine Überprüfung der Erforderlichkeit einer Methode zu früh sei, weil - wie bei der Protonentherapie - die Abschätzung
des Potenzials der neuen Methode aufgrund fehlender Behandlungskapazitäten noch gar nicht möglich sei. Hingegen dürften hohe
Investitionskosten keine Berücksichtigung finden, denn diese würden von privaten Dritten oder von öffentlichen Krankenhäusern
getragen. Es sei ausgeschlossen, dass Investitionen in Apparate zur Durchführung der neuen Methode unmittelbar Folgekosten
bei den Krankenkassen auslösten; hierfür seien vielmehr entsprechende Verträge oder Gebührenvereinbarungen erforderlich. Unter
Berücksichtigung dieser Umstände habe der GBA auf der Grundlage des Antrags der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 30.8.2001
überhaupt nicht in eine Bewertung der Protonentherapie eintreten dürfen. Insgesamt sei für die Erforderlichkeit einer Methode
ausreichend, dass Fälle existierten, in denen diese als Alternative zu anerkannten Methoden geboten sein könne und/oder die
Therapieoptionen sinnvoll ergänze. Davon sei bei der Protonentherapie aufgrund ihres theoretischen Wirkansatzes, der geringen
Strahlenbelastung und der mit ihr verbundenen Bereicherung des therapeutischen Spektrums auszugehen. Dies gelte insbesondere
für seltene Subgruppen von Patientinnen mit spezifischen Fallkonstellationen (zB besonders junge Patientinnen oder solche
mit besonders ungünstiger Brustgeometrie). Demgegenüber sei der GBA bei seiner Bewertung von unzutreffenden Grundlagen ausgegangen
und habe zudem das Konzept evidenzbasierter Medizin in unzulässiger Weise verkürzt, indem er ausschließlich auf publizierte
Studien (externe Evidenz) abgestellt und die versorgungsrelevanten Gesichtspunkte interner Evidenz außer Acht gelassen habe.
Das Berufungsgericht habe zudem verkannt, dass das im Gesetz verankerte Recht zur Beanstandung der vom GBA beschlossenen Richtlinien
dem BMG eine über die einfache Rechtsaufsicht hinausgehende Einflussnahme ermögliche. Der pauschale Begriff der "Fachaufsicht" bilde
die Vielfalt bestehender Ingerenzrechte nicht hinreichend ab; vielmehr sei jeweils im Einzelfall die Reichweite eingeräumter
Aufsichtsbefugnisse durch Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zu ermitteln. Die in §
91 Abs
8 SGB V angeordnete entsprechende Geltung nur der §§
67,
88 und
89 SGB IV und nicht auch des §
87 Abs
1 SGB IV zeige, dass der Gesetzgeber das BMG nicht auf eine Rechtsaufsicht habe beschränken wollen, zumal die Richtliniengebung für den GBA keine Angelegenheit der Selbstverwaltung,
sondern - wie die Präventionsmaßnahmen des §
87 Abs
2 SGB IV - eine besonders übertragene Aufgabe darstelle. Die Befugnisse des BMG gemäß §
94 Abs
1 SGB V in Bezug auf den Richtlinienerlass träten zu der allgemeinen Aufsicht über die Tätigkeit des GBA nach §
91 Abs
8 SGB V hinzu. Sie setzten eine umfassende inhaltliche, näher bei der Fachaufsicht angesiedelte Prüfung der Richtlinien voraus, wie
sich insbesondere aus dem Recht zur Ersatzvornahme sowie aus den - durch Ergänzung des §
94 Abs
1 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I 378) hinzugekommenen - Informationsbefugnissen und der Möglichkeit einer Genehmigung von Richtlinien
unter Auflagen ergebe. Speziell das Selbsteintrittsrecht im Wege der Ersatzvornahme bestehe typischerweise im Kontext einer
Fachaufsicht; sei gleichwohl nur eine Rechtsaufsicht gewollt, müsse dies im Gesetz eindeutig zum Ausdruck kommen, was nicht
geschehen sei. Letztlich werde durch die erweiterten Aufsichtsbefugnisse gemäß §
94 Abs
1 SGB V der besonderen Verantwortung des BMG für die Auswirkungen der mit hoher Gemeinwohlrelevanz versehenen Richtlinien des GBA, welche Einschränkungen der Rechte der
Versicherten und von Leistungserbringern zur Folge haben könnten, nicht zuletzt aus Gründen des Demokratieprinzips und des
Minderheitenschutzes Rechnung getragen.
Schließlich leide das LSG-Urteil auch an Verfahrensmängeln. Das Berufungsgericht habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen.
Es hätte ermitteln müssen, ob der GBA im Rahmen seiner Beschlussfassung zum Mammakarzinom Erkenntnisse berücksichtigt habe,
die bei der Protonenbehandlung anderer Tumorarten gewonnen worden seien, denn für die Beurteilung einer Strahlentherapie sei
nicht die Histologie des Tumors, sondern dessen Strahlensensibilität entscheidend. Außerdem habe es das LSG im Hinblick auf
die zwingend zu beachtenden Strahlenschutzaspekte versäumt, weitere Ermittlungen dazu anzustellen, ob die klinischen Erfahrungen
mit der Photonentherapie auf die Strahlenbehandlung mit Protonen übertragbar seien.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4.6.2008 und des Sozialgerichts Köln vom 19.10.2005 aufzuheben
und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4.6.2008 aufzuheben und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sein Richtlinienbeschluss beruhe darauf, dass die Anwendung der Protonentherapie
zur Behandlung des Mammakarzinoms aufgrund fehlender Wirksamkeitsbelege als riskant anzusehen sei und Gründe, trotz dieses
Risikos die Anwendung dieser Methode im Rahmen von Krankenhausbehandlungen als erforderlich anzusehen, nicht bestünden. Die
vermeintlich bessere Treffgenauigkeit der Protonentherapie lasse im Rahmen der Behandlung des Mammakarzinoms keinen therapeutischen
Vorteil erwarten. Zum einen könne die Brust nur sehr schwer so fixiert werden, dass bei wiederholten Bestrahlungen immer das
gleiche Gewebe getroffen werde. Zum anderen komme die Strahlentherapie nach operativer Entfernung des Tumors unterstützend
zur Anwendung; sie diene dazu, noch nicht erkennbare Metastasierungen breitflächig abzutöten, sodass eine gewisse Streuwirkung
der Bestrahlung gerade erwünscht sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne allein die Plausibilität des theoretischen
Wirkungsmechanismus der Protonentherapie nicht zur Anerkennung dieser Methode führen. Aufgrund leidvoller Erfahrungen in der
Vergangenheit sei eine kritische Distanz gegenüber stark invasiven Behandlungsmethoden, welche die Patienten einem erheblichen
Gesundheitsrisiko aussetzten, angebracht. Deshalb könnten theoretische Überlegungen zwar nähere Untersuchungen im Rahmen von
Studien rechtfertigen, aber nicht zur generellen Anwendung der Methode im Krankenhaus führen, weil sonst die gesetzlich Krankenversicherten
ohne ihr Wissen zu Studienteilnehmern gemacht würden.
Nach der Gesetzessystematik, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte von §
137c SGB V unterscheide sich die Bewertung von Behandlungsmethoden im Krankenhaus nicht grundlegend von derjenigen im Bereich der vertragsärztlichen
Versorgung gemäß §
135 Abs
1 SGB V. Es müsse sektorenübergreifend gewährleistet werden, dass die Versicherten in der GKV nur Leistungen erhielten, die dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne von §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V entsprächen. Der GBA müsse daher in beiden Bewertungsverfahren prüfen, ob der Nutzen und die medizinische Notwendigkeit einer
Behandlungsmethode hinreichend belegt seien; Methoden ohne hinreichende Wirksamkeitsbelege seien nach §
137c SGB V von der Anwendung im Krankenhaus auszuschließen. Dies ergebe sich auch aus der zum Beschlusszeitpunkt gültigen Nr 5.4 der
Verfahrensregeln des Ausschusses Krankenhaus bzw aus § 20 der heute für den GBA gültigen Verfahrensordnung (VerfO - abgedruckt
bei Engelmann [Hrsg], aaO, unter Nr 390); diese Regelungen habe die Beklagte bei anderen Bewertungsverfahren akzeptiert bzw
- hinsichtlich der VerfO - sogar ausdrücklich genehmigt. Es sei keine verfrühte Überprüfung erfolgt, denn der Zeitpunkt der
Verfahrenseinleitung werde durch den Antrag bestimmt. Zudem sprächen nicht einmal Indizien dafür, dass in Zukunft Studien
zur Protonentherapie beim Mammakarzinom aufgelegt würden. Unzutreffend sei auch die Ansicht der Beklagten, die Entscheidung
zum Ausschluss der Protonentherapie beim Mammakarzinom sei irreversibel; jede Richtlinie sei vom GBA zu ändern, wenn sie nicht
mehr dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Einen "Welpenschutz" für junge Methoden gebe
es jedoch nicht.
Die Beanstandung des BMG lasse sich auch nicht mit fachaufsichtlichen Kontrollmöglichkeiten rechtfertigen. Eine solche Befugnis ergebe sich nicht
aus §
94 Abs
1 SGB V; sie sei auch nicht zur Kompensation eines demokratischen Legitimationsdefizits des GBA im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz
erforderlich. Im Übrigen sei das BMG bei Erlass der Beanstandung selbst davon ausgegangen, dass es sich um eine Maßnahme der Rechtsaufsicht handele. Wenn es nunmehr
hierfür fachaufsichtliche Befugnisse in Anspruch nehme, sei die Beanstandung aufgrund Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig.
Eine Heilung dieses Ermessensfehlers gemäß § 42 Satz 1 SGB X sei nicht möglich.
Die zu 8. beigeladene Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) schließt sich den Ausführungen der Beklagten vollumfänglich an,
ohne selbst einen Antrag zu stellen. Das LSG habe insbesondere den unterschiedlichen Wortlaut von §
135b Abs
1 und von §
137c SGB V nicht berücksichtigt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Bewertungsverfahren verkannt.
Die weiteren Beigeladenen - die Spitzenverbände der Krankenkassen - äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
II
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das LSG hat zutreffend ihre Berufung gegen das Urteil des SG, das die aufsichtliche Beanstandung vom 18.1.2005 aufgehoben hat, zurückgewiesen.
1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG)
berufen. Der Rechtsstreit betrifft eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts gemäß §
10 Abs
2 iVm §
40 Satz 2
SGG.
Zu den in §
10 Abs
2 SGG genannten Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten
einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände rechnen auch die Streitigkeiten über Entscheidungen der gemeinsamen Gremien
von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern oder anderen Leistungserbringern und Krankenkassen. Das entsprach
schon immer - vor allem bezogen auf den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen; nunmehr "Gemeinsamer Bundesausschuss"
- der Rechtsprechung des BSG. Klagen von Arzneimittelherstellern gegen die Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses in
dessen vor Erlass des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG - vom 20.12.1988, BGBl I 2477) bestehender Form sind deshalb als Vertragsarztrechtsangelegenheiten angesehen worden (vgl
BSG, Urteil vom 20.9.1988, BSGE 64, 78 = SozR 1500 § 51 Nr 50; ebenso BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 zu einer Klage von Pflegediensten und ihren Verbänden gegen die
im Jahr 2000 beschlossenen Richtlinien über die Verordnung häuslicher Krankenpflege). Daran hat das BSG auch nach der Neuausrichtung
des GBA in §
91 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2190, dort Art 1 Nr 70) festgehalten (Urteil vom 31.5.2006,
BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5).
Die Zuordnung eines Streitverfahrens, in dem über eine Richtlinie des GBA im Sinne von §
92 SGB V gestritten wird, zu den Angelegenheiten des Vertragsarztrechts hängt danach nicht davon ab, ob die Trägerorganisationen des
GBA (zB Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung [KÄBV/KZÄBV], Bundesverbände der Krankenkassen) oder Leistungserbringer
als Kläger auftreten. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des BSG zur Klage eines Masseurs gegen den Bundesausschuss auf
Änderung der Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien; der 6. Senat hat dazu ausdrücklich klargestellt, dass es sich insoweit
um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts handelt (Urteil vom 1.10.1990, BSGE 67, 251, 252 = SozR 3-2500 § 92 Nr 2 S 16). Dieselbe Rechtsauffassung liegt dem Urteil des BSG vom 28.6.2000 zugrunde (BSGE 86, 223, 224 = SozR 3-2500 § 138 Nr 1 S 2). Die in jenem Verfahren klagende Diätassistentin hatte den Bundesausschuss auf die Einbeziehung
der Diättherapie in die Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien in Anspruch genommen. Der 6. Senat des BSG hat seine Zuständigkeit
mit einem Hinweis auf §
51 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGG (in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung) begründet. In dieser Gesetzesvorschrift waren die "gemeinsamen Gremien von Ärzten,
Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern oder anderen Leistungserbringern und Krankenkassen", die später einer redaktionellen
Vereinfachung unterzogen wurden (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6.
