Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren, Verwerfung durch Beschluss bei erstinstanzlicher Entscheidung
durch Gerichtsbescheid
Tatbestand:
Der Kläger wandte sich gegen die Aufhebung von zuvor bewilligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung
für Arbeitsuchende - (SGB II) und eine hieran anknüpfende Erstattungsforderung der Beklagten im Bescheid vom 25. Februar 2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2008.
Das Sozialgericht Leipzig hat mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2009 die Klage abgewiesen.
Gegen den am 11. August 2009 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellten Gerichtsbescheid ist mit Anwaltsschriftsatz
vom 11. September 2009 per Telefax unter der Telefaxnummer des Sozialgerichtes Chemnitz Berufung eingelegt worden. Dieses
Telefax ist am 11. September 2009 beim Sozialgericht Chemnitz eingegangen, von dort weitergeleitet worden und am 14. September
2009 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig und den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 2. Dezember 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufung sei nicht zulässig, weil sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Der angefochtene Gerichtsbescheid sei am
11. August 2009 zugestellt worden. Die Berufung sei zwar am 11. September 2009 per Fax beim Sozialgericht Chemnitz eingegangen.
Allerdings genüge dies nach §
151 Abs.
1 und Abs.
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) nicht zur Fristwahrung. Als die Berufung am 14. September 2009 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen sei, sei
die Berufungsfrist bereits abgelaufen gewesen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §
124 Abs.
2 SGG verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Gemäß §
158 Satz 1
SGG ist die Berufung, wenn sie unter anderem nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist, als unzulässig zu verwerfen.
Die Entscheidung kann gemäß §
158 Satz 2
SGG durch Beschluss ergehen. Nach dem Urteil des 1. Senates des Bundessozialgericht vom 8. November 2005 (vgl. BSG, Urteil vom
8. November 2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr. 2 = JURIS-Dokument Rdnr. 7 ff.) ist allerdings dann, wenn das Sozialgericht über die Klage ohne mündliche
Verhandlung durch Gerichtsbescheid (vgl. §
105 SGG) entschieden hat, über die Berufung unter Beachtung des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren, zur Wahrung des rechtlichen
Gehörs und unter Beachtung von Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht durch
Beschluss zu entscheiden, sondern nur aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil unter Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter.
Diese prozessrechtlichen Grundsätze gebieten jedoch nicht, gegen den Willen der Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Da für eine Berufung gegen einen Gerichtsbescheid nicht von Gesetzes wegen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist,
verbleibt es für die Beteiligten bei der Möglichkeit, gemäß §
124 Abs.
2 SGG ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichtes ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu erklären. Von
dieser Möglichkeit haben die Beteiligten vorliegend Gebrauch gemacht.
II. Die Berufung ist nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden und daher gemäß §
158 Satz 1
SGG als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß §
151 Abs.
1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle einzulegen. Diese Frist ist nicht gewahrt.
Der mit einer vollständigen und zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom
5. August 2009 ist dem Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 11. August 2009 zugestellt worden. Diese Zustellung
wirkte gegen den Kläger (vgl. §
73 Abs.
6 Satz 5
SGG). Die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung begann gemäß §
64 Abs.
1 SGG mit dem Tag nach der Zustellung, das heißt am 12. August 2009. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet gemäß §
64 Abs.
2 Satz 1
SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis
oder der Zeitpunkt fällt. Die einmonatige Berufungsfrist endete somit einen Monat nach dem Tag der Zustellung des Beschlusses,
mithin am 11. September 2009, einem Freitag. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers übersandte die Berufungsschrift vom 11.
September 2009 am selben Tag per Telefax an das Sozialgericht Chemnitz. Die Einlegung der Berufung hat jedoch gemäß §
151 Abs.
1 SGG beim Landessozialgericht schriftlich zu erfolgen.
Zwar ist nach §
151 Abs.
2 Satz 1
SGG die Berufungsfrist auch mit Einreichung bei dem Sozialgericht gewahrt. Sozialgericht im Sinne des §
151 Abs.
2 SGG ist jedoch nur das Sozialgericht, dessen Entscheidung angefochten wird, nicht ein anderes Sozialgericht (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], §
151 Rdnr. 2, m. w. N.). Die Einlegung bei einem anderen Gericht wahrt die Frist nicht (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2005 - B
11a/11 AL 229/04 B - JURIS-Dokument Rdnr. 11; Leitherer, aaO., § 151 Rdnr. 2a). Die Berufung ist dann nur zulässig, wenn sie
innerhalb der Frist an das Landessozialgericht gelangt, wobei das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Beteiligten
innerhalb der Frist telefonisch oder durch Fax auf die Unzulässigkeit hinzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 2002 -
B 3 P 14/02 B - JURIS-Dokument Rdnr. 4). Vorliegend ging der Berufungsschriftsatz jedoch erst am 14. September 2009, also nach Ablauf der
Frist, beim Sächsischen Landessozialgericht ein.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt worden. Auch sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung
von Amts wegen (vgl. §
67 Abs.
2 Satz 4
SGG) nicht gegeben. Denn es wäre erforderlich gewesen, dass ein Wiedereinsetzungsgrund erkennbar gemacht oder offenkundig ist.
Dies ist aber nicht der Fall. Zur Entschuldigung der verspäteten Berufungseinlegung wurde von Klägerseite nichts vorgetragen,
obgleich mit Schreiben vom 23. September 2009 darauf hingewiesen worden war, dass die Berufung erst am 14. September 2009
eingegangen ist. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 12. November 2009 ebenfalls auf die Versäumung der Berufungsfrist hin.
Schließlich wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf den bereits erwähnten Beschluss des Bundessozialgerichts vom
31. März 2005 (B 11a/11 AL 229/04 B) hingewiesen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe gemäß §
160 Abs.
2 SGG nicht gegeben waren.