Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus, die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der bei der Beklagten
krankenversicherte A. H. (im Folgenden: Versicherter) wurde im Klinikum der Klägerin vom 09.03. bis 13.03.2015 vollstationär
behandelt. Er wurde aufgenommen mit den Diagnosen: Septumdeviation (J34.2 als Hauptdiagnose), vergrößerte untere Nasenmuscheln
bds (J34.3) und Vorspringen des Os maxillare bds. Durchgeführt wurde nach dem Operationsbericht vom 09.03.2015 eine Septumplastik,
Turbinoplastik mit Lateralisation der unteren Nasenmuscheln bds und partielle Maxillektomie bds.
Hierfür rechnete die Klägerin unter dem 17.03.2015 insgesamt 4.118,28 EUR ab unter Ansatz der DRG D25D (mäßig komplexe Eingriffe
an Kopf und Hals außer bei bösartiger Neubildung ohne äußerst schwere CC). Dabei setzte sie ua die Prozeduren nach OPS 5-214.6
(Submuköse Resektion und plastische Rekonstruktion des Nasenseptums: Plastische Korrektur mit Resektion) sowie 5-771.10B (Partielle
und totale Resektion eines Gesichtsschädelknochens: Maxilla, partiell: Ohne Rekonstruktion) an.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst in voller Höhe und beauftragte sodann am 09.04.2015 den MDK mit einer Prüfung.
Im Gutachten vom 09.09.2015 kam Dr. S. zu dem Ergebnis, dass die Behandlung nach DRG D38Z (Mäßig komplexe Eingriffe an der
Nase oder an den Nasennebenhöhlen) zu vergüten sei. OPS 5-771.10B könne nicht zusätzlich kodiert werden. Das Ausmeißeln von
Sollbruchstellen sowie die lineare Osteotomie der knöchernen Bodenleisten sei integraler Bestandteil der plastischen Nasenseptum-Korrektur
mit Resektion (abgebildet unter 5-214.-). Gestützt hierauf forderte die Beklagte mit Schreiben vom 10.09.2015 die Rückzahlung
von 1.539,26 EUR. Am 09.10.2015 verrechnete die Beklagte den streitigen Betrag mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin
aus einem anderen Behandlungsfall.
Am 25.08.2016 hat die Klägerin zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die Klägerin hält aufgrund des operativen Leistungsumfangs nach wie vor an der ermittelten DRG D25D fest.
Hierzu hat sie eine wissenschaftliche HNO-ärztliche Stellungnahme zur partiellen Maxillektomie (teilweise Entfernung des Oberkieferknochens)
durch den behandelnden Operateur Prof. Dr. W. vorgelegt. Ermöglicht durch den Einsatz der endoskopischen Operationstechniken
finde die partielle Maxillektomie nach Simmen in der sinunasalen Chirurgie immer häufiger Anwendung, ua in der Chirurgie der
Nasenatmungsbehinderung. Der innere Oberkieferpfeiler springe nicht selten weiter in das Nasenlumen vor und beeinträchtige
damit den Durchfluss durch den mittleren Nasengang und zudem durch die feste Verankerung mit der unteren Nasenmuschel eine
Lateralisation und Ausdünnung der unteren Nasenmuschel. Bei der posterioren partiellen Maxillektomie mit Turbinoplastik werde
nach Schleimhautinzision im Bereich der lateralen Nasenwand der Processus frontalis maxillae mit den angrenzenden Anteilen
des Os maxillare soweit dargestellt, dass dieser mit speziellen Instrumenten soweit abgetragen werden könne, dass 1. der Durchfluss
durch den mittleren Nasengang für die Einatemluft deutlich erweitert sei, 2. über diesen Zugang zusätzlich das Os turbinale
der unteren Nasenmuschel entfernt werden könne und 3. die untere Nasenmuschel lateralisiert werden könne, was insgesamt zu
einer deutlichen Erweiterung des inneren Nasenraumes führe. Eine Teilresektion des Oberkiefers sei bei diesem Eingriff essentiell
erhalten.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Grundprinzip des OPS sei die Abbildung eines Eingriffs möglichst mit einem Kode (monokausale
Kodierung), dh alle Komponenten seien enthalten. Dies ergebe sich aus dem Abschnitt "Prozedurenkomponenten" in den Deutschen
Kodierrichtlinien (DKR), P001 Allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren. Die Zuordnung zu einem OPS gelte unabhängig davon,
wie aufwendig das Vorgehen im Einzelfall gewesen sei. In den Hinweisen zu OPS 5-214 sei beschrieben, dass die Entnahme von
Rippen- oder Ohrknorpel gesondert zu kodieren sei. Weitere Hinweise gebe es nicht, so dass keine Ausnahme von der monokausalen
Kodierung bestehe.