SGG-Änderungsgesetz, BT-Drucks 14/5943 S 24 - zu Nr 22 [§ 51]), noch selbst genannt (s dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
51 RdNr 15b). Zur Begründung des vertragsarztrechtlichen Charakters der Streitsache hat der Senat zudem auf §
91 Abs
1 und
2 Satz 4
SGB V (in der im Jahr 2000 geltenden Fassung) verwiesen, in denen die Besetzung des Bundesausschusses mit Ärzten und Krankenkassenvertretern
geregelt war (BSGE 86, 223, 224 = SozR 3-2500 § 138 Nr 1 S 2).
An der Zugehörigkeit prinzipiell aller Streitsachen, die Entscheidungen des GBA betreffen, zum Vertragsarztrecht iS des §
10 Abs
2 SGG hat sich durch die zum 1.1.2004 geänderte Struktur dieses Gremiums nichts geändert. Seitdem gehört die DKG zu den Trägerorganisationen
des GBA, der damit nicht mehr nur von Ärzten/Zahnärzten (entsandt von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen) und Krankenkassen
getragen wird. Das hat dem Senat schon bei seinem Urteil vom 31.5.2006, das im Rechtsstreit eines Arzneimittelherstellers
gegen den GBA ergangen ist (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5), keinen Anlass gegeben, die Zuordnung des Rechtsstreits zum Vertragsarztrecht in Frage zu stellen.
Daran hält er auch hier fest.
Schon in §
51 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGG (in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung) waren Krankenhäuser und andere Leistungserbringer als Träger bzw Mitglieder der
Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen genannt. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist in der Begründung
zur Neufassung des §
57a Abs
1 SGG durch das 6.
SGG-Änderungsgesetz aufgegriffen worden. Die genannte Norm, welche die örtliche Zuständigkeit für bestimmte vertragsarztrechtliche
Angelegenheiten regelt, ist durch dieses Gesetz redaktionell angepasst worden. In der Begründung dazu ist ausgeführt: "Absatz
1 umfasst auch die Entscheidungen der gemeinsamen Gremien von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern oder anderen
Leistungserbringern und Krankenkassen" (BT-Drucks 14/5943 S 24 - zu Nr
25). Die Übernahme des Gesetzeswortlauts von §
51 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGG aF in die Begründung für die redaktionelle Anpassung einer Vorschrift, die sich explizit nur mit dem Vertragsarztrecht befasst
(s hierzu die Klarstellung im Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und
des Arbeitsgerichtsgesetzes [SGGArbGGÄndG], BT-Drucks 16/7716 S 17 - zu Nr 12 [§57a]), lässt keinen Zweifel, dass nach der
Konzeption des Gesetzgebers die Erweiterung der traditionellen Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung um weitere Institutionen
(zB um die DKG) nichts an der Zuordnung der aus deren Tätigkeit entstehenden Streitverfahren zum Vertragsarztrecht iS des
§
10 Abs
2 SGG ändern sollte. Die gegenteilige Annahme wäre schon deshalb fernliegend, weil seit dem Inkrafttreten des GMG Vertreter der
für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten maßgeblichen Organisationen iS des §
140 f Abs
1 SGB V in den meisten Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen beratend beteiligt sind. Das gilt nicht
nur für den GBA, sondern nach §
140f Abs
3 SGB V auch für die weiterhin ansonsten nur von Ärzten und Kassenvertretern besetzten Zulassungs- und Berufungsausschüsse sowie
für die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen. Eine Regelungsabsicht des Gesetzgebers dahingehend, Streitigkeiten über
Entscheidungen dieser Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung anlässlich
ihrer erweiterten personellen Zusammensetzung aus der bisherigen Zuständigkeit der Kammern bzw Senate für Vertragsarztangelegenheiten
auszugliedern und nunmehr den Spruchkörpern für Angelegenheiten der Sozialversicherung zuzuweisen, ist auch nicht ansatzweise
in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar (zur Notwendigkeit eindeutiger Vorgaben des Gesetzgebers für Zuständigkeitsregelungen
abweichend von gefestigter oberstgerichtlicher Rechtsprechung s auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 20 RdNr 17).
Die Erweiterung des Kreises der Trägerorganisationen des GBA ist ein Element aus einer größeren Anzahl von Änderungen im Bereich
der Organisation der Leistungserbringung in der ambulanten Versorgung, mit denen die vertragsärztliche Versorgung modernisiert
werden sollte. Diese lassen sämtlich die verfahrensrechtliche Abgrenzung nach §
10 Abs
2 SGG unberührt. Das zeigt exemplarisch schon das Urteil des BSG vom 28.9.2005, das im Streit zwischen einem Vertragsarzt, der
beklagten Ärztekammer und der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) ergangen ist (BSG SozR 4-1300 § 32 Nr 1). Gegenstand
war die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen im Sinne des §
121a SGB V. Der vertragsarztrechtliche Charakter dieser Streitigkeit ergibt sich selbst dann, wenn die Ärztekammer nicht als Vereinigung
von Ärzten iS des §
10 Abs
2 SGG anzusehen sein sollte, aus dem Umstand, dass mit der Genehmigung nach §
121a SGB V einem Vertragsarzt der Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung für einen bestimmten Tätigkeitsbereich eröffnet wird.
Diesen Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Recht auch für maßgeblich gehalten, wenn
zwischen einem Vertragsarzt und einer Krankenkasse die Beteiligung an einem Modellvorhaben gemäß §
63 SGB V umstritten ist (Beschluss vom 9.7.2004 - L 10 B 6/04 KA ER - juris RdNr 30). Zutreffend weist das LSG darauf hin, dass neue Versorgungsformen oder Modellvorhaben das Leistungsrecht
des
SGB V modernisieren sollen, das Prozessrecht und die vom
SGG vorgegebenen Zuständigkeitsregelungen aber unberührt lassen. Das gilt nach Auffassung des Senats auch für Streitigkeiten
zwischen Ärzten, Ärzteverbänden und Krankenkassen über die selektivvertraglich gestalteten neuen Versorgungsformen nach §§
73b, 73c
SGB V sowie über den Zugang zu - und den Abschluss und die Ausgestaltung von - Verträgen zur integrierten Versorgung im Sinne von
§
140b SGB V (vgl dazu die Senatsurteile vom 6.2.2008 - BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr 1 sowie SozR 4-2500 § 140a Nr 2).
Aufgrund vergleichbarer Erwägungen sind auch Streitverfahren über die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Leistungen gemäß
§
116b Abs
2 SGB V, für die die Sozialgerichte zuständig sind (vgl BVerfG [Kammer], Beschluss vom 31.7.2008 -1 BvR 840/08, MedR 2008, 610, 611, unter Hinweis auf LSG Hamburg, Beschluss vom 11.2.2008 - L 2 B 485/07 ER KA, GesR 2008, 212), solche des Vertragsarztrechts iS des §
10 Abs
2 SGG. Die Entscheidung über den Zugang der Krankenhäuser zur ambulanten (vertragsärztlichen) Versorgung ist von den Zulassungsgremien,
die für Ermächtigungen von Hochschulambulanzen (§
117 SGB V), psychiatrischen Krankenhäusern (§
118 Abs
1 SGB V) und sozialpädiatrischen Zentren (§
119 SGB V), von Einrichtungen der Behindertenhilfe (§
119a SGB V), stationären Pflegeeinrichtungen (§
119b SGB V), Krankenhausärzten (§
116 Satz 1
SGB V) und von ärztlich geleiteten Einrichtungen (§
31 Abs
1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) zuständig sind, für die in §
116b Abs
2 SGB V genannten seltenen Erkrankungen und hochspezialisierten Leistungen auf die Landesbehörden übertragen worden. Das ändert aber
nichts daran, dass es in der Sache um den Zugang zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und damit im prozessualen Sinne
um Vertragsarztrecht geht. Hätte der Gesetzgeber im Zuge der Übertragung der Kompetenz für die Einbeziehung von Krankenhäusern
in die ambulante vertragsärztliche Versorgung für seltene Krankheiten von den Krankenkassen, Kassenverbänden und Krankenhäusern
als Vertragspartnern (§
116b Abs
2 SGB V idF von Art 1 Nr 85 GMG) auf die zuständige Landesbehörde (§
116b Abs 2
SGB V idF von Art 1 Nr 85 Buchst b GKV-WSG) eine Ausgliederung der entsprechenden Verfahren aus dem Vertragsarztrecht im verfahrensrechtlichen Sinne herbeiführen wollen,
hätte das ausdrücklich geschehen müssen. Das ist indessen weder im GKV-WSG selbst noch durch das SGGArbGGÄndG (vom 26.3.2008 - BGBl I 444) erfolgt.
Die gerichtliche Zuständigkeit für die Überprüfung der Entscheidungen von "gemeinsamen Gremien" und speziell des GBA kann
aus Gründen der unerlässlichen Klarheit bei der Feststellung des sachlich zuständigen Spruchkörpers schließlich nicht davon
abhängen, in welcher personellen Besetzung das Selbstverwaltungsgremium im konkreten Fall entschieden hat. Deshalb ist es
für die Zuordnung des vorliegenden Rechtsstreits zum Vertragsarztrecht ohne Bedeutung, dass der GBA bei seiner vom Ministerium
beanstandeten Entscheidung zur Protonentherapie nach §
137c SGB V mit fünf Vertretern der DKG anstelle der Vertreter von KÄBV und KZÄBV besetzt gewesen ist (§
91 Abs
7 SGB V in der vom 1.1.2004 bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung des GMG). Entscheidend für die Zuordnung der jeweiligen Streitigkeit
ist die institutionelle Verortung des GBA, der als (rechtsfähiges) gemeinsames Gremium der Selbstverwaltung von Ärzten/Zahnärzten
und Krankenkassen sowie von der DKG getragen wird.
Ein Abstellen auf die personelle Zusammensetzung bei der konkreten Beschlussfassung würde im Übrigen zu Schwierigkeiten bei
der Bestimmung der zutreffenden gerichtsinternen Zuständigkeit führen, wenn das Gremium in einer Besetzung entschieden hat,
die möglicherweise nicht zur Entscheidung berufen gewesen ist. Derartige Fragen haben die Rechtsprechung zu §
12 Abs
3 SGG im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Angelegenheiten des Vertragsarztrechts und der Vertragsärzte mehrfach beschäftigt
(zuletzt Urteile des 6. Senats vom 29.11.2006, SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 10 f sowie SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 11 ff).
Solche Abgrenzungsprobleme sind im Hinblick auf die damit ggf verbundenen Folgen einer Zurückverweisung des Rechtsstreits
wegen einer - nach Einschätzung des nächsthöheren Gerichts - fehlerhaften Besetzung der Vorinstanz möglichst zu vermeiden.
Deshalb ist für die funktionelle Zuständigkeit allein auf die institutionelle Zuordnung des Entscheidungsgremiums zur gemeinsamen
Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen und nicht auf die konkrete Beschlussbesetzung im Einzelfall abzustellen. Das
hat der für das Krankenversicherungsrecht zuständige 1. Senat des BSG im vorliegenden Fall offenbar nicht anders gesehen.
Die vom Berufungsgericht als Angelegenheit der Krankenversicherung behandelte Streitsache war nämlich zunächst bei ihm eingetragen
(Az B 1 A 2/08 R) und ist dann formlos an den als zuständig erkannten 6. Senat abgegeben worden. Im Übrigen kann sich das Problem unterschiedlicher
personeller Zusammensetzung des GBA seit dem 1.7.2008 nicht mehr stellen. Alle Entscheidungen über Richtlinien werden seitdem
einheitlich von dem Beschlussgremium des GBA gemäß §
91 Abs
2 Satz 1
SGB V (idF von Art 2 Nr 14 iVm Art 46 Abs 9 GKV-WSG) nach den Vorgaben des Abs 7 (aaO) getroffen.
