Unfallversicherungsrecht
Zeckenbiss als Arbeitsunfall
Anforderungen an den Beweismaßstab
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall.
Die Klägerin war an diesem Tag im Rahmen des Sportfestes der Staatlichen Grundschule K. als aufsichtsführende Lehrerin eingesetzt.
Bei einem routinemäßigen Hausarztcheck am 6. Juni 2012 erfolgte eine Kontrolle des Borreliose-Titers, welcher im Hinblick
auf Borrelien auffällige Werte ergab. Daraufhin erstattete die Schule der Klägerin am 2. Juli 2012 eine Unfallanzeige. Die
Klägerin sei auf dem Sportplatz von einer Zecke gebissen worden. In einem Telefongespräch am 24. September 2012 teilte die
Klägerin mit, dass sie die Zecke selber entfernt habe und eine leichte Rötung entstanden sei. Anschließend sei sie nicht zum
Arzt gegangen. Am 6. Juni 2012 sei sie wegen eines Routine Checks beim Arzt gewesen. Sie habe dort sofort Antibiotika bekommen.
Seit Ende August 2012 habe sich ihre Sehkraft erheblich verschlechtert. Zugleich wies sie auf eine durchgemachte Erkrankung
an Borreliose vor 13 Jahren hin. Nach Beiziehung von Behandlungsunterlagen holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme
von Frau Dr. W-F. ein. Diese äußerte erhebliche Zweifel, ob der Zeckenbiss vom 1. Juni 2012 bereits wenige Tage später zu
einem positiven Ergebnis im Hinblick auf eine Borrelien-Infektion führen könne. Antikörper würden sich nur langsam im Verlauf
von vier bis sechs Wochen entwickeln, sodass der positive Titer-Befund nicht als Folge des kurz zurückliegenden Zeckenbisses
im Rahmen des Sportfestes angesehen werden könne. Auch in der Folgezeit habe sich eine typische Symptomatik nicht entwickelt.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2013 die Anerkennung des Ereignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall
ab. Ein Gesundheitsschaden in Form einer Borrelieninfektion als Folge des Ereignisses könne nicht nachgewiesen werden. Ein
Unfall sei nicht bewiesen. Die labortechnischen Befunde würden für eine länger zurückliegende Infektion sprechen. Ein Widerspruch
der Klägerin hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2013 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 29. August 2013 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Schriftsätzlich hat sich die Klägerin
am 25. Februar 2014 dahingehend eingelassen, dass die Zecke am Abend beim Duschen entfernt worden sei und nicht während des
Sportfestes. Nach dem Sportfest sei sie ins Auto gestiegen, nach Hause gefahren und nicht mit Grünflächen oder Pflanzen in
Berührung gekommen. Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ein Gutachten der Neurologin Frau Dr. S. eingeholt. Diese führt in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 aus, dass es hinsichtlich
des zeitlichen Verlaufs bezüglich der Infektion fraglich sei, ob tatsächlich eine Übertragung der im Zeckendarm lebenden Borrelien
in der relativ kurzen Zeit stattgefunden haben kann. Die Klägerin habe angegeben, die Zecke am gleichen Tag entfernt zu haben.
Nach der Literatur benötige eine Zecke in der Regel 16 - 24 Stunden, um die Erkrankung zu übertragen. In 80% der Fälle komme
es nach dem Zeckenstich zur Ausbildung eines Erythema migrans. Eine derartige kreisrunde Rötung sei nicht beobachtet und auch
vom Hausarzt am 6. Juni 2012 nicht beschrieben worden. Bereits am 6. Juni 2012 hätten sich erhöhte Borrelien-IgM-Antikörper
gezeigt. Bei den IgM-Antikörpern handele es sich um die Sofortreaktion des Körpers auf eine Infektion. Die Frage, wann die
ersten Antikörper messbar seien, werde unterschiedlich beantwortet. Die Zeiträume variierten zwischen zwei bis sechs Wochen.
