Versicherungspflicht eines Handlungsgehilfen bei einem in der Schweiz beheimateten Unternehmen in der Arbeitslosenversicherung;
Gleichstellung eines ausländischen Insolvenzereignisses mit einem Insolvenzereignis in Deutschland; Abgrenzung abhängiger
Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit
Tatbestand
Der 1958 geborene Kläger deutscher Staatsangehörigkeit war ab dem 1. März 2011 bei der F. Suisse AG mit Sitz in St. (Schweiz)
als "Head of Expansion Europe" beschäftigt. In dieser Funktion war er für den Vertrieb von Fruchtmark sowie die Verbreitung
sogenannter "Smoothies" (Ganzfruchtgetränke) hauptsächlich auf dem deutschen Markt verantwortlich. Hinsichtlich des genauen
Inhalts und Umfangs seiner Beschäftigung wird ergänzend auf den Arbeitsvertrag vom 12. Januar 2011 (Bl. 24 ff. der SG-Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2014 (Bl. 30 f. der SG-Akte) verwiesen.
Nachdem der Kläger seinen Lohn für die Monate Juni und Juli 2012 nicht erhalten hatte, kündigte er mit Schreiben vom 23. Juli
2012 sowie 1. August 2012 das Beschäftigungsverhältnis bei der F. Suisse AG fristlos.
Am 9. November 2012 eröffnete das Kantonsgericht N. über die F. Suisse AG infolge Bilanzdeponie den Konkurs (vgl. Schreiben
des Betreibungs- und Konkursamtes N. vom 16. November 2012; Bl. 22 der SG-Akte). Am 16. November 2012 wurde die F. Suisse AG liquidiert und aufgelöst (vgl. Internet-Ausdruck vom 16. April 2014; Bl.
23 der SG-Akte).
Am 22. November 2012 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld wegen ausstehender Arbeitsentgeltansprüche.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Antrag und der
beigefügten Gehaltsabrechnung gehe hervor, dass die Sozialversicherungsbeiträge nach schweizerischem Recht berechnet und an
die schweizerischen Träger der Sozialversicherung abgeführt wurden. Aus diesem Grund könne nicht von einem inländischen Beschäftigungsverhältnis
ausgegangen werden. Zuständig sei nicht der deutsche, sondern der schweizerische Leistungsträger.
Gegen den Ablehnungsbescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid
vom 15. Februar 2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 19. März 2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, es liege eine Inlandsbeschäftigung vor. Er sei zwar bei einem Arbeitgeber mit Sitz
im Ausland beschäftigt gewesen, die tatsächlichen und rechtlichen Interessen begründeten allerdings ein im Schwerpunkt in
der inländischen Rechtsordnung gegründetes Beschäftigungsverhältnis. Sein Arbeitgeber habe von der Schweiz aus keinerlei wirtschaftliche
Aktivitäten entwickelt. Er habe nicht nur in Deutschland gewohnt, sondern auch ausschließlich von dort aus gearbeitet.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf die Begründung des angegriffenen Widerspruchsbescheides
vom 15. Februar 2013 berufen. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, der Betrieb der F. Suisse AG sei ausschließlich
in der Schweiz organisiert gewesen, so dass der schweizerische Sozialversicherungsträger leistungspflichtig sei.
Mit Urteil vom 28. April 2014 hat das SG der Klage stattgegeben. Der Bescheid vom 5. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013 sei
rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger habe Anspruch auf Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe.
Die - näher dargelegten - Voraussetzungen des §
165 Abs.
1 S. 1
SGB III lägen vor. Arbeitnehmer hätten Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt gewesen seien und bei einem Insolvenzereignis
für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hätten. Als Insolvenzereignis
gelte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (§
165 Abs.
1 S. 2 Nr.
1 SGB III), die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§
165 Abs.
1 S. 2 Nr.
2 SGB III) oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
nicht gestellt worden sei und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht komme (§
165 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB III). Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis hätten im Inland beschäftigte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld
(§
165 Abs.
1 S. 3
SGB III).