Somit sind auch nach der Erweiterung des Kreises der Trägerorganisationen des GBA um die DKG Streitverfahren über Entscheidungen
des GBA Angelegenheiten des Vertragsarztrechts iS des §
10 Abs
2 SGG. Das gilt auch, soweit die Aufsichtsbehörde des GBA - das BMG - eine Entscheidung dieses Gremiums beanstandet hat und diese Beanstandung Gegenstand des Streitverfahrens ist. Der aufsichtliche
Charakter des vorliegenden Verfahrens ändert nichts daran, dass der Rechtsstreit in der Sache um eine Entscheidung des GBA
geführt wird. Die Zuständigkeit für die gerichtliche Überprüfung von Aufsichtsmaßnahmen über derartige Entscheidungen liegt
bei dem Spruchkörper, der auch für die Überprüfung dieser Entscheidung in der Sache selbst zuständig ist. In diesem Sinne
nimmt das BSG bei aufsichtlichen Streitigkeiten aus dem Bereich des Vertragsarztrechts die gemäß §
12 Abs
3 SGG erforderliche Abgrenzung zwischen den Angelegenheiten des Vertrags(zahn)arztrechts und denen der Vertrags(zahn)ärzte danach
vor, ob Gegenstand der aufsichtsbehördlichen Beanstandung die Entscheidung eines nur mit Vertrags(zahn)ärzten oder eines paritätisch
besetzten Gremiums ist (BSGE 79, 105, 106 = SozR 3-2500 § 80 Nr 2 S 10 f; BSGE 82, 150, 152 = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 13 f). Damit wird sichergestellt, dass derselbe gerichtliche Spruchkörper sowohl über die
Klage einer K(Z)ÄV oder einer Krankenkasse gegen die umstrittene Entscheidung des Gremiums als auch über die Rechtmäßigkeit
der aufsichtlichen Beanstandung dieser Entscheidung befindet. Dieser Rechtsgedanke ist aus Gründen der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit auf die Abgrenzung zwischen vertragsarztrechtlichen und krankenversicherungsrechtlichen Verfahren zu übertragen.
Da - wie oben aufgezeigt - über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des GBA auf Klagen seiner Trägerorganisationen oder
von Leistungserbringern die Spruchkörper des Vertragsarztrechts entscheiden, sind diese auch zuständig, wenn Streitgegenstand
unmittelbar die Beanstandung einer Entscheidung des GBA durch die Aufsichtsbehörde ist.
Eine Zuständigkeit der Kammern und Senate für das Vertragsarztrecht zur Prüfung von Entscheidungen der gemeinsamen Gremien
von Ärzten und Krankenkassen wie dem GBA besteht allerdings nicht, soweit sich nicht Leistungserbringer oder die Aufsichtsbehörde,
sondern Versicherte gegen Entscheidungen dieser Gremien oder gegen das Unterlassen erstrebter Entscheidungen wenden. Das kommt
in Betracht, wenn ein Versicherter den GBA zu einer Änderung seiner Richtlinien veranlassen will, weil diese - etwa hinsichtlich
des Ausschlusses bestimmter Behandlungsmethoden aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung - nach §
91 Abs
6 SGB V auch für Versicherte verbindlich sind. Die besondere funktionelle Zuständigkeit der Kammern bzw Senate für Vertragsarztrecht
im Sinne der §
10 Abs
2, §
57a SGG besteht - unausgesprochen, aber selbstverständlich - nur insoweit, als ein Bezug zum Leistungserbringerrecht gegeben ist.
Aus dem Kreis der Streitverfahren des Leistungserbringerrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung, zu dem auch die Streitigkeiten
in Bezug auf nichtärztliche Leistungserbringer gehören, weist §
10 Abs
2 SGG den Teilbereich der mit der Leistungserbringung durch Ärzte im Zusammenhang stehenden Streitigkeiten im Sinne der Spezialität
den besonderen Spruchkörpern für das Vertragsarztrecht zu. Diese Zuweisung geht über die Grenzen des Leistungserbringerrechts
nicht hinaus; sie ist deshalb nicht maßgeblich, wenn Versicherte (vgl §
183 Satz 1
SGG) krankenversicherungsrechtliche Ansprüche geltend machen. Von Versicherten geführte Rechtsstreitigkeiten sind somit auch
dann, wenn sie sich (in der Regel unzulässigerweise) unmittelbar gegen den GBA und dessen Richtlinien richten, stets Angelegenheiten
der Sozialversicherung iS des §
10 Abs
1 Satz 1
SGG.
2. Einer Entscheidung des für das Vertragsarztrecht zuständigen Senats des BSG in der Sache steht nicht entgegen, dass der
5. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, der das angefochtene Urteil erlassen hat, für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts
nicht zuständig gewesen ist und deshalb auch nicht in der vorgeschriebenen Besetzung nach §
12 Abs
3 Satz 1
SGG mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte entschieden hat. Der darin liegende
Verstoß gegen §
31 SGG führt nicht zwangsläufig zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits. Ein derartiger
Verfahrensfehler ist nämlich nur zu berücksichtigen, wenn ein Beteiligter die Verletzung des §
31 SGG ordnungsgemäß gerügt hat (BSGE 79, 41, 43 f = SozR 3-2500 § 34 Nr 5 S 29 f - unter Aufgabe anderslautender früherer Rechtsprechung). Eine solche Rüge hat keiner
der Beteiligten des Revisionsverfahrens erhoben.
Soweit im Schrifttum aus dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 8.11.2007 (BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 14) der Schluss gezogen wird, der in der Entscheidung eines fachlich unzuständigen
Spruchkörpers liegende Verfahrensmangel sei im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (so Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
aaO, § 10 RdNr 4b), ist das unzutreffend. Der 9. Senat hat ausdrücklich nur entschieden, dass nach seiner Auffassung die fehlerhafte
Anwendung des §
155 Abs
3 und
4 SGG (Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung durch den Vorsitzenden bzw Berichterstatter, also ohne Beteiligung
ehrenamtlicher Richter) wegen der tragenden Bedeutung der Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter im sozialgerichtlichen Verfahren
von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Dass der 9. Senat damit von der aktuellen Rechtsprechung insbesondere des 1. Senats
des BSG zu dem nur auf Rüge zu beachtenden Verfahrensmangel einer Entscheidung durch den falschen Fachsenat hätte abweichen
wollen, kann nicht angenommen werden (s Urteil vom 16.7.1996, BSGE 79, 41, 43 f = SozR 3-2500 § 34 Nr 5 S 29 f; im Ergebnis ebenso Urteil des 6. Senats vom 29.11.2006 zur vergleichbaren Problematik
der unterschiedlichen Besetzungen gemäß §
12 Abs
3 Satz 1 und
2 SGG: SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 10). Denn dies hätte einer vorherigen Anrufung des Großen Senats des BSG gemäß §
41 Abs
2 SGG bedurft, was nicht geschehen ist.
3. Die Revision ist unbegründet. Die Beanstandung des Beschlusses des Klägers zur Protonentherapie beim Mammakarzinom in dem
Bescheid der Beklagten vom 18.1.2005 kann keinen Bestand haben. Das für die Beklagte handelnde BMG hat die ihm gegenüber dem klagenden GBA zukommenden Aufsichtsrechte überschritten (§
54 Abs
3 SGG).
Rechtsgrundlage für die angefochtene Beanstandung ist §
94 Abs
1 SGB V (hier anzuwenden idF des GMG). Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat der GBA die von ihm beschlossenen Richtlinien dem BMG vorzulegen, das sie gemäß Satz 2 (aaO) innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann. Ergänzend ist in Satz 3 (aaO; nunmehr
idF des GKV-WSG - mit Wirkung ab 1.4.2007 - Satz 5) ein Selbsteintrittsrecht des BMG normiert. Kommen die zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Beschlüsse des GBA nicht oder nicht fristgerecht
zustande oder werden Beanstandungen des BMG nicht innerhalb gesetzter Fristen behoben, kann das Ministerium die Richtlinien selbst erlassen. Inhaltlich werden durch
diese Vorschriften die allgemeinen Regeln in §
91 Abs
10 SGB V (idF des GMG; nunmehr - ab 1.7.2008 - §
91 Abs
8 SGB V idF von Art 2 Nr 14 GKV-WSG) iVm §
88 SGB IV über die Staatsaufsicht gegenüber dem GBA für das Aufgabengebiet der untergesetzlichen Normsetzung bereichsspezifisch ausgeprägt
(vgl BSG, Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 41). Die Regelung ermöglicht eine präventive aufsichtliche Kontrolle, bevor die Richtlinien
des GBA im Bundesanzeiger publiziert und damit grundsätzlich wirksam werden (§
94 Abs
2 SGB V - s hierzu BSG SozR 3-2500 §
92 Nr
12 S 70).
A) Die aufsichtlichen Befugnisse des BMG gemäß §
94 Abs
1 SGB V sind auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Das Ministerium ist nicht berechtigt, die Richtlinienbeschlüsse des GBA unabhängig
von einem Rechtsverstoß allein aus - fachaufsichtlichen - Zweckmäßigkeitserwägungen heraus zu beanstanden.
Durch die Rechtsprechung des BSG sind die Rechtsnatur und Reichweite der aufsichtlichen Befugnisse nach §
94 Abs
1 SGB V bisher nicht abschließend geklärt (offen gelassen in BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, jeweils RdNr 60; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr
42). Aus dem Wortlaut von §
94 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB V (idF des GMG; Satz 2 und 5 idF des GKV-WSG) ergibt sich lediglich, dass das BMG die vom GBA vorzulegenden Richtlinien "beanstanden" und unter bestimmten Umständen im Wege der sog "Ersatzvornahme" selbst
Richtlinien erlassen kann. Nähere Voraussetzungen für eine Beanstandung von Richtlinien werden dort nicht genannt; der Aufsichtsmaßstab
ist mithin nicht explizit vorgegeben. Der Senat hat in dem bereits erwähnten Urteil vom 1.10.1990 allerdings im Zusammenhang
mit der Erörterung der Folgen einer unterlassenen Beiladung der Aufsichtsbehörde beiläufig ausgeführt, die Beanstandung einer
Neufassung der Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien durch das Ministerium scheide "von vornherein" aus, weil auch dem Kläger
- einem Masseur - kein "Rechtsanspruch" auf die begehrte Aufhebung, Änderung oder Nichtigerklärung der Richtlinie zustehe
(BSGE 67, 251, 253 = SozR 3-2500 § 92 Nr 2 S 17). Dies deutet darauf hin, dass die Befugnis des Ministeriums zur Beanstandung von Richtlinien
als auf die Behebung von Rechtsfehlern beschränkt angesehen wurde.
(1) Der Einräumung der Aufsichtsmittel "Beanstandung" und "Ersatzvornahme" kann kein Hinweis darauf entnommen werden, ob §
94 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB V (idF des GMG; Satz 2 und 5 idF des GKV-WSG) dem Ministerium nur eine Rechtsaufsicht oder aber auch fachaufsichtliche Befugnisse in Bezug auf die Richtlinien des GBA
eröffnet. Beide Aufsichtsmittel stehen sowohl im Rahmen einer Rechtsaufsicht als auch bei einer - berechtigterweise auch Zweckmäßigkeitserwägungen
berücksichtigenden - Fachaufsicht zur Verfügung (vgl Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 3, 5. Aufl 2004, § 87 RdNr
81, § 94 RdNr 134 ff, 143, 148 f; Jestaedt in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band
I, 2006, § 14 RdNr 60; Leopold, Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, 6. Aufl 2008, S 329). Die Benennung der zur
Verfügung stehenden Aufsichtsmittel besagt somit nichts über die näheren Voraussetzungen für ihre Anwendung; diese müssen
unabhängig davon ermittelt werden (vgl Kaltenborn, VSSR 2000, 249 f, 255). Entgegen der Ansicht der Beklagten können umfassende fachaufsichtliche Befugnisse des Ministeriums auch nicht daraus
abgeleitet werden, dass die vom GBA beschlossenen Richtlinien erst nach Vorlage an das BMG und deren Nichtbeanstandung wirksam werden. Die Beanstandung einer Richtlinie setzt auch bei einer auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle
begrenzten Prüfungstiefe (Rechtsaufsicht) deren inhaltliche Prüfung voraus, sodass sich hieraus kein Argument für eine der
beiden Varianten gewinnen lässt. Das gilt auch in Bezug auf das Aufsichtsmittel der Ersatzvornahme. Das Recht zur Ersatzvornahme
ist nicht zwangsläufig mit umfassenden Gestaltungsbefugnissen verbunden, sondern wird im Falle der Rechtsaufsicht nur - und
nur insoweit - eröffnet, als ein Rechtsverstoß der unter Aufsicht stehenden Behörde in Form von Untätigkeit vorausgegangen
ist. Diese kann die Einhaltung der genannten Grenzen gegenüber der Aufsichtsbehörde erforderlichenfalls im Wege der Aufsichtsklage
erzwingen (vgl BSGE 67, 78, 82 f = SozR 3-2400 § 70 Nr 1 S 5 f - zur Zwangsetatisierung als Sonderform der Ersatzvornahme; s auch Knopp, Die Honorierung
vertragsärztlicher Leistungen, 2009, S 78 Fn 289). Dem Wortlaut von §
94 Abs
1 SGB V lässt sich deshalb nicht entnehmen, wie weit das Aufsichtsrecht des BMG reicht.
(2) Die Entstehungsgeschichte der Norm weist jedoch darauf hin, dass dem BMG nur eine Rechtsaufsicht in Bezug auf den Richtlinienerlass durch den GBA zukommt.
