Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Monat Juli 2019.
Der 1939 geborene, alleinstehende Kläger lebt in einer städtischen Gemeinschaftsunterkunft in T. Er bezieht eine Altersrente
durch die Deutsche Rentenversicherung, deren Zahlbetrag bis Juni 2019 92,92 € bzw. ab Juli 2019 95,86 € monatlich betrug,
sowie seit März 2016 ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des
SGB XII durch die Beklagte. Zuletzt waren ihm mit Bescheid vom 04.12.2018 für die Zeit vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019 monatliche
Leistungen i.H.v. 588,60 € (zzgl. einer einmaligen Winterfeuerungsbeihilfe im Monat Januar 2019 i.H.v. 154,00 €) bewilligt
worden.
Am 21.06.2019 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid wegen der zum 01.07.2019 erfolgten Rentenanpassung. Sie berücksichtigte
ab dem 01.07.2019 nunmehr eine monatliche Altersrente i.H.v. 95,86 € und bewilligte daher laufende Grundsicherungsleistungen
i.H.v. 585,66 € monatlich. Darin enthalten waren monatliche Unterkunftskosten von 176,35 €.
Gegen den Änderungsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 02.07.2019 und 09.07.2019 wegen der "ständigen Angleichung
von Grundsicherung und Rente" eine "Reklamation" ein. Eine Rentenerhöhung habe er zum Ende des Monats Juni nicht erhalten.
Es bestehe folglich noch ein Guthaben. Zudem fragte er nach, ob eine Erhöhung der Leistungen für Stromkosten erfolgt sei.
Die StädteRegion B wies den Widerspruch des Klägers nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom
08.10.2019 zurück. Die Berücksichtigung der Stromkostenpauschale und die Erhöhung des Regelbedarfs seien bereits mit Bescheid
vom 04.12.2018 erfolgt. Der nunmehr angefochtene Änderungsbescheid habe die Höhe der Stromkostenpauschale und der Unterkunftskosten
nicht verändert, sondern enthalte hierzu lediglich eine wiederholende Verfügung. Das erhöhte Renteneinkommen sei ab Juli 2019
bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen. Diesbezüglich sei eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die gemäß §
48 Abs. 1 S. 1 SGB X eine teilweise Aufhebung der Bewilligung für die Zukunft ermögliche. Die Rentenerhöhung müsse im Monat des erstmaligen Zuflusses,
also im Juli 2019, berücksichtigt werden.
Am 21.10.2019 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Es sei nicht richtig, dass die Beklagte die Erhöhung
seiner Altersrente, die er tatsächlich erst Ende Juli erhalten habe, schon am Monatsanfang in Abzug bringe. Dadurch entstehe
ihm in jedem Jahr ein Schaden, den er nicht länger hinnehmen könne.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 21.06.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2019 abzuändern bzw. aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, die Rentenerhöhung für Juli 2019 nicht schon Anfang Juli in Abzug zu bringen, sondern erst zum 01.08.2019.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.11.2019 hat das Sozigericht die Klage abgewiesen und zugleich die Berufung zugelassen. Der Kläger
sei durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert. Die Beklagte habe die dem Kläger zustehende ergänzende Sozialhilfe für
den Monat Juli 2019 unter Anrechnung des ihm in diesem Bedarfsmonat zugeflossenen Einkommens richtig errechnet. Dem Kläger
sei zuzugeben, dass dies insbesondere bei Rentenerhöhungen zu einem vorübergehenden Sozialhilferückstand führen könne. Dies
liege in der Vorschrift des §
118 Abs.
1 S. 1
SGB VI begründet, wonach die Rente erst am Ende des Monats fällig werde, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.11.2019 Berufung eingelegt. Ihm werde jedes Jahr Anfang Juli in geplanter
willkürlicher Form Schaden zugefügt. Die Beklagte dürfe die Altersrente, die er tatsächlich Ende Juli erhalte, nicht bereits
am Monatsanfang in Abzug bringen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 13.11.2019 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Änderungsbescheides
vom 21.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2019 zu verurteilen, ihm für den Monat Juli 2019 weitere
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII i.H.v. 2,94 € zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchs- sowie den Gerichtsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
A. Die Berufung ist zwar zulässig.
I. Sie wurde form- und fristgerecht i.S.d. §
151 SGG eingelegt.
II. Zwar wird der Mindestbeschwerdewert gemäß §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG von 750,01 € nicht erreicht, weil der Kläger sich lediglich gegen die Anrechnung der Rentenerhöhung i.H.v. 2,94 € im Juli
2019 wendet. Jedoch wurde die Berufung im Gerichtsbescheid ausdrücklich zugelassen. An diese Entscheidung ist der Senat gemäß
§
144 Abs.
3 SGG gebunden.
Ob diese Zulassung verfahrensfehlerhaft war, kann der Senat offen lassen. Das BSG hält jedenfalls die Zulassung einer Sprungrevision im Gerichtsbescheid für verfahrensfehlerhaft, weil dadurch zum Ausdruck
komme, dass die streitige Rechtsfrage nicht ohne besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art i.S.d. §
105 Abs.
1 S. 1
SGG (als Voraussetzung für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid) sei und damit das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß
Art.
