LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2018 - 11 KR 3833/17
Erstattung der Kosten eines stationären Krankenhausaufenthaltes in der Schweiz
Vorherige Zustimmung der Krankenkasse
Europarechtskonformität
1. § 13 Abs. 5 SGB V vollzieht die Rechtsprechung des EuGH nach und verstößt weder gegen die Freizügigkeit noch die Dienstleistungsfreiheit (vgl.
EuGH 12.07.2001, C-157/99, Slg 2001, I-5473).
2. In diesen Urteilen hat der EuGH Regelungen, die die Übernahme der Kosten für die Versorgung in einem Krankenhaus in einem
anderen Mitgliedstaat davon abhängig machen, dass die Krankenkasse eine vorherige Zustimmung erteilt, unter bestimmten Voraussetzungen
für vereinbar mit den Art. 49 und 50 EGV (jetzt Art. 56 f. AEUV) gehalten.
3. Eine Beeinträchtigung der Binnenmarktfreiheiten kann gerechtfertigt sein, wenn anderenfalls die finanzielle Stabilität
der Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten gefährdet sei; das hat der EuGH bei Krankenhausleistungen bejaht.
Normenkette: ,
,
EGV Art. 49 ,
EGV Art. 50 ,
AEUV Art. 56 f.
Vorinstanzen: SG Freiburg 24.08.2017 14 KR 4973/16
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Freiburg vom 24.08.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten eines stationären Krankenhausaufenthaltes in der Schweiz.
Die 1940 geborene Klägerin ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sie verfügt über eine Zusatzkrankenversicherung
der DKV für Krankenbehandlungen im Ausland. Diese zahlt bei stationärer Heilbehandlung (weltweit) nach Vorleistung der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) 100% für vollstationäre Heilbehandlung (Aufwendungen für wahlärztliche und belegärztliche Leistungen,
Mehrkosten der Unterkunft Ein- oder Zweibettzimmer, Differenzbetrag zwischen den berechneten Kosten und der Pflichtleistung
der GKV, ausgenommen die verlangte Zuzahlung etc). Ohne GKV-Vorleistung werden 100% für Unterkunftszuschlag Ein- oder Zweibettzimmer
und 60% für ärztliche Leistungen, Hebamme, Krankentransport erstattet.
Im Jahr 2013 wurde bei der Klägerin ein Mammakarzinom diagnostiziert, das operativ in B. behandelt wurde. Die Kosten hierfür
wurden von der Beklagten getragen. Am 07.10.2015 stellte der Internist Dr. G. im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung ein Karzinom
des Colon ascendens fest. Am 13.10.2015 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass eine Darmoperation im C.-Spital
in B. geplant sei. Dieses übersandte der Beklagten unter dem 15.10.2015 eine Eintrittsmeldung der Klägerin zum 21.10.2015
mit der Bitte um Erteilung einer Kostengutsprache. Der Hausarzt der Klägerin Dr. F. verordnete am 19.10.2015 Krankenhausbehandlung
zur Operation des Kolonkarzinoms. Mit Schreiben vom 19.10.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie sich im C.-Spital
behandeln lassen wolle, weil die Klinik einen ausgezeichneten Ruf habe und viele ihrer Bekannten mit der Behandlung dort äußerst
zufrieden seien. Bei einem Telefonat der Klägerin mit einem Mitarbeiter der Beklagten am 20.10.2015 teilte die Klägerin mit,
dass sie erst gestern die erforderlichen Unterlagen erhalten und abgesandt habe. Der Mitarbeiter der Beklagten wies sie darauf
hin, dass sie die Entscheidung der Beklagten abwarten müsse und keine Kosten erstattet würden, wenn sie ohne Bewilligung ins
Krankenhaus gehe; notfalls werde auf deutsche Krankenhäuser verwiesen. Am 21.10.2015 wurde die Klägerin im C.-Spital stationär
aufgenommen, die Operation erfolgte am Folgetag.