Die Regelung zur Beanstandung von Richtlinienbeschlüssen des GBA in §
94 Abs
1 SGB V (in der hier maßgeblichen, bis zum Inkrafttreten des GKV-WSG am 1.4.2007 geltenden Fassung) entspricht inhaltlich weitgehend den durch das Gesetz über das Kassenarztrecht (GKAR - vom
17.8.1955, BGBl I 513) in § 368p Abs 2
Reichsversicherungsordnung (
RVO) normierten Bestimmungen (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum GRG, BT-Drucks 11/2237, S 195 - zu § 102). Sie ist, soweit hier von Bedeutung, im Gesetzgebungsverfahren des GRG - abgesehen von dem Hinweis auf die weitgehende inhaltliche Übernahme des bisherigen Rechts - nicht näher erläutert oder
erörtert worden. Der Bundesrat hatte allerdings die Vereinbarkeit der Befugnis zur Ersatzvornahme durch das Ministerium mit
den Vorgaben für die Rechtssetzung im
Grundgesetz (
GG) in Zweifel gezogen und hierfür eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen vorgeschlagen (BT-Drucks 11/2493 S 27
Nr 84 - zu Art 1 § 102 Satz 3). Dies wurde in den weiteren Beratungen nicht aufgegriffen; vielmehr hat der Ausschuss für Arbeit
und Sozialordnung die ursprüngliche Regelung lediglich um eine Bestimmung zur Entbehrlichkeit einer Fristsetzung vor einer
Ersatzvornahme in Bezug auf die Festlegung von Gruppen von Arzneimitteln für die Bestimmung von Festbeträgen und um eine Bestimmung
zur Bekanntmachung der Richtlinien ergänzt (Beschlussempfehlung in BT-Drucks 11/3320 S 62 sowie Bericht hierzu in BT-Drucks
11/3480 S 59 - jeweils zu § 102).
Der Hinweis des Gesetzgebers des §
94 SGB V auf die weitgehende Übernahme des bisherigen Rechts in § 368p Abs 2
RVO gebietet den Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte auch jener Norm. Zunächst war in § 368i Abs 2
RVO (idF der Verordnung des Reichsarbeitsministers vom 14.1.1932, RGBl I 19, diese beruhend auf der Notverordnung des Reichspräsidenten
vom 8.12.1931, RGBl I 699) vorgesehen, dass die vom Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu erlassenden Ausführungsbestimmungen
der Zustimmung des Reichsarbeitsministers bedurften; dieser konnte bei fehlendem Zustandekommen der erforderlichen Beschlüsse
oder nach verweigerter Zustimmung gemäß § 368i Abs 3
RVO die notwendigen Bestimmungen selbst erlassen. Diese Anordnung einer Fachaufsicht mit Zustimmungsvorbehalt war auch im Entwurf
der Bundesregierung für ein Gesetz über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen enthalten,
der in der 1. Wahlperiode dem Deutschen Bundestag zugeleitet, dort aber ua aufgrund von Bedenken wegen zu zentralistischer
Organisationsstrukturen nicht verabschiedet worden war (vgl die Vorbemerkung im Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik,
BT-Drucks 2/1313 S 1). In der 2. Wahlperiode legten die Regierungsparteien einen überarbeiteten Entwurf zum GKAR vor, der
als wesentlichen Grundzug die "Selbstverwaltung der Kassenärzte und ihr Zusammenwirken mit den Krankenkassen zur Sicherstellung
der ärztlichen Versorgung der Versicherten" betonte (vgl BT-Drucks 2/1313 S 3 - III.1.). Als "gemeinsame Organe der Selbstverwaltung
der Ärzte und der Kassen" waren erneut Bundesausschüsse der Ärzte bzw Zahnärzte und Krankenkassen vorgesehen, die Richtlinien
über die kassenärztliche Versorgung zu beschließen hatten. Diese Richtlinien waren der Aufsichtsbehörde "nicht mehr zur Genehmigung
(...), sondern nur noch zur Kenntnis vorzulegen"; bei einem "Versagen" der Bundesausschüsse sollte jedoch weiterhin der Bundesarbeitsminister
derartige Richtlinien erlassen können (BT-Drucks 2/1313 S 5 - III.8.). Mit der schließlich Gesetz gewordenen Regelung hat
das GKAR in § 368k Abs 3 Satz 4
RVO die grundsätzliche Beschränkung der Staatsaufsicht über KÄBV und KÄVen auf eine Rechtsaufsicht, wie sie für die Krankenkassen
und die übrigen Sozialversicherungsträger erst später durch das Gesetz über die Errichtung des Bundesversicherungsamts, die
Aufsicht über die Sozialversicherungsträger und die Regelung von Verwaltungszuständigkeiten in der Sozialversicherung und
der betrieblichen Altersfürsorge (vom 9.5.1956, BGBl I 415) realisiert wurde, vorweggenommen (vgl Hess/Venter, Das Gesetz
über Kassenarztrecht, 1955, § 368k Anm III). Eine Fachaufsicht sollte nur noch stattfinden, soweit der Aufsichtsbehörde durch
Gesetz ausnahmsweise eine Entscheidung nach Zweckmäßigkeitserwägungen übertragen ist oder die zu treffende Entscheidung voraussetzt,
dass derartige Erwägungen berücksichtigt werden (Jantz/Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, Stand 1956, C.-II.-§ 368k RdNr
6). Hieraus ist gefolgert worden, dass auch die Aufsicht des Ministeriums hinsichtlich der Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 368p Abs 2
RVO auf eine Beanstandung gesetzwidriger Beschlüsse beschränkt ist (Hess/Venter, aaO, § 368o Anm II.4; ebenso Peters, Handbuch
der Krankenversicherung, Stand 31.1.1988, § 368p Anm 7; aA Jantz/Prange, aaO, C.-II.-§ 368p RdNr 10: Beanstandungsrecht ist
keine Aufsichtsmaßnahme, sondern eine selbstständige Befugnis eigener Art, die stets eröffnet ist, wenn durch die Richtlinien
berechtigte Belange anderer Bevölkerungsgruppen oder öffentliche Interessen verletzt werden).
Die Regelung in § 368p Abs 2
RVO idF des GKAR ist bis zum Inkrafttreten des
SGB V am 1.1.1989 unverändert geblieben. Allerdings hat das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (vom 27.6.1977, BGBl I 1069)
die Vorschrift um einen Abs 8 ergänzt. Danach war der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zum Erlass von Richtlinien
verpflichtet, welche die Verordnung von Arznei-, Heil- und Verbandmittel bei geringfügigen Gesundheitsstörungen ausschlossen.
Diese Richtlinien bedurften nach § 368p Abs 8 Satz 3
RVO der "Zustimmung" des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMAS). Diese "von der sonstigen Richtlinienregelung in
§ 368p
RVO abweichende Gestaltung" sollte der Bedeutung dieser Regelung Rechnung tragen und die Eigenständigkeit dieses Regelungsbereichs
betonen; deshalb sollten die Mitwirkungsmöglichkeiten des BMAS verstärkt und die Richtlinien über die bereits im geltenden
Recht bestehende Beanstandungsmöglichkeit hinaus zustimmungsbedürftig gemacht werden (Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 8/338 S 65 - zu Art 1 § 1 Nr 35 [§ 368p RVO]). Auch wenn § 368p Abs 8
RVO zum 1.1.1982 wieder entfiel (vgl von da an § 182f
RVO bzw nunmehr §
34 Abs
1 und
2 SGB V), belegt diese Regelung doch die Auffassung des Gesetzgebers der
RVO, dass die gemäß § 368p Abs 2
RVO bestehenden Möglichkeiten der Einwirkung auf Richtlinienbeschlüsse des Bundesausschusses eine inhaltliche Beeinflussung durch
die Aufsichtsbehörde nach eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen nicht zulassen, sondern das Ministerium auf die Beseitigung
von Rechtsverstößen beschränken. Die inhaltsgleiche Übernahme dieser Bestimmung in §
94 Abs
1 SGB V und die im Wesentlichen unveränderte Geltung dieser Norm bis zum Inkrafttreten des GKV-WSG deuten somit darauf hin, dass auch nach dem Willen des Gesetzgebers des
SGB V dem Ministerium gegenüber den Richtlinien des GBA nur eine Rechtsaufsicht zukommen soll.
Die Erweiterung des §
94 Abs
1 SGB V um zusätzliche Aufsichtsmittel durch das am 1.4.2007 in Kraft getretene GKV-WSG, das im Übrigen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beanstandung der Beklagten vom 18.1.2005 ohne Belang ist, hat
daran nichts geändert. Die Ansicht der Beklagten, diese Ergänzung enthalte eine Klarstellung des Gesetzgebers, dass dem Ministerium
über eine Rechtsaufsicht hinausgehende Befugnisse zustehen, trifft nicht zu. Zwar kann das BMG zusätzlich zu dem schon bisher in der Vorschrift normierten Beanstandungs- und Selbsteintrittsrecht nunmehr Informationen
und ergänzende Stellungnahmen vom GBA anfordern, die "Nichtbeanstandung" einer Richtlinie mit Auflagen verbinden und zu deren
Erfüllung eine angemessene Frist setzen (§
94 Abs
1 Satz 3 und 4
SGB V idF des GKV-WSG). Eine Erweiterung des Aufsichtsmaßstabs im Sinne einer Einräumung fachaufsichtlicher Befugnisse sollte damit jedoch nicht
erfolgen. Dies wird anhand der Gesetzesbegründung zu der gleichzeitig vorgenommenen Ergänzung der im Wesentlichen inhaltsgleichen
aufsichtlichen Befugnisse des Ministeriums gegenüber Beschlüssen der Bewertungsausschüsse gemäß §
87 Abs
6 Satz 1 bis
4 SGB V deutlich. Der Gesetzgeber des GKV-WSG ist offenkundig davon ausgegangen, dass in diesen beiden Bereichen mit "analogen Regelungen bezüglich der Prüfung ... durch
das BMG" dem Ministerium weiterhin nur eine Überprüfung der untergesetzlichen Normen auf Rechtskonformität zukommt. Anders lässt
sich der Hinweis, durch die einzelnen Aufsichtsmittel solle "unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Normadressaten
an Rechtssicherheit und Vertrauensschutz auf die Übereinstimmung der Beschlüsse der Selbstverwaltung mit dem gesetzlichen
Regelungsauftrag" hingewirkt werden, nicht deuten (BT-Drucks 16/3100 [Fraktionsentwurf] S 132 - zu Nr 57 [§ 87], zu Buchst
l bzw BT-Drucks 16/3950 [Bundesregierung - textidentisch mit dem Fraktionsentwurf]). Soweit in der Begründung zur Änderung
des §
94 Abs
1 SGB V ergänzend ausgeführt ist, dem BMG stehe damit neben der Beanstandung einer Richtlinie auch das Mittel der Auflagenerteilung zur Verfügung, um "z.B." rechtliche
Hindernisse, die der uneingeschränkten Nichtbeanstandung entgegenstehen, zu beseitigen, und diese Präzisierungen der aufsichtlichen
Instrumente diene "vor allem" der Rechtssicherheit in Bezug auf das Verfahren bei der Richtlinienprüfung und - beanstandung
(vgl BT-Drucks 16/3100 S 135 - zu Nr 63 [§ 94], zu Buchst a, zu Doppelbuchst bb), fehlen jegliche konkrete Anhaltspunkte dafür,
welchen zusätzlichen Zwecken über das ausdrücklich benannte Ziel der Rechtskonformität hinaus die Gesetzesänderung habe dienen
sollen. Auf Vorstellungen, die die Ministerialverwaltung möglicherweise mit dem Vorhaben verbunden, aber nicht offen ausgewiesen
hat, lässt sich die Annahme, der Parlamentsgesetzgeber habe die Aufsichtsbefugnisse des BMG in grundlegender Abkehr von den bislang geltenden Regelungsprinzipien um fachaufsichtliche Elemente erweitern wollen, nicht
gründen (vgl Kingreen, NZS 2007, 113, 120 Fn 73, der in diesem Zusammenhang ein "langsames Einsickern" fachaufsichtlicher Elemente konstatiert).
