Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung
Verfahrensrüge
Antrag auf Terminsverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung
Hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit
1. Wird eine Terminsverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung
begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert werden, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen
selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht.
2. Dies erfordert grundsätzlich die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der das Gericht Art, Schwere und voraussichtliche
Dauer der Erkrankung entnehmen kann und so die Frage der Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit des Betroffenen selbst beurteilen
kann.
3. Bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminsverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungs-
und/oder Reiseunfähigkeit.
4. Grundsätzlich ist das Gericht jedenfalls bei einem anwaltlich vertretenen Kläger bei einem erst kurz vor dem Termin gestellten
Aufhebungs- bzw. Verlegungsantrag im Regelfall weder verpflichtet dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch ihn zur Ergänzung
seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen.
Gründe:
I
Der Kläger beansprucht in der Hauptsache wegen eines sexuellen Missbrauchs im Februar 2008 die Anerkennung einer posttraumatischen
Belastungsstörung und einer Anpassungsstörung sowie eines Grades der Schädigungsfolgen von mindestens 30 und eine entsprechende
Versorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG). Das LSG hat nach mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten den geltend gemachten
Anspruch verneint (Urteil vom 6.12.2017). Zuvor gestellte Terminsverlegungsanträge des Klägers - zuletzt vom 5.12.2017 wegen
Erkrankung seiner Prozessbevollmächtigten - hat das LSG abgelehnt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs,
weil dem Antrag seiner Prozessbevollmächtigten auf Terminsverlegung vom 5.12.2017 wegen einer plötzlich aufgetretenen Erkrankung
nicht stattgegeben worden sei. Eine Vertretung durch den Kollegen seiner Prozessbevollmächtigten sei nicht möglich gewesen,
weil auch dieser arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Seine Prozessbevollmächtigte habe eine von ihrer Hausärztin am 4.12.2017
ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch die sie anschließend
wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt oder eine Herzmuskelentzündung akut behandelnde Internistin sei nicht mehr nötig
gewesen. Die Internistin habe seiner Prozessbevollmächtigten eindringlich davon abgeraten, den Termin vor dem LSG am 6.12.2017
wahrzunehmen. Die vom LSG geäußerten Zweifel an der sich akut verschlimmerten Erkrankung und der gesundheitsbedingten Verhinderung
seiner Prozessbevollmächtigten seien unbegründet gewesen.
II
Die Beschwerde des Klägers ist nicht zulässig, weil der als Zulassungsgrund allein geltend gemachte Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) der Gehörsverletzung (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
Die Prozessbevollmächtigte hat nach eigenem Vortrag den hier maßgeblichen Terminsverlegungsantrag erst am 5.12.2017 gestellt
und diesen mit dem Auftreten einer plötzlich aufgetretenen bzw sich akut verschlimmerten Erkrankung unter Beifügung einer
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihrer Hausärztin vom 4.12.2017 begründet. Die zuvor gestellten Terminsverlegungsanträge vom
8.11, 13.11. und 14.11.2017 wegen einer zunächst bestehenden Terminskollision mit einer Strafsache vor dem Landgericht hatten
sich nach dem Beschwerdevortrag zu diesem Zeitpunkt bereits erledigt.
Wird eine Terminsverlegung - wie hier - erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer
Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert werden, dass das Gericht ohne weitere
Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht (stRspr, zB BSG Beschluss vom 7.11.2017 - B 13 R 153/17 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 27.5.2014 - B 4 AS 459/13 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - SozR 4-1500 § 110 Nr 1 = Juris RdNr 12). Dies erfordert grundsätzlich die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der
das Gericht Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen kann und so die Frage der Verhandlungs- und/oder
Reiseunfähigkeit des Betroffenen selbst beurteilen kann (BSG Beschluss vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - aaO mwN). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers ist dieser Darlegungsobliegenheit nicht hinreichend nachgekommen. Bei
kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminsverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungs-
und/oder Reiseunfähigkeit (vgl BSG Beschluss vom 27.5.2014 - aaO; BVerwG Beschluss vom 20.4.2017 - 2 B 69/16 - Juris RdNr 9).
Grundsätzlich ist das Gericht jedenfalls bei einem anwaltlich vertretenen Kläger bei einem erst kurz vor dem Termin gestellten
Aufhebungs- bzw Verlegungsantrag im Regelfall weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung
seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2017 - B 13 R 153/17 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 27.5.2014 - B 4 AS 459/13 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - SozR 4-1500 § 110 Nr 1 = Juris RdNr 13). Ob der Fall einer solchen fehlenden Handlungsnotwendigkeit hier vorlag, kann dahingestellt
bleiben. Denn das Berufungsgericht hat unverzüglich auf den Verlegungsantrag der Prozessbevollmächtigten vom 5.12.2017 reagiert
und durch Faxmitteilung vom selben Tag klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass es dem Verlegungsantrag in der gestellten
Form nicht stattgeben werde. Vor diesem Hintergrund hätte die Prozessbevollmächtigte erkennen können und müssen, dass eine
gegebenenfalls kurzfristig eingetretene Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist.
Die von der Prozessbevollmächtigten dem Terminsverlegungsantrag vom 5.12.2017 beigefügte, ebenfalls per Telefax übermittelte
Kopie der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Hausärztin vom 4.12.2017 reichte vorliegend insoweit nicht aus, weil sie keine
Angaben zu Art und Schwere der Erkrankung bzw der geltend gemachten Verschlimmerung enthielt. Zwar mag eine einem Rechtsanwalt
ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit regelmäßig auch die Unfähigkeit zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen beinhalten. Vorliegend
hat das LSG jedoch in der oben genannten Faxmitteilung nachvollziehbar Zweifel geäußert, weil die Prozessbevollmächtigte trotz
von der Hausärztin attestierter Arbeitsunfähigkeit noch in der Lage gewesen sei, ihr Büro aufzusuchen und Schriftsätze zu
verfassen, und damit zugleich hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es einer weitergehenden Glaubhaftmachung bedürfe.
Aus welchen Gründen es vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund der Prozessbevollmächtigten des Klägers zur weitergehenden
Glaubhaftmachung unmöglich oder unzumutbar gewesen sein sollte, (zumindest) ein (Kurz-)Attest von der Hausärztin oder der
die behauptete plötzliche Verschlimmerung der Erkrankung behandelnde Internistin vorzulegen oder doch zumindest (hilfsweise)
unter namentlicher Benennung die Anschrift, Telefax- und Telefonnummer der akut behandelnden Internistin dem LSG mitzuteilen,
damit dieses sich mit (zugleich erteiltem) Einverständnis der Prozessbevollmächtigten durch Nachfrage per Telefax oder Telefon
gegebenenfalls selbst über das Vorliegen, die Umstände und das Ausmaß der behaupteten Akuterkrankung der Prozessbevollmächtigten
hätte informieren und somit deren Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit hätte beurteilen können (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 16 f), trägt der Kläger in der Beschwerdebegründung jedoch nicht vor. Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge
auch in Gestalt der gerügten Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung ist aber stets, dass der Kläger darlegt, seinerseits
alles getan zu haben, um sich im Berufungsverfahren rechtliches Gehör zu verschaffen, hier also das LSG von der Notwendigkeit
zu überzeugen, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 9.8.2016 - B 9 V 36/16 B - Juris RdNr 8; vgl auch BVerwG Beschluss vom 29.4.2004 - 1 B 203/03 - Juris RdNr 4).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 S 2 und 3
SGG zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.