Pflegeversicherung; Zur gerichtlichen Festsetzung der Sachverständigenvergütung nach JVEG - Honorargruppe M 1; gerichtliche Festsetzung; Sachverständigenvergütung; Gutachten; Pflegegutachten; Honorar; Vergütung;
M1
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Dipl.-Pflegewissenschaftler. Er hat aufgrund der Beweisanordnung des Senatsvorsitzenden vom 19. Oktober
2016 das Gutachten über den Umfang des Pflegebedarfs des Klägers nach dem
SGB XI vom 23. Dezember 2016 erstattet. Er hat Gesamtaufwendungen i.H.v. 4.241,98 EUR geltend gemacht und seinen Gesamtzeitaufwand
nach der Honorargruppe M 3 der Anlage 1 des JVEG (= 100 EUR/Stunde) angesetzt.
Der Bezirksrevisor bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat am 7. Februar 2017 die gerichtliche Festsetzung der Vergütung
des Sachverständigen gemäß § 4 JVEG beantragt. Er hat lediglich die Zuordnung der erbrachten Sachverständigenleistungen zur Honorargruppe M 3 nach § 9 JVEG gerügt. Der gewählte Stundenansatz sei zu beanstanden. Ein pflegewissenschaftliches Gutachten sei nicht mit einem medizinischen
Gutachten gleichzusetzen. Daher sei schon die Zuordnung zu den Honorargruppen M 1 bis M 3 ausgeschlossen. Angemessen sei die
Zuordnung der erbrachten Sachverständigenleistung zur Honorargruppe 1 (= 65 EUR/Stunde). Es werde die Festsetzung der Vergütung
i.H.v. 2.343,90 zuzüglich Umsatzsteuer i.H.v. 445,34 EUR (= 2.789,24 EUR) beantragt.
Der Antragsteller hat eingewendet, angesichts der umfangreichen Aktenlage, dem langen Zeitraum, der teils widersprüchlichen
Angaben des Klägers sowie den notwendigen Stellungnahmen und Schlussfolgerungen zu den gesundheitlichen Einschränkungen nehme
er einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad an. Daher sei er von der üblicherweise beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
für Pflegegutachten abgerechneten Vergütungsgruppe M 2 nach oben abgewichen. Ferner hat der Antragsteller Angaben zu dem Zeitaufwand
für die Gutachtenserstattung gemacht.
Der Bezirksrevisor hat daraufhin erwidert, eine übliche Vergütung von Pflegegutachten beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
nach der Honorargruppe M 2 werde bestritten. Regelmäßig erfolge aber wohl eine Vergütung nach der Honorargruppe M 1, die der
Honorargruppe 1 entspreche.
Der Antragsteller hat daran festgehalten, dass er bislang alle erstatteten Pflegegutachten nach der Vergütungsgruppe M 2 abgerechnet
habe. Er nochmals auf den überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad für die Beantwortung der Beweisfragen hingewiesen.
II.
1.a.
Der Antrag des Antragsgegners auf gerichtliche Festsetzung der Vergütung des Antragstellers ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG zulässig.
b.
Zuständig für die gerichtliche Festsetzung ist nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG der Senatsvorsitzende, der zugleich der Berichterstatter in dem Hauptsacheverfahren gewesen ist. Eine Übertragung auf den
Senat gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG ist nicht erfolgt, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und auch keine
grundsätzliche Bedeutung hat.
2.
Der Antrag des Antragsgegners auf gerichtliche Festsetzung der Vergütung des Antragstellers gemäß der Honorargruppe 1 nach
der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG ist auch begründet.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung u.a. ein Honorar für ihre Leistungen. Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen
ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Die Zuordnung zu einer
Honorargruppe bestimmt sich nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG.
Der Antragsgegner hat für seine Abrechnung auf die Honorargruppe M 3 abgestellt. Die Honorargruppen M 1 bis M 3 sind allerdings
nur für medizinische Gutachten vorgesehen. Dies ergibt sich eindeutig aus der entsprechenden Überschrift der Anlage 1 "Gegenstand
medizinischer und psychologischer Gutachten". Hier hat der Antragsgegner weder ein medizinisches noch ein psychologisches
Gutachten erstattet. Vielmehr handelte es sich um ein Gutachten im Hinblick auf den Umfang der Pflegebedürftigkeit nach dem
SGB XI.
Da die Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit nach dem
SGB XI keine eigene Honorargruppe enthält, ist das Honorar nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG zu bestimmen. Danach ist die Entschädigung unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich
und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze der Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen.
Hier ist eine Zuordnung zur Honorargruppe 1 vorzunehmen und gerechtfertigt. Diese entspricht der Höhe der Vergütung nach der
Honorargruppe M 1. Darunter werden einfache ärztliche gutachterliche Beurteilungen insbesondere in Gebührenrechtsfragen, zur
Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung, zur Haft-, Verhandlungs- oder Vernehmungsfähigkeit oder zur Verlängerung
einer Betreuung gefasst. Die Einstufung eines ärztlichen Gutachtens in die Honorargruppe M 2 setzt hingegen eine beschreibende
Begutachtung des Ist-Zustands nach standardisiertem Schema, ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge, mit einfacher
medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad voraus. Die Honorargruppe M 3 ist nur für ärztliche
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad vorgesehen, etwa für spezielle Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostische
Probleme und/oder Beurteilung einer Prognose und/oder strittige Kausalitätsfragen.
Vom Schwierigkeitsgrad entspricht das vorgelegte Gutachten der Honorargruppe M 1. Die Beweisanordnung vom 19. Oktober 2016
enthält einen standardisierten, einfachen Fragenkatalog zur Ermittlung der Pflegestufe nach dem
SGB XI, der keine besonderen Schwierigkeiten erkennen lässt (so auch: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. August
2008, L 4 P 35/07, nicht veröffentlicht). Die Beweisfragen orientieren sich vielmehr ausschließlich an den gesetzlichen Vorgaben des
SGB XI für die Bestimmung des Grundpflegebedarfs. Eine Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands war
nicht gefordert.
Eine höhere Einstufung entsprechend der Honorargruppen M 2 oder M 3 ist hier nicht angebracht. Die umfangreiche Aktenlage
und der lange Beurteilungszeitraum führen nicht dazu, dass dies den Schwierigkeitsgrad des Gutachtens in fachlicher Hinsicht
entscheidend erhöht hätte. Diese Umstände werden vielmehr durch den von dem Antragsteller in Rechnung gestellten Zeitansatz
für Aktenstudium und Ausarbeitung in vollem Umfang berücksichtigt.
Auch der Einwand, wegen teils widersprüchlicher Angaben des Klägers sowie den notwendigen Stellungnahmen und Schlussfolgerungen
zu den gesundheitlichen Einschränkungen habe ein überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad vorgelegen, überzeugt nicht. Es
liegt in der Natur der Sache, dass in Gerichtsverfahren über die Pflegestufe nach dem
SGB XI regelmäßig die Angaben zum Betreuungsbedarf von den tatsächlichen Umständen abweichen. Die gesundheitlichen Einschränkungen
des Klägers sind zwar insgesamt stark ausgeprägt. Dies hat jedoch nicht dazu geführt, dass die geforderte Ermittlung des Grundpflegebedarfs
deshalb wesentlich erschwert gewesen wäre. Der Gutachter hat anlässlich der Durchführung des Hausbesuchs und nach Vorsprache
beim Arbeitgeber den Hilfebedarf für die einzelnen Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität bestimmen
können. Soweit für die zwei von ihm laut Beweisanordnung geforderten Besuche ein höherer Zeitaufwand als üblich angefallen
ist, wird dies ebenfalls durch den von dem Antragsteller abgerechneten Zeitaufwand uneingeschränkt berücksichtigt.
Ferner zu berücksichtigen, dass bei der Zuordnung zur Honorartruppe M 1 - zu Gunsten des Antragsgegners - die Gleichstellung
der außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze seiner Berufsgruppe mit denen von Ärzten angenommen wird.
Dem Argument des Antragsgegners, frühere Gutachten seien regelmäßig nach der Honorargruppe M 2 abgerechnet worden, ist nicht
weiter nachzugehen. Ein Rechtsanspruch auf eine höhere Vergütung allein aufgrund von früheren Gepflogenheiten besteht nicht.
3.
Da der Antragsteller keine Einwände hinsichtlich der Abrechnung des Gutachtens in zeitlicher Hinsicht erhoben hat, bestand
kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Ausgehend von den abgerechneten Stunden ergibt sich folgender Vergütungsanspruch: Zeitaufwand
30 Std. je 65 EUR = 1.950 EUR; Zwei Tagesfahrkarten = 15 EUR; Zwei Hausbesuche 4,5 Std. je 65 EUR = 292,50 EUR; Schreibauslagen
= 86,40 EUR; Porto = 13,29 EUR; Umsatzsteuer = 447,87 EUR; Gesamt: = 2.805,06 EUR
4.
Das Verfahren ist nach § 4 Abs. 8 JVEG gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).