Mit Bescheid vom 02.11.2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die stationäre Krankenhausbehandlung ab 21.10.2015
ab mit der Begründung, dass eine Genehmigung ihrerseits zum Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus nicht vorgelegen habe. Der
Antrag auf stationäre Behandlung sei erst am 23.10.2015 bei ihr eingegangen. Mit ihrem Widerspruch vom 11.11.2015 machte die
Klägerin geltend, sie habe die Entscheidung der Beklagten nicht abwarten können, da die Operation wegen des schnell wachsenden
und aggressiven Tumors dringlich gewesen sei. Beim Telefonat am 13.10.2015 sei ihr nicht gesagt worden, dass der Antrag eiligst
hätte übersandt werden müssen. Sie habe sich für das C.-Spital entschieden, da dieses einen ausgezeichneten Ruf genieße und
von ihrem Wohnort nähergelegen sei als jede deutsche Klinik. Zudem entstünden der Beklagten lediglich Kosten wie bei der Behandlung
in Deutschland. Vor ihrer Operation in B. im Jahr 2013 habe sie die Beklagte auch nur telefonisch informiert und es habe keine
Schwierigkeiten gegeben. Das C.-Spital forderte von der Klägerin mit Rechnung vom 18.01.2016 für die stationäre Behandlung
insgesamt 53.935,05 CHF (48.398,08 EUR). Hiervon erstattete die DKV der Klägerin 22.830,12 EUR (Schreiben vom 16.02.2016).
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 12.12.2016 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Genehmigung hätte erteilt werden müssen. Aufgrund der zeitlichen
Abläufe hätte sie eine gleiche oder ebenso wirksame Behandlung in Deutschland nicht rechtzeitig erlangen können, zumal zum
Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung die Operation bereits durchgeführt gewesen sei. Die Beklagte könne sich bei Fehlen einer
vorherigen Genehmigung nicht auf eine völlige Ablehnung der Kostenübernahme berufen, sondern müsse zumindest die Kosten tragen,
die sie für eine vergleichbare Behandlung in Deutschland zu tragen hätte. Der Gesetzgeber habe die Krankenkassen lediglich
vor ausufernden ausländischen Behandlungskosten, sog Behandlungstourismus schützen wollen. Bei einer fehlenden Genehmigung
könne der Patient lediglich nicht die Mehrkosten der ausländischen Behandlung erstattet bekommen. Dies entspreche auch der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie der Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung RL
2011/24/EU vom 09.03.2011. Der Ausschluss jeglicher Erstattung widerspreche der Freizügigkeit, weil der Patient in seiner
Wahlfreiheit eingeschränkt werde. Die Beklagte habe auch einen Vertrauenstatbestand zur anteiligen Kostenerstattung geschaffen,
da sie in der Vergangenheit die Behandlungskosten im Ausland ohne vorherige Genehmigung übernommen habe.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt. Auf die Aussagen von Prof. Dr. v. F., C.-Spital
(Bl 36 f SG-Akte), Dr. G. (Bl 38 ff SG-Akte) und Dr. F. (Bl 44 ff SG-Akte) wird Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 24.08.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Erstattung der stationären Behandlungskosten in der Schweiz bestehe nicht. Anspruchsgrundlage
sei § 13 Abs 4 und 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V). Krankenhausleistungen könnten nach § 13 Abs 5 Satz 1 SGB V außerhalb Deutschlands in der EU, im Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz nur nach vorheriger Zustimmung durch die
Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung dürfe nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine ebenso wirksame,
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung rechtzeitig bei einem Vertragspartner
der Krankenkasse im Inland erlangt werden könne. Die Beklagte habe vorliegend die Kostenübernahme zu Recht abgelehnt. Zwar
bestehe ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zur Vornahme einer Darmoperation. Es fehle allerdings an der vorherigen Zustimmung
durch die Beklagte. Die Klägerin sei am 21.10.2015 im C.-Spital in B. stationär aufgenommen worden, der Ablehnungsbescheid
der Beklagten datiere vom 02.11.2015. Das Erfordernis der vorherigen Zustimmung zur Krankenhausbehandlung im europäischen
Ausland bzw der Schweiz verstoße weder gegen das Recht auf Freizügigkeit, noch gegen die Dienstleistungsfreiheit. Die Beeinträchtigung
der Binnenmarktfreiheiten sei dadurch gerechtfertigt, dass im Falle der Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen im Ausland
uU die finanzielle Stabilität der Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten gefährdet sein könne. Es bestehe auch kein
Kostenerstattungsanspruch aufgrund eines Anspruchs auf nachträgliche Genehmigung der stationären Behandlung im C.-Spital.