(3) Auch die Stellung des §
94 Abs
1 SGB V im Gefüge der sonstigen Aufsichtsregelungen legt nahe, dass das BMG auf eine Rechtskontrolle beschränkt ist. Diese Vorschrift ist nur ein Element der Bestimmungen zur Staatsaufsicht über den
GBA und die sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Neben diese "Spezialregelung"
zur aufsichtlichen Prüfung der vom GBA beschlossenen Richtlinien (so ausdrücklich der Gesetzentwurf zum GMG, BT-Drucks 15/1525
S 107 - zu Nr 70, am Ende; s hierzu auch Schnapp, Staatsaufsicht über den GBA in der gesetzlichen Krankenversicherung, in:
Detterbeck/Rozek/von Coelln [Hrsg], Festschrift für Herbert Bethge zum 70. Geburtstag, 2009, S 399, 403 [Fn 32], 410) und
ihre Ergänzung in §
137c Abs
2 Satz 1
SGB V für den Sonderfall unterlassener Richtlinienbeschlüsse tritt die Vorschrift des §
91 Abs
10 SGB V (aF - ab 1.7.2008: Abs 8) für die allgemeine Aufsicht über die Tätigkeit des GBA. Dort ist eine entsprechende Geltung der
§§
67,
88 und
89 SGB IV und damit eine "allgemeine Rechtsaufsicht" (BT-Drucks 15/1525 S 107) angeordnet. Zudem enthält §
93 Abs
2 SGB V eine speziell geregelte Ersatzvornahmebefugnis des BMG für den Fall, dass der GBA pflichtwidrig die Erstellung einer Übersicht ausgeschlossener Arzneimittel unterlassen hat, also
gleichfalls ein Mittel zur Herstellung von Rechtskonformität. Auch die Aufsichtsbefugnisse in §
71 Abs
4 SGB V (in Bezug auf Vergütungsvereinbarungen), §
78 Abs
3 SGB V (Aufsicht über KÄBV und KÄVen) und §
89 Abs
5 SGB V (Aufsicht über Schiedsämter) enthalten jeweils einen Hinweis darauf, dass nur Rechtsaufsicht stattfinden soll.
Diese Regelungen entsprechen dem Grundsatz, dass die Staatsaufsicht gegenüber Selbstverwaltungsträgern prinzipiell auf eine
Rechtsaufsicht begrenzt und für eine weiterreichende Zweckmäßigkeitskontrolle nur Raum ist, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich
angeordnet hat (Schnapp, aaO, S 410 mwN; Kaltenborn, aaO, S 253; Knopp, aaO, S 78; Leopold, aaO, S 329; Schmidt-De Caluwe
in Becker/Kingreen,
SGB V, 2008, §
94 RdNr 10; Hebeler, DÖV 2002, 936, 943; aA Beier in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], juris Praxiskommentar
SGB V, 2008, §
94 RdNr 16 ff). Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis ist bereits im Wesen der Selbstverwaltung als "selbstständige, fachweisungsfreie
Wahrnehmung... öffentlicher Angelegenheiten" (so Jestaedt, aaO, § 14 RdNr 41; Wolff/Bachof/Stober, aaO, § 81 RdNr 272; s auch
BVerfGE 22, 180, 210) angelegt. Auch wenn die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung nicht verfassungsrechtlich verbürgt ist und der
Gesetzgeber deshalb die staatlichen Aufsichtsrechte über die Sozialversicherungsträger um fachaufsichtliche Elemente erweitern
kann (vgl BSGE 67, 78, 83 = SozR 3-2400 § 70 Nr 1 S 6; Papier, Staatsrechtliche Vorgaben für das Sozialrecht, in: von Wulffen/Krasney [Hrsg], Festschrift
50 Jahre BSG, 2004 S 23, 36), muss eine solche Erweiterung doch hinreichend deutlich erfolgen. Die Anordnung einer solchen
Fachaufsichtsbefugnis enthält beispielsweise §
87 Abs
2 SGB IV für die Prävention in der gesetzlichen Unfallversicherung oder auch §
47 Abs 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich der Erbringung von Grundsicherungsleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit. Das Fehlen
entsprechender Regelungen in §
94 Abs
1 bzw §
137c Abs
2 SGB V rechtfertigt somit auch aus gesetzessystematischen Erwägungen den Schluss, dass auch die Staatsaufsicht über die Richtliniengebung
des GBA nur Rechtsaufsicht ist.
(4) Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit einer Beschränkung der Staatsaufsicht speziell über die Richtliniengebung
des GBA auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Konzept des
SGB V zur Konkretisierung des Leistungsumfangs in der gesetzlichen Krankenversicherung durch verbindliche untergesetzliche Normen,
die der GBA als Selbstverwaltungsträger beschließt.
Das GMG hat die zuvor durch verschiedene Ausschüsse (Bundesausschüsse der Ärzte bzw Zahnärzte und Krankenkassen, Ausschuss
Krankenhaus und Koordinierungsausschuss gemäß §
91, §
137c und §
137e SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626) wahrgenommene Steuerungsfunktion für die ambulante
und stationäre medizinische Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt dem GBA als eigenständiger
rechtsfähiger Selbstverwaltungskörperschaft übertragen (§
91 Abs
1 Satz 2
SGB V idF des GMG sowie §
6 Abs
1 Satz 2 des Gesetzes zu Übergangsregelungen zur Neuorganisation der vertragsärztlichen Selbstverwaltung und Organisation der
Krankenkassen, verkündet als Art 35 GMG). Der GBA soll im Interesse der Gleichbehandlung der Versicherten sowie der Qualität
und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Rahmen einer beitragsfinanzierten Zwangsversicherung (vgl Schlegel, MedR
2008, 30 f) einheitlich für das ganze Bundesgebiet die maßgeblichen normativen Vorgaben zur Konkretisierung der in den §§
27 ff
SGB V begründeten leistungsrechtlichen Rahmenrechte treffen. Zur Erreichung dieser Ziele hat der GBA ua Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
nach den Vorgaben in §
135 Abs
1, §
137c Abs
1 SGB V zu bewerten. Der GBA steuert somit über seine Richtlinien nicht nur, unter welchen Voraussetzungen die zur ambulanten oder
stationären Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen
erbringen und abrechnen dürfen, sondern konkretisiert gleichzeitig den Umfang der den Versicherten von ihrer Krankenkasse
geschuldeten medizinischen Leistungen (vgl hierzu ua BSGE 78, 70, 76 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 31 f; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 RdNr 7 f, mwN). Dieses spezifische Instrument untergesetzlicher
Normgebung haben alle damit befassten Senate des BSG gebilligt (vgl zuletzt BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, jeweils RdNr 57 ff [6. Senat]; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 [1. Senat]; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, jeweils RdNr 31 [3. Senat]). Es wird auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt, sodass weitere
Ausführungen hierzu sich an dieser Stelle erübrigen.
Für die Gerichte hat dieses Regelungskonzept zur Folge, dass sie den für jeden Normgeber kennzeichnenden Gestaltungsspielraum
des GBA beim Erlass von Richtlinien zu respektieren haben (vgl hierzu BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, jeweils RdNr 68; s auch Engelmann, MedR 2006, 245, 250 ff). Daher beschränkt sich die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf, ob die äußersten rechtlichen
Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden. Dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung
auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrens- und Formvorschriften sowie die
Grenzen des dem Normgeber ggf zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (vgl zusammenfassend BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 §
85 Nr
42, jeweils RdNr
17 - zum Bewertungsausschuss nach §
87 Abs
1 SGB V).
Für die aufsichtliche Überprüfung der Richtlinienbeschlüsse des GBA durch das BMG nach §
94 Abs
1 SGB V gilt nichts anderes (vgl Schnapp, aaO, S 411; Seewald, SGb 2006, 569, 572). Dies ergibt sich als Konsequenz aus der gesetzlichen Konstituierung des GBA als organisatorisch verselbständigte Einrichtung
der Selbstverwaltung im Bereich des
SGB V. Dem fachkundig und interessenpluralistisch zusammengesetzten GBA ist als oberstem Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung
die Aufgabe übertragen, unter Einbeziehung der von seinen Entscheidungen Betroffenen alle versorgungsrelevanten Richtlinienentscheidungen
zur Konkretisierung der leistungsrechtlichen Rahmenrechte in §§
27 ff
SGB V zu treffen. Dieses Verfahren zur Normenkonkretisierung würde ausgehöhlt und seiner Legitimation beraubt, wenn das BMG die Richtlinien des GBA im Rahmen der Staatsaufsicht allein auf der Grundlage abweichender Zweckmäßigkeitserwägungen ändern
könnte. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dafür, die Erzeugung untergesetzlicher Normen außerhalb des dafür in Art
80 Abs
1 GG vorgesehenen Weges - Erlass von Rechtsverordnungen - auf eine Organisationsform der funktionalen Selbstverwaltung übertragen
zu dürfen, beruht ganz wesentlich darauf, dass auf diese Weise ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen geschaffen, verwaltungsexterner
Sachverstand aktiviert, ein sachgerechter Interessenausgleich erleichtert und ermöglicht wird, dass die gesetzgeberischen
Ziele effektiver erreicht werden (BVerfGE 107, 59, 92; hierzu eingehend Vießmann, Die demokratische Legitimation des GBA zu Entscheidungen nach §
135 Abs
1 Satz 1
SGB V, 2009, S 96 f, 157 ff; in diesem Sinne auch schon BSGE 78, 70, 79 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 34 f). Die Eröffnung eines Mitspracherechts der Betroffenen unter Nutzung ihres besonderen
Sachverstands erlaubt es auch, die - nicht unerheblichen - Kosten der untergesetzlichen Normsetzung zur näheren Bestimmung
des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Falle des Erlasses von Rechtsverordnungen aus dem allgemeinen
Staatshaushalt zu begleichen wären, auf die engere Gruppe der betroffenen Versicherten und Beitragszahler zu verlagern (vgl
§
91 Abs
3 Satz 1 iVm §
139c Abs
1 SGB V). Diese Rechtfertigungsgründe für das besondere Normsetzungskonzept werden aber umso stärker in Frage gestellt, je mehr es
letztlich die Ministerialverwaltung ist, die nach Maßgabe eigener inhaltlicher Vorstellungen im Einzelfall die untergesetzlichen
Bestimmungen mit Hilfe von Beanstandungen, Auflagen und Ersatzvornahmen in der äußeren Gestalt von Richtlinien des GBA, aber
ohne Bindung an die Voraussetzungen des Art
80 Abs
1 und
2 GG erlässt. Deshalb ist es geboten, dass dem Selbstverwaltungsträger gerade bei der untergesetzlichen Normsetzung ein substanzieller
Raum von Gestaltungsmöglichkeiten und von Weisungsfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verbleibt. Fachaufsichtliche
Letztentscheidungsrechte des Ministeriums gegenüber dem GBA in Bezug auf die Wahrnehmung des Gestaltungsermessens bei der
Modellierung der im Einzelfall zu treffenden Regelung sind damit nicht vereinbar (ebenso Kingreen, NZS 2007, 113, 120; Seewald, aaO, S 571 f); sie würden letztlich zu einer "Einmischungsaufsicht" (vgl BVerfGE 78, 331, 341) führen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass zur verfassungsrechtlichen Legitimation der Normsetzung durch den GBA fachaufsichtliche
Mitwirkungsmöglichkeiten der dem Parlament verantwortlichen Ministerialverwaltung zwingend erforderlich seien (vgl Schwerdtfeger,
NZS 1998, 49, 52; Merten, NZS 2006, 337, 339). Eine solche Anforderung kann weder dem amtlichen Leitsatz (Nr 3 Satz 2) noch den sonstigen Ausführungen im Beschluss
des BVerfG vom 5.12.2002 (BVerfGE 107, 59, 94, 97 f) entnommen werden (ebenso Welti, VSSR 2006, 133, 152). Das BVerfG verlangt lediglich, dass die Wahrnehmung der Aufgaben von Selbstverwaltungskörperschaften "der Aufsicht
personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt" (BVerfGE 107, 59, 94). Im Rahmen der Anwendung dieses Rechtssatzes hat das BVerfG zahlreiche Einzelbestimmungen zum Aufsichtsinstrumentarium
der von ihm überprüften Gesetze angeführt, aber gerade diejenigen Bestimmungen, die nach Auffassung des vorlegenden Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) "Ansätze einer Fachaufsicht" enthalten, nämlich § 33 Abs 2 Emschergenossenschaftsgesetz (EmscherGG - hierzu BVerwGE
106, 64, 81) und § 34 Abs 2 Lippeverbandsgesetz (LippeVG - hierzu BVerwG NVwZ 1999, 870, 875) nicht erwähnt (vgl BVerfGE 107, 59, 97 f - unter b; s auch BVerfGE 37, 1, 28: keine Beanstandung der Beschränkung der Aufsicht auf eine Rechtsaufsicht im Zusammenhang mit dem Stabilisierungsfonds
für Wein). Zu den vom BVerfG explizit als notwendig aufgeführten Aufsichtsbefugnissen des LippeVG bzw EmscherGG hat der Senat
bereits darauf hingewiesen, dass dem die Aufsichtsregelung in §
94 Abs
1 SGB V im Kern entspricht (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 §
92 Nr 5, jeweils RdNr 60).
Zu berücksichtigen ist auch, dass das
SGB V dem BMG zusätzlich zu der (Rechts-)Aufsicht gemäß §
94 Abs
1 SGB V im Zusammenhang mit dem Richtlinienerlass durch den GBA noch weitere Mitwirkungsbefugnisse einräumt. Gemäß §
91 Abs
4 SGB V (in der ab 1.7.2008 geltenden Fassung von Art 2 Nr 14 GKV-WSG; zuvor - idF des GMG - Abs 3) hat der GBA eine Geschäftsordnung sowie eine VerfO zu beschließen, die nach Satz 2 (aaO) der
"Genehmigung" durch das Ministerium bedürfen. In der VerfO sind ua "methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende
Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse" zu regeln.