Vorliegend sei ein Insolvenzereignis gem. §
165 Abs.
1 S. 2 Nr.
1 i.V.m. S. 3
SGB III gegeben. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des §
165 Abs.
1 S. 2 Nr.
1 SGB III meine zwar in erster Linie die Eröffnung nach deutschem Recht, also im Inland, so das SG mit weiteren Hinweisen. Nach §
165 Abs.
1 S. 3
SGB III werde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland allerdings einem inländischen Insolvenzereignis gleichgestellt,
um einen Insolvenzgeldanspruch für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer zu begründen. Nach Art. 191 des Schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) könne der Schuldner die Konkurseröffnung beantragen, indem er sich beim Gericht zahlungsunfähig erkläre. Ausweislich der
Mitteilung des Betreibungs- und Konkursamts N. vom 16. November 2012 (Bl. 22 der SG-Akte) sei am 9. November 2012 der Konkurs über die F. Suisse AG eröffnet worden. Am 16. November 2012 sei die F. Suisse AG
liquidiert und aufgelöst worden. Ein einem inländischen Insolvenzereignis gleichgestelltes ausländisches Insolvenzereignis
liege somit vor.
Ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe allerdings nur bei einem inländischen Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers, was
sich nach §§
3 ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) bestimme. Diese durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3443) eingeführte ausdrückliche gesetzliche Regelung diene der Umsetzung von Vorgaben der Europäischen Union, nach denen ein Arbeitnehmer
ausschließlich nach den in seinem Beschäftigungsstaat geltenden Regeln vor den Folgen einer Insolvenz seines Arbeitgebers
ausweislich der Bundestagsdrucksache BT-Drs.14/7347, S. 73 geschützt werde. Nach Art. 9 Abs. 1 RL 2008/94/EG solle bei in
mehreren Mitgliedstaaten tätigen Unternehmen die Garantieeinrichtung des Staates zuständig sein, in dem die Arbeitnehmer ihre
Tätigkeit gewöhnlich verrichten oder verrichtet hätten. Auch die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer eines ausländischen
Arbeitgebers hätten danach Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn im Ausland ein Insolvenzereignis eintrete und die hier beschäftigten
Arbeitnehmer im Drei-Monats-Zeitraum Entgeltausfälle haben würden. Entscheidend sei hierbei, ob der rechtliche und tatsächliche
Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses im Inland liege (Schneider, in: jurisPK-
SGB III, 1. Aufl. 2014, §
165 Rn. 35). Hierbei erfolge eine weite Auslegung (Kühl, in: Brand,
SGB III, 6. Aufl. 2012, §
165 Rn. 15). Anhaltspunkte hierfür könnten der Sitz des Arbeitgebers, das anwendbare Recht, der Gerichtsstand, die Nationalität
des Arbeitnehmers sowie die Währung des Arbeitsentgelts sein (Voelzke, in: Hauck/Noftz, K § 165 Rn. 187; Peters-Lange, in:
Gagel, SGB II/SGB III, 52. Erg.-Lief. 2014, § 165 Rn. 61; Kühl, a.a.O.).
Das SG habe insbesondere nach der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2014 keine Zweifel, dass der Schwerpunkt der Beschäftigung
des Klägers in Deutschland gelegen habe und der Kläger damit im Sinne des §
165 Abs.
1 S. 1
SGB III im Inland beschäftigt gewesen sei.
Dabei werde nicht verkannt, dass vorliegend einige Indizien gegen die Anwendbarkeit des deutschen Insolvenzgeldrechts sprächen.
So liege der Sitz des Arbeitgebers im Ausland (Ziff. IL 7. des Arbeitsvertrages), als anwendbares Recht wurde schweizerisches
Recht vereinbart (Ziff. XV. 1. des Arbeitsvertrages) und der Lohn wurde in Schweizer Franken ausgezahlt (Ziff. V. 1. des Arbeitsvertrages).
Stehe - wie vorliegend - die dauerhafte Tätigkeit des Arbeitnehmers im Inland zum Zeitpunkt des Insolvenzereignisses jedoch
fest, könnten diese Indizien einen Anspruch auf Insolvenzgeld im Inland nicht ausschließen, so das SG unter Hinweis auf LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24. September 2009 - L 1 AL 91/08, Rn. 22 bei [...] und dessen Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 23. November 1981 - 10/8b RAr 8/80. In diesem Fall sei die Beklagte als Leistungsträger für die Zahlung von Insolvenzgeld zuständig, ohne dass es darauf ankomme,
ob der Arbeitgeber ein Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in einem Drittstaat sei oder ob er eine Niederlassung oder
eine dieser vergleichbare Organisation im Inland unterhalte.
