Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine Ablehnung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Zulässigkeit
einer rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts
Gründe:
I. Über die Beschwerde kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senates auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens,
hier des Klageverfahrens, entschieden werden (vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Beschwerdeentscheidung nach rechtskräftigem
Abschluss des vorausgegangenen Hauptsacheverfahrens: SächsLSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - L 3 AS 570/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], §
73a Rdnr. 12c; Knittel, in: Hennig:
Sozialgerichtsgesetz [18. Erg.-Lfg., September 2010], §
73a Rdnr. 72a; vgl. auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Mai 1995 - L 8 S (Vs) 52/95 - Breithaupt 1995, 735). Denn die Frage,
ob der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens eine Entscheidung
über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken, und die Frage, ob der Bevollmächtigte beigeordnet werden konnte mit der Folge,
dass der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren gemäß § 45 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) entstehen konnte, betrifft nicht die Zulässigkeit der Beschwerde, sondern deren Begründetheit.
II. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 3. Mai 2011, mit dem der Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe und insbesondere die Beiordnung eines Rechtsanwaltes abgelehnt worden ist, ist wegen des fehlenden
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und damit gemäß §
202 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i. V. m. §
572 Abs.
2 Satz 2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) zu verwerfen.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung und muss bei jeder Rechtsverfolgung, das heißt
jedem an ein Gericht adressierten Antrag, vorliegen. Demnach hat nur derjenige einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung,
der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtschützwürdiges Interesse verfolgt. Das Gericht
muss in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen prüfen, ob das Rechtsschutzbedürfnis (noch) vorliegt (vgl. SächsLSG, Beschluss
vom 3. März 2008 - L 3 B 187/07 AS-ER - JURIS-Dokument Rdnr. 7).
In diesem Sinne fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis, weil es in Bezug auf das Klageverfahren, das unter dem Az. S
5 AS 1383/11 geführt und mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 abgeschlossen worden ist, kein berechtigtes Interesse gibt, rückwirkend
Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn vorliegend ist eine rückwirkende Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das abgeschlossene
Klageverfahren ausgeschlossen. Auch aus sonstigen Gründen besteht kein Rechtsschutzinteresse für eine rückwirkende Bewilligung
von Prozesskostenhilfe.
Nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei
nicht geltend machen können. Vergütungsansprüche eines Rechtsanwaltes gegen die Klägerin sind aber nicht entstanden und können
auch nicht mehr entstehen. Zwar ist grundsätzlich eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts auch noch möglich, wenn das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Voraussetzung ist, dass vor dem Abschluss
des erstinstanzlichen Verfahrens ein formell ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag gestellt worden ist und entscheidungsreif
war (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 26. Juli 2005 - L 3 B 50/05 AL-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 17; Leitherer, aaO., § 73a Rdnr. 11a, m. w. N.; Knittel, aaO., § 73a Rdnr. 53, m. w. N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs,
Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe [5. Aufl., 2010], Rdnr. 508, m. w. N.; Schoreit/Groß, Beratunsghilfe,
Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe [10. Aufl., 2010], II § 119 Rdnr. 24, m. w. N.). Dies war hier der Fall.
Gleichwohl fehlt der Klägerin das Rechtsschutzinteresse für die begehrte nachträgliche Beiordnung eines Rechtsanwaltes. Denn
ein Rechtsanwalt ist zu keinem Zeitpunkt im Klageverfahren tätig geworden. Ein noch beizuordnender Rechtsanwalt kann aber
keine Prozesshandlungen mehr im abgeschlossenen Klageverfahren vornehmen. Da diese tatsächlichen Umstände nicht mehr verändert
werden können, kommt es auf die Ausführungen der Klägerin im Schreiben vom 20. Juni 2011 nicht. Dort hat sie dargestellt,
aus welchen Gründen es ihr nicht möglich gewesen sei, einen Rechtsanwalt vor einer Entscheidung des Sozialgerichtes zu benennen.
Auch für eine das Klageverfahren betreffende rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Beiordnung eines Rechtsanwalts
besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn neben der bereits angesprochenen Freistellung der Klägerin von den Vergütungsansprüchen
eines Rechtsanwaltes bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß §
73a SGG i. V. m. §
122 Abs.
1 Nr.
1 ZPO, dass die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b) die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das
Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann. Ferner bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß §
73a SGG i. V. m. §
122 Abs.
2 ZPO, dass die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist. Für keine dieser Varianten
sind die Voraussetzungen gegeben. Das Klageverfahren war gemäß §
183 SGG für die Klägerin gerichtskostenfrei. Die Aufwendungen des beklagten Jobcenters sind gemäß §
193 Abs.
4 SGG i. V. m. §
184 Abs.
1 SGG nicht erstattungsfähig. Ansprüche eines Rechtsanwaltes konnten vorliegend nicht auf die Staatskasse übergegangen sein, weil
die Klägerin keinen Rechtsanwalt beauftragt hatte.
Soweit vertreten wird, dass bestimmte, der hilfebedürftigen Partei selbst entstandene Auslagen im Falle der Prozesskostenhilfebewilligung
als "Gerichtskosten" zu übernehmen sind, wenn diese Auslagen durch gerichtlich verlangte Handlungen verursacht wurden oder
die Auslagen für eine angemessene Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich sind, weil sie auch von einer nicht hilfebedürftigen
Partei aufzuwenden wären (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, aaO., Rdnr. 620; vgl. auch Schoreit/Groß, aaO., II § 122 Rdnr.
9, m. w. N.), führt dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach einhelliger Meinung fallen darunter jedenfalls nicht
die so genannten Allgemeinkosten (vor allem Porto, Telefon und Schreibauslagen), sondern allenfalls besondere Kosten, etwa
für nötige Begleitpersonen, für die Beweisbeschaffung (Privatgutachten, Dolmetscher) und Ähnliches (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs,
aaO., Rdnr. 621; Geimer, in: Zöller/Geimer/Greger,
ZPO [26. Aufl., 2007], §
122 Rdnr. 7). Solche besonderen Kosten sind der Klägerin aber für das Klageverfahren nicht entstanden.
Es sind der Klägerin mithin keinerlei Kosten entstanden, die ihr durch eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe
abgenommen werden könnten.
II. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. §
183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. §
202 SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO).
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. §
177 SGG).