Durch solch einen Genehmigungsvorbehalt werden, wenn Abweichendes nicht ausdrücklich bestimmt ist, der Aufsichtsbehörde regelmäßig
besondere, über die bloße Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehende Einwirkungsmöglichkeiten eröffnet, um die Sicherstellung der
Sozialversicherung als Ganzes unter gleichzeitiger Berücksichtigung einer sach- und funktionsgerechten Aufgabenerfüllung durch
die Versicherungsträger zu ermöglichen (vgl BSG SozR 3-2400 § 41 Nr 1 S 2 f, mwN; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 80 Nr
1 RdNr 24; Marburger/Marburger, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 3. Aufl 2004, S 127; für eine Beschränkung auf
eine Rechtskontrolle selbst im Zusammenhang mit der Genehmigung der Satzung einer Krankenkasse nach §
195 SGB V hingegen BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, jeweils RdNr 12). Das BMG ist demnach befugt, an der abstrakt-generellen Grundlegung der Bewertungsmaßstäbe für die Richtlinienbeschlüsse des GBA und
an der Ausgestaltung des Bewertungsverfahrens in der VerfO mit maßgeblichem Einfluss mitzuwirken. Die Beachtung der auf diese
Weise normierten Vorgaben durch den GBA beim Erlass von Richtlinienbeschlüssen zu einzelnen Sachverhalten kann es sodann im
Rahmen der Rechtskontrolle überprüfen und erforderlichenfalls mit den ihm zur Verfügung stehenden Aufsichtsmitteln durchsetzen
(vgl hierzu Schnapp, VSSR 2006, 191, 200; zur Bindungswirkung der VerfO für die Bewertungen des GBA s Beier in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], aaO, § 91 RdNr
52, mwN). Darüber hinausgehende Mitwirkungsmöglichkeiten des Ministeriums auch an der inhaltlichen Gestaltung einzelner Richtlinien
sind zur verfassungsrechtlichen Legitimation des Regelungskonzepts nicht geboten.
Insgesamt steht es somit nicht im Belieben des Gesetzgebers, der an dem Konzept untergesetzlicher Normsetzung und -konkretisierung
in der gesetzlichen Krankenversicherung durch den GBA festhalten will, die Staatsaufsicht über den Richtlinienerlass um fachaufsichtliche
Elemente anzureichern, denn er würde sich damit der Gefahr aussetzen, die Grundlage dieses Konzepts in Frage zu stellen. Soweit
der Parlamentsgesetzgeber zu einzelnen Regelungsgegenständen vom GBA abweichende Gestaltungsvorstellungen hat, ist es ihm
allerdings unbenommen, diese selbst in einem förmlichen Gesetz auch dem GBA zur Beachtung vorzugeben oder die Exekutive gemäß
Art
80 GG zu einer von ihr zu verantwortenden Normsetzung zu ermächtigen; die Ministerialverwaltung kann hierauf hinwirken (vgl die
im Entwurf des GKV-WSG vorgesehene Verordnungsermächtigung - ohne Zustimmung des Bundesrats - zugunsten des BMG in §
91 Abs
11 SGB V, die - nachdem der Bundesrat seine Beteiligung eingefordert hatte - im Verlauf der parlamentarischen Beratungen ersatzlos
gestrichen wurde: BT-Drucks 16/3100 S 133 - zu Nr 61 [§ 91]; BT-Drucks 16/3950 S 21 - zu Art 1 Nr 61 [§ 91 Abs 11 Satz 1 SGB
V] und BT-Drucks 16/4020 S 5 - zu Nr 40 Art 1 Nr 61: "Die Formulierung der Rechtsverordnungsermächtigung umfasst dagegen keine
Vorgaben für das Gremium zu inhaltlichen Fragen des Versorgungsgeschehens"). Dies ist in der Vergangenheit - auch zu Detailfragen
- wiederholt geschehen (vgl §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V und hierzu BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 §
31 Nr
9, jeweils RdNr
35 ff; s auch §
34 Abs
4 Satz 1 und
5 SGB V). Ausgeschlossen ist - wie ausgeführt - indessen, dasselbe Ergebnis einfacher und losgelöst von den Anforderungen des Art
80 GG über eine ministerielle Fachaufsicht und gegebenenfalls mit Hilfe einer auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Ersatzvornahme
der Richtlinien des GBA zu erreichen.
Nach alledem ist das Beanstandungsrecht des BMG aus §
94 Abs
1 SGB V auf eine Rechtskontrolle beschränkt; zu einer Zweckmäßigkeitsprüfung der Richtlinienbeschlüsse des GBA ist das Ministerium
nicht berechtigt. Prüfungsmaßstab für die Aufsichtsbehörde ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht,
ob sich das Handeln der zu beaufsichtigenden Selbstverwaltungskörperschaft im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt.
Dabei muss die Aufsichtstätigkeit des BMG den Selbstverwaltungsbefugnissen des GBA als Träger mittelbarer Staatsverwaltung Rechnung tragen und dem GBA bei der ihm
zugewiesenen Normsetzung einen gewissen Bewertungsspielraum überlassen (vgl hierzu BSGE 94, 221 RdNr 19 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 20; zuletzt bestätigt durch Urteil vom 18.7.2006 - B 1 A 2/05 R, SozR 4-2400 § 80 Nr 1 RdNr 23, jeweils mwN zu der für Sozialversicherungsträger geltenden Rechtsaufsicht).
B) Die Entscheidung des klagenden GBA vom 16.11.2004, die Protonentherapie zur Behandlung von Mammakarzinomen als nicht den
Kriterien des §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V entsprechend zu bewerten und deshalb in einer Richtlinie von der künftigen Erbringung im Krankenhaus auszuschließen, lässt
keine Rechtsfehler erkennen. Das BMG war nicht berechtigt, diese Richtlinie zu beanstanden; sein Aufsichtsbescheid vom 18.1.2005 war somit rechtswidrig und ist
von den Vorinstanzen zu Recht aufgehoben worden.
Nach §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des GMG) überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus
daraufhin, ob diese "für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung
des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind". Ergibt die Überprüfung, dass die Methode
nicht den genannten Kriterien entspricht, erlässt der GBA gemäß Satz 2 (aaO) eine entsprechende Richtlinie. Ab dem Tag des
Inkrafttretens einer solchen Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr
zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt davon unberührt (§
137c Abs
2 Satz 2
SGB V).
(1) Keinen Bedenken begegnet es zunächst, dass der GBA seine Entscheidung auf der Grundlage der "Verfahrensregeln zur Bewertung
von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus gemäß §
137c SGB V" (VerfR-KH - BAnz 2002 S 8911) vornahm, welche sich der vormalige Ausschuss Krankenhaus in der Zusammensetzung nach §
137c Abs
2 SGB V (idF von Art 1 Nr 57 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 [GKV-GRG 2000] vom 22.12.1999, BGBl I 2626) am 28.1.2002 gegeben hatte. Die in §
91 Abs
3 Satz 1 Nr
1 SGB V - in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des GMG - vorgesehene VerfO des GBA zur wissenschaftlich sektorenübergreifenden Bewertung
des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage seiner Beschlüsse ist erst zum 1.10.2005
in Kraft getreten (BAnz 2005 S 16 998 - abgedruckt in Engelmann [Hrsg], aaO, unter Nr 390; nunmehr idF vom 19.3.2009, BAnz
S 2050) und war somit zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 16.11.2004 noch nicht existent. Zur Gewährleistung eines reibungslosen
Übergangs der "Normsetzungstätigkeit der bisher vornehmlich sektorenbezogenen Selbstverwaltungseinrichtungen auf den neuen
sektorenübergreifend tätigen GBA" (so BT-Drucks 15/1525, S 168 - zu Art 35 - zu § 6) ist jedoch in § 6 Abs 4 des Gesetzes
zu Übergangsregelungen usw (Art 35 GMG) angeordnet worden, dass nicht nur die Richtlinien, sondern auch die "sonstigen Beschlüsse"
des vormaligen Ausschusses Krankenhaus bis zu einer Änderung oder Aufhebung durch den GBA bestehen bleiben. Mithin waren die
VerfR-KH kraft parlamentsgesetzlicher Vorgabe bis zum Erlass der VerfO des GBA weiterhin verbindlich.
(2) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der GBA bei der Bewertung der Protonentherapie für die Indikation Mammakarzinom
primär darauf abstellte, dass der Nutzen dieser Methode in Ermangelung klinischer Wirksamkeitsnachweise nicht belegt sei.
Damit hat er den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten; vielmehr entspricht diese Vorgehensweise den Vorgaben
in Nr 5.2 Satz 1 iVm Nr 6.1 Spiegelstrich 1 und Nr 5.4 VerfR-KH, die ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
In den genannten Regelungen ist vorgesehen, dass die Methodenbewertung schrittweise nach einer vorgegebenen Reihenfolge verläuft
und dabei als Erstes Nachweise zur Wirksamkeit der Methode bei der beanspruchten Indikation geprüft werden (vgl dazu Francke
in Kern/Wadle/Schroeder/Katzenmeier [Hrsg], Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, 2006, S 793, 798 ff; Engelmann,
MedR 2006, 245, 254; Francke/Hart, MedR 2008, 2, 5 ff; Schlottmann/Weddehage, NZS 2008, 411, 415). Danach ist eine Methode nur dann entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse erforderlich,
wenn ihr Nutzen und die medizinische Notwendigkeit der Methode belegt sind. Fehlen solche Belege für die therapeutische Wirksamkeit
eines Behandlungskonzepts, so endet die Methodenbewertung bereits auf dieser ersten Stufe mit einem negativen Ergebnis, weil
dann eine rationale Basis für die Einschätzung einer Leistung als wirksam (§
2 Abs
1 Satz 3, Abs
4 SGB V) vollständig fehlt. Diese Vorgaben entsprechen denjenigen zur Methodenbewertung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung
nach Maßgabe der hierzu vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erlassenen "Richtlinien über die Bewertung ärztlicher
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß §
135 Abs
1 SGB V" (BUB-Richtlinien, hier idF vom 1.12.2003, BAnz 2004 S 5678, s dort § 7 Abs 2, 3 und 5, § 8 Abs 2 Nr 1 und § 9 Abs 3, deren
Regelungen mit denen der VerfR-KH weitgehend übereinstimmten).
Diese parallel zur Methodenbewertung im ambulanten vertragsärztlichen Bereich ausgestaltete Vorgehensweise bei der Bewertung
von Methoden im Krankenhaus steht nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben in §
137c Abs
1 SGB V. Dies gilt insbesondere auch für die Entscheidung, eine Methode für die weitere voraussetzungslose ("flächendeckende") Anwendung
im Krankenhaus bereits dann auszuschließen, wenn ihre Wirksamkeit bzw ihr Nutzen nicht belegt ist. Die rechtstechnisch unterschiedliche
Gestaltung einerseits von §
135 Abs
1 SGB V als "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" für die ambulante vertragsärztliche Versorgung und andererseits von §
137c Abs
1 SGB V als "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" für die stationäre Versorgung im Krankenhaus (vgl BT-Drucks 15/1525 S 126 - zu Nr 106
[§ 137c], zu Abs 1; s hierzu auch BSGE 90, 289, 293 f = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 11 ff; BSG SozR 4-2500 §
13 Nr
19 RdNr
14,
16) sowie Wortlaut und Regelungszweck von §
137c Abs
1 SGB V gebieten es nicht, bereits auf dieser ersten Stufe der Methodenbewertung unterschiedliche Maßstäbe zur Beurteilung der therapeutischen
Wirksamkeit einer Behandlungsmethode im ambulanten oder stationären Versorgungsbereich zur Anwendung zu bringen.
a) Trotz der andersartigen Normstruktur und des unterschiedlichen Wortlauts von §
135 Abs
1, §
137c Abs
1 SGB V ist die Methodenbewertung im
SGB V prinzipiell bereichsübergreifend angelegt. Der Auftrag zu einer sektorenübergreifenden Betrachtung wurde dem Ausschuss Krankenhaus
schon bei Einführung des Instruments des §
137c SGB V "in Anlehnung an die in der ambulanten Versorgung etablierten Verfahren" vorgegeben (BT-Drucks 14/1245 S 90 - zu § 137c;
dort ist auch ausgeführt, dass eine enge Abstimmung mit dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sicherzustellen und
die Bewertungsergebnisse so rechtzeitig abzustimmen sind, dass die notwendige sektorenübergreifende Betrachtung erfolgen kann).