Das SG hat ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei Dr. K. eingeholt. Im Gutachten vom 27.02.2017 führt dieser aus, nach
dem Operationsbericht habe ein einengender Knochenvorsprung, der dem Oberkieferknochen entspringe, entfernt werden müssen.
Es habe sich nicht um einen Vorsprung des Nasenseptums handeln können, sondern einen zusätzlichen Knochenvorsprung, welcher
separat verschlüsselt werden müsse. Die Septumkorrektur mit Resektion nach OPS 5-214.6 könne sich nicht auf zusätzliche Knochenentfernungen
beziehen, welche sich nicht am knöchernen Nasenseptum selbst abspielten. Die Abrechnung nach DRG D25D sei daher nicht zu beanstanden.
Nach Einwendungen der Beklagten hat das SG noch eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. K. vom 25.04.2017 eingeholt, welcher bei seiner Auffassung geblieben ist. Die
partielle Maxillektomie sei nicht standardmäßig immer in der Nasenseptum-Korrektur und auch nicht in dem Eingriff an der unteren
Nasenmuschel enthalten, sondern eine Besonderheit, die entsprechend kodiert werden müsse.
Mit Urteil vom 30.05.2017 hat das SG der Klage stattgegeben. Vorliegend habe die Klägerin als Prozedur ua die OPS-Ziffern 5-214.6K (Submuköse Resektion und plastische
Rekonstruktion des Nasenseptums: Plastische Korrektur mit Resektion) und 5-215.2B (Operationen an der unteren Nasenmuschel
(Concha nasalis): Konchektomie) kodiert, welche allein die Nase beträfen. Die hier streitige Prozedur betreffe einen die Atmung
behindernden, einengenden Vorsprung des Oberkieferknochens, welcher anatomisch zumindest seinem Ursprung nach nicht der Nase
zuzurechnen sei. Allerdings lasse sich auch die Auffassung vertreten, dass der Vorsprung, da er in den Nasenströmungskanal
hineinreiche und die Nasenfunktion beeinträchtige, funktional dem Begriff der Nase zuzurechnen sei. In diesem Zuordnungskonflikt
habe der Gutachter Dr. K. überzeugend dargelegt, dass es sich um eine eigene Prozedur handele, wenn der Oberkiefervorsprung
zwecks Verbesserung der Nasenatmung zusätzlich zum Nasenseptum korrigiert werde. Die Prozedurenbeschreibung 5-214.6 könne
sich nicht auf zusätzliche Knochenentfernungen beziehen, welche sich nicht am knöchernen Nasenseptum selbst abspielten. Prof.
Dr. W. habe glaubhaft dargelegt, dass es auch alleinige partielle Maxillektomien gebe; es gebe auch einen eigenen Kode für
diesen Vorgang. Das Prinzip der monokausalen Kodierung greife nicht, weil in einem anatomisch anderen Bereich als der Nase
eine andere, zusätzliche Leistung erbracht worden sei. Insofern sei der Fall nicht vergleichbar mit dem vom SG am 06.03.2017 (S 5 KR 2896/16) entschiedenen Fall. Dort habe die erweiterte Prozedur allein der Herstellung eines Zugangs für die Durchführung der Hauptprozedur
gedient. Hier habe es sich dagegen um eine selbstständige Behandlungskomponente gehandelt. Davon abgesehen ließe sich die
gesonderte Kodierung auch damit begründen, dass ein atypischer Fall vorliege, denn mit einem störenden Vorsprung des Oberkieferknochens
sei in Fällen der Nasenseptumdeviation üblicherweise nicht zu rechnen.
