Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung von Überbrückungsgeld für Haftentlassene als Einkommen oder
Vermögen
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, in welcher Höhe der Kläger in der Zeit vom 22.07.2009 bis zum 30.09.2009 Anspruch
auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte.
Der 1983 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 15.06.2007 bis zum 22.06.2009 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe in
der Justizvollzugsanstalt in Wxxx. Die Kreisverwaltung Westerwaldkreis gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 23.04.2009 Leistungen
der medizinischen Rehabilitation nach § 54 Abs. 1 S 1 SGB XII i.V.m. §
26 SGB IX für eine stationäre Drogenentwöhnung sowie einen Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII in Höhe von 95,00 EUR monatlich. Die Leistung wurde unter der Bedingung gewährt, dass der Kläger umgehend einen Antrag auf
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stellte. Am 05.05.2009 stellte der Kläger beim Jobcenter für den Westerwaldkreis einen entsprechenden Antrag, der an die
damals zuständige Agentur für Arbeit (AA) in Bad Neuenahr-Ahrweiler (im Folgenden als Beklagter bezeichnet) weitergeleitet
wurde. Der Kläger wies darin darauf hin, dass er am 22.06.2009 mit einer medizinischen Reha-Maßnahme beginnen werde und ihm
eine Kostenzusage der Kreisverwaltung Westerwaldkreis für zunächst 21 Wochen vorliege.
Der Kläger wurde am 22.06.2009 gemäß § 35 des Betäubungsmittelgesetzes (BTMG) aus der Haft entlassen und am Entlassungstag zur stationären Drogenentwöhnungsbehandlung in der Fachklinik Hxxx in
Rxxx aufgenommen. Die voraussichtliche Dauer der Basistherapie wurde vom Träger der Einrichtung in einer Mitteilung vom 14.07.2009
mit 26 Wochen (Therapieende am 22.12.2009) und in einer weiteren, auf Nachfrage des Beklagten erteilten Auskunft vom 15.07.2009
mit 21 Wochen (bis einschließlich 16.11.2009) angegeben. Die Therapie dauerte letztlich bis zum 16.02.2010.
Bei seiner Entlassung aus der Haft wurde dem Kläger ein Betrag in Höhe von 1.516,32 EUR bar ausgezahlt. Darin war Überbrückungsgeld
in Höhe von 1.404,00 EUR enthalten.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16.07.2009 für die Zeit vom 22.06.2009 bis zum 30.06.2009 einen Betrag
in Höhe von 0,01 EUR. Im Übrigen wurde dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.10.2009 ein Betrag in Höhe von
0,01 EUR monatlich und für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 16.11.2009 ebenfalls ein Betrag von 0,01 EUR bewilligt. Bei
der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte einen Minderungsbetrag von 82,57 EUR mit der Begründung, während seines
Aufenthaltes im Hxxx benötige der Kläger keine Kosten für Wohnung, Strom, Möbel, Haushaltsgeräte, Gesundheitspflege und Verkehr.
Das dem Kläger ausbezahlte Überbrückungsgeld wurde im Juni 2009 in Höhe von 81,07 EUR, in den Monaten Juli bis Oktober in
Höhe von 276,42 EUR und im November mit 147,42 EUR als Einkommen berücksichtigt.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt,
das Überbrückungsgeld, das dem Kläger bar ausgezahlt worden sei, sei als einmalige Einnahme und nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
Es sei dem Kläger auch im Bewilligungszeitraum zugeflossen. Die monatliche Verteilung und Anrechnung des Einkommens auf den
Bewilligungszeitraum vom 22.06.2009 bis 16.11.2009 erfolge derart, dass dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 0,01 EUR und damit der Krankenversicherungsschutz verbleibe.
Der Kläger hat am 09.09.2009 zum Sozialgericht (SG) Koblenz Klage erhoben und vorgetragen, das Überbrückungsgeld habe er bereits bis zum 04.03.2009 angespart gehabt.