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung lasse insoweit erkennen, dass der Anwendungsbereich des deutschen Insolvenzgeldrechts
über die Grenzen der Ausstrahlung nach §
4 SGB IV hinaus unter Berufung auf einen tatsächlichen oder auch nur geplanten Schwerpunkt der Beschäftigung in Deutschland zu erweitern
sei, so das SG unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 23. Februar 1994 - 10 RAr 8/93, Rn. 19 und 22 bei [...]; Schmidt, a.a.O., Rn. 38. Auch liege eine Einstrahlung im Sinne des §
5 SGB IV mit der Folge der Nichtanwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts und des Ausschlusses von Insolvenzgeld nicht
vor, wenn die Tätigkeit dauerhaft im Inland ausgeübt werden solle. Für den Zeitraum, in dem der Kläger nach dem Willen der
Arbeitsvertragsparteien in Deutschland tätig sein sollte und dies tatsächlich auch gewesen sei, stehe ihm daher ein Anspruch
auf Insolvenzgeld gegen die Beklagte zu. Dass dem Grunde nach Arbeitsentgelt ausgefallen sei, sei zwischen den Beteiligten
nicht streitig. Auch eine rechtzeitige Antragstellung gem. §
324 Abs.
3 S. 1
SGB III liege vor.
Gegen das ihr am 13. Mai 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Juni 2014 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft
ihr bisheriges Vorbringen und macht im Wesentlichen geltend, dass eine Auslandsbeschäftigung vorliege und keine inländische
Beschäftigung nach §
165 Abs.
1 Satz
SGB III. Mit der Geltendmachung von Ansprüchen beim kantonalen Beitreibungsamt N. habe der Kläger selbst gezeigt, dass er zunächst
davon ausgegangen sei, das Ansprüche nach schweizerischem Sozialversicherungsrecht geltend zu machen seien. Auf jeden Fall
könne eine Bewilligung von Insolvenzgeld zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht erfolgen. Ein Lohnausfall
als Tatbestandsmerkmal läge nicht vor, falls der Kläger ausgefallenes Arbeitsentgelt im Wege der Beitreibung hätte erlangen
können. Er habe dort einen entsprechend Antrag gestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Freiburg vom 28. April 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es müssten in Einklang mit dem SG die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde gelegt werden. Die Beitreibung des Anspruchs gegenüber der Schuldnerin (F. Suisse
AG) seien erfolglos geblieben. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 habe das Beitreibungs- und Konkursamt N. einen Verlustschein
infolge Konkurses über den Betrag von 48.824,00 CHF erteilt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf
die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat einen näher bezeichneten Insolvenzgeldanspruch gegen
die Beklagte, weshalb die Berufung gegen das stattgebende Urteil des SG zurückzuweisen war.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der den Antrag der Klägers vom 22. November 2012 ablehnende
Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013. Dieser erweist sich
als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für das vom Kläger beanspruchte
Insolvenzgeld dargelegt. Das SG hat ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger einen diesbezüglichen Anspruch hat. Die Entscheidung der Beklagten ist
daher zu beanstanden. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Beklagten uneingeschränkt an, macht sich
diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen, weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung
gemäß §
153 Abs.
2 SGG zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend ist auszuführen, dass bereits zur Vorgängernorm § 183 Abs. 1 S. 2 SGB 3 (in der Fassung vom 10. Dezember 2001, gültig
vom 1. Januar 2002 bis 11. Dezember 2006) anerkannt war, dass ein ausländisches Insolvenzereignis- entgegen früherer Rechtslage-
auch einen Insolvenzgeldanspruch für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer begründet. Eine Anwendung findet statt, wenn das
maßgebende Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens im Ausland - nach dem Inkrafttreten
des neuen Rechts zum 1. Januar 2002 eingetreten ist. Dies ist nunmehr in §
165 Abs.
1 S. 3
SGB III (vom 20. Dezember 2011; gültig ab 1. April 2012) durch Gleichstellung ausdrücklich normiert. Die Höhe des Anspruchs im Einzelnen