Gegen das ihr am 12.06.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 07.07.2017 eingelegte Berufung der Beklagten. Das SG gehe von einer falschen Definition der Nase aus, seine Einschätzung, dass der einengende Vorsprung des Oberkieferknochens
anatomisch zumindest seinem Ursprung nach nicht der Nase zuzurechnen sei, treffe nicht zu. Die laterale Nasenwand als seitliche
Begrenzung der Nasenhöhle werde zum großen Teil von der Maxilla, dh dem Oberkieferknochen gebildet. Der einengende Vorsprung
des Oberkieferknochens sei daher sowohl anatomisch als auch funktional der Nase zuzuordnen. Bei der strittigen Maßnahme handele
es sich um eine Teilprozedur an der Nase zur Verbesserung der Nasenatmung, und zwar an der lateralen Nasenwand. Es handele
sich nicht um eine eigene signifikante Prozedur, sondern einen Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel, wie
dies auch im Operationsbericht dargestellt werde. Auch laut Prof. Dr. W. handele es sich um einen Zugang, über den das Os
turbinale der unteren Nasenmuschel entfernt werden könne. Es sei nach dem Operationsbericht zunächst eine Inzision an der
lateralen Nasenwand erfolgt, die lediglich nach dorsal verlängert worden sei. Das systematische Verzeichnis OPS 2015 sehe
für Operationen an der Nase die Ziffern des Kapitels 5-21 vor. Es fänden sich Hinweise, wenn eine zusätzliche Kodierung vorgesehen
sei. Ein Hinweis, dass bei Operationen an der Nase zusätzlich OPS-Ziffern aus dem Kapitel 5-77 (andere Operationen an Gesichtsschädelknochen)
zu kodieren seien, finde sich nicht. Dies sei auch schlüssig, denn jede Operation an der Nase, die knöcherne Strukturen miteinbeziehe,
betreffe Gesichtsschädelknochen. Das SG-Urteil stehe damit im Widerspruch zum systematischen Verzeichnis der operativen Prozeduren. Zudem entspreche es nicht dem
Grundprinzip der monokausalen Kodierung. Die hier erfolgte partielle Maxillektomie hätte ohne die Operation an der Nase zur
operativen Verkleinerung der vergrößerten unteren Nasenmuschel nicht stattgefunden. Allein die Bezeichnung partielle Maxillektomie
mit Turbinoplastik von Prof. Dr. W. zeige, dass die Eingriffe nicht voneinander abgrenzbar seien. Es habe sich auch nicht
um einen atypischen Eingriff gehandelt. Der geschilderte operative Mehraufwand begründe nicht die zusätzliche Kodierung der
OPS 5-771.10, die in eine höher bewertete DRG führe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.05.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise zu den Beweisfragen aus dem Schriftsatz vom 31.10.2018 unter Gliederungspunkt IIa
Nrn 1-5 ein Sachverständigengutachten einzuholen. Als Sachverständige werden die im Schriftsatz vom 31.10.2018 unter Gliederungspunkt
Ia Ziffer 1, 2 genannten Sachverständige vorgeschlagen.
Bei dem Versicherten sei die Nasenatmung dreifach behindert gewesen, durch eine Septumdeviation, vergrößerte untere Nasenmuscheln
bds und Vorspringen des Os maxillare bds. An jeder Region sei eine eigene chirurgische Maßnahme durchgeführt und verschlüsselt
worden: Septumplastik (OPS 5-214.6K), Turbinoplastik mit Lateralisation der unteren Nasenmuschel (OPS 5-215.4B) und partielle
Maxillektomie (OPS 5-771.10B). Bei der unteren Nasenmuschel handele es sich um ein eigenes Organ; die Maxilla sei nicht Teil
der Nasenhöhle, sondern Teil der seitlichen Wand bzw des Bodens. Ergänzend legt die Klägerin eine HNO-ärztliche Stellungnahme
zur partiellen Maxillektomie von Prof. Dr. W. vom 13.09.2017 vor. Wie das SG und der Sachverständige Dr. K. zutreffend ausgeführt hätten, liege in der partiellen Maxillektomie vorliegend eine selbstständige
Behandlungskomponente, dh eine signifikante Prozedur. Es liege weder ein Verstoß gegen die Kodierrichtlinien, noch zum Verzeichnis
der operativen Prozeduren vor.