Das GMG hat mit der Zusammenfassung der bislang getrennten Entscheidungsgremien zum GBA und durch weitere Regelungen diese
Verpflichtung zur sektorenübergreifenden Bewertung normativ verstärkt. Dem GBA ist - wie bereits erwähnt - in §
91 Abs
3 Satz 1 Nr
1 SGB V (ab 1.7.2008: §
91 Abs
4 SGB V idF von Art 2 Nr 14 GKV-WSG) die Schaffung einer einheitlichen VerfO ua zur Definition der Anforderungen an eine "wissenschaftliche sektorenübergreifende
Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse" aufgetragen.
Dazu hat die VerfO "insbesondere Regelungen zur Operationalisierung des für alle Versorgungsbereiche geltenden Wirtschaftlichkeitsgebotes
nach §
12 SGB V zu enthalten; hierbei kann an die in den BUB-Richtlinien niedergelegten Anforderungen angeknüpft... werden" (BT-Drucks 15/1525,
S 106 f - zu Nr 70 [§ 91]). Eine noch weitergehende Betonung der sektorenübergreifenden Arbeit des GBA hat schließlich dessen
Neuorganisation - Bildung eines einheitlichen Beschlussgremiums (§
91 Abs
2 Satz 1
SGB V) und Einrichtung sektorenübergreifender Unterausschüsse (§
91 Abs
4 Satz 1 Nr
2 SGB V) - durch das GKV-WSG mit sich gebracht (vgl BT-Drucks 16/3100 S 178 - zu Nr 14 [§ 91]). Die sektorenübergreifende Bedeutung der Methodenbewertungen
wird schließlich auch in den Regelungen zur integrierten Versorgung deutlich (§
140b Abs
3 Satz 4
SGB V - s hierzu BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 §
140d Nr 1, jeweils RdNr 22).
Die genannten Bestimmungen zeigen, dass die vom GBA zu treffenden Versorgungsentscheidungen dazu dienen sollen, versorgungsbereichsübergreifend
eine gleichmäßige, an objektiven Maßstäben orientierte Praxis der Leistungsgewährung zu erreichen. Dies trägt dem Umstand
Rechnung, dass der vom Leistungsrecht des
SGB V - insbesondere in §
2 Abs
1 Satz 3 und Abs
4 sowie in §
12 Abs
1 SGB V - gesetzlich vorgegebene Versorgungsstandard für alle Leistungsbereiche grundsätzlich einheitlich gilt (s BT-Drucks 15/1525,
S 106 - zu Nr 70 [§ 91]; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 68, 71; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 6 RdNr 48, 50, 52 - zur Veröffentlichung
auch in BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14, 16). Ausnahmen greifen nur dann ein, wenn diese ausdrücklich
im Gesetz zugelassen sind (vgl §
31 SGB I). Eine solche Ausnahmeregelung enthält beispielsweise §
137c Abs
2 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V, der gestattet, dass die Krankenkassen jedenfalls die notwendige stationäre Versorgung derjenigen Patienten vergüten, die
in eine klinische Studie zu einer an sich aus dem Leistungskatalog ausgeschlossenen Methode einbezogen sind (vgl BT-Drucks
14/1245, S 90 - zu § 137c; BT-Drucks 15/1525, S 126 - zu Nr 106 [§ 137c], zu Abs 2; ebenso Francke, aaO, S 798 Fn 13; zum
Umfang der Finanzierung klinischer Studien durch die Krankenkassen s auch BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 11 ff). Hingegen stellt allein der Umstand, dass eine prinzipiell auch ambulant erbringbare,
aber nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen in §
2 und §
12 SGB V entsprechende Methode im stationären Sektor angewandt wird, kein sachlich tragfähiges Kriterium zur unterschiedlichen Ausgestaltung
des zulässigen Leistungsspektrums dar (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 16 f).
b) Die unterschiedliche rechtstechnische Ausgestaltung von §
135 Abs
1 bzw §
137c Abs
1 SGB V als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bzw Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt bewirkt, dass neue Behandlungsmethoden in der Breite
der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung erst nach "Freigabe" durch den GBA zur Verfügung stehen, während Innovationen
im stationären Bereich so lange zulässigerweise zum Einsatz kommen können, bis dies durch ein negatives Votum des GBA ausgeschlossen
wird. Dieser differenzierte Modus zum rechtlich zulässigen Einsatz von Innovationen im ambulanten bzw stationären Bereich
in zeitlicher Hinsicht soll gewährleisten, dass der medizinische Fortschritt in den Krankenhäusern nicht unterbunden wird
(vgl BT-Drucks 14/1245 S 90 - zu § 137c). Dabei ist es unter dem Blickwinkel des Patientenschutzes nicht zu beanstanden, dass
der Gesetzgeber die bei Innovationen stets auch gegebene Gefahr des Einsatzes unwirksamer oder gar schädlicher Maßnahmen wegen
der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer eingestuft hat als bei
der Behandlung durch niedergelassene Vertragsärzte (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 25, mwN); die großzügigere Freigabe von
Innovationen im stationären Bereich wird hierdurch gerechtfertigt. Eine über die Differenzierung in zeitlicher Hinsicht hinausgehende
Bedeutung kommt der unterschiedlichen Regelungstechnik in §
135 Abs
1 bzw §
137c Abs
1 SGB V jedoch nicht zu. Insbesondere bietet diese dann, wenn nach Durchführung eines Bewertungsverfahrens durch den GBA unter Heranziehung
aller verfügbaren Erkenntnisse feststeht, dass die therapeutische Wirksamkeit bzw der medizinische Nutzen eines neuen Behandlungskonzepts
nicht belegt ist, keine Rechtfertigung dafür, dass die Methode trotz der leistungsrechtlichen Vorgaben in §
2 Abs
1 und 4 sowie in §
12 Abs
1 SGB V weiterhin allgemein in allen Krankenhäusern, aber nicht im ambulanten Bereich angewandt werden kann.
Die gesetzliche Regelung lässt vielmehr erkennen, dass in einer solchen Situation der Weiterentwicklung der Medizin dadurch
Rechnung zu tragen ist, dass die Durchführung kontrollierter klinischer Studien ermöglicht wird (§
137c Abs
2 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V). Hierzu wird in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren des GKV-GRG 2000 ausgeführt, dass die Krankenkassen auch dann die stationäre Versorgung von Versicherten zu vergüten hätten, wenn diese
in eine klinische Studie zur Prüfung einer Methode einbezogen seien, die zuvor der Ausschuss Krankenhaus aufgrund der zum
Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Erkenntnisse als nicht den Kriterien des §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V entsprechend von der Versorgung ausgeschlossen habe; das - negative - Votum des Ausschusses entfalte keine Sperrwirkung,
die eine "kontrollierte Weiterentwicklung der Medizin" behindere (BT-Drucks 14/1245 S 90 - zu § 137c). Wäre die Ansicht der
Beklagten zutreffend, dass auf der Grundlage von §
137c Abs
1 SGB V nur solche Methoden aus der Versorgung ausgeschlossen werden dürfen, die "erkennbar kein Potenzial zur Überwindung der bestehenden
Defizite" haben, hätte die Regelung zur Durchführung klinischer Studien auch nach einem vom GBA verfügten Ausschluss einer
Methode zur Anwendung im Krankenhaus keinen sinnvollen Anwendungsbereich. Denn es kann in einem Krankenversicherungssystem,
das sich aus Zwangsabgaben finanziert (vgl BVerfGE 115, 25, 42 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 18 f), nicht hingenommen werden, dass eine Methode, die keinerlei positives Potenzial erkennen
lässt, auf Kosten der Krankenkassen weiterhin erforscht wird. Zudem besteht so lange, wie der Einsatz von Innovationen in
allen Krankenhäusern vor einer Ausschluss-Entscheidung des GBA ohne Weiteres statthaft ist, für die Anbieter der Methode (Gerätehersteller,
Heilmittel- und Hilfsmittelanbieter etc) keinerlei Anreiz und keine Notwendigkeit, Aufwendungen zur Evaluierung der neuen
Methode in kontrollierten Studien zu tätigen. Solche Studien unterbleiben deshalb oftmals, wie in der mündlichen Verhandlung
berichtet wurde. Eine tendenziell dauerhafte Einbeziehung nicht qualitätsgesicherter Methoden zumindest in die stationäre
Versorgung wäre jedoch mit der Regelung in §
137c Abs
2 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V zur Durchführung klinischer Studien und ebenso mit den Vorgaben in §
2 Abs
1 und 4 sowie in §
12 Abs
1 SGB V nicht vereinbar. Der Ausschluss neuer Behandlungsmethoden mit noch nicht hinreichendem Wirksamkeitsnachweis von der allgemeinen
Anwendung im Krankenhaus führt bei gleichzeitiger Eröffnung der Möglichkeit zur Durchführung klinischer Studien hingegen dazu,
dass Heilversuchsbehandlungen kontrolliert und dokumentiert stattfinden und eine transparente Versorgungsforschung ermöglicht
wird (vgl Francke, aaO, S 805 Fn 42).
Dem steht nicht entgegen, dass §
137c SGB V keinen ausdrücklichen Regelungsmechanismus bereithält, um im Falle zukünftig vorliegender positiver Studien zur Wirksamkeit
einer ausgeschlossenen Methode deren erneute Einbeziehung in die Versorgung zu ermöglichen. Es ist nicht gerechtfertigt, aus
diesem Umstand den Schluss zu ziehen, der Ausschluss einer Methode gemäß §
137c Abs
1 Satz 2, Abs
2 Satz 2
SGB V sei "ewigkeitsfest" und dürfe deshalb nur ausnahmsweise bei deren nachgewiesener Unwirksamkeit erfolgen. Selbstverständlich
muss der GBA auch nach Erlass einer Richtlinie zum Ausschluss einer Methode prüfen, ob neuere wissenschaftliche Erkenntnisse
- etwa aus klinischen Studien gemäß §
137c Abs
2 Satz 2
SGB V - diese Entscheidung noch rechtfertigen. Ihm obliegt - wie jedem Normgeber - eine Beobachtungspflicht dahingehend, ob das
von ihm verfolgte Ziel der Gewährleistung einer Krankenbehandlung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse bei Fortgeltung der Ausschluss-Entscheidung noch erreicht wird. Ist das offenkundig nicht mehr der Fall, muss
er nachbessern (vgl BVerfGE 95, 267, 314 f; BVerfGE 111, 333, 360; ebenso die stRspr des Senats, zB - für den Bewertungsausschuss - BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, jeweils RdNr 38 f, mwN), dh den Ausschluss einer nunmehr als den Kriterien des §
137c Abs
1 SGB V entsprechend erkannten Methode wieder aufheben. Die erneute Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich bereits ausgeschlossener Methoden
ergibt sich zudem unmittelbar aus §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V. Hiernach sind nicht nur Methoden zu prüfen, die im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, sondern auch solche,
die künftig "angewandt werden sollen"; das können auch früher aufgrund fehlenden Wirksamkeitsnachweises ausgeschlossene Methoden
sein, zu denen neue Erkenntnisse vorliegen. Ein entsprechendes Verfahren war bereits in Nr 2.5 VerfR-KH vorgesehen und ist
nunmehr in § 7 Abs 4 VerfO normiert. Danach soll der GBA begründeten Hinweisen nachgehen, dass seine Entscheidungen nicht
mehr mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Dem von der Beklagten angeführten
Gesichtspunkt, dass den Leistungserbringern und den Patienten hierfür kein Antragsrecht zustehe, kommt angesichts der ausdrücklich
normierten Antragsberechtigung der DKG und der Bundesverbände der Krankenhausträger sowie im Hinblick auf die Möglichkeiten
der Staatsaufsicht, auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der VerfO hinzuwirken, keine maßgebliche Bedeutung
zu.
c) Auch der unterschiedliche Wortlaut der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen in §
137c Abs
1 Satz 1 bzw in §
135 Abs
1 Satz 1
SGB V zwingt nicht zu der Annahme, dass bei der Bewertung von im Krankenhaus erbrachter Methoden ein grundsätzlich anderer - großzügigerer
- Maßstab anzuwenden ist. §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V ordnet eine Prüfung an, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode "für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich"
ist. In §
135 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB V ist vorgesehen, dass der GBA Empfehlungen abgibt zur "Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen
Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ... nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung". Beiden Regelungen gemeinsam wurde durch das GMG in §
92 Abs
1 Satz 1 dritter Halbsatz
SGB V eine Präzisierung des Normsetzungsprogramms des GBA vorangestellt (so BT-Drucks 15/1525, S 107 - zu Nr 71, zu Buchst a, zu
Doppelbuchst bb). Danach kann der GBA die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen,
"wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die
medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind". Unter Berücksichtigung dieser engmaschigeren
gesetzlichen Vorgaben auch zu Inhalt, Zweck und Ausmaß der Entscheidungen nach §
137c SGB V ist jedenfalls seit dem 1.1.2004 für die Annahme, bei Bewertungen nach §
137c SGB V sei ein grundlegend anderer Maßstab anzuwenden, kein Raum mehr (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 6 RdNr 50 f - zur Veröffentlichung
auch in BSGE vorgesehen). Mithin ist auch die Überprüfung von Behandlungsmethoden im Krankenhaus maßstäblich daran auszurichten,
ob die medizinische Wirksamkeit und der Nutzen dieser Methode belegt sind (Nr 5.4 VerfR-KH, nunmehr § 28 VerfO). Die bloße
Annahme, es sei für eine Methode nicht auszuschließen, dass sie im Einzelfall einen potenziell spürbaren positiven Einfluss
auf die Entwicklung einer Krankheit nehmen könne, ist kein hinreichender Wirksamkeitsbeleg im Rahmen einer generalisierenden
Entscheidung zur Ausgestaltung des Versorgungssystems.
