Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage;
Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit zur Frage des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung aus der Sozialhilfe
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 24.3.2010, mit dem dieses seine
Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 28.4.2009 zurückgewiesen hat. In der Sache ging es um die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach
§ 30 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) wegen Diabetes mellitus.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt eine Divergenz sowie
das Vorliegen von Verfahrensfehlern. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage nach der Rechtsnatur der Empfehlungen des
Deutschen Vereins aus dem Jahre 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesen
neuen Empfehlungen liege noch nicht vor. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Rechtsprechung (Urteil vom 15.4.2008
- B 14/11b AS 3/07 R) herausgestellt, dass die Gerichte den krankheitsbedingten Mehrbedarf im Einzelnen feststellen und begründen müssten. Weder
SG noch LSG hätten demgegenüber ein Sachverständigengutachten eingeholt. Das Urteil des LSG weiche deshalb nach seinem (des
Klägers) "Dafürhalten" von der Rechtsprechung des BSG ab. Ob das Urteil auf dieser Abweichung beruhe, "hänge letztlich davon
ab, welche Einzelfallermittlung das BSG für erforderlich halte". Schließlich beruhe die Entscheidung des LSG darauf, dass
es zur Berufungsverhandlung keinen Dolmetscher für Arabisch herangezogen habe. Zwar sei er (der Kläger) zur Sitzung mit seiner
deutsch sprechenden Tochter erschienen. Im Laufe der Verhandlung habe der Prozessbevollmächtigte jedoch die Verletzung rechtlichen
Gehörs durch Nichthinzuziehung eines Dolmetschers gerügt, weil das LSG der Tochter keine Gelegenheit zur Übersetzung gegeben
habe und er (der Kläger) der Verhandlung nicht habe folgen können.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet sind (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss er mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen,
ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500
§ 160a Nr 34 S 70 mwN).
Zumindest die Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit sind nicht ausreichend erläutert. An der Darlegung der Klärungsfähigkeit
fehlt es bereits deshalb, weil die Beschwerdebegründung jegliche Sachverhaltsfeststellung vermissen lässt, sodass weder die
einzelnen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs noch der Streitgegenstand als solcher aus der Beschwerdebegründung
heraus für den Senat erkennbar sind, Letzteres insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Berufungsverfahren die Berufungsfähigkeit
des erstinstanzlichen Urteils nach §
144 SGG problematisiert worden ist. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit andererseits hätte sich der Kläger nicht mit der Behauptung
begnügen dürfen, höchstrichterliche Entscheidungen lägen nicht vor, obwohl er selbst eine Entscheidung des BSG vom 15.4.2008
(B 14/11b AS 3/07 R) zitiert, in der auf weitere Entscheidungen des BSG zur Rechtsnatur der Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen
in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. verwiesen ist. Hier hätte es einer genaueren
Herausarbeitung bedurft, weshalb diese Entscheidungen die aufgeworfene Rechtsfrage nicht abschließend geklärt haben.
Dazu im Widerspruch vertritt der Kläger selbst ohnedies mit seiner Divergenzrüge die Ansicht, das LSG sei mit seiner Entscheidung
von der bezeichneten Entscheidung des BSG abgewichen. Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung jedoch nicht den gesetzlichen
Anforderungen. Eine Divergenz liegt nämlich nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung
von einem abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
aufgestellt hat; eine Abweichung liegt folglich nicht schon vor, wenn das Urteil des LSG nicht den aufgestellten Kriterien
dieser Rechtsprechung entspricht, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe
entwickelt hat (s nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Eine solche angebliche Abweichung hat der Kläger indes nicht herausgearbeitet;
vielmehr übt er in Wirklichkeit nur Kritik am Inhalt der Entscheidung, was für die Zulassung der Revision nicht genügt (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Bezeichnend ist seine eigene Wortwahl, nach seinem "Dafürhalten" sei das LSG von der Rechtsprechung
des BSG abgewichen und die Frage, ob das Urteil auf der Abweichung beruhe, sei letztlich "davon abhängig, welche Einzelfallermittlungen
das BSG für erforderlich halte". Auch für die Divergenzrüge fehlt es zudem an einer ausreichenden Sachverhaltsfeststellung,
um die Entscheidungserheblichkeit für das Urteil des LSG beurteilen zu können (vgl zu dieser Voraussetzung BSG SozR 1500 §
160a Nr 54).
Schließlich fehlt es auch an einer ausreichenden Bezeichnung des Zulassungsgrundes eines Verfahrensmangels. Macht ein Beschwerdeführer
das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann, müssen bei der Bezeichnung
des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel
(vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen
Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a
Nr 14 und 36), es sei denn, es würden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß §
202 SGG iVm §
547 Zivilprozessordnung der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Bei der Verletzung des §
187 Gerichtsverfassungsgesetz (Hinzuziehung eines Dolmetschers) handelt es sich jedoch nicht um einen absoluten Revisionsgrund (BSG SozR 3-1720 § 189 Nr
1), sondern um eine spezielle Form der Gewährung rechtlichen Gehörs (BVerwG Buchholz 310 §
55 VwGO Nr 6). Aus diesem Grund wäre auch hier eine Sachverhaltsschilderung erforderlich gewesen, die gänzlich fehlt. Zudem hätte
der Kläger vortragen müssen, was er bei Einschaltung eines Dolmetschers vorgetragen hätte, damit der Senat überhaupt in die
Lage versetzt wird zu beurteilen, ob das verhinderte Vorbringen Einfluss auf die Entscheidung der Vorinstanz hätte haben können
(vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
160a RdNr 16d mwN zur Rechtsprechung). Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim LSG anwaltlich vertreten war, ist das
von ihm gerügte Verhalten des LSG nicht im Ergebnis so zu werten, als sei ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
verwehrt worden, sodass es ausnahmsweise nach der Rechtsprechung einer näheren Darlegung des Beruhenkönnens nicht bedurft
hätte (vgl zu dieser Voraussetzung nur den Beschluss des 7. Senats des BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - mwN - juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.