Der Senat hat eine weitere ergänzende Stellungnahme des Gutachters Dr. K. eingeholt. Unter dem 16.02.2018 führt dieser aus,
er bleibe dabei, dass operative Schritte, welche nicht durch eine Standardprozedur abgedeckt seien, entsprechend verschlüsselt
werden könnten. Dies sei unabhängig von der anatomischen Zuordnung der relevanten Knochenstrukturen. Welchem Organ (Nase)
der in Frage stehende Knochenteil (Maxilla) zugeordnet werde, sei für Kodierzwecke unerheblich. Eine separate Prozedur für
das Abtragen eines Knochensporns an der Nasenmuschel gebe es nicht in der Systematik. Es gebe Eingriffe an der unteren Nasenmuschel,
bei denen dieser Knochensporn nicht abgetragen werde. Gerade deshalb könne die Beklagte auch nicht davon ausgehen, dass es
sich um eine inkludierte Teilprozedur im Bereich der lateralen Nasenwand handele.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 1.563,27 EUR verurteilt. Die Beklagte hat zu Unrecht in dieser Höhe gegen eine
andere (unstreitige) Forderung der Klägerin aufgerechnet, da ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (zum öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl eingehend BSG 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, SozR 4-5562 § 11 Nr 2; 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2) nicht besteht. Die Zahlung der Vergütung iHv 1.563,27 EUR erfolgte mit Rechtsgrund. Denn die Klägerin
hat zutreffend bezüglich der Behandlung des Versicherten die DRG D25D abgerechnet. Sie war berechtigt, neben den OPS-Prozeduren
5-214.6 und 5-215.4 auch die OPS-Prozedur 5-771.10B der Abrechnung zu Grunde zu legen.
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs
5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt
nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie den Versicherten vom 09.03.
bis 13.03.2015 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage
- unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in
einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.
Die Klägerin durfte dabei die DRG D25D (mäßig komplexe Eingriffe an Kopf und Hals außer bei bösartiger Neubildung ohne äußerst
schwere CC) in Rechnung stellen und nicht lediglich die geringer bewertete DRG D38Z (mäßig komplexe Eingriffe an der Nase
oder an den Nasennebenhöhlen).
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I S 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF vom 15.07.2013, BGBl I S 2423) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF vom 15.07.2013, BGBl I S 2423) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 (Fallpauschalenvereinbarung
2015 - FPV-2015). In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG
mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach §
11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der
in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit
Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen
ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe
von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen
Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale
Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem
im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene - zertifiziert worden sind.
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale
Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen
im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die
Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im
Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS - hier in der Version 2015). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen
Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen
sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).
Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), vorliegend Stand 2015, und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich
des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im
Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft
(dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes
innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen.
Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren
Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt
wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach
ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem
vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten
oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R).
Zwar sind hiernach Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem
Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; auch gibt es dabei grundsätzlich keinen Raum für weitere
Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es grundsätzlich
die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, der OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, für
die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Jedoch kann eine erforderliche systematische Interpretation der Vorschriften lediglich iS
einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut
der Leistungslegende klarzustellen (BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 Rn 18; stRspr). Diese Auslegungs- und Anwendungsprinzipien für die vereinbarten Vergütungsregelungen gelten in vergleichbarer
Weise auch für die vom DIMDI erteilten "Hinweise" zur Auslegung und Anwendung einzelner OPS-Kodes. Denn das DIMDI hat nach
§
301 Abs
2 SGB V die Pflicht, für eine sachgerechte Handhabung der Verschlüsselungshinweise zu sorgen. Dazu muss es die tägliche Praxis beobachten
und durch regelmäßige Anpassung seiner Hinweise zu den diversen OPS-Kodes beobachtete Lücken und Unklarheiten beseitigen (BSG 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R).
In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten
Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die DKR (hier
anwendbar in der Version 2015) regeln Kodieranweisungen.
DKR P001f enthält allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren. Die Regelung lautet auszugsweise wie folgt: "Normalerweise
ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie, Zugang, Naht, usw.,
in einem Kode abgebildet (siehe Beispiel 1 und 2). Abweichungen davon sind in den Hinweisen beschrieben."
DKR P003 enthält darüber hinaus folgende Regelung zur Mehrfachkodierung: "In einigen Bereichen ist eine Kodierung von Operationen
mit mehreren Kodes vorgesehen. Dies ist insbesondere für die Abbildung komplexer Eingriffe erforderlich. In diesen Fällen
wurden im OPS Hinweise formuliert, die auf eine gesonderte Kodierung der einzeln durchgeführten Eingriffe verweisen."
