Gründe
Nach §
197 a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der
sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine
bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend; § 52 Abs. 3 GKG. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von
5.000 EUR anzunehmen; § 52 Abs. 2 GKG. In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit
nichts anderes bestimmt ist; § 39 Abs. 1 GKG.
Nach diesen Grundsätzen ist der Streitwert bei dem Antrag der Antragstellerin betreffend den Maßnahmebescheid vom 26.4.2017
nach §
115 Abs.
2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) auf 95.000 EUR festzusetzen.
Bei einer Anfechtungsklage ist für die Streitwertfestsetzung das Interesse des Klägers am Wegfall des Verwaltungsakts zu bemessen
(Straßfeld in "Streitwertfestsetzung im sozialgerichtlichen Verfahren", Sgb 2/2008, S. 80, 82). Hier hat die Antragstellerin
Anfechtungsklage gegen den Maßnahmebescheid vom 26.4.2017 erhoben und mit ihrem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Klage begehrt. Die Anfechtungsklage richtet sich gegen einen Maßnahmenbescheid, in dem die Antragstellerin dazu verpflichtet
wird, 19 Beanstandungen zu beseitigen. Anhaltspunkte, welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Bescheid im Einzelnen haben
wird, sind nicht ersichtlich, sodass nur der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG zu Grunde gelegt werden kann.
Ob der Auffangstreitwert bei Anfechtungsklagen gegen Maßnahmebescheide nach §
115 Abs.
2 SGB XI durch Addition der Anzahl der Einzelmaßnahmen (so früher der 27. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, z.B. Beschlüsse vom 7.7.2010
- L 27 P 12/10 B, vom 5.10.2011 - L 27 P 23/11 B, vom 31.7.2013 - L 27 P 32/12 B und L 27 P 66/11 B sowie vom 18.9.2014 - L 27 P 46/14 B), durch Addition der Anzahl der Maßnahmekomplexe nach § 39 Abs. 1 GKG (so der früher für Streitigkeiten nach dem
SGB XI zuständige 10. Senat des LSG NRW: Beschluss vom 26.5.2010 - L 10 B 41/09 R und vom 7.3.2012 - L 10 P 133/11 B) zu bemessen ist oder nur einmalig der Regelstreitwert zu Grunde zu legen ist (so unter ausdrücklicher Aufgabe der Rechtsprechung
des 27. Senats der 30. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2.5.2016 - L 30 P 75/15 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.1.2010 - L 15 P 69/09 B und wohl auch Bay. LSG, Urteil vom 8.7.2014 - L 2 P 80/13) ist umstritten (siehe auch Darstellung des Meinungsstands im Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 5. Aufl. 2017).
Der erkennende Senat gibt die Rechtsprechung des 10. Senats des LSG NRW ausdrücklich auf und schließt sich im Ergebnis der
Rechtsprechung des 27. Senats des LSG Berlin-Brandenburg an (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 27.2.2018 - L 5 P 46/17 B -, juris). Ein Maßnahmebescheid enthält eine oder mehrere Beanstandungen von Mängeln, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt
beseitigt werden sollen. Darin werden unterschiedliche Mängel sowie passend dazu unterschiedliche Handlungsaufforderungen
angeführt, deren Rechtswidrig- oder Rechtmäßigkeit jeweils einzeln angegriffen und auch unterschiedlich beurteilt werden kann.
Da jede Beanstandung gesondert zu bewerten ist, bildet jede einen eigenständigen Streitgegenstand, sodass der Regelstreitwert
dementsprechend mehrfach anzusetzen und gem. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen ist (so bei unterschiedliche Wahlämter betreffenden Anfechtungsklagen auch BSG, Beschluss vom 14.9.2006 - B 6 KA 24/06 B und vom 19.9.2006 - B 6 KA 30/06 B und bei einer mehrere Äußerungen betreffenden Unterlassungsklage - Beschluss vom 8.4.2005 - B 6 KA 60/04 B). Die Rechtsauffassung des 30. Senats des LSG Berlin-Brandenburg lässt bei der Zugrundelegung des Regelstreitwerts außer
Acht, dass es sich bei den Beanstandungen um verschiedene Regelungen und somit verschiedene Streitgegenstände handelt. Zwar
ist nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 2 GKG ist "ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen". Dies bedeutet jedoch nur, dass der Betrag, der als Regelstreitwert zu Grunde
zu legen ist, nach der Wertung des Gesetzgebers 5.000 EUR beträgt. Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass bei mehreren
Streitgegenständen nach § 39 Abs. 1 GKG eine Addition des Regelstreitwerts nicht nur möglich, sondern geboten ist. Gegen die Rechtsprechung des 10. Senats des LSG
NRW spricht, dass auch bei Bildung von Maßnahmekomplexen außer Acht gelassen wird, dass die innerhalb eines Komplexes erfolgten
Beanstandungen rechtlich jeweils unterschiedlich bewertet werden können. Unabhängig von diesem Gesichtspunkt kann die Frage,
wie einzelne Beanstandungen zu Maßnahmekomplexen zusammenzufassen sind, zu nicht unerheblichen Rechtsunsicherheiten führen.
Bei seiner Ermessensentscheidung verkennt der Senat nicht, dass die Addition des Auffangstreitwerts bei einer großen Anzahl
von Beanstandungen möglicherweise zu einem Streitwert führen kann, der die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung für den
Kläger/ Antragsteller im Einzelfall überschreiten mag. Richtig ist auch, dass die Nichtbefolgung eines nicht vollstreckungsfähigen
Maßnahmebescheids keine unmittelbaren Konsequenzen für den Träger hat, da eine Kündigung des Versorgungsvertrags rechtlich
davon unabhängig ist. Diese Gesichtspunkte können jedoch nicht dazu führen, dass von einer Addition des Regelstreitwerts gemäß
§ 39 GKG im Einzelfall abgesehen werden kann. Denn der Gesetzgeber pauschaliert einen nicht bestimmbaren Streitwert regelhaft mit
5.000 EUR, sodass es - wie bei allen Pauschalierungen - im Einzelfall dazu kommen kann, dass die tatsächliche Bedeutung der
Sache deutlich unter- oder überschritten wird.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).