Entsprechend der Kriterien in § 13 Abs 5 Satz 2 SGB V sei maßgeblich, ob die gleiche oder eine entsprechende Behandlung rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse
im Inland erlangt werden könne. Bei gleichwertiger Versorgung bestehe ein Vorrang zugunsten inländischer Leistungserbringer.
Nach dem medizinischen Beweisergebnis stehe fest, dass die Klägerin die Genehmigung rechtzeitig vor Beginn bei der Beklagten
hätte erwirken können. Zudem wäre auch eine rechtzeitige Behandlung in einem deutschen Krankenhaus möglich und geeignet gewesen.
Bei Fehlen der vorherigen Genehmigung lasse sich auch kein Kostenerstattungsanspruch in Höhe der inländischen Kosten begründen.
Nur wenn krankheitsbedingt die Einholung einer vorherigen Genehmigung oder eine gleichwertige Behandlung in Deutschland nicht
möglich gewesen wäre, könne von diesem Erfordernis abgesehen werden. Die Klägerin könne sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand
stützen. Zwar habe die Beklagte offenbar in der Vergangenheit die Kosten für eine stationäre Behandlung der Klägerin in der
Schweiz übernommen, hieraus lasse sich jedoch nichts für die Behandlung ab 21.10.2015 herleiten. Die Klägerin könne sich auch
nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen fehlender Aufklärung über das Zustimmungserfordernis stützen.
Ausweislich der Verwaltungsakte sei noch vor Behandlungsbeginn die Klägerin auf das Zustimmungserfordernis hingewiesen worden.
Selbst wenn die Klägerin aufgrund der Beratung ihren Antrag rechtzeitig gestellt hätte, würde ihr kein Anspruch auf Kostenerstattung
zustehen, da sie in einem deutschen Krankenhaus hätte behandelt werden können.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 30.08.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 29.09.2017 eingelegte Berufung
der Klägerin. Sie ist weiter der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs 5 SGB V vorlägen. Entgegen der Auffassung des SG hätte eine rechtzeitige Behandlung in Deutschland nicht erlangt werden können. Rechtzeitig bedeute, dass eine Behandlung
und Operation ohne Beeinträchtigung in Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt hätte durchgeführt werden können. Hiervon sei
angesichts der Diagnosen nicht auszugehen. Die Operation sei unaufschiebbar gewesen. Am 07.10.2015 habe die Klägerin von Dr.
G. die Diagnose erhalten, dass ein ca 3 cm großer Darmtumor vorhanden sei, der umgehend einer Operation bedürfe. Am 08., 09.,
10. und 12.10.2015 seien weitere Untersuchungen und Abklärungen erfolgt. Der Klägerin sei gesagt worden, dass es sich um einen
aggressiven und schnell wachsenden Tumor handele, was durch den Befund der Pathologie vom 26.10.2015 bestätigt werde. Am 13.10.2015
habe die Klägerin deshalb bei der Beklagten angerufen, weil für den 22.10.2015 die Operation vorgesehen gewesen sei. Zuvor
habe die Klägerin bei Behandlungen und stationären Krankenhausaufenthalten in der Schweiz stets das Formular E 112 verwandt
und Kostenerstattungen erhalten. Ihr sei nun mitgeteilt worden, dass das Formular nicht mehr erforderlich sei, sie eine Überweisung
vorlegen müsse und eine Begründung, warum eine stationäre Aufnahme im C.-Spital notwendig sei. Am 20.10.2015 habe sich die
Beklagte telefonisch bei der Klägerin gemeldet, ihr sei ohne nähere Begründung mitgeteilt worden, dass sie die Operation in
Deutschland durchführen lassen müsse. Zu diesem Zeitpunkt sei es der Klägerin nicht zumutbar gewesen, mit der Operation zuzuwarten.