Die Diagnosen (Haupt- und Nebendiagnosen) sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Abrechnungsrelevant ist allein die
Hauptdiagnose J34.2 (Nasenseptumdeviation).
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Regelungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin die OPS-Prozedur
5-771.10B der Abrechnung zu Grunde legen durfte. Nur diese führt zur DRG D25D, während die übrigen Prozeduren 5-214.6 (Submuköse
Resektion und plastische Rekonstruktion des Nasenseptums; Plastische Korrektur mit Resektion), 5-215.2 (Operationen an der
unteren Nasenmuschel [Concha nasalis]; Konchektomie) und 5-215.4 (Operationen an der unteren Nasenmuschel [Concha nasalis];
Lateralisation) die geringer bewertete DRG D38Z ansteuern.
Die OPS-Prozedur 5-771.10 ist im OPS 2015 wie folgt beschrieben: "5-771 Partielle und totale Resektion eines Gesichtsschädelknochens
Exkl.: Kombinierte Rekonstruktion von Hirnschädel und Gesichtsschädel (5-020.6) Hinw.: Eine Knochentransplantation ist gesondert
zu kodieren (5-77b ff.) Die Rekonstruktion ist in der 6. Stelle nach folgender Liste zu kodieren: 0 Ohne Rekonstruktion [
] 5-771.1** Maxilla, partiell
Die OPS-Prozedur 5-215 ist im OPS 2015 wie folgt beschrieben: "5-215 Operationen an der unteren Nasenmuschel [Concha nasalis]
Hinw.: Die gleichzeitige Operation an der mittleren Nasenmuschel ist im Kode enthalten [ ] 5-215.2 Konchektomie 5-215.4 Lateralisation"
Laut Operationsbericht vom 09.03.2015 wurde wie folgt vorgegangen: " ... Operation an der unteren Nasenmuschel Lateralfrakturieren
der unteren Nasenmuscheln bds mit dem Freer. Partielle Maxillektomie mit piriform turbinoplasty Inzision an der lateralen
Nasenwand in Höhe des unteren Drittels des Proc frontalis des Os maxillare vom Ansatz des Proc uncinatus bis zum Kopf der
unteren Muschel, leicht nach kaudal gezogen. Freilegen des Processus frontalis maxillaris und der angrenzenden Apertura piriformis
sowie des Übergangs zum Os turbinale. Jetzt lineare Osteotomie und schrittweises Entfernen des gesamten vorspringenden Knochens,
was die partielle Resektion des Os maxillare beinhaltet (partielle Maxillektomie, Proc frontalis, angrenzende Apertur). Aufwändiges
Vorgehen bei starker diffuser Blutung aus dem eröffneten Knochen. Der Ductus nasolacrimalis stellt sich dar, er ist unverletzt.
Verlängerung der Inzision am Oberrand der unteren Muschel nach dorsal. Schrittweise Präparation des gesamten Os turbinale
von kranial zur kaudalen Nasenboden nahen Begrenzung von anterior nach posterior. Dies erfolgt sehr sorgfältig zur Vermeidung
einer Schleimhautperforation. Nun submuköse Entfernung der vorderen zwei Drittel des Os turbinale über diesen Zugang. Readaption
des Muschelgewebes mithilfe eines Schleimhautverschiebelappens. Dieser wird über eine Schleimhautnaht mit Vicryl fixiert.
Danach ist ein Lateralfrakturieren der verbliebenen dorsalen Muschelanteile über die gesamte Länge möglich. Das Nasenhöhlenvolumen
ist nun deutlich weiter ..."
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der OPS 5-215.2 und 5-215.4 wie auch 5-771.10 sind damit nach dem Wortlaut erfüllt. Die
Entfernung des in die Nasenhöhle ragenden Vorsprungs des Kieferknochens ist eine partielle Maxillektomie. Eine bestimmte Größe
des Resektats wird in den DKR nicht gefordert. Ebenso wenig setzt die Prozedur eine Resektion zum Zwecke einer nachfolgenden
Untersuchung des Knochenmaterials voraus - unter dieser Bedingung würde der MDK nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat die Kodierung akzeptieren.