zu klären ist, nach Erlassen des Grundurteils (§
130 Abs.
1 S. 1
SGG) Aufgabe der Beklagte, da nunmehr feststeht, dass (überhaupt) ein Geldbetrag zu zahlen ist. Das BSG (SGb 1991, 323) hat es insofern sogar schon genügen lassen, wenn ein Zahlungsanspruch wahrscheinlich ist (siehe auch SG Frankfurt, Urteil
vom 1. August 2003 - S 33 AL 4293/02 -, Rn. 26, [...]). Der Umstand, dass das Beitreibungs- und Konkursamt N. mittlerweile einen Verlustschein infolge Konkurses
über den Betrag von 48.824,00 CHF erteilt hat, ändert hieran nichts. Vielmehr wird nunmehr sogar der komplette finanzielle
Ausfall im Sinne des zeitweiligen Vortrags der Beklagten ebenfalls belegt. Ob es entsprechend dem Vorbringen der Beklagten
nicht möglich ist, eine diesbezüglich Forderung bei zwei verschiedenen Ämter unterschiedlicher Länder geltend zu machen, kann
- auch nach der weiteren Darstellung zum zwischenstaatlichen Recht unten 2.2) - mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben.
Denn zumindest im Falle einer Ablehnung in einem Land ergeben sich keine doppelten Zahlungen aus demselben Anlass. Ob für
den Fall eines erfolgten Zahlungsausspruchs in der Schweiz eine Verrechnung in Deutschland zu erfolgen hat, kann vorliegend
dahinstehen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG, die vom Senat übernommen werden, sind somit sämtliche Normvoraussetzungen erfüllt. Der Kläger hat nachweislich noch Ansprüche
auf Arbeitsentgelt, das drei Monate übersteigt. Mangels Masse kommt ein Insolvenzverfahren nicht in Betracht, wobei ein ausländische
Insolvenzereignis (hier: Schweiz) ausdrücklich im Normtext gleichgestellt ist. Auf die Feststellungen des SG zum Insolvenzereignis wird Bezug genommen. Der Kläger war - entsprechend den weiteren Ausführungen- auch im Inland beschäftigt.
Weiterhin ergänzend auszuführen ist, dass es an einem inländischen Beschäftigungsverhältnis - entgegen dem Vortrag der Beklagten-
gerade nicht mangelt.
1) Gemäß §
3 Abs.
1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder
eine selbstständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder
selbstständig tätig sind. Für die Frage, ob die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, kommt es damit auf den Beschäftigungs-
oder Tätigkeitsort an; maßgebend hierfür sind grundsätzlich die §§
9 bis
11 SGB IV (Hauck/Haines,
SGB IV, Kommentar, §
3 Rdnr. 7; LPK-
SGB IV, Kommentar, §
9 Rdnr. 2; a.A. JurisPK-
SGB IV, 2. Aufl. 2011, §
9 Rdnr. 6). §
9 Abs.
1 SGB IV definiert dabei für Beschäftigte den Beschäftigungsort als den Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Maßgeblich
sind allein die tatsächlichen Verhältnisse und nicht rechtlichen Vereinbarungen. Entscheidend hierfür ist regelmäßig die körperliche
Anwesenheit (LPK-
SGB IV, a.a.O., Rdnr. 4). Im vorliegenden Fall kommen demnach als Anknüpfungspunkt für die tatsächliche Ausübung das vom Kläger
an seinem Wohnort Müllheim eingerichtete "Homeoffice" sowie die an verschiedenen Orten im ganzen Bundesgebiet entfalteten
Verkaufsaktivitäten in Betracht. Soweit in §
9 Abs.
2 und
3 SGB IV ein Beschäftigungsort fingiert wird ("gilt"), sind diese Ausnahmen hier nicht einschlägig. In Betracht kommt allerdings §
9 Abs.
5 Satz 1
SGB IV. Danach gilt als Beschäftigungsort der Ort, an dem der Betrieb seinen Sitz hat, wenn eine feste Arbeitsstätte nicht vorhanden
ist und die Beschäftigung an verschiedenen Orten ausgeübt wird. Betriebssitz der F. Suisse AG war Stans, Schweiz. Hier erlangt