Prof. Dr. v. F. bestätige lediglich, dass eine Operation grundsätzlich auch in Deutschland hätte durchgeführt werden können,
ebenso Dr. G ... Zur Unaufschiebbarkeit der Operation sei in diesen Auskünften nicht die Rede. Dr. F. habe bestätigt, dass
die Befunde eine umgehende stationäre Behandlung notwendig gemacht hätten und insbesondere die psychische Belastung wegen
der Vorerkrankung zu berücksichtigen gewesen sei. Die Beklagte habe insoweit das ihr bei der Entscheidung eingeräumte Ermessen
fehlerhaft ausgeübt. Die Beklagte sei erkennbar von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.08.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 02.11.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die stationäre Behandlung im
C.-Spital vom 21.10. bis 11.11.2015 einen Betrag iHv 27.831,43 EUR nebst Zinsen hieraus iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit 12.12.2016 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hätte die gleiche bzw eine ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende
Behandlung ihrer Krankheit rechtzeitig in einem zugelassenen Krankenhaus in Deutschland erlangen können. Aus den Unterlagen
ergebe sich nicht, dass die Operation nicht rechtzeitig in Deutschland möglich gewesen wäre. Alleiniger Grund für die Inanspruchnahme
der Behandlung in der Schweiz sei der Wunsch der Klägerin gewesen, dort operiert zu werden. Hätte die Klägerin zudem notfalloperiert
werden müssen, wäre jedes Krankenhaus in Deutschland zur Aufnahme verpflichtet gewesen. Da die Klägerin die Entscheidung der
Beklagten nicht abgewartet habe, sei eine vorherige Zustimmung nicht mehr möglich gewesen. Somit lägen Ermessensfehler nicht
vor. Durch die fehlende Rechtsgrundlage habe ein Ermessensspielraum nicht zur Verfügung gestanden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Hinsichtlich der weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge und die Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2016 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten iHv 27.831,43
EUR anlässlich ihrer stationären Behandlung im C.-Spital B. in der Zeit vom 21.10. bis 11.11.2015.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3a SGB V kommt vorliegend nicht in Betracht. Selbst wenn der Antrag bereits am 13.10.2015 telefonisch wirksam gestellt worden wäre
und die Frist von drei Wochen bis 03.11.2015 angesichts der maßgebenden Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids vom 02.11.2015
dann abgelaufen wäre (dazu Bundessozialgericht (BSG) 11.07.2017, B 1 KR 1/17 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 37), greift die Vorschrift nicht. Denn § 13 Abs 3a SGB V findet nur auf Sachleistungsansprüche Anwendung, nicht auf Geldleistungen wie die hier streitigen Kostenerstattungsansprüche
(BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 33 = BSGE 121, 40). Zudem besteht kein Kostenerstattungsanspruch, wenn sich Versicherte die Leistung bereits vor Fristablauf \226 wie hier
bereits am 21.10.2015 \226 selbst beschaffen (BSG 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 34).
Als Anspruchsgrundlage kommen allein § 13 Abs 4 und 5 SGB V in Betracht. § 13 Abs 3 SGB V ist neben diesen Regelungen, die zur Umsetzung der passiven EU-Dienstleistungsfreiheit erlassen worden sind, nicht anwendbar
(Schifferdecker in Kasseler Kommentar, 97. EL 12/2017, SGB V § 13 Rn 59 unter Hinweis auf BSG 30.6.2009, B 1 KR 19/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 21).
Nach § 13 Abs 4 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen
Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung
im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind
auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht
der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs
und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen
System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung
besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die
Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten
und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat
der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann
die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen. Nach § 13 Abs 5 SGB V können abweichend von Absatz 4 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen
werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner
der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann. Der Inhalt des § 13 Abs 5 SGB V ist darauf beschränkt, hinausgehend über Abs 4 Satz 1 das zusätzliche Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Krankenkasse für die stationäre Auslandsbehandlung aufzustellen;
die übrigen Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 4 SGB V bleiben unberührt (BSG 17.02.2010, B 1 KR 14/09 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 24).
§ 13 Abs 5 SGB V vollzieht die Rechtsprechung des EuGH nach und verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin weder gegen die Freizügigkeit
noch die Dienstleistungsfreiheit (vgl EuGH 12.07.2001, C-157/99, Slg 2001, I-5473 = SozR 3-6030 Art 59 Nr 6 = NJW 2001, 3391 [Smits/Peerbooms]; EuGH 13.05.2003, C-385/99, Slg 2003, I-4509 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1 = NJW 2003, 2298 [Müller-Faure/van Riet]). In diesen Urteilen hat der EuGH Regelungen, die die Übernahme der Kosten für die Versorgung in
einem Krankenhaus in einem anderen Mitgliedstaat davon abhängig machen, dass die Krankenkasse eine vorherige Zustimmung erteilt,
unter bestimmten Voraussetzungen für vereinbar mit den Art 49 und 50 EGV (jetzt Art 56 f. AEUV) gehalten. Eine Beeinträchtigung der Binnenmarktfreiheiten kann gerechtfertigt sein, wenn anderenfalls die finanzielle Stabilität
der Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten gefährdet sei. Das hat der EuGH bei Krankenhausleistungen bejaht (vgl
auch Art 8 Abs 2 Buchst a i) RL 2011/24/EU, ABl L 88 v 04.04.2011, S 45).
Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, gehört die Klägerin nicht zum Personenkreis derer, für die Behandlungen im anderen Staat
auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten sind oder auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der
Erstattung unterliegen (Residenten) und deren koordinationsrechtliche Sachleistungsansprüche den Kostenerstattungsanspruch
aus § 13 Abs 4 und 5 SGB V verdrängen (§ 13 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Denn die Klägerin hat ihren Wohnsitz und ständigen Aufenthalt in Deutschland. Das C.-Spital ist ein zulässiger Leistungserbringer
für einen Anspruch gemäß § 13 Abs 4 i.V.m. Abs 5 SGB V. Da diese Kostenerstattungsansprüche nicht an die Einbindung in ein Sachleistungssystem anknüpfen, sondern die Rechtsprechung
des EuGH zur Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit in das deutsche Recht umsetzen, ist die Einbindung des ausländischen
Leistungserbringers in ein solches System keine notwendige Anspruchsvoraussetzung (BSG 30.06.2009, B 1 KR 22/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 23 = BSGE 104, 1). Es genügt, dass die in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Privatklinik in diesem Mitgliedstaat ebenfalls Qualitätskontrollen
unterliegt, und dass die in diesem Staat niedergelassenen Ärzte, die in dem genannten Krankenhaus tätig sind, gleiche berufliche
Garantien wie die im Inland niedergelassenen Ärzte bieten. Dies ist bezüglich des C.-Spitals in der Schweiz und der dort tätigen
Ärzte der Fall. Eine Zulassung des C.-Spitals zum deutschen Versorgungssystem ist nicht erforderlich.
Jedoch liegt die nach § 13 Abs 5 Satz 1 SGB V erforderliche vorherige Zustimmung der Beklagten zur Behandlung nicht vor, da die Behandlung bereits vor der Entscheidung
der Beklagten begonnen wurde am 21.10.2015, während die vollständigen Unterlagen nach Auskunft der Beklagten dort erst am
23.10.2015 eingingen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Voraussetzung der Erteilung einer vorherigen Zustimmung teleologisch auf den Regelfall beschränkt, in dem sich ein
Versicherter zur Krankenhausbehandlung ins Ausland begibt (BSG 30.06.2009, B 1 KR 22/08 R, aaO). Genau dieser Fall liegt hier vor, denn die in Deutschland wohnhafte Klägerin hat sich zu einer geplanten Operation
nach der Diagnose Kolonkarzinom zur Behandlung in die Schweiz begeben. Es liegt auch kein vergleichbarer Fall dazu vor, dass
ein Versicherter unvorhergesehen im Ausland in einer Weise erkrankt, dass er gehindert ist, vor der Inanspruchnahme von Krankenhaus-Behandlung
die hierfür grundsätzlich erforderliche Zustimmung seiner Krankenkasse einzuholen. In diesen Fällen darf ihm das Fehlen der
förmlichen vorherigen Zustimmung jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt nicht entgegengehalten werden, bis zu welchem die Krankenkasse
nach Beseitigung des Hindernisses die Zustimmung hätte erteilen können, wenn sie in der Sache bei rechtzeitiger Information
die Zustimmung hätte erteilen müssen. Es wäre aber unverhältnismäßig und daher EU-rechtswidrig, die nachträglich zu erteilende
Genehmigung einer Krankenkasse nicht ausreichen zu lassen, wenn der Berechtigte aus Krankheitsgründen gehindert war, eine
vorherige Zustimmung seiner Krankenkasse zur Krankenhausbehandlung einzuholen und diese Genehmigung an sich der Sache nach
zu erteilen gewesen wäre. Das entspricht auch allgemeinen Grundgedanken des deutschen Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung,
handlungs- oder geschäftsunfähige Versicherte vor Rechtsnachteilen zu schützen, wenn sie nicht in der Lage sind, zur Wahrung
ihrer Rechte gebotene günstige Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen (BSG 30.06.2009, B 1 KR 22/08 R, aaO).
So liegt der Fall hier indes nicht. Die Klägerin war von Anfang an darauf festgelegt, die Behandlung im C.-Spital durchführen
zu lassen. Es ist überhaupt nichts dafür ersichtlich, dass nicht in gleicher Weise wie beim C.-Spital, nach der Erstdiagnose
und den weiteren Untersuchungen eine Operation in einem deutschen Krankenhaus hätte geplant werden können. Auch die vom SG befragten behandelnden Ärzte haben bestätigt, dass eine Darmoperation bei Darmkrebs in Deutschland in gleicher Weise möglich
gewesen wäre. Es handelt sich um eine standardgemäße, leitliniengerechte Vorgehensweise bei Kolonkarzinom. Die Klägerin war
weder gehindert, rechtzeitig die vorherige Zustimmung zu beantragen, noch wäre die Genehmigung in der Sache zu erteilen gewesen.
Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend auf die zutreffenden und umfassenden Gründe der angefochtenen Entscheidung
des SG Bezug genommen, ebenso wie bezüglich des geltend gemachten Vertrauensschutzes und der Frage einer fehlerhaften Aufklärung
durch die Beklagte (§ 153 Abs 2 SGG).
Ermessensfehler der Beklagten liegen nicht vor. Zwar steht die Entscheidung der Krankenkasse über die Erteilung der Zustimmung
zur Krankenhausbehandlung im EU-Ausland bzw der Schweiz in deren Ermessen. Da die Beklagte zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung
angesichts der bereits erfolgten Operation jedoch nicht mehr über eine vorherige Zustimmung zur Krankenhausbehandlung im Ausland
befinden konnte, sondern nur noch über die Frage, ob ohne vorherige Genehmigung ein Anspruch auf Kostenerstattung bestand,
handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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