Entscheidend ist daher, ob die partielle Maxillektomie hier als Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel zu sehen
oder zusätzlich zu kodieren ist. Zu Recht nicht mehr streitig ist zwischen den Beteiligten, dass die partielle Maxillektomie
jedenfalls nicht integraler Bestandteil der Nasenseptum-Korrektur ist, wie dies noch der MDK im Gutachten vom 09.09.2015 gesehen
hatte. Diese Auffassung vertritt auch die Beklagte nicht mehr. Wie sich dem Operationsbericht klar entnehmen lässt, wurde
im Rahmen der Septumplastik keinerlei Maßnahme am Os maxillare durchgeführt.
Nach DRK P001f und P003 ist vom Grundsatz auszugehen, dass ein Eingriff mit einem Kode abgebildet ist (Gebot der monokausalen
Kodierung). Ziel der durchgeführten Operation ist grundsätzlich die Verbesserung der Nasenatmung. Dies wurde hier über die
Septumplastik und Turbinoplastik mit Lateralisation der unteren Nasenmuschel und partieller Maxillektomie erreicht. Die hier
durchgeführte Maxillektomie nach Simmen wird nach den Ausführungen von Prof. Dr. W. zunehmend häufiger durchgeführt, da sie
bei Vorliegen eines (nicht seltenen) weiten Vorspringens des inneren Oberkieferpfeilers in das Nasenlumen zu besseren Ergebnissen
führt, als die übrigen derzeit verwendeten Methoden, denn der Durchfluss durch den mittleren Nasengang wird deutlich erweitert.
Insoweit wird auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. auf Blatt 76 der Senatsakte Bezug genommen. Für die Frage der Kodierung
ist nach Auffassung des Senats dabei nicht entscheidend, ob der Oberkieferknochen, von dem hier der in die Nasenhöhle reichende
Knochensporn abgetragen wurde, als Teil der seitlichen Wand bzw des Bodens der Nase topografisch-anatomisch dem Organ Nase
zuzuordnen ist. Eine einheitliche Operation - untechnisch gesprochen - an der Nase, die mit nur einem Kode abgebildet ist,
liegt hier nicht vor. Dies zeigt sich bereits daran, dass völlig unstreitig die durchgeführte Nasenseptumkorrektur (OPS 5-214.6)
und die Operationen an der unteren Nasenmuschel (OPS 5-215.2 und 5-215.4) separat zu kodieren sind. Die hier streitige Abtragung
des Knochensporns (am Os maxillare) ist auch nicht zwingender Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel. Wie Prof.
Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft ausgeführt hat, wird im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen
bereits geklärt, ob ein die Nasenatmung behindernder Vorsprung am Os maxillare besteht. Nur wenn dies der Fall ist, erfolgt
die Operation in der hier durchgeführten Weise. Wie sich aus dem Operationsbericht entnehmen lässt, erfolgt dabei zunächst
der Zugang über eine Inzision an der lateralen Nasenwand bis zum Kopf der unteren Muschel. Nach durchgeführter partieller
Maxillektomie wird die Inzision verlängert am Oberrand der unteren Muschel nach dorsal zur (teilweisen) Entfernung des Os
turbinale und Lateralisation des verbliebenen Anteils der Nasenmuschel.
Besteht kein derartiger Vorsprung des Oberkieferknochens und ist allein die Operation der unteren Nasenmuschel erforderlich,
erfolgt der Zugang schon anders. Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. K. hat überzeugend und nachvollziehbar dargelegt,
dass es sich um eine eigenständige, zusätzliche Prozedur handelt, die keineswegs immer mit der Operation des Nasenseptums
oder der unteren Nasenmuschel verbunden ist. Der Senat stützt sich auf dieses Gutachten und teilt daher die Auffassung des
SG, dass hier eine Kodierung nach OPS 5-771.10 zutreffend erfolgt ist, ohne dass darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der monokausalen
Kodierung zu sehen ist.
Die Klägerin hat daher zutreffend die DRG D25D unter Berücksichtigung des OPS 5-771.10 abgerechnet. Die Beklagte durfte nicht
aufrechnen. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 SGG i.V.m. §
154 Abs
2 VwGO, da weder Klägerin noch Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen gehören.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Hs 1
SGG i.V.m. § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.