aber §
9 Abs.
5 Satz 3
SGB IV Bedeutung: Ist nämlich nach den Sätzen 1 und 2 des Abs. 5 ein Beschäftigungsort im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs (
SGB IV) nicht vorhanden, gilt als Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung erstmals im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches
ausgeübt wird. Ungeachtet dessen, wo der Kläger erstmalig im Bundesgebiet seine Tätigkeit für den Vertrieb von Fruchtmark
sowie die Verbreitung sogenannter "Smoothies" (im Folgenden: Vertriebsbeauftragter Frucht) aufgenommen hat - zu erwägen ist
zum einen Müllheim als der Ort, an dem er wie vertraglich vereinbart sein "Homeoffice" eingerichtet hat, wie auch derjenige
Ort, an dem erstmalig eine Verkaufshandlung stattgefunden hat - gilt damit gemäß gesetzlicher Fiktion als Beschäftigungsort
ein Ort im Bundesgebiet, womit der Anwendungsbereich des
SGB IV für die hier streitige Tätigkeit als Vertriebsbeauftragter Frucht eröffnet wäre. Für den Fall einer selbstständigen Tätigkeit
sieht §
11 Abs.
1 SGB IV eine entsprechende Anwendung der Vorschriften für die Beschäftigungsorte in §
9 SGB IV vor. Soweit eine feste Arbeitsstätte nicht vorhanden ist und die selbstständige Tätigkeit an verschiedenen Orten ausgeübt
wird, gilt gemäß §
11 Abs.
2 SGB IV abweichend hiervon als Tätigkeitsort der Ort des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts, womit gleichfalls das Bundesgebiet
maßgeblich wäre. Auf andere EU-Staaten kommt es, auch nach der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Beklagten,
nicht mehr an.
2) Allerdings erfährt §
3 SGB IV Modifikationen; so zum einen durch die §§
4 (hier evident nicht einschlägig) und 5
SGB IV. §
5 SGB IV schränkt als vor die Klammer gezogene allgemeine Vorschrift den Anwendungsbereich des §
3 SGB IV ein. §
5 SGB IV hat aber seinerseits weitgehend nur eine Auffangfunktion für Entsendungen aus denjenigen Staaten, gegenüber denen die Bundesrepublik
weder durch ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen noch durch einen multilateralen Vertrag gebunden ist. Solche Regelungen
des über- und zwischenstaatlichen Rechts haben gemäß §
6 SGB IV Vorrang vor §
5 SGB IV. Es ist deshalb an erster Stelle zu prüfen, ob auf den konkreten Sachverhalt primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht
Anwendung findet, welches eine vorrangige Kollisionsregelung enthält. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der konkrete
Sachverhalt von einem zwischenstaatlichen Abkommen erfasst ist (grundlegend LSG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 27. März
2012, Aktenzeichen L 13 AL 4973/10, [...]).
2.1) Das soeben gefundene Ergebnis einer Anwendbarkeit der Vorschriften über die Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung
nach dem
SGB IV bleibt von Veränderungen durch das Gemeinschaftsrecht unberührt.
Die am 1. Mai 2010 in Kraft getretene EU-Verordnung (im Folgenden: VO (EG)) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die in Art. 11 ff. Kollisionsregelungen für
das anzuwendende Recht trifft, findet an sich unmittelbar keine Anwendung, da der vorliegende Sachverhalt mit der Schweiz
einen Nichtmitgliedsstaat betrifft und das Abkommen zwischen der EG und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit allein die Anwendung der VO (EWG) Nr. 1408/71 im Verhältnis zu diesen
Staaten regelt (Schreiber/Wunder/Dern, VO (EG) 883/2004, Kommentar, Art. 90 Rdnr. 5). Die Anwendung der an die Stelle der
VO (EWG) Nr. 1408/71 getretenen VO (EG) Nr. 883/2004 bedurfte eines zunächst nicht abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrags,
weshalb für eine Übergangszeit zunächst die VO (EWG) 1408/71 im Verhältnis zur Schweiz fortgegolten hat. Die Anwendung der
VO (EG) Nr. 883/2004 in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten ist mittlerweile sichergestellt. Die
VO (EU) Nr. 883/2004 (und auch diejenige Nr. 987/2009), welche die VO (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 abgelöst haben, sind
nunmehr seit dem 1. April 2012 in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten anwendbar. Ab dem 1. Januar
2015 sind auch die durch die Verordnungen (EG) Nr. 1244/2010, Nr. 465/2012 und Nr. 1224/2012 erfolgten Änderungen in den Beziehungen
zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaten anwendbar. Die VO (EG) Nr. 883/2004 bezieht somit nunmehr auch alle wirtschaftlich
nichtaktiven Personen mit ein. Das europäische Koordinierungsrecht soll damit der Mobilität aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig
von ihrem Erwerbsstatus dienen. Es gilt für alle Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU, des EWR und der Schweiz und
für Drittstaatsangehörige im Rahmen der VO (EU) Nr. 1231/2010.