Durch Urteil vom 19.01.2010 hat das SG unter Änderung des Bescheides vom 16.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2009 den Beklagten dem Grunde
nach verurteilt, dem Kläger in der Zeit vom 22.07.2009 bis zum 16.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
Maßgabe des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es handele sich bei dem Überbrückungsgeld, dessen Gewährung in §
51 des
Strafvollzugsgesetzes (
StVollzG) geregelt sei, um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Obwohl es aus Teilen der Bezüge des Strafgefangenen gebildet werde, sei das Überbrückungsgeld aufgrund der Vorschriften
des
StVollzG dessen Verfügungsgewalt entzogen. Bei dem Überbrückungsgeld handele es sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme nach §
11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, da es nicht einem anderen Zweck als das ALG II diene. Es solle den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen
nach seiner Entlassung sichern. Wegen der zeitlichen Begrenzung auf vier Wochen komme die Verteilungsregel des § 2 Abs. 4 S 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-Verordnung [Alg II-V]) in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung nicht zur Anwendung. §
51 Abs.
1 StVollzG stelle eine "andere Regelung" i.S.d. § 2 Abs. 4 S 3 Alg II-V dar. Das Überbrückungsgeld in Höhe von 1.404,00 EUR, das der Kläger am 22.06.2009 erhalten habe, sei im Zeitraum vom 22.06.2009
bis zum 22.07.2009 leistungsmindernd zu berücksichtigen. Zutreffend sei der Beklagte davon ausgegangen, dass der Bedarf des
Klägers bezogen auf die Regelleistung anteilig zu kürzen sei, da sich der Kläger in der Einrichtung Hxxx befunden habe und
insoweit ganz erhebliche Kostenpositionen eingespart habe, die grundsätzlich Teil der Regelleistung seien.
Das SG hat in seinem Urteil vom 19.01.2010 die Berufung zugelassen, die der Beklagte am 19.02.2010 eingelegt hat.
Der Beklagte trägt vor, beim Überbrückungsgeld handele es sich nicht um eine zweckbestimmte Leistung i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst a SGB II, da es keinem anderen Zweck diene als die Leistungen nach dem SGB II. Das gezahlte Überbrückungsgeld sei eine einmalige Einnahme, auf die § 2 AlgII-VO anzuwenden sei. Der Anrechnungszeitraum könne entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht wegen §
51 Abs.
1 StVollzG auf die vier Wochen nach der Haftentlassung beschränkt werden, denn Sinn der Aufteilung auf einen angemessenen Zeitraum sei,
dass das vollständige vorübergehende Entfallen des Leistungsanspruchs und damit des Krankenversicherungsschutzes vermieden
werde. Auch führe die Anrechnung des Überbrückungsgeldes für den Kläger nicht zu einer besonderen Härte. §
51 StVollzG sei auch keine höherrangige Norm oder speziellere Regelung als das Zuflussprinzip, das letztlich zur Anrechnung einmaliger
Einnahmen ab dem Zuflusszeitpunkt führe. Seine Verankerung finde es nicht in den Vorschriften der Alg II-VO, sondern in §
11 SGB II. Im Übrigen sei die in §
51 Abs.
1 StVollzG gewählte Formulierung im Zusammenhang mit den in den Abs. 4 und 5 geregelten Pfändungsschutzvorschriften zu verstehen und könne das aufgrund § 11 SGB II bestehende Zuflussprinzip, das in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sehr weit ausgelegt werde, nicht wirksam einschränken.
Darüber hinaus führe die Lösung des Sozialgerichts zu für die Betroffenen nicht nur vorteilhaften Ergebnissen, da diese für
die ersten vier Wochen nach der Haftentlassung auch von den Leistungen zur Eingliederung nach §§ 16ff SGB II ausgeschlossen würden.
Der Beklagte hat die Berufung insoweit zurückgenommen, als er zur Erbringung von Leistungen an den Kläger für die Monate Oktober
und November 2009 verurteilt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 19.01.2010 aufzuheben, soweit er verurteilt worden ist, dem Kläger Leistungen bis
zum 30.09.2009 zu gewähren und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2011 auf Befragen vorgetragen, er sei schon vor seiner Haftentlassung mit seiner
Betreuerin einkaufen gegangen, um sich vor allem Kleidung zu beschaffen. Er habe 4 Wochen nach seiner Haftentlassung noch
einen Betrag von 700,00 EUR bis 800,00 EUR übrig gehabt, genauere Angaben könne er nicht machen. Das Geld sei auf das Konto
des Hxxx eingezahlt worden, er selbst habe darüber nicht verfügen dürfen.
Der Dxxx Oxxx als Träger des Hxxx hat auf Nachfrage des Senats in zwei Auskünften vom 29.08.2011 und vom 12.09.2011 mitgeteilt,
der Kläger habe am 22.07.2009 noch etwa 880,00 EUR in bar zur Verfügung gehabt. Bei Stellung des ALG II-Antrags habe er in der Anlage VM ein Bargeldvermögen von 930,00 EUR angegeben. Die Richtigkeit der Angaben werde von der
Klinik anhand des Patientenkontoblattes überprüft. Dieses liege nicht mehr vor, da es ein Jahr nach Entlassung vernichtet
worden sei. Im ersten Monat der Therapie hätten die Patienten erfahrungsgemäß ca. 50,00 bis 80,00 EUR Ausgaben für Bedarfsgegenstände.
