Tatbestand
Im Streit steht materiell-rechtlich die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente des Klägers: Dabei geht es einerseits um die
Absenkung des Zugangsfaktors bei Renteneintritt vor Vollendung des 60. Lebensjahres, andererseits um den Abschlag in Entgeltpunkten
wegen eines durchgeführten Versorgungsausgleichs.
Der im August 1958 geborene Kläger war vom 1.3.1984 bis zum 30.9.2003 verheiratet. Seine Ehe mit Frau M wurde durch Urteil
des Amtsgerichts O vom 12.2.2004 rechtskräftig geschieden; das Urteil des Amtsgerichts O betreffend den Versorgungsausgleich
erlangte am 23.3.2004 Rechtskraft.
Aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 10.1.2007 (zur Beendigung des Klageverfahrens Sozialgerichts [SG] Düsseldorf S 39 R 29/05) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Ausführungsbescheid vom 24.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2008
Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1.9.2004 bei einem am 24.8.2004 eingetretenen Leistungsfall. Der sich
anschließende Rentenhöhenstreit (SG Düsseldorf S 39 R 195/08) betreffend die beiden auch hier streitigen materiell-rechtlichen Themen endete erstinstanzlich durch klageabweisendes Urteil
des SG Düsseldorf vom 4.7.2012; im Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat verfolgte der Kläger die versorgungsausgleichsbedingte
Absenkung der Entgeltpunkte als Begründungselement des Rentenhöhenstreits erklärtermaßen nicht mehr weiter. Mit Urteil vom
24.5.2013 wies der Senat ohne Revisionszulassung die Berufung betreffend die Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenteneintritt
vor Vollendung des 60. Lebensjahres zurück. Rechtsmittel dagegen legte der Kläger nicht ein.
Ein von der Beklagten als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gewertetes Schreiben des Klägers betreffend die Absenkung des Zugangsfaktors lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.2.2014
ab. Den Widerspruch des Klägers (Schreiben vom 20.2.2014, eingegangen bei der Beklagten am 6.3.2014), in dem er sich neben
der weiter verfolgten Thematik des Zugangsfaktors erneut gegen den durchgeführten Versorgungsausgleich wandte, da seine geschiedene
Ehefrau inzwischen wiederverheiratet sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014, der eine ordnungsgemäße
Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, zurück. Laut Vermerk der Beklagten vom 30.4.2014 erfolgte an diesem Tag auch die Absendung
des Widerspruchsbescheides an den Kläger. Ein dagegen eingelegtes Klageverfahren ist nicht aktenkundig.
Mit am 8.3.2016 beim SG Düsseldorf eingegangenen Schreiben wandte sich der Kläger nunmehr ausdrücklich an das Gericht, um
erneut wegen der Erwerbsminderungsrentenkürzung für unter 60-jährige und wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs gegenüber
der Beklagten vorzugehen. Da seine geschiedene Ehefrau noch gar keine Rente beziehe, sei bei ihm keine Kürzung an Entgeltpunkten
vorzunehmen. Zudem müsse seine geschiedene Ehefrau die ihr zugewiesenen Entgeltpunkte "verlieren", da sie - wie bei der Witwenrente
- inzwischen wiederverheiratet sei. Des Weiteren stünde ihm ein halber Entgeltpunkt aus der seiner geschiedenen Ehefrau inzwischen
zugeordneten Mütterrente für die Erziehung des gemeinsamen Kindes zu. Auf richterliche Anhörung hin teilte die Beklagte mit,
dass das letzte bei ihr geführte Verwaltungsverfahren mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014 abgeschlossen
wurde. Das SG wies den Kläger darauf hin, dass für den Versorgungsausgleich inhaltlich nur das Familiengericht zuständig sei, die Abschläge
auf Entgeltpunkte gesetzlich geregelt seien und kein Verfahren betreffend Kindererziehungszeiten bekannt sei (Schreiben vom
12.4.2016). Jedenfalls könne zulässigerweise Klage gegen die bewilligte Erwerbsminderungsrente nur bei Durchführung eines
Widerspruchsverfahrens erhoben werden. In einem weiteren Hinweis (vom 29.12.2016) bekräftigte das SG diese Rechtsauffassung und kündigte zugleich eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid an.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.1.2017 hat das SG die Klage (als unzulässig) abgewiesen: Sinngemäß habe der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm höhere Rente
ohne Kürzung des Zugangsfaktors sowie ohne Kürzung aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs zu gewähren. In den Entscheidungsgründen
hat es ausgeführt, dass diese echte Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) unzulässig sei, da die Beklagte bzgl. der vom Kläger beanspruchten höheren Rente zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen
und dieses mit Verwaltungsakt abzuschließen habe, was hier nicht erfolgt sei. Sofern der Kläger mit dieser Klage den zuletzt
ergangenen Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014 habe angreifen wollen, sei die Klage mangels Erhebung binnen der einmonatigen
Klagefrist (§
87 Abs.
1 S. 1
SGG) ebenfalls unzulässig.
Gegen den ihm am 16.1.2017 zugegangenen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.1.2017 Berufung eingelegt. Er wiederholt seinen
erstinstanzlichen Vortrag und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.1.2017 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des
Bescheides vom 24.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2008 zu verpflichten, ihm im Wege des Überprüfungsverfahrens
des § 44 SGB X höhere Erwerbsminderungsrente ohne Absenkung des Zugangsfaktors zu gewähren.
Die Beklagte stützt sich auf den Gerichtsbescheid und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten ist betreffend den Zeitraum ab 25.5.2013 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den weiteren Inhalt
der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen. Die - im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X - auf teilweise Aufhebung des Bescheides vom 24.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2008 und auf Verpflichtung
der Beklagten gerichtete Klage, dem Kläger höhere Erwerbsminderungsrente ohne Absenkung des Zugangsfaktors zu gewähren, ist
bereits unzulässig.
Zutreffende Klageart ist eine (kombinierte Teilanfechtungs- und) Verpflichtungsklage. Der Kläger kann sein materielles Klageziel,
die abschlagfreie Bewilligung der ihm bereits gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, nur über das prozessuale
Vehikel einer Teilanfechtung des (Ausführungs-)Bescheides vom 24.1.2007 über die Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung
auf Dauer (Leistungsfall am 24.8.2004; Rentenbeginn am 1.9.2004) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2008 im
Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X und einer - sodann rechtlich wieder möglichen - Verpflichtung der Beklagten, ihm diese Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge
zu bewilligen, erreichen. Eine echte Leistungsklage gemäß §
123 Abs.
5 SGG bildet das Klageziel des Klägers nicht ab. Zwar möchte der Kläger letztlich eine höhere Rentenauszahlung erhalten. Indes
ist die Schaffung der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage, d.h. - nach Änderung entgegenstehender Bescheide - der Erlass
eines dementsprechenden Bewilligungsbescheides seitens der Beklagten denknotwenig vorgeschaltet.
Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen, an deren Vorliegen der Senat keine Zweifel hegt, erfordert die Regelung des
über §
78 Abs.
2 SGG entsprechend anwendbaren §
78 Abs.
1 S. 1
SGG als besondere Prozessvoraussetzung für Verpflichtungsklagen die Durchführung des Vorverfahrens mit einer dieses abschließenden
Verwaltungsentscheidung. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sind bei der Beklagten weder ein Verwaltungs- noch ein Widerspruchsverfahren
betreffend die Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrentenbeginn vor Vollendung des 60. Lebensjahres (und wegen
des durchgeführten Versorgungsausgleichs) anhängig. Vielmehr hat der Kläger sein - das hier anhängige Verfahren auslösende
- Schreiben vom 8.3.2016 ausdrücklich an das SG Düsseldorf und nicht an die Beklagte gerichtet. Die Beklagte ist erstmals
anlässlich des hiesigen erstinstanzlichen Verfahrens mit dem - allerdings aus dem Vorprozess bekannten - Begehren des Klägers
(wieder) befasst worden, ohne dass der Kläger bei der Beklagten bislang einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Seinem
Vortrag zufolge wollte er mit dem direkten Gang zum Gericht eine gewisse Beschleunigung seines Anliegens erreichen. Da noch
nicht einmal ein Verwaltungsverfahren bei der Beklagten anhängig ist, kommt auch die Aussetzung des Berufungsverfahrens in
entsprechender Auslegung des §
114 SGG (siehe insoweit Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, §
114, Rdnr. 5) nicht in Betracht.
Dem Kläger ist es - unabhängig von dem hier entschiedenen Rechtsstreit - unbenommen, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren
betreffend die Höhe seiner Erwerbsminderungsrente in Form eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X bei der Beklagten einzuleiten und nach dessen Abschluss (durch einen Widerspruchsbescheid) gerichtlich dagegen vorzugehen.
Sofern der Kläger mit dieser Klage zur Erreichung seines materiellen Klageziels den Bescheid der Beklagten vom 17.2.2014 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2014 angreifen wollte, war, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, die Klage mangels Erhebung binnen der einmonatigen Klagefrist (§
87 Abs.
1 S. 1
SGG) ebenfalls unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht ersichtlich.