Wie auch die VO (EWG) Nr. 1408/71 knüpfen damit die anzuwendenden Rechtsvorschriften an den Territorialitätsgrundsatz an.
Als Ausnahme von diesem Territorialitätsgrundsatz sah als einzige in Betracht kommende Sonderregelung Art. 14 Abs. 1a VO (EWG)
Nr. 1408/71 vor, dass ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedsstaats von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er
gewöhnlich angehört und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen
Mitgliedsstaats entsandt wird, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates unterliegt, sofern die voraussichtliche
Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit
abgelaufen ist. Eine Entsendung setzt indes gemeinschaftsrechtlich begrifflich einen Ortswechsel voraus; ein solcher fehlt,
wenn "Ortskräfte", d.h. bereits im auswärtigen Beschäftigungsstaat wohnhafte Arbeitnehmer eingestellt werden (Schreiber/Wunder/Dern,
a.a.O., Art. 12 Rdnr. 9). Abgesehen davon, dass auch die übrigen Voraussetzungen, insbesondere die Begrenzung auf eine voraussichtliche
Dauer von zwölf Monaten, nicht vorliegen dürften, lag demnach keine Entsendung im Sinne der früheren VO (EWG) Nr. 1408/71
bzw. der Nachfolgeregelungen vor. Eine weitere Auseinandersetzung ist daher entbehrlich.
2.2) Eine andere Beurteilung ergibt sich vorliegend auch nicht aufgrund von anzuwendendem zwischenstaatlichen Recht. Der Geltungsbereich
des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Arbeitslosenversicherung
vom 20. Oktober 1982 ist nicht eröffnet, da es vorliegend nicht um Arbeitslosengeld geht.
Die Richtlinie (RL) Nr. 80/987/EWG vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit
des Arbeitsgebers ist nach mehrfacher Änderung durch die RL Nr. 2008/94/EG vom 22. Oktober 2008 ersetzt worden. Artikel 9
in Kapitel IV, der sich auf ein Unternehmen, das im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, bezieht und
dessen Zahlungsunfähigkeit fordert, eröffnet selbst im Fall seiner Einschlägigkeit in grenzüberschreitenden Fällen die Zuständigkeit
der die Garantieeinrichtung desjenigen Staates, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer die Arbeit gewöhnlich verrichtet
hat. An einer gewöhnlichen Verrichtung in Deutschland bestehen auf Basis der mitgeteilten Fakten keine Zweifel. Auch die Beklagte
hat im Termin am 28. April 2014 ausdrücklich anerkannt, dass der Schwerpunkt der Beschäftigung des Klägers in Deutschland
gelegen hat (Bl. 22 RS SG-Akte). Angesichts des Wortlauts kommt es gerade nicht auf die Garantieeinrichtung des Staates an, dessen Sozialversicherungsrecht
das Beschäftigungsverhältnis unterlegen hat, weshalb die Beklagte diese Position des Bescheids vom 5. Dezember 2012 zuletzt
wohl nicht mehr erneuerte.
Andere einschlägige Abkommen im Hinblick auf Insolvenzgeld sind nicht ersichtlich.
2.3) Somit verbleibt es im vorliegenden Fall bei der grundsätzlichen Anwendbarkeit deutschen Rechts. Die Anwendbarkeit deutschen
Rechts wird vorliegend auch nicht durch §
5 SGB IV als in Betracht kommende vorrangige nationale Regelung zur Eingrenzung des von §
3 SGB IV festgelegten räumlichen Anwendungsbereiches des
SGB IV ausgeschlossen. Gemäß §
5 Abs.
1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen,
nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses
in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im
Voraus zeitlich begrenzt ist (Abs. 1). Für Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben, gilt Abs. 1 entsprechend (Abs.