Teilweise werde auch das Auftreten im Zeitraum von Tagen angenommen. Die Vielzahl der von der Klägerin geklagten allgemeinen
Beschwerden sei zu unspezifisch, um von einer Borrelieninfektion auszugehen. Die Liquordiagnostik im Hinblick auf eine Neuroborreliose
in der Fachklinik St. sei negativ gewesen. Daraufhin legte die Klägerin ein Gutachten der Fachärztin für klinische Pharmakologie
Dr. D.-W., die nach eigenen Angaben eine Borreliose Praxis in E. betreibt, vor. Dieses Gutachten ist ausschließlich im Auftrag
der Klägerin erstellt worden. Darin führt diese aus, dass ein Zeckenstich als solcher selten bemerkt werde und die Saugzeit
daher nur zu schätzen sei. Erfolge der Stich am Vormittag und die Entfernung vor dem Schlafengehen, ergebe sich eine mehrstündige
Saugzeit, die durchaus ausreichen könne. Der Zeitraum der Antikörperbildung hänge auch von individuellen Faktoren ab. Andere
mögliche Ursachen für die Erkrankung der Klägerin seien nicht dokumentiert. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Dezember
2015 wies die Sachverständige Dr. S. darauf hin, dass die Saugzeit nach wie vor als sehr kurz anzusehen sei und die Infektionswahrscheinlichkeit
mit Länge der Saugdauer zunehme. Ein lokales Erythema migrans sei bei der Klägerin nicht zur Ausbildung gekommen. Nach den
Leitlinien sei für die Diagnose einer Neuroborreliose das Vorliegen entzündlicher Liquorveränderungen erforderlich.
Das Sozialgericht Altenburg hat die Klage mit Urteil vom 30. November 2016 abgewiesen. Es stehe nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit fest, dass sich die Klägerin am 1. Juni 2012 während ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin eine Borrelieninfektion
durch einen Zeckenstich zugezogen habe. Es sei völlig offen, ob während des Aufenthalts der Klägerin auf dem Sportplatz tatsächlich
Borrelien übertragen worden seien. Der Zeitpunkt des tatsächlichen Einstichs sei ungeklärt. Nach dem Sachverständigengutachten
von Frau Dr. S. benötige eine Zecke in der Regel 16 bis 24 Stunden, um die Erkrankung zu übertragen. Daher sei zumindest fraglich,
ob tatsächlich eine Übertragung in der relativ kurzen Zeit stattgefunden haben könne. Die fehlende Ausbildung eines Erythema
migrans sei ein Argument gegen einen Ursachenzusammenhang. Dasselbe gelte für die Feststellung erhöhter Borrelien-IgM-Antikörper
bereits fünf Tage nach dem Sportfest. Das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten von Frau Dr. W. sei nicht geeignet,
die Überzeugung der Kammer zu erschüttern. Sie argumentiere ausschließlich damit, dass Durchschnittswerte in Einzelfällen
unter- oder überschritten werden könnten. Damit lasse sich aber die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht begründen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin sei am 1. Juni 2012 von ca. 8:00 bis 13:30 Uhr mit den Schülern
auf dem Sportplatz gewesen. Es habe somit ein erhebliches Zeitfenster dafür bestanden, von einer Zecke gestochen zu werden
und auch die Möglichkeit der Borrelienübertragung sei gegeben gewesen. Sie habe die Zecke erst am 1. Juni 2012 gegen 23:00
Uhr beim Duschen entdeckt. Der Vollbeweis einer Krankheitsübertragung am Tag des Schulfestes unterlaufe wegen der im Regelfall
unbemerkten Ansteckung den Unfallschutz nach §
8 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) und sei deshalb nicht grundrechtskonform. Die Bezugnahme auf Erkenntnisse des R.-K.-I. durch das Sozialgericht sei nicht
zulässig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2013 aufzuheben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalles am 1. Juni 2012 festzustellen,
hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2016 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter (§§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3,4
SGG) erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit aufgrund des im Erörterungstermin vom 12. Juni 2017 erklärten Einverständnisses der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter durch Urteil entscheiden (§§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3,
4 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (§§
143,
151 SGG).
Das Sozialgericht Altenburg hat die Klage zu Recht abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung des Ereignisses
vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
54 SGG).
Nach § 8 Abs. 1 S 1SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach §
8 Abs.
1 S 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen
Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes,
von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv
und rechtlich wesentlich verursacht haben (BSG, Urteil vom 26. Juni 2014, Az.: B 2 U 4/13 R, zitiert nach Juris).
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und
feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und
"Gesundheitsschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger
die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige
Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit
wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden
(haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens
(haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (BSG, Urteil vom 20. März 2007, Az.: B 2 U 27/06 R). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen,
die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, Az.: B 2 U 2/11 R; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung
geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch
entfällt.
Das Begehren der Klägerin scheitert bereits an der fehlenden Feststellung der Ausübung einer versicherten Verrichtung zum
Zeitpunkt des Zeckenbisses. Fest steht nur, dass die Klägerin am 1. Juni 2012 im Rahmen des Sportfestes in der Staatlichen
Grundschule K. in der Zeit von 8:00 bis 13:30 Uhr bzw. 14:00 Uhr als aufsichtsführende Lehrerin auf dem Sportplatz eingesetzt
und in dieser Zeit grundsätzlich versichert war. Diese Feststellung allein reicht jedoch nicht aus, anzunehmen, dass die Klägerin
zum Zeitpunkt des Zeckenbisses bzw. des Erstkontakts mit der Zecke einer versicherten Verrichtung nachging. Der Zeitpunkt
eines möglichen Zeckenbisses bzw. des erstmaligen Kontakts mit der Zecke ist völlig offen. Die Klägerin hat selbst sowohl
im Rahmen des Klageverfahrens als auch in der Berufungsbegründung angegeben, die Zecke am 1. Juni 2012 abends gegen 23:00
Uhr beim Duschen entdeckt und entfernt zu haben. Dass ein Zeitfenster von 8:00 bis ca. 14:00 Uhr an dem 1. Juni 2012 verblieb,
in welchem die Klägerin von der Zecke gestochen und Borrelien übertragen worden sein können, begründet nicht den Vollbeweis
für den Zeitpunkt des Zeckenbisses bzw. des erstmaligen Kontakts mit der Zecke selbst. Der Vollbeweis beinhaltet, dass kein
vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch am Vorliegen einer Tatsache noch zweifelt. Selbst eine möglicherweise
hohe Wahrscheinlichkeit reicht für die Annahme des Vollbeweises nicht aus. In diesem Zusammenhang hilft die Diskussion zwischen
den Beteiligten über die Dauer der Saugzeit nicht weiter. Die Sachverständige Frau Dr. S. hat in ihrem Gutachten vom 4. Februar
2015 und vertiefend in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Dezember 2015 die Dauer der Blutmahlzeit der Zecke in der Regel
mit 16 bis 24 Stunden angegeben, wobei die Infektionswahrscheinlichkeit mit der Länge der Saugdauer zunimmt. Soweit hingegen
nach den Ausführungen der von der Klägerin vorgelegten Einschätzung der Ärztin Dr. W. in ihrem Privatgutachten vom 6. Juli
2015 auch kürzere Infektionszeiten möglich seien und von vielen Einzelfällen berichtet werde, bei denen sich nach sehr kurzer
bis dreistündiger Saugzeit ein Erythema migrans ausgebildet hat, hilft dies nicht weiter. Ein Erythema migrans ist von der
Klägerin weder beobachtet noch ärztlicherseits festgestellt worden. Wenn man eine dreistündige Saugzeit bereits für ausreichend
halten würde, wäre im Übrigen auch ein Zusammenhang mit dem Sportfest, welches unstreitig um 14:00 Uhr beendet war, ausgeschlossen,
da die Zecke nach den eigenen Angaben der Klägerin um 23:00 Uhr entfernt wurde. Daher lässt sich nicht aufklären, zu welchem
Zeitpunkt der Zeckenbiss, bzw. zu welchem Zeitpunkt der Kontakt mit der Zecke erstmalig erfolgt ist. Daher sind keine Feststellungen
dazu möglich, ob die Klägerin zu den genannten Zeitpunkten eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung wird damit auch der Unfallschutz nach §
8 SGB VII nicht unterlaufen. Der Gesetzgeber hat durchaus erkannt, dass es Fälle einer unbemerkbaren Ansteckung mit Krankheitserregern
beruflich bedingt geben kann. Dafür wurde das Institut der Berufskrankheiten nach §
9 SGB VII geschaffen. In diesen Fällen ist der Nachweis einer konkreten einzelfallbezogenen Einwirkung nicht erforderlich, sondern
es reicht vielmehr je nach Ausgestaltung des konkreten Tatbestandes der Nachweis einer beruflich bedingten Einwirkung aus.
Im Hinblick auf Borreliose ist insoweit auf die BK 3102 (von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) hinzuweisen. Eine
solche ist aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Klägerin hat ausschließlich im Verwaltungsverfahren die Anerkennung
eines Arbeitsunfalles beantragt.
Ferner lässt sich der für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles erforderliche Gesundheitserstschaden entweder nicht feststellen
oder der erforderliche hinreichende Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin und dem in
diesem Zusammenhang unterstellten Zeckenbiss lässt sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht führen. Nach ihren eigenen
Angaben hat die Klägerin am 1. Juni 2012 um gegen 23:00 Uhr die Zecke entfernt und dabei das für einen Zeckenbiss typische
Erythema migrans an sich nicht bemerkt. Auch ihr Hausarzt hat später keine Feststellungen in dieser Hinsicht getroffen. Soweit
aufgrund der bei der hausärztlichen Kontrolle am 6. Juni 2012 erhöhten Laborwerte und der anschließenden Erkrankung der Klägerin
ein Zusammenhang mit dem Zeckenbiss gesehen wird, fehlt es insoweit an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
Es sprechen wesentliche Umstände dagegen, dass die Erkrankungen der Klägerin auf einen in diesem Zusammenhang unterstellten
Zeckenbiss am 1. Juni 2012 zurückgeführt werden können. Aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. in ihrem Gutachten
vom 4. Februar 2015 ergibt sich, dass die fehlende Ausbildung eines Erythema migrans ein gewichtiges Argument gegen einen
Ursachenzusammenhang darstellt. Auch Dr. W. geht in ihrem Privatgutachten vom 6. Juli 2015 davon aus, dass ein Erythema migrans
beweisend für eine Borrelieninfektion ist. Soweit sie anschließend ausführt, dass das Fehlen eines Erythema migrans wie im
Fall der Klägerin kein Beweis dafür sei, dass keine Infektion stattgefunden habe, ändert dies nichts daran, dass ein positives
Zeichen für eine stattgehabte Borrelieninfektion nicht vorhanden ist. Des Weiteren reicht eine bloße Infektion mit Borrelien
für die Annahme eines erforderlichen Gesundheitsschadens nicht aus, sondern es ist eine Krankheit mit klinischer Symptomatik
zu fordern. Die Bildung von Antikörpern gegen einen Erreger allein stellt keinen regelwidrigen Gesundheitszustand dar (vgl.
dazu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2015, Az.: L 2 U 40/14, zitiert nach Juris). Ein zum Krankheitsbild einer Borreliose passender klinischer Befund kann vorliegend aber nicht gesichert
werden. Die Neurologin Dr. S. hat insoweit in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 ausgeführt, dass ein Zusammenhang der gesundheitlichen
Einschränkungen bei der Klägerin mit einem unterstellten Zeckenbiss am 1. Juni 2012 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
dargelegt werden kann. Sie begründet dies nachvollziehbar damit, dass bereits am 6. Juni 2012 erhöhte Borrelien-IgM-Antikörper
nachgewiesen werden konnten. Nach ihrer Einschätzung ist unter Auswertung der zur Verfügung stehenden Literatur der Zeitraum
vom Zeckenstich bis zum Auftreten der Antikörper sehr kurz und es bestehen daher erhebliche Zweifel, ob die festgestellten
positiven IgM-Antikörper tatsächlich von einem unterstellten Zeckenbiss am 1. Juni 2012 herrühren können. Allein der Nachweis
festgestellter positiver IgM-Antikörper reicht zudem für die Annahme eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Hinsichtlich
der bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen geht die Sachverständige lediglich von einer zeitlichen
Koinzidenz und nicht von einer Kausalität zwischen den borrelienspezifischen Antikörpern und den unspezifischen klinischen
Beschwerden aus. Das Privatgutachten von Dr. W. vermag dies nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Ihre Hauptbegründung ist,
dass andere mögliche Ursachen, die in einem sinnvollen zeitlichen Zusammenhang stehen, nicht gefunden worden seien. Das genügt
aber nicht den Beweismaßstäben in der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn nur aus der Tatsache, dass für eine bestimmte
Erkrankung andere Ursachen nicht nachgewiesen sind, ergibt sich nicht, dass ein angeschuldigtes Unfallereignis hierfür verantwortlich
zu machen ist. Allein ein zeitlicher Zusammenhang reicht nicht aus, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr
führen würde. Bestätigend tritt hinzu, dass das Vorliegen einer Neuroborreliose mangels negativen Liquorbefunds in der Fachklinik
in Stadtroda auszuschließen ist. Soweit Dr. W. auch insoweit ausführt, dass ein negativer Liquorbefund eine Neuroborreliose
nicht ausschließt, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Neuroborreliose
der Nachweis einer Neuroborreliose einen positiven Liquorbefund voraussetzt (AWMF-Registernummer: 030/071)
Daher lässt sich auch, unterstellt man geht von einem erlittenen Zeckenbiss am 1. Juni 2012 im Rahmen der versicherten Tätigkeit
aus, nicht hinreichend wahrscheinlich machen, dass die gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin darauf zurückzuführen sind.
Es sprechen hier gewichtige Gesichtspunkte dagegen.
Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das
Gericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche
und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift.
Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Auflage 2017, §
159 Rn. 3a). Dabei ist (nur) auf die Rechtsauffassung des Sozialgerichts abzustellen. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen nach §
160 Abs.
2 SGG, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.