101 Abs.
1 S. 2
GG, §
16 GVG verletzt sei (vgl. Urteil vom 16.03.2006 - B 4 RA 59/04 R Rn. 17). Nach anderer, in der Literatur vertretener Ansicht (vgl. etwa Burkiczak in jurisPK-
SGG, 1. Auflage 2017, §
105 Rn. 24, Stand: 04.05.2020) seien jedoch auch grundsätzlich bedeutsame Fragen nicht in jedem Fall schwierig. Der Senat muss
nicht entscheiden, welcher Meinung zu folgen ist. Denn selbst im Falle eines Verfahrensfehlers des Sozialgerichts wegen Verletzung
des Rechts auf den gesetzlichen Richter käme jedenfalls eine Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht in Betracht. §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG ermöglicht bei einem wesentlichen (Verfahrens-)Mangel eine Zurückverweisung nur dann, wenn auf Grund dieses Mangels eine
umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich wäre. Eine solche war im Fall des Klägers jedoch nicht erforderlich;
denn streitentscheidend ist eine reine Rechtsfrage, die ohne vorherige Beweisaufnahme entschieden werden kann.
B. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Änderungsbescheid vom 21.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2019,
mit dem die Beklagte die Erhöhung der Altersrente des Klägers zum 01.07.2019 i.H.v. 2,94 € bereits im Monat Juli 2019 bedarfsmindernd
berücksichtigt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§
54,
56 Abs.
1 SGG. Der später erlassene Änderungsbescheid vom 30.10.2019 ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn er regelt die Leistungshöhe
erst für den Zeitraum ab 01.10.2019; der Kläger wendet sich jedoch ausschließlich gegen die Leistungshöhe im Monat Juli 2019.
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist durch den Änderungsbescheid vom 21.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.10.2019 nicht beschwert i.S.d. §
54 Abs.
2 S. 1
SGG. Denn der Bescheid ist rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungen im Monat Juli 2019 wegen der geänderten Einkommensverhältnisse
des Klägers ist § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
2. Die Beklagte war für den Erlass des Aufhebungsbescheides gemäß §§ 48 Abs. 4 S. 1, 44 Abs. 3 SGB X zuständig. Denn sie war für die Erbringung der Grundsicherungsleistungen gem. §§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 der Satzung über die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB XII in der StädteRegion B vom 29.10.2009 sachlich und örtlich zuständig.
3. Einer Anhörung des Klägers vor Erlass des Änderungsbescheides bedurfte es nicht. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden.
4. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der früheren Leistungsbewilligung lagen vor. Bei dem Bewilligungsbescheid
vom 04.12.2018, der Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019 bewilligte, handelte es sich
um einen Dauerverwaltungsakt. Durch die Anhebung der Regelaltersrente um 2,94 € monatlich zum 01.07.2019 haben sich die tatsächlichen
Einkommensverhältnisse des Klägers auch nach Erlass der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung geändert. Dieses Einkommen
minderte gemäß §§ 19 Abs. 2, 43 Abs. 1 S. 1, 82 Abs. 1 SGB XII seinen Leistungsanspruch nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, und zwar bereits im Monat Juli 2019.
5. Die Rentenerhöhung war im Monat des erstmaligen Zuflusses der höheren Rente zu berücksichtigen, also auch schon im Juli
2019.
a) Für die Frage, wann Einkommen zufließt und wann es anzurechnen ist, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen,
soweit nicht normativ ein anderer Zeitpunkt als maßgeblich bestimmt wird (sog. modifizierte Zuflusstheorie; vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2019 - B 8 SO 35/07 R Rn. 14). Nach §
118 Abs.
1 S. 1
SGB VI werden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen
erfüllt sind; sie werden am letzten Bankarbeitstag dieses Monats ausgezahlt. Die Rente floss dem Kläger (dementsprechend)
im Monat Juli - wenn auch erst am Monatsletzten - zu. Dass sie tatsächlich pünktlich ausgezahlt wurde, wird auch vom Kläger
nicht bestritten, sondern ausdrücklich bestätigt.
b) Eine gesetzliche Bestimmung, die eine vom monatlichen Zuflussprinzip abweichende Regelung treffen würde, existierte im
streitbefangenen Zeitraum nicht. Die Regelung des § 44 Abs. 1 S. 4 SGB XII a.F., wonach der neue Bewilligungszeitraum erst am Ersten des Folgemonats begann, wenn eine Änderung nicht zu einer Begünstigung
des Berechtigten führte, wurde durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21.12.2016 (BGBl. I, S. 2557) zum 01.01.2016 aufgehoben, weil der Gesetzgeber für den Fortbestand dieser Regelung nicht länger eine Rechtfertigung sah
(vgl. BT-Dr. 18/6284, S. 28). Diese Regelung war grundsätzlich auch auf Rentenerhöhungen anzuwenden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss
vom 10.05.2017 - 1 BvR 253/17). Dass diese gesetzliche Änderung auch vor dem Hintergrund der auch hier bestehenden Problematik der Rentenerhöhung dem Willen
des Gesetzgebers entsprach, wurde im Rahmen eines Petitionsverfahrens, das sich mit dieser Frage zu beschäftigen hatte, durch
den Deutschen Bundestag bestätigt (vgl. die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages vom 18.04.2018,
BT-Drs. 19/1723 sowie den Beschluss zum Az. Pet 3-18-11-2170-034355, abrufbar unter https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2016/_07/_22/
Petition_66848.nc.html; dazu Kellner, NJ 2018, S. 418).
Damit sind seit dem 01.01.2016 die allgemeinen Regelungen zum Zuflussprinzip wieder zu beachten, die bis zum 31.12.2015 von
§ 44 Abs. 1 S. 4 SGB XII überlagert wurden (so auch Blüggel in jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 44 Rn. 45). Das SGB XII sieht demnach für laufende Einnahmen, zu denen auch Altersrenten gehören, keine Ausnahme von der Anrechnung im Zuflussmonat
vor. Insbesondere kann § 82 Abs. 7 SGB XII nicht zur Anwendung gelangen. Danach werden einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen
ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt. Bei der Erhöhung der Rente handelt
es sich jedoch nicht um eine einmalige, sondern um eine - wenn auch erstmals Ende Juli ausgezahlte - laufende Einnahme, die
damit nicht unter die Regelung des § 82 Abs. 7 SGB XII fällt.
c) Das Problem der unterschiedlichen Auszahlungszeitpunkte bei Grundsicherungsleistungen einerseits (die gemäß § 44 Abs. 4 SGB XII monatlich im Voraus gezahlt werden) und Rentenleistungen andererseits (die gemäß §
118 Abs.
1 S. 1
SGB VI am Monatsletzten ausgezahlt werden) und eine dadurch entstehende temporäre Unterdeckung wurde durch den Gesetzgeber - ebenso
wie durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. dazu Beschluss vom 10.05.2017 - 1 BvR 2537/17 Rn. 9, der eine Grundrechtsverletzung, allerdings im Rahmen einer fehlerhaften gerichtlichen Anwendung des § 44 Abs. 1 S. 4 SGB XII a.F. angesichts eines Betrages von 13,42 € ablehnte) - nicht als derart gravierend angesehen, dass ein gesetzlicher Änderungsbedarf
gesehen wurde.
Beim Kläger kommt hinzu, dass sich der Renten-Änderungsbetrag nur auf 2,94 € belief und sich damit unterhalb des Bedarfes
hielt, der im Regelsatz für einen Kalendertag berücksichtigt ist. Insofern ist bei ihm die - in anderen Fällen (vor allem
bei erstmaliger Rentenzahlung nach Grundsicherungsbezug) durchaus nachvollziehbare, ggf. nur über ein Darlehen nach dem SGB XII abzufangende - Gefahr einer temporären Bedarfsunterdeckung schon im Ansatz kaum nachvollziehbar, auch wenn der Kläger in
der jährlichen Berücksichtigung der Rentenänderungen im Juli einen stets wiederkehrenden "Schaden" zu erkennen meint. Denn
an jedem Tag des Monats Juli 2019 stand ihm jeweils rechnerisch der anteilig auf einen Tag entfallende Regelleistungsbetrag
zur Verfügung, wenn auch am letzten Tag gespeist sowohl aus den Leistungen nach dem SGB XII als auch aus der (erhöhten) Altersrente.
6. Ermessen der Beklagten war nicht auszuüben. Denn nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Änderungsbescheid
vom 21.06.2019 berücksichtigte die ab Juli 2019 eintretende Änderung.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
V. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.