2). Für eine Anwendung dieser Vorschrift fehlt es bereits an einer Entsendung des Klägers. Diesem Begriff ist ein Bewegungselement
immanent, d.h. der Beschäftigte muss sich vom Ausland nach Deutschland begeben (JurisPK-
SGB IV, Kommentar, §
5 Rdnr. 40). An einer solchen Bewegung ins Bundesgebiet fehlt es aber vorliegend. Vielmehr hat der Kläger unmittelbar eine
Beschäftigung im Bundesgebiet aufgenommen. Für die unmittelbare oder entsprechende Anwendung von §
5 Abs.
1 SGB IV fehlt es darüber hinaus an einer zeitlichen Begrenzung der Tätigkeit im Bundesgebiet infolge der Eigenart der Beschäftigung
bzw. einer vertraglichen Vereinbarung.
3) Ist demnach deutsches Recht maßgeblich, war der Kläger auch versicherungspflichtig im Sinne des §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III beschäftigt. Beschäftigung in diesem Sinne ist die nicht selbstständige Arbeit (§
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV). Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als selbständiger Handelsvertreter tätig, sondern als abhängig
beschäftigter Handlungsgehilfe. Nach den Vorschriften des Handelsrechts ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender
ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln; selbständig ist dabei, wer im Wesentlichen
frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs -HGB). Liegen die zuletzt genannten Voraussetzungen nicht vor, so ist ein mit der Vermittlung von Geschäften für einen Unternehmer
Betrauter dessen Handlungsgehilfe (§ 59 HGB). Für das Handelsrecht sind hiernach Personen, die ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut sind, entweder selbständige
Handelsvertreter oder angestellte Handlungsgehilfen; Zwischenformen sind rechtlich nicht zugelassen. Die Vertragstypen des
Handelsvertreters und des mit der Vermittlung von Geschäften betrauten Handlungsgehilfen unterscheiden sich mithin nicht nach
der Art der zu leistenden Dienste, sondern allein nach dem Maß an persönlicher Freiheit, das dem Dienstpflichtigen bei seiner
Tätigkeit eingeräumt ist: Kann er seine Vermittlungstätigkeit im Wesentlichen frei gestalten, ist er Handelsvertreter, im
anderen Falle Handlungsgehilfe (BSG vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 = SozR 2400 § 2 Nr. 16 - [...] Rdnr. 18).
Die maßgebliche persönliche Selbständigkeit kommt dabei vornehmlich in den vom Gesetz in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck. Außer ihnen können indes noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien
für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der
Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört im Besonderen das eigene Unternehmerrisiko als Gegenstück
der unternehmerischen Betätigungsfreiheit (BSG a.a.O., [...] Rdnr. 21). Nach diesen Grundsätzen, die Rechtsprechung und -lehre zu § 84 HGB entwickelt haben, ist Handelsvertreter, wer von einem Unternehmer ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist,
sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbständig ist, insbesondere im Wesentlichen frei seine Tätigkeit
gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzungen
nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe (BSG a.a.O.). Von den gleichen Grundsätzen ist auch im Recht der Sozialversicherung auszugehen und danach die versicherungsfreie
Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters von der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines abhängigen Handlungsgehilfen
abzugrenzen (BSG a.a.O.; BSG vom 24. September 1981 - 12 RK 43/79 - SozR 2200 § 165 Nr. 63 - [...] Rdnr. 21).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze spricht hier gegen eine selbstständige Tätigkeit des Klägers für die F. Suisse AG vor
allem die Abwesenheit jedweden unternehmerischen Risikos. Er ist vielmehr im Sinne eines "Vertriebsbeauftragten Frucht" ausweislich
der mit ihm geschlossenen Vereinbarung mit Anwesenheits- und Besprechungspflichten als abhängiger Handlungsgehilfe einzuordnen.
Denn der Kläger hatte auch im Übrigen die persönlichen und sächlichen Kosten des Geschäftsbetriebs nicht zu tragen. Dem gegenüber
steht zwar, dass der Kläger jeweils nur eingeschränkt in den Betrieb F. Suisse AG eingegliedert und Weisungen zum äußeren
Arbeitsablauf hinsichtlich Ort, Zeit und Dauer der Beschäftigung unterworfen war. Das BSG hat indes bereits in der Vergangenheit anerkannt, dass eine Weisungsabhängigkeit im Einzelfall auch stark zurücktreten oder
fehlen kann, ohne dass dies der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegenstünde (vgl. BSG vom 24. September 1981, a.a.O., [...] Rdnr. 23). So kann es gerechtfertigt sein, bei einer Übernahme des Unternehmerrisikos
durch den Dienstberechtigten, auch soweit damit beim Dienstpflichtigen nur eine Einschränkung seiner Gestaltungsfreiheit verbunden
ist, auf dessen Unselbständigkeit zu schließen. Dies ist jedenfalls bei einer mehr oder weniger vollständigen Übernahme des
Unternehmerrisikos durch den Dienstberechtigten und einer entsprechend stärkeren Einschränkung der Betätigungsfreiheit des
Dienstpflichtigen geboten (BSG vom 29. Januar 1981, a.a.O., [...] Rdnr. 31). Durch die vereinbarten Zielerreichungsprämien ergibt sich keine gegenteiliges
Bild. Denn die sind nur Bestandteil der Vergütungsvereinbarung neben einem "Fixum an Monatsraten" und damit - wie geregelt-
Lohnbestandteil (Arbeitsvertrag V Ziff. 1; Bl. 26 ff. SG-Akte).
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar in der Einteilung seiner täglichen Arbeitszeit weitgehend frei war,
wobei diese allerdings in nicht geringem Umfang durch das Erfordernis ausgedehnter Dienstreisen zu den einzelnen Partnern
bzw. Wiederverkäufern geprägt war. Er unterlag einer Berichtspflicht, indem ihm aufgegeben war, den Verwaltungsrat der F.
Suisse AG mit detaillierten Angaben zu informieren und sich mit diesem abzustimmen (Arbeitsvertrag II Ziff. 4 S. 3) und über
die Ergebnisse seiner Geschäftsreisen entsprechend zu berichten (zur Bedeutung einer Berichtspflicht für die Frage der Versicherungspflicht
vgl. BSG vom 28. Oktober 1960 - 3 RK 13/56 = SozR Nr. 20 § 165
RVO - [...] Rdnr. 22). Er war einem Wettbewerbsverbot unterworfen (Arbeitsvertrag VI Ziff. 1 S.2) und durfte keine anderen Produkte
als die der F. Suisse AG vertreten. Er war damit praktisch gehalten, seine Arbeitskraft arbeitnehmergleich ausschließlich
der F. Suisse AG zur Verfügung zu stellen (BSG a.a.O.). Das vorhandene Weisungsrecht der F. Suisse AG wird auch dadurch bestätigt, dass diese die Befugnis besaß, dem Kläger
aus Anlass von Koordinationssitzungen aufzugeben, im Office in Stans oder im Showroom in Zürich zu erscheinen (Arbeitsvertrag
IV Ziff. 3 S. 3) oder auch auf Messen aufzutreten (Arbeitsvertrag II Ziff. 4).
Mit diesem nicht völlig vernachlässigbaren Maß von Weisungsgebundenheit auf der einen und der dem Kläger gewährten vollständigen
Risikoentlastung auf der anderen Seite ist zur Überzeugung des Senats die Beurteilung als selbständiger Handelsvertreter nicht
vereinbar. Vielmehr ist von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Nachdem der Kläger diese Beschäftigung auch
gegen Arbeitsentgelt ausgeübt hat, bestand Versicherungspflicht gemäß §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III. Beginn und Ende der Versicherungspflicht hängen dabei ausschließlich vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ab;
die Arbeitslosenversicherung ist eine Zwangsversicherung, die auch ohne bzw. gegen den Willen der Arbeitsvertragsparteien
eintritt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Demnach spielt hier keine Rolle, dass der Kläger sowie sein damaliger
Arbeitgeber von einer Versicherungspflicht nach schweizerischem Recht ausgegangen sind und in der Bundesrepublik keine Sozialversicherungsbeiträge
entrichtet worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach §
193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Beklagte mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist
und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels
für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden
Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum
SGG, 4. Aufl., §
197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in [...]; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Auflage, §
193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum
SGG, §
193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum
SGG, 4. Auflage, §
193 SGG Rdnr. 4).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.