Tatbestand:
Im Streit ist das Begehren des Klägers, dass die Beklagte für ihn für die Zeit vom 22. August 2002 bis 2. November 2003 rentenrechtliche
Zeiten wegen Arbeitslosigkeit zur Rentenversicherung meldet und damit der Sache nach der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe
vom 22. August 2002 bis 2. November 2003.
Der 1969 geborene Kläger bezog Arbeitslosenhilfe bis zum 1. Mai 2002 und anschließend Unterhaltsgeld vom 2. Mai 2002 bis zum
Abbruch einer Maßnahme am 21. August 2002.
Am 22. August 2002 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte hielt
seine Verfügbarkeit für zweifelhaft und leitete eine ärztliche Begutachtung ein.
Ab 1. September 2002 sprang der Sozialhilfeträger mit Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz für den Kläger ein.
Am 14. Januar 2003 untersuchte der Gutachter H. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten den Kläger. In seinem ärztlichen Gutachten
vom 27. Januar 2003 führte er aus, dass aufgrund des Verhaltens und der mangelnden Kooperation sich Hinweise auf eine psychische
Erkrankung ergäben. Er beschrieb:
Herr B. erschien zur Untersuchung, wirkte jedoch bei der Untersuchung ebenso wenig mit, wie bei der Anamneseerhebung, so dass
eine Abgrenzung des Leistungsvermögens nicht erfolgen kann. Sollte das bei der Untersuchung gezeigte Verhalten anderorts ebenfalls
gezeigt werden, so kann daraus keine ausreichende Belastbarkeit für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter
arbeitsmarktüblichen Bedingungen hergeleitet werden.
Hieran anschließend fand am 7. Februar 2003 eine psychologische Begutachtung durch den Diplom-Psychologen D. statt. In seinem
Gutachten vom 7. Februar 2003 beschrieb er:
Im Laufe des Gesprächs, sofern man dies so nennen kann, wird dann zunehmend deutlich, dass Herr B. seinerseits keinerlei Anliegen
an den Unterzeichner hat und nur hergekommen ist, weil das Arbeitsamt dies so wollte. Somit ist er in seiner sehr kindlich-trotzig
wirkenden Art auch nicht bereit, über seine persönliche Situation oder sein soziales Umfeld zu sprechen. Wiederholte Gesprächs-
oder Hilfsangebote werden strikt abgelehnt, zumal Herr B. mit Ärzten und meinem Berufsstand über Jahre hinweg sehr ungünstige
Erfahrungen gemacht hat. Deshalb wolle er mit diesen Leuten auch nicht sprechen. Ungeachtet der Tatsache, ob er beim Arbeitsamt
im Leistungsbezug steht, erging an ihn die Frage, was er denn mache, wenn er hier aus dem Leistungsbezug herausfällt, äußert
Herr B., dass er - wie auch jetzt schon - dann weiter beim Sozialamt bleibt. Das Gespräch verlief ebenso stockend und konfus
wie die oben geschilderten Passagen. Herr B. ließ hier keinerlei berufliche Perspektive durchblicken und sah sich auch nicht
in der Lage, irgendeine Hilfestellung anzunehmen, die zur Aufklärung beitragen könnte. Evtl. liegen hier langjährige und tiefste
persönliche Verletzungen vor, die sein Selbstwertgefühl eingeschränkt haben und durch die er sich ständig fremdbestimmt fühlt,
so dass er nun auf eine gänzliche Abwehrhaltung schaltet.
Zusammenfassend hielt der Gutachter zur erbetenen Klärung der Belastbarkeit und Eignung für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt fest:
Somit ist im Sinne der Zielfrage aus psychologischer Sicht festzustellen, dass die Eignung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt nicht besteht.
Durch Bescheid vom 5. März 2003, ausgehändigt bei der Eröffnung des Gutachtens am 5. März 2003, lehnte die Beklagte den Antrag
des Klägers auf Arbeitslosenhilfe vom 22. August 2002 ab, weil er nach den medizinischen Ermittlungen dem Arbeitsmarkt mangels
Eignung für Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Zum Gesprächsinhalt bei der Eröffnung des Gutachtens und Aushändigung
des Bescheids ist in der Leistungsakte vermerkt:
Hr B bezeichnet dieses Ergebnis als "erfolgreich" im PD, auch auf meine Erläuterung hin, dass dies zur Aufhebung aller Leistungen
führt meint Hr B, nun doch Recht zu bekommen. Diskussion sinnlos. Aufhebungsbescheid ausgeh.
Am 3. Februar 2004 legte der Kläger der Beklagten im Rahmen einer persönlichen Vorsprache ein Schreiben vom 8. März 2003 vor.
Danach lege er Widerspruch ein gegen den Bescheid vom 5. März 2003. Die Begründung reiche er später nach.
Die Beklagte verwarf durch Widerspruchsbescheid vom 23. April 2004 Widerspruch als unzulässig, denn er sei nicht fristgerecht
eingelegt worden.
Der Kläger hat am 18. Mai 2004 Klage erhoben. Die Begründung reiche er später ein. Wie schon seinen Widerspruch hat er auch
die Klage zu keinem Zeitpunkt begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 27. März 2007 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, denn
ein ordnungsgemäßes Vorverfahren vor Klagerhebung sei nicht durchgeführt worden.
Gegen den am 3. April 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. April 2007 Berufung eingelegt. Vorgetragen
hat er bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. August 2009 in der Sache nichts. Im Termin hat er geltend gemacht,
es gehe ihm nicht darum, nachträglich Arbeitslosenhilfezahlungen zu erhalten. Es sei ihm klar, dass deshalb, weil er in dieser
Zeit Sozialhilfe bezogen hatte, es letztlich nur zu einer Erstattung zwischen Sozialhilfeträger und Beklagter kommen würde.
Vielmehr gehe es ihm darum, dass nachträglich anerkannt werde, dass er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe, um so
die Zeiten der Arbeitslosigkeit als rentenrechtliche Zeiten anerkannt zu erhalten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. März 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für ihn für die Zeit vom 22. August
2002 bis 2. November 2003 rentenrechtliche Zeiten wegen Arbeitslosigkeit zur Rentenversicherung zu melden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf den Widerspruchsbescheid und Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Durch Beschluss vom 2. April 2009 hat der Senat die Berufung nach §
153 Abs.
5 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Leistungsakte der Beklagten sowie der Prozessakten
S 17 RJ 599/98/L 1 RJ 64/01, S 7 AL 784/04 und L 5 AL 20/07 Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats
gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, weil
das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss vom 2. April 2009 die Berufung dem
Berichterstatter übertragen hat, der nach §
153 Abs.
5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Der Beschluss ist den Beteiligten am 4. bzw. 8. April 2009 zugestellt
worden.
Die Berufung ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet.
Zwar hat das Sozialgericht zu Unrecht ausgeführt, dass es bereits am nach §
78 Abs.
3 in Verbindung mit Abs.
1 Satz 1
SGG vor Klagerhebung ordnungsgemäß durchzuführenden Vorverfahren fehle, weil der vom Kläger erhobene Widerspruch verfristet gewesen
sei. Denn der Widerspruch war nicht verfristet. Der Leistungsakte der Beklagten lassen sich ein am 3. Februar 2004 vom Kläger
vorgelegter Einlieferungsbeleg vom 17. März 2003 und ein Rückschein entnehmen, die belegen, dass der Beklagten ein Schreiben
des Klägers am 19. März 2003 zugegangen ist, das sich nicht in der Leistungsakte befindet. Zudem ist ersichtlich, dass dieses
Schreiben der Beklagten unter der Anschrift zugestellt worden ist, die im Briefkopf des Bescheides vom 5. März 2003 angegeben
ist. Der Senat ist auf dieser Grundlage davon überzeugt, dass der Beklagten das Widerspruchsschreiben des Klägers vom 8. März
2003 bereits am 19. März 2003 und damit innerhalb der Widerspruchsfrist vorgelegen hat.
Gleichwohl kann der Kläger mit seinem Begehren in der Sache nicht durchdringen. Auch sein nur noch auf Meldung rentenrechtlicher
Zeiten wegen Arbeitslosigkeit gerichtetes Begehren setzt voraus, dass er im streitbefangenen Zeitraum arbeitslos war. Das
Vorliegen von Arbeitslosigkeit kann jedoch durch den Senat nicht festgestellt werden.
Die im Bescheid der Beklagten vom 5. März 2003 getroffene Feststellung, nach den medizinischen Ermittlungen stehe der Kläger
dem Arbeitsmarkt mangels Eignung für Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung, sei also nicht arbeitslos, gibt zu rechtlichen
Bedenken keinen Anlass.
Rechtlich gestützt ist sie auf § 198 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit §
118 Abs.
1 und §
119 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III). Arbeitslos ist danach, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige,
mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Der Kläger stand zwar im streitbefangenen Zeitraum nicht
in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des §
118 Abs.
1 Nr.
1 SGB III. Er suchte aber nicht im Sinne des §
118 Abs.
1 Nr.
2 SGB III eine Beschäftigung. Denn eine Beschäftigung sucht nach §
119 Abs.
1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen
des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Diese letztgenannte Voraussetzung der Verfügbarkeit erfüllte der Kläger nach Lage der
Akten nicht.
Nach den medizinischen Ermittlungen der Beklagten stand der Kläger den Vermittlungsbemühungen nicht im Sinne des §
119 Abs.
2 SGB III zur Verfügung stand, war also nicht arbeitsfähig im Sinne des §
119 Abs.
3 Nr.
1 SGB III und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit. Diese Feststellung der Beklagten beruhte auf den in den beiden Gutachtensituationen
am 14. Januar 2003 und 7. Februar 2003 gewonnenen Eindrücken der Gutachter vom Kläger und dessen hieraus von den Gutachtern
abgeleiteter fehlender Eignung, dem Arbeitsmarkt für Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stehen.
Im Widerspruchsverfahren und im Klag- und Berufungsverfahren hat der Kläger sich jeder Auseinandersetzung mit dieser Sachlage
enthalten und zur Begründung von Widerspruch, Klage und Berufung im Verlaufe der letzten fast sechseinhalb Jahre in der Sache
nichts vorgetragen.
Erst im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. August 2008 hat der Kläger dargelegt, der Sozialhilfeträger, der für ihn
in der streitbefangenen Zeit Sozialhilfe leistete, habe ihn zur Rentenversicherung geschickt, um dort einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente
zu stellen. Durch die Rentenversicherung sei er damals begutachtet worden mit dem Ergebnis, dass er erwerbsfähig und seine
Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt sei durch Verdacht auf Bluthochdruck, erhebliches Übergewicht und Verdacht einer psychischen
Störung (Bescheid der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg vom 28. Oktober 2003). Daraufhin habe er sich
am 3. November 2003 erneut bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, aber weiterhin keine Leistungen erhalten (Streitgegenstand
im Berufungsverfahren L 5 AL 20/07; Urteil vom heutigen Tag).
Dieser Hinweis des Klägers veranlasst keine andere rechtliche Beurteilung der Frage, ob der Kläger im streitbefangenen Zeitraum
fähig und bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen
Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufzunehmen und auszuüben. Die Feststellung des Rentenversicherungsträgers,
der Kläger sei erwerbsfähig im Sinne des Rentenrechts, sagt für sich nichts Zwingendes aus über seine Verfügbarkeit im Sinne
des Arbeitsförderungsrechts. Erwerbsfähigkeit ist eine zwar notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Feststellung
der Verfügbarkeit. Ob Verfügbarkeit vorliegt, hängt vielmehr neben dem grundsätzlichen gesundheitlichen Leistungsvermögen
auch von dem aktuellen Vermögen und der Bereitschaft ab, den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stehen.
Dass es einen Unterschied gibt zwischen der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rentenrechts und der Verfügbarkeit im Sinne des
Arbeitsförderungsrechts ist dem Kläger im Termin am 13. August 2009 erläutert worden; dieser hat jedoch erklärt, den Unterschied
nicht zu verstehen.
Anlass gibt der Vortrag des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung auch nicht zu weiteren Ermittlungen. Die Feststellungen
des Rentenversicherungsträgers vermögen die der Gutachter der Beklagten, die von vornherein unter der Perspektive einer anderen
Fragestellung den Kläger untersuchten, nicht zu widerlegen, insbesondere nicht die von diesen Gutachtern oben wiedergegebenen
Eindrücke vom Kläger in Zweifel zu ziehen. Der Kläger selbst hat zu diesen Gutachten nach wie vor nichts vorgetragen.
Der Senat entnimmt im Zeitpunkt seiner Entscheidung aber auch der Lage der Akten keinen Anhaltspunkt für Ermittlungen, die
zu einer Aufhellung der Frage der Verfügbarkeit des Klägers in der Zeit vom 22. August 2002 bis 2. November 2003 beitragen
könnten. Es fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten für eine Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung der Beklagten bzw.
der dieser zugrundeliegenden medizinischen Feststellungen.
Auch mit dem heute zur Verfügung stehenden Wissen hat die Beklagte mithin zur Überzeugung des Senats den Antrag des Klägers
auf Arbeitslosenhilfe seinerzeit zu Recht abgelehnt. Der Kläger war bei Würdigung seines damals an den Tag gelegten Verhalten
nicht verfügbar im Sinne des Arbeitsförderungsrechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.