In der Orientierungsphase hätten die Patienten keine Ausgänge, die eingekauften Artikel würden von der Klinik besorgt. Die
Patienten erhielten Anleitung und Unterstützung in finanziellen Angelegenheiten, auch Schuldnerberatung, so dass ein Überblick
über die Finanzen der Patienten bestehe.
Weiter hat der Klinikträger in einer Auskunft vom 29.09.2011 mitgeteilt, dass der Kläger sich vom 22.06. bis zum 16.02.2012
in stationärer Behandlung befunden hat. Er sei während der gesamten Therapiezeit nicht erwerbstätig, aber in der Lage gewesen,
mindestens 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der
Beklagten. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die noch anhängige Berufung des Beklagten ist begründet. Das SG hat den Beklagten zu Unrecht unter Änderung des streitgegenständlichen Bescheids verurteilt, dem Kläger ab dem 22.07.2009
bis zum 30.09.2009 höheres ALG II zu zahlen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 16.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2009.
Dabei ist nur noch streitig, ob dem Kläger in der Zeit vom 22.07.2009 bis zum 30.09.2009 ein Anspruch auf höheres ALG II als 0,01 EUR monatlich zustand. Da lediglich die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist die Abweisung der Klage hinsichtlich
des davor liegenden Zeitraums rechtskräftig geworden. Durch die teilweise Rücknahme der Berufung ist auch hinsichtlich der
Verurteilung zu höheren Leistungen für die Monate Oktober und November 2009 Rechtskraft eingetreten.
Höhere Leistungen stehen dem Kläger im streitigen Zeitraum nicht zu, so dass der Berufung des Beklagten stattzugeben ist.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften der §§ 7 und 19 SGB II. Gem § 19 Abs. 1 S 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 20.07.2006 (BGBl. I S 1706) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als
Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und
Heizung. Hierfür müssen die Voraussetzungen der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 SGB II in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung vom 23.12.2007 (BGBl. I S 3254) vorliegen und es darf keiner der gesetzlichen Ausschlusstatbestände
eingreifen.
Der Kläger war während seines stationären Aufenthalts in einer Entwöhnungsbehandlung im Hxxx in Rxxx nicht schon nach § 7 Abs. 4 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (S 1). Abweichend davon erhält aber Leistungen, wer voraussichtlich
für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§
107 des
Fünften Buches) untergebracht ist oder wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (S 3).
Zwar handelte es sich bei dem Hxxx, in dem die Entwöhnungstherapie durchgeführt wurde, nicht um ein Krankenhaus i.S.d. §
107 Abs.
1 SGB V, sondern um eine Rehabilitationseinrichtung i.S.d. §
107 Abs.
2 SGB V. Der Gesetzgeber wollte aber auch Aufenthalte in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation von unter 6 Monaten vom Leistungsausschluss
ausnehmen (vgl die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs 16/1410, S 20; so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.10.2006
- L 13 AS 4113/06 ER-B -, zit nach [...]). Der Kläger sollte auch "voraussichtlich" für weniger als 6 Monate in der Einrichtung bleiben. Dabei
ist auf die Prognose zum Zeitpunkt der Aufnahme in die stationäre Einrichtung abzustellen. Der Senat entnimmt wie der Beklagte
aus der Auskunft des Hxxx vom 15.07.2009, dass die stationäre Behandlung des Klägers "voraussichtlich 21 Wochen; bis einschließlich
16.11.2009", also vorerst weniger als 6 Monate dauern sollte. Die Auskunft vom 15.07.2009 wurde von der Therapieeinrichtung
auf eine konkrete Nachfrage des Beklagten erteilt. Die zuvor erteilte Auskunft vom 14.07.2011, in der das Ende der Basistherapie
auf den 22.12.2009 datiert und somit die Dauer der Behandlung mit genau 6 Monaten angegeben wurde, bezieht sich auf ein allgemeines
"Therapiekonzept" ohne Bezug auf die individuelle Behandlungsdauer des Klägers und kann daher der Prognoseentscheidung nicht
zugrunde gelegt werden. Der Umstand, dass der Kläger schließlich bis zum 16.02.2010 in stationärer Behandlung verblieben ist,
spielt für die bei Leistungsgewährung zu treffende Prognoseentscheidung keine Rolle.
Weitere Gründe, aus denen der Kläger von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere wurde er durch den Erhalt des Überbrückungsgeldes
am 22.06.2009 nicht für die ersten vier Wochen nach der Haftentlassung vom Kreis der Leistungsberechtigten ausgeschlossen.
Der leistungsberechtigte Personenkreis sowie die Ausschlusstatbestände werden in § 7 i.V.m. § 7a SGB II abschließend geregelt. Die Empfänger von Überbrückungsgeld nach §
51 Abs.
1 StVollzG sind darin nicht erwähnt. Die zum Recht der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG (Urteil vom 21.06.1990 - 5 C 64.86 - zit nach [...]), nach der das Überbrückungsgeld zumindest auch der Freistellung von staatlichen Transferleistungen für
einen überschaubaren Zeitraum dient, betrifft lediglich die Art und Weise seiner Berücksichtigung bei der Bedarfsberechnung.
So ist auch der Hinweis des BSG in seinem Urteil vom 06.10.2011 (B 14 AS 94/10 R, zit nach [...]) zu verstehen, es bleibe offen, ob das Überbrückungsgeld wegen seiner besonderen Zweckbestimmung die Hilfebedürftigkeit
grundsätzlich ausschließt.
Der Kläger erfüllte im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II in der vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung vom 23.12.2007 (BGBl. I S 3254). Er hatte das 15. Lebensjahr überschritten
und die Altergrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und konnte nach Einschätzung der Therapieeinrichtung
Hxxx für mindestens 15 Stunden pro Woche erwerbstätig sein, war also erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 S 1 Nr. 3 SGB II, da das bei seiner Entlassung aus der Haft am 22.06.2009 an ihn ausgezahlte Überbrückungsgeld als einmaliges Einkommen auf
die folgenden Monate zu verteilen war und infolge dessen die Hilfebedürftigkeit nicht entfallen ließ.
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II in der hier anzuwendenden, bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung vom 24.03.2006 (BGBl. I S 558), wer seinen Lebensunterhalt,
seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu
berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen
oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Zur anderweitigen Deckung seines Hilfebedarfs standen dem Kläger die Mittel aus der am Tag seiner Haftentlassung erhaltenen
Zahlung von 1.516,32 EUR zur Verfügung. Davon wurden vom Beklagten und vom SG bislang nur das darin enthaltene Überbrückungsgeld von 1.404,00 EUR in Betracht gezogen. Nicht berücksichtigt wurde bisher
die Differenz von 112,32 EUR sowie die Mittel, die dem Kläger vor seiner Haftentlassung für die Anschaffung von Kleidung und
Bedarfsgegenständen zur Verfügung gestellt wurden. Eine weitere Sachaufklärung in diese Richtung ist allerdings nicht angezeigt.
Ein höherer Geldzufluss nach Antragsstellung würde zu keiner anderen Entscheidung führen, da die Berücksichtigung höherer
Einkommensbeträge zu keiner weitergehenden Aufhebung des angefochtenen Urteils zugunsten des Beklagten und Berufungsklägers
führen könnte.
Bei dem am 22.06.2009 an den Kläger ausgezahlten Überbrückungsgeld handelte es sich um Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 S 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S 2014). Danach sind als Einkommen zu berücksichtigen
alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Als Vermögen sind gem § 12 Abs. 1 SGB II in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung vom 20.04.2007 (BGBl. I S 554) alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen,
wobei nur der die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteigende Teil des Vermögens einzusetzen ist. Eine Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (nochmals bestätigt durch Urteil vom 06.10.2011 - B 14 AS 94/10 R - m.w.N., zit nach [...]) ist Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung
bereits hatte. Hierbei ist auszugehen vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, dass rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich
bestimmt wird.
Diese Grundsätze sind auch auf das Überbrückungsgeld nach §
51 Abs.
1 StVollzG abzuwenden. Es ist je nach dem Zeitpunkt des Zuflusses vor oder nach der Antragstellung als Vermögen nach § 12 SGB II oder als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen. Aus der allgemeinen Zweckbestimmung des Überbrückungsgeldes ergibt sich nichts anderes. Das Überbrückungsgeld
soll nach §
51 Abs.
1 StVollzG den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung
sichern. Daraus folgt nicht, dass das Überbrückungsgeld unabhängig von seiner Einordnung als Einkommen oder Vermögen in jedem
Fall der Freistellung von Sozialhilfe oder Grundsicherungsleistungen dient und im Ergebnis immer wie Einkommen zu berücksichtigen
ist (so noch BVerwG, Urteil vom 21.06.1990, a.a.O., zum Recht der Sozialhilfe nach dem früheren BSHG). Die Zuordnung des Überbrückungsgeld zu Einkommen oder Vermögen ist ebenso wie bei anderen zur Sicherung des Unterhalts
dienende Leistungen allein an das konstitutive Antragserfordernis nach § 37 SGB II gekoppelt (BSG, Urteil vom 06.10.2011, a.a.O.).
Dem Kläger ist das Überbrückungsgeld nach Stellung seines Antrages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, nämlich
am Tag seiner Entlassung aus der Haft am 22.06.2009, zugeflossen. In der Auszahlung des Überbrückungsgeldes liegt nicht lediglich
die Realisierung eines zuvor schon erlangten Vermögenswerts, der mit einem Sparguthaben vergleichbar und deswegen, soweit
er vor Antragstellung erlangt wurde, als Vermögen zu behandeln wäre (vgl dazu BSG, Urteil vom 30.09.2008 B 4 AS 57/07 R Rn 17 f, zit nach [...]). Das Überbrückungsgeld wird nach §
51 Abs.
1 StVollzG aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis
stehen (§
39 Abs.
1 StVollzG) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§
39 Abs.
2 StVollzG), gebildet. Seine Höhe wird von der Anstaltsleitung nach dem sich aus §
53 Abs.
1 StVollzG ergebenden voraussichtlichen Bedarf durch Verwaltungsakt (Arloth,
StVollzG, 2. Aufl, §
51 Rn 4) festgelegt, ohne dass ihr dabei Ermessen zusteht (Arloth a.a.O., Calliess/Müller-Dietz,
StVollzG, 11. Aufl, §
52 Rn 2, jeweils m.w.N.). Die Verwaltungspraxis wird durch bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften (VV) oder ggf. vom Land
erlassene Ausführungsvorschriften geleitet (vgl dazu Kammergericht Berlin, Beschluss vom 12.09.2011 - 2 Ws 294/11 Vollz - zit nach [...]). Nach Nr.
1 Abs.
2 der VV zu §
51 StVollzG wird die angemessene Höhe des Überbrückungsgeldes von der Landesjustizverwaltung festgesetzt. Sie soll das Vierfache des
nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes festgesetzten monatlichen Mindestbetrags des Regelsatzes nicht unterschreiten. Der Anstaltsleiter kann unter Berücksichtigung
der Umstände des Einzelfalls einen höheren Betrag festsetzen. Darüber, ob und auf welche Weise das Überbrückungsgeld verzinslich
angelegt wird, entscheidet die Anstaltsleitung nach Ermessen. Gläubiger des Geldinstituts ist in diesem Fall das die Anstalt
tragende Land, nicht der Gefangene (Calliess/Müller-Dietz a.a.O., Rn 1). Ein Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes
besteht nur bei Entlassung in die Freiheit (§
51 Abs.
2 StVollzG). Es wird nicht ausgezahlt, wenn sich an die Strafhaft eine weitere Freiheitsentziehung, z.B. Untersuchungshaft oder Unterbringung,
anschließt (Arloth, a.a.O., Rn 7, Calliess/Müller-Dietz a.a.O., Rn 1). Eine Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes während
der Haftzeit ist nur ausnahmsweise aufgrund einer im Ermessen des Anstaltsleiters stehenden Entscheidung für Ausgaben, die
der Eingliederung des Gefangenen dienen, zulässig (§
51 Abs.
3 StVollzG). Nach §
83 Abs.
2 S 3
StVollzG ist dem Gefangenen auch die Verfügung über sein Eigengeld entzogen, soweit dies zur Bildung des Überbrückungsgeldes erforderlich
ist. Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgelds ist nach §
51 Abs.
4 S 1
StVollzG unpfändbar und damit auch nicht abtretbar (§
400 BGB).
Das Überbrückungsgeld ist durch diese Regelungen während der Haftzeit der Verfügungsbefugnis des Gefangenen völlig entzogen.
Darüber hinaus kann der Betroffene auch nach Erreichen des Haftendes darüber nicht verfügen wie über eine Spareinlage. Anders
als durch Auszahlung an den Gefangenen kann über das Guthaben nur in den Fällen des §
51 Abs.
2 S 2 und 4
StVollzG durch Auszahlung an den Bewährungshelfer oder an die Unterhaltsberechtigten verfügt werden. In Anbetracht dieser rechtlichen
Ausgestaltung ist das zum Ende der Haftzeit vorhandene Guthaben nicht als eine aus den Einkünften des Gefangenen angelegte
Spareinlage anzusehen, die lediglich für einen begrenzten Zeitraum festgelegt ist und bei Entlassung für ihn verfügbar wird.
Es handelt sich rechtlich vielmehr um einen Zahlungsanspruch des Gefangenen gegen das Land, der grundsätzlich erst im Zeitpunkt
der Entlassung in die Freiheit fällig wird (Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., Rn 1). Die Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist,
da der Anspruch darauf durch die Einbehaltung von Lohn entsteht, der dem Gefangenen aus freien Beschäftigungsverhältnissen,
anstaltsintern zugewiesenen Arbeiten oder einer erlaubten freiberuflichen Tätigkeit zusteht, vergleichbar mit Nachzahlungen
von Arbeitsentgelt für einen vor der Antragstellung liegenden Zeitraum, die grundsicherungsrechtlich als Einkommen zu behandeln
sind (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 86/08 R - zit nach [...]).
Das dem Kläger ausgezahlte Überbrückungsgeld stellte eine einmalige Einnahme dar. Diese sind gem § 13 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 4 S 1 ALG II-V in der hier anzuwendenden Fassung vom 18.12.2008 (BGBl. I S 2780) von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen.
Abweichend davon ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn
Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind (S 2). Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall
eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag
zu berücksichtigen (S 3).
Demnach war das Überbrückungsgeld des Klägers auf mehrere Monate aufzuteilen. §
51 Abs.
1 StVollzG enthält keine andere Regelung i.S.d. § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG II-V. Die besondere Zweckbindung des Überbrückungsgeldes, in den ersten 4 Wochen nach der Haftentlassung den notwendigen
Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten zu sichern, führt nicht dazu, dass keine Verteilung der einmaligen
Einnahme erfolgt.
Die Verteilungsregelung soll verhindern, dass die einmaligen Einnahmen den Bedarf im Zuflussmonat übersteigen und die Hilfebedürftigkeit
entfallen lassen, was zum Wegfall der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung führt mit der Folge, dass
der Arbeitsuchende sich in diesem Monat freiwillig versichern muss (BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - Rn 29, [...]; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, Rn 16b zu §
13). Vor diesem Hintergrund schließt der sich aus dem Wortlaut des §
51 Abs.
1 StVollzG ergebende Zweck des Überbrückungsgeldes eine Verteilung des Überbrückungsgeldes auf einen angemessenen Zeitraum nicht aus.
Zwar mag richtig sein, dass das Überbrückungsgeld zumindest auch der Freistellung von staatlichen Transferleistungen für einen
überschaubaren Zeitraum dient (BVerwG a.a.O., LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.05.2010 - L 13 AS 105/09 -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2009 - L 12 AS 5623/08). Die Regelung verfolgt aber erkennbar nicht den Zweck, das Entstehen einer Versicherungspflicht des Haftentlassenen in der
Gesetzlichen Kranken und Pflegeversicherung zu verhindern. Zwar kann ein Haftentlassener auch ohne den Bezug von ALG II nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchst a und b
SGB V versicherungspflichtig werden (vgl dazu BSG, Urteil vom 21.12.2011 - B 12 KR 13/10 R - zit nach [...]). Die als mittelbare Folge der Verteilung des Überbrückungsgeldes als einmalige Einnahme auf einen angemessenen
Zeitraum eintretende Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V ist jedoch für den Betroffenen vorteilhafter als ein andernfalls mögliches Versicherungsverhältnis nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchst a und b
SGB V. Der Betroffene hat zum einen in diesem Versicherungsverhältnis die Beiträge selber zu tragen. Zum anderen gelten nach §
227 i.V.m. §
240 SGB V die Vorschriften über die beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig versicherter Mitglieder entsprechend mit der Folge, dass
höhere Beiträge als im Fall der Pflichtversicherung wegen des Bezugs von ALG II (vgl dazu §
232a Abs.
1 S 1 Nr.
2 SGB V) zu zahlen sind.
Daneben wird durch die Verteilung des Überbrückungsgeldes auf einen Verteilzeitraum der Zweck der Leistung, den Staat für
einen gewissen Zeitraum von Transferleistungen freizustellen, im Ergebnis verwirklicht, wenn die Teilbeträge für die Monate
im Verteilzeitraum, wie es nach der hier anwendbaren Fassung des § 2 Abs. 4 S 3 ALG-IIV noch möglich war, so bemessen werden, dass der Leistungsbetrag auf 0,01 EUR sinkt. Der Haftentlassene erhält in diesem
Fall faktisch keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, er muss seinen Lebensunterhalt aus seinem Überbrückungsgeld
decken. Dass er gleichwohl in den Genuss einer Pflichtversicherung in der GKV kommt, wirkt sich nur zu seinem Vorteil aus.
Eine Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes für den in §
51 Abs.
1 StVollzG vorgesehenen Zeitraum von "4 Wochen" wäre zudem mit der Systematik der Bedarfsberechnung nach dem SGB II nicht zu vereinbaren. Der Anspruch auf ALG II besteht gem § 41 Abs. 1 S 1 SGB II für jeden Kalendertag. Die Leistungsbewilligung erfolgt für ganze Kalendermonate bzw. Teile davon, wobei der Monat mit 30
Tagen berechnet wird (§ 41 Abs. 1 S 2 und 3 SGB II). Dementsprechend erfolgt die Bedarfsberechnung nach den Vorgaben der §§ 20 Abs. 2, 11, 13 SGB II i.V.m. § 2 ALG II-V (seit 01.04.2011 § 11 Abs. 2 und 3 SGB II) jeweils für ganze Kalendermonate. Laufende Einnahmen sind für den Monat des Zuflusses zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 2 S 1 ALG II-V bzw. § 11 Abs. 2 S 1 SGB II nF). Auch die Verteilungsregelung für einmalige Einnahmen nach § 2 Abs. 4 ALG II-V (jetzt § 11 Abs. 3 S 3 SGB II) beruht auf dem Monatsprinzip. Eine Berechung der Leistung nach Wochen sieht das SGB II nicht vor. Dieser rechtliche Rahmen wird durch die zeitliche Beschränkung der Unterhaltssicherungsfunktion auf "4 Wochen"
in §
51 Abs.
1 StVollzG nicht modifiziert.
Eine "andere Regelung" der Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes auf der Grundlage von §
51 Abs.
1 StVollzG könnte daher bei Beachtung der rechtlichen Vorgaben des SGB II und der ALG-IIV nur so erfolgen, dass je nach Beginn und Ende der 4-Wochenfrist des §
51 Abs.
1 StVollzG das Überbrückungsgeld entweder nur im Monat des Zuflusses oder in diesem und dem folgenden Monat berücksichtigt wird. Unabhängig
davon, ob sich die 4-Wochenfrist auf einen oder 2 Monate erstreckt, könnten bei diesem Vorgehen Reste des Überbrückungsgeldes
ebensowenig wie bei laufenden Einnahmen in den auf das Fristende folgenden Monat übertragen werden. Dieser Übertrag wird erst
durch die Verteilungsvorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG II-V ermöglicht. Je nach dem, an welchem Tag eines Monats ein Gefangener entlassen wird und sein Überbrückungsgeld erhält,
müsste er entweder einen geringeren oder einen größeren Teil davon für seinen Lebensunterhalt verwenden. Diese Ungleichbehandlung
verschiedener Gruppen von Hilfebedürftigen würde nur vom Zufall des Entlassungstages abhängen und wäre demnach nicht sachlich
gerechtfertigt. Es kann auf nicht angenommen werden, dass §
51 Abs.
1 StVollzG eine solche Besserstellung der Empfänger von Überbrückungsgeld bezweckt.
Eine von der Verteilungsregelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG II-V abweichende Behandlung des Überbrückungsgeldes ist daher nicht angezeigt.
Nach alldem kommt es nicht darauf an, ob der Kläger, wie der Beklagte meint, im Falle eines an die Haftentlassung anschließenden
vierwöchigen Ausschlusses von den Leistungen SGB II keine Leistungen der Eingliederung nach §§ 16 bis 16g SGB II hätte erhalten können.
Rechtlich ist daher im Ausgangspunkt nichts dagegen einzuwenden, dass der Beklagte das dem Kläger zugeflossene Überbrückungsgeld
ab dem Zuflussmonat auf mehrere Monate verteilt hat. Der Beklagte ist jedoch dabei von einem zu niedrig bemessenen Bedarf
des Klägers ausgegangen. Dem Kläger stand im streitigen Zeitraum nur der gesetzliche Regelbedarf zu. Anhaltspunkte für Mehrbedarfe
sind nicht ersichtlich. Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) sind dem Kläger nicht entstanden, da er während des gesamten
streitigen Zeitraums stationär untergebracht war und keine eigene Wohnung unterhielt. Der gesetzliche Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II betrug im Juni 2009 351,00 EUR und ab Juli 2009 359,00 EUR. Der Bedarf des Klägers minderte sich nicht, wie der Beklagte
meint, dadurch, dass er stationär untergebracht war und dort Vollverpflegung erhielt sowie mangels einer eigenen Wohnung keine
Kosten für Energie, Möbel, Haushaltsgeräte, Medikamente oder Verkehr hatte. Eine Kürzung des Regelbedarfs kann nur aufgrund
einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage erfolgen (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R -). Vorliegend kommen nur § 2 Abs. 5 und 6 der ALG II-V in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung als rechtliche Grundlage in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob diese Regelungen
noch von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 SGB II gedeckt sind (zur Vorfassung zweifelnd BSG a.a.O.), war der Bedarf des Klägers im streitigen Zeitraum nicht nach § 2 Abs. 5 und 6 ALG II-V gemindert. Nach § 2 Abs. 5 ALG II-V ist nur der Wert der "vom Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung" zu berücksichtigen. Die dem Kläger in der stationären
Entzugstherapie gewährte Vollverpflegung fällt nicht darunter. Sonstige Einnahmen in Geldeswert nach § 2 Abs. 6 ALG II-V waren mit dem stationären Klinikaufenthalt nicht verbunden. Allein der Umstand, dass der Kläger während der Therapie
keine eigene Wohnung unterhielt und deswegen keine Kosten für Energie hatte und andere Bedarfe ebenfalls nicht im üblichen
Umfang anfielen, stellt keine "Einnahme" dar und berechtigt nicht zur Kürzung der Regelleistung.
Der Senat ist nicht dadurch an die fehlerhafte Bedarfsberechnung des Beklagten gebunden, dass das SG ebenfalls von einem verminderten Regelbedarf des Klägers ausgegangen ist und nur der Beklagte Berufung gegen das erstinstanzliche
Urteil eingelegt hat. Das SG hat nur ein nicht vollstreckbares und daher unstatthaftes Grundurteil erlassen und deswegen gerade keine Bedarfsberechnung
vorgenommen. Seine Erwägungen zur Verminderung des Regelbedarfs des Klägers sind nur als ein Hinweis auf die Rechtsauffassung
des Gerichts im Hinblick auf die weitere Sachbearbeitung durch den Beklagten zu verstehen.
Der monatliche Bedarf des Klägers ab dem Tag seiner Entlassung aus der Haft am 22.06.2009 entsprach daher dem gesetzlichen
Regelbedarf. Für Juni war nach § 41 Abs. 1 S 1-3 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung vom 24.12.2003 (BGBl. I 2954) ein Teilbedarf für 9 Tage zu errechnen. Dieser belief sich
auf (351 : 30 x 9 =) 105,30 EUR. In den Monaten Juli bis September war der volle Regelbedarf von 359,00 EUR anzusetzen. Dem
Bedarf des Klägers stand das am 22.06.2009 ausgezahlte Überbrückungsgeld von 1.404,00 EUR gegenüber. Von diesem waren im Zuflussmonat
die Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzen und der Rest auf den Verteilzeitraum umzulegen (BSG, Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 180/10 R - zit nach [...]). Vorliegend kommt als Absetzbetrag nur die Pauschale von 30,00 EUR für private Versicherungen nach §
6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V in der hier anzuwendenden Fassung vom 17.12.2007 (BGBl. I S 2942) in Betracht. Zu verteilen war daher ein Betrag von
1.374,00 EUR.
Dieser war nach den Vorgaben des § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG II-V in der damals geltenden Fassung auf einen angemessene Zeitraum zu verteilen. In Anbetracht des oben dargelegten Zwecks
der Erhaltung der Pflichtversicherung in der GKV können die Teilbeträge so bemessen werden, dass lediglich ein Restleistungsbetrag
von 0,01 EUR verbleibt, der Kläger also zur Deckung seines Lebensunterhalts faktisch auf das Überbrückungsgeld verwiesen wird.
Der Verteilzeitraum begann nach § 2 Abs. 4 S 1 ALG II-V am 22.06.2009. Im Juni war vom Überbrückungsgeld von 1.374,00 EUR ein Teilbetrag von 105,29 EUR zu berücksichtigen,
im Juli, August und September 2009 jeweils 358,99 EUR. Mit Ablauf des Monats September 2009 waren damit 1182,26 EUR verteilt,
mithin das Überbrückungsgeld noch nicht erschöpft.
Der Beklagte war demnach nicht verpflichtet, dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 22.07. bis zum 30.09.2009 mehr Leistungen
zu erbringen als er mit dem angegriffenen Bescheid bewilligt hat. Seiner Berufung war deswegen stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 S 1
SGG.
Der Senat lässt die Revision gegen dieses Urteil nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu.