Keine Zulässigkeit der Klage im sozialgerichtlichen Verfahren bei bestehender Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstands
Tatbestand
Streitig sind die Übernahme von Versicherungsbeiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und die Zahlung von Kosten
der Unterkunft und Heizung für die Jahre 2009 und 2010.
Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die
Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft
und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) iHv 24,74 EUR monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides
vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009,
Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides
vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wird beim LSG unter
dem Az L 11 AS 91/15 WA geführt. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010
auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.
Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 EUR.
Mit Schreiben vom 05.04.2011 forderte er den Beklagten u.a. auf, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 EUR
für Heizkosten, insgesamt 1.440 EUR zu zahlen. Dabei nahm er auf einen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 Bezug, worin ausgeführt
ist, der Kläger habe angegeben, es fielen allein für Heizmaterial 60 EUR monatlich an. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012
stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 11.870,04 EUR gegenüber
dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg
II im Umfang von 37,40 EUR ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit
- Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in Bogen (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung
der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene
Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II verpflichtend aufzurechnen. Eine dagegen beim SG erhobene Klage (S 18 AS 665/12), mit der der Kläger u.a. auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und Rentenversicherungszeiten für 2009 und 2010 sowie
"Landratskosten" iHv 1.440 EUR für 2009 und 2010 geltend gemacht hat, hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Über die genannten Begehren hat es dabei aber in der Sache nicht entschieden.
Die dagegen gerichtete Berufung wird beim Bayerischen Landessozialgericht unter dem Az. L 11 AS 152/14 geführt.
Am 20.01.2014 wandte sich der Kläger u.a. im Hinblick auf seine für die Jahre 2009 und 2010 an die AOK Bayern gezahlten Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung, einer "Verbuchung der Versicherungspflicht" zur Rentenversicherung und der Zahlung von
"Landkreiskostenzuschüssen" iHv 60 EUR pro Monat für die Jahre 2009 und 2010 erneut an den Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid
vom 21.01.2014 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Mit seinem Schreiben wende sich der Kläger gegen die Einbeziehung
der für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gewährten Darlehensleistungen in die Zahlungsaufforderung vom 05.07.2012.
Der Widerspruch sei nach Ablauf der Jahresfrist eingegangen und damit verfristet.
Dagegen hat der Kläger am 29.01.2014 beim SG Klage erhoben. Die Frage der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie die Rentenversicherungspflicht für die Jahre
2009 und 2010 seien bereits Hauptklagepunkte einer Klage in der 18. Kammer des SG gewesen, aber nicht behandelt worden. Es habe keine ordnungsgemäße Anmeldung und Verbuchung bei den Versicherungen gegeben.
Zudem seien für 2009 und 2010 monatlich 60 EUR (insgesamt 1.440 EUR) "Landkreiszulagen" zu zahlen. Die gesetzlichen Fristen
habe er eingehalten, eine Verfristung sei nicht eingetreten. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 abgewiesen. Diese sei im Hinblick darauf, dass der Bescheid des Beklagten
vom 05.07.2012 für die Beteiligten nach §
77 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bindend geworden sei, unzulässig. Weitere Klagebegehren könnten dem ungeordneten und teilweise kryptischen Vorbringen des
Klägers nicht entnommen werden und seien im Übrigen mangels Vorliegen entsprechender Verwaltungsentscheidungen in Form von
Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden unzulässig.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Der Beklagte habe die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen
für 2009 und 2010 an den Rentenversicherungsträger zu veranlassen und dafür Sorge zu tragen, dass für die Jahre 2009 und 2010
die Beitragszahlungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung richtig verbucht werden. Er habe sich
in dieser Zeit freiwillig versichern müssen und Beiträge bezahlt, für die ihn der Beklagte dann später Darlehen gezahlt habe.
Es könne nicht sein, dass der Beklagte die Leistungen für Kranken- und Pflegeversicherung, die als Darlehen gewährt worden
seien, zurückfordere. Schließlich gehe es ihm um eine "Landkreiszulage" für die Jahre 2009 und 2010 von monatlich 60,00 EUR
= 1.440,00 EUR, wie er es auch schon im Verfahren S 18 AS 665/12 geltend gemacht habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 17.09.2014 und den Bescheid vom 05.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21.01.2014 in Bezug auf die Rückforderung des für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 2009 und 2010 gewährten
Darlehens aufzuheben sowie darüber hinaus den Beklagten zur Gewährung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Jahre 2009
und 2010 und zur Zahlung einer "Landkreiszulage" für die Jahre 2009 und 2010 in Höhe von 1.440 EUR zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat lediglich im Ergebnis zutreffend die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 abgewiesen. Sie ist im Hinblick auf eine
bereits entgegenstehende Rechtshängigkeit der Streitgegenstände unzulässig.
Der Kläger hat bereits mit seiner Klage vom 16.10.2012 (S 18 AS 665/12) die "Übernahme der Versicherungspflichten" zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Abführung von Beiträgen zur Rentenversicherung
für die Jahre 2009 und 2010 geltend gemacht. Dies gilt ebenso für die "Landkreiskosten" von 60 EUR monatlich für die Jahre
2009 und 2010 (mithin insgesamt 1.440 EUR). Damit waren diese Streitgegenstände bereits im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens
rechtshängig (nach dem Gerichtsbescheid des SG im Verfahren S 18 AS 665/12 vom 20.12.2013 in dem sich diesbezüglich anschließenden Berufungsverfahren L 11 AS 152/14), als der Kläger erneut diese Begehren mit seiner Klage vom 29.01.2014 beim SG geltend gemacht hat. So hat er in der Klage auch darauf verwiesen, dass diese Begehren "Hauptpunkte" seiner Klage in der
18. Kammer des SG gewesen und bislang nicht behandelt worden sind. Dies hat der Kläger auch im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Bayerischen
Landessozialgericht am 10.02.2015 ausgeführt.
Damit war zum Zeitpunkt der erneuten Klageerhebung am 29.01.2014 die Rechtshängigkeit der ersten Klage (S 18 AS 665/12) mit den hier geltend gemachten Streitgegenständen noch nicht beendet. Nach §
202 SGG i.V.m. §
17 Abs
1 Satz 2
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) ist aber während der Rechtshängigkeit ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand
unzulässig (vgl auch Beschluss des Senates vom 20.06.2013 - L 11 AS 294/13 B ER - [...]; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
94 Rn 7). Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Anträge unter Berücksichtigung ihres Rechtsschutzziels unterscheiden.
Letztlich will der Kläger das ihm für die Kranken- und Pflegeversicherung gewährte Darlehen nicht zurückzahlen, weil er der
Meinung ist, er hätte sich in den Jahren 2009 und 2010 nicht freiwillig gesetzlich versichern müssen, sondern der Beklagte
hätte die "Pflichtversicherung" veranlassen müssen, wie sie bei einer zuschussweisen Leistungsgewährung erfolgt wäre. Ebenso
möchte er für die Jahre 2009 und 2010 die Abführung von Rentenbeiträgen durch den Beklagten an die Rentenversicherung und
weitere Leistungen iHv monatlich 60 EUR für die Jahre 2009 und 2010. Unter diese das Rechtsschutzziel des Klägers beachtenden
Auslegung seiner Klagebegehren ergibt sich für das vorliegende Klageverfahren keine über das Verfahren S 18 AS 665/12 (jetzt Berufungsverfahren L 11 AS 152/14) hinausgehende Bedeutung.
Damit war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.