(3) Der GBA traf seine Entscheidung zur Methode der Protonentherapie beim Mammakarzinom nicht in unstatthafter Weise verfrüht;
zu einer Aussetzung des im August 2001 eingeleiteten und im November 2004 abgeschlossenen Bewertungsverfahrens war er nicht
befugt.
Der Zeitpunkt der Durchführung einer Methodenbewertung wird dem GBA gemäß §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V von außen vorgegeben. Stellt eine der dort als antragsberechtigt benannten Institutionen einen Überprüfungsantrag, so muss
der GBA in das Bewertungsverfahren nach Maßgabe seiner selbst gesetzten Verfahrensregelungen eintreten. Rechtsvorschriften,
die es ihm erlauben würden, längere Zeit völlig untätig zu bleiben und abzuwarten, ob sich die Daten- und Erkenntnislage zu
der Methode möglicherweise verändert, bestehen nicht. Der GBA ist lediglich berechtigt, mit Rücksicht auf nur begrenzt vorhandene
Bearbeitungskapazitäten festzulegen, welche zur Beurteilung anstehenden Methoden vorrangig überprüft werden (Prioritätenfestlegung
gemäß Nr 3 VerfR-KH; s nunmehr § 12 VerfO).
Einer Aussetzung des Bewertungsverfahrens auf unbestimmte Zeit oder auf längere Frist stand hier entgegen, dass diese Möglichkeit
in den VerfR-KH, die für die Ausgestaltung der Überprüfung der Protonentherapie beim Mammakarzinom noch maßgeblich waren,
nicht eröffnet war; sie ist erst - zum 1.10.2005 - in § 21 Abs 4 VerfO geschaffen worden. Ohne eine solche normative Verankerung,
wie sie für Gerichtsverfahren zB in §
114 SGG unter bestimmten Voraussetzungen geregelt ist, war dem GBA eine Aussetzung des Bewertungsverfahrens nicht erlaubt. Im Übrigen
lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des GBA im Herbst 2004 auch nicht die erst später in § 21 Abs 4 VerfO normierte Anforderung
an eine Aussetzung vor, nämlich die Erwartung, dass "in naher Zukunft" Studien mit ausreichenden Evidenzbelegen zur Protonentherapie
beim Mammakarzinom vorgelegt werden könnten.
Auch eine Berechtigung oder Verpflichtung des GBA, den Antrag der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 30.8.2001 ohne inhaltliche
Befassung als unzulässig zurückzuweisen, bestand nicht. Denn dieser entsprach mit seiner Benennung einzelner Indikationen
den gemäß Nr 2.1 Satz 2 VerfR-KH zu erfüllenden Anforderungen.
(4) Die Rügen der Beklagten, der GBA habe bei der Bewertung der Protonentherapie beim Mammakarzinom den entscheidungserheblichen
Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, sind nicht berechtigt.
Allerdings ist die Aufsichtsbehörde - ebenso wie das Gericht - befugt, die vollständige Sachverhaltsermittlung durch den GBA
zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse in Bezug auf die von ihm zu bewertende Methode im Einzelnen
zu überprüfen. Hinsichtlich dieser Entscheidungsgrundlagen kann der GBA einen aufsichtsbehördlicher oder gerichtlicher Nachprüfung
nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum nicht beanspruchen (vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, jeweils RdNr 73). Bezugspunkt dafür, ob der GBA den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig
erfasst hat, ist aber nicht die - wie oben aufgezeigt - unzutreffende Ansicht des BMG zu den bei der Methodenbewertung nach §
137c Abs
1 SGB V erheblichen rechtlichen Maßstäben. Vielmehr sind hierfür die in Nr 5.2, 5.4 und 6.1 VerfR-KH in Übereinstimmung mit höherrangigem
Recht normierten Maßstäbe und Kriterien evidenzbasierter Medizin zugrunde zu legen (vgl BT-Drucks 14/1245 S 90 - zu § 137c;
BT-Drucks 15/1525 S 107 - zu Nr 70 [§ 91]; s auch BSGE 90, 289, 292 f = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 10).
a) Die Beklagte beanstandet zunächst, der GBA habe keine Ermittlungen dazu angestellt, ob für seltene Subgruppen von Mammakarzinom-Patientinnen
(sehr junge Patientinnen und solche mit ungünstiger Brustgeometrie), bei denen die konventionelle Strahlentherapie mit Photonen
im Hinblick auf Strahlenschutzaspekte besonders risikoreich sei, die Protonenbestrahlung Vorteile biete. Sie führt allerdings
nicht auf, welche konkret vorhandenen Studien hierzu der GBA außer Acht gelassen hat. Der Vorhalt ist zudem Ausdruck des unzutreffenden
Bewertungskonzepts der Beklagten, die auf der Basis lediglich theoretisch-hypothetischer Wirksamkeit der Protonentherapie
die "Erforderlichkeit" dieser Methode als in Einzelfällen möglicherweise vorteilhafte Behandlungsoption geklärt wissen will.
Demgegenüber ist der GBA nach Maßgabe der in den VerfR-KH vorgegebenen Prüfungsschritte bereits auf der ersten Stufe zu dem
Ergebnis gelangt, dass keinerlei Beleg in Form klinischer Daten für die therapeutische Wirksamkeit der Protonentherapie beim
Mammakarzinom vorliegt. Wegen des deshalb nicht belegten klinischen Nutzens der Methode musste er sich mit Erwägungen und
Ermittlungen zu allen nachfolgenden Bewertungsschritten (Abwägung des Nutzens gegen die Risiken, Bewertung der erwünschten
und der unerwünschten Folgen, Bewertung des Nutzens der Methode im Vergleich zu anderen Methoden gleicher Zielsetzung) zu
Recht nicht mehr befassen. Im Übrigen entziehen sich sehr seltene Krankheiten ebenso wie sehr seltene Subformen an sich häufigerer
Erkrankungen einer systematischen Erforschung und Behandlung; der GBA hat aus diesem Grund diesbezüglich keine Befugnis, in
Richtlinien nach §
137c Abs
1 SGB V generalisierend zur Qualität der Behandlung in solchen "Seltenheitsfällen" Stellung zu nehmen (BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 ff; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 15). Ein Ermittlungsdefizit lässt sich mithin
in Bezug auf solche Konstellationen schon im Ansatz nicht begründen.
b) Soweit die Beklagte geltend macht, der GBA habe die Erforderlichkeit der Behandlungsmethode unter unzulässiger Verkürzung
der Grundsätze evidenzbasierter Medizin bewertet, weil er Kriterien der "internen Evidenz" wie den theoretischen Wirkansatz,
die Schwere und Seltenheit der Erkrankungen, die Erfolgsaussichten der Therapie, die Therapieplanung und die therapeutische
Praxis unberücksichtigt gelassen habe, hat sie gleichfalls kein Defizit in der Ermittlung des Sachverhalts aufgezeigt, sondern
lediglich ihre abweichenden Bewertungskriterien dargestellt. Ein Ermittlungsdefizit des GBA wäre allenfalls zu konstatieren,
wenn er vorhandene klinische Erfahrungsberichte, die nicht der obersten Evidenzstufe entsprechen, allein deshalb völlig außer
Acht gelassen hätte (vgl Nr 7.1 Stufe III VerfR-KH). Einen solch konkreten Vorhalt hat die Beklagte nicht gemacht.
c) Der Vorwurf, der GBA habe das Gutachten des Privatdozenten Dr. Dr. D. unberücksichtigt gelassen, findet sich in dem zur
gerichtlichen Überprüfung stehenden Aufsichtsbescheid vom 18.1.2005 noch nicht. Insoweit bemängelt die Beklagte auf der Grundlage
ihrer abweichenden Auffassung hinsichtlich der Bewertungsmethodik, dass dessen Aussage, die jahrzehntelange klinische Erfahrung
mit der (konventionellen) Photonenstrahlung könne auf die Bestrahlung mit Protonen übertragen werden, vom GBA nicht ausreichend
gewürdigt worden sei. Ein entscheidungserhebliches Defizit in der Sachverhaltsermittlung liegt jedoch auch hierin nicht. Denn
aus dem genannten Gutachten (dort S 8) geht hervor, dass diese Aussage auf klinischen Ergebnissen von Protonenbestrahlungen
von Augentumoren, Chordomen, Chondrosarkomen und Prostatakarzinomen beruht, während klinische Erfahrungen mit der Protonenbehandlung
von Mammakarzinomen nicht erwähnt sind. Nur wenn derartige klinische Studien unberücksichtigt geblieben wären, läge darin
ein hier möglicherweise relevanter Bewertungsmangel.
d) Entsprechendes gilt für die Rügen, der GBA habe die Problematik strahlenbedingter Toxizität nicht analysiert und bewertet,
die kardiale Übersterblichkeit bei der herkömmlichen Strahlenbehandlung von Mammakarzinomen nicht berücksichtigt und die Vorteile
der neuen Geräte zur Protonentherapie, welche eine zielgenaue Bestrahlung in Bauchlage erlaubten, nicht in seine Erwägungen
einbezogen. Auch insoweit handelt es sich nicht um Gesichtspunkte, die vom GBA geprüft und bedacht werden mussten. Da bereits
die therapeutische Wirksamkeit der Protonentherapie auf der ersten Bewertungsstufe nicht hinreichend belegt war, waren Ermittlungen
und Abwägungen zu Fragen, die erst bei zu bejahender therapeutischer Wirksamkeit der Methode bei einer bestimmten Indikation
von Bedeutung sind, von ihm nicht mehr anzustellen.
4. Die Revision der Beklagten kann auch nicht im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Erfolg
haben (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Ihre Rügen einzelner Mängel des berufungsgerichtlichen Verfahrens sind nicht in der erforderlichen Weise dargetan; ihnen
ist mithin im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang zunächst einzelne Sachverhalte aus dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG referiert, liegt keine den Anforderungen des §
164 Abs
2 Satz 3
SGG entsprechende Verfahrensrüge vor. Die Beklagte hat nicht näher dargelegt, inwiefern das LSG-Urteil auf den von ihr geschilderten
Umständen beruhen kann (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 164 RdNr 12c).
Die Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht gemäß §
103 SGG verletzt, weil es selbst ihrem - bereits vor dem SG angebrachten - Begehren nicht nachgekommen sei, Beweis darüber zu erheben, dass der GBA bei seiner Bewertung der Protonentherapie
beim Mammakarzinom Kenntnisse über diese Behandlungsmethode bei anderen Indikationen nicht einbezogen habe, entspricht ebenfalls
nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, weshalb sich das Berufungsgericht
auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl Leitherer, aaO, RdNr
12a). Stattdessen erläutert die Beklagte, weshalb auf der Grundlage ihrer eigenen - unzutreffenden - Rechtsauffassung zur
Methodenbewertung das LSG weitere Ermittlungen zum Ermittlungsumfang des GBA hätte anstellen müssen. Dies vermag einen Verfahrensmangel,
auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann, nicht zu begründen, denn dieses hat seiner Entscheidung die oben näher dargelegte
Rechtsauffassung des Senats zugrunde gelegt. Die damit letztlich von der Beklagten thematisierte Problematik des zutreffenden
Maßstabs bei der Methodenbewertung nach §
137c SGB V ist ohnehin eine Rechtsfrage, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich ist.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Hilfsbeweisanträge der Beklagten vor dem SG, denen auch das LSG nicht nachgekommen ist. Auch sie sind in der Revisionsbegründung der Beklagten nicht in der gemäß §
164 Abs
2 Satz 3
SGG erforderlichen Weise unter Angabe der maßgeblichen Tatsachen so genau bezeichnet, dass sie der Senat ohne weitere Ermittlungen
beurteilen kann (vgl Leitherer, aaO, RdNr 12), und betreffen im Übrigen Fragen, auf die es auf der Grundlage der obigen Ausführungen
für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach trägt die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg geführten Rechtsmittels. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil diese - soweit überhaupt im Revisionsverfahren eine Äußerung erfolgt ist -
keinen Antrag gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO).