Grad der Schädigung als Folge eines sexuellen Missbrauchs
Verfahrensrüge
Rüge des Übergehens eines Beweisantrags
Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung
Anhörungsmitteilung
1. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
3 Halbs. 2
SGG gehört werden, wenn er einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt und noch zumindest
hilfsweise aufrechterhalten hat.
2. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das LSG von der ihm durch §
153 Abs.
4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn
es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
3. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach §
153 Abs.
4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung
mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als
förmliche Beweisanträge i.S. des §
160 Abs.
2 Nr.
3 SGG ansieht.
4. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten
oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche
Beweisanträge stellen.
Gründe:
I
Die Klägerin beansprucht einen höheren Grad der Schädigung (GdS) als Folge eines sexuellen Missbrauchs.
Der Beklagte hat bei der Klägerin nach medizinischen Ermittlungen zunächst einen GdS von 30 anerkannt und ihr eine entsprechende
Beschädigtenrente gewährt (Bescheid vom 18.2.2011, Widerspruchsbescheid vom 9.6.2011).
Im von der Klägerin angestrengten Klageverfahren hat der Beklagte für einen begrenzten Zeitraum (Dezember 2009 bis April 2011)
einen höheren GdS von 40 anerkannt. Die weitergehende Klage ist erfolglos geblieben (Urteil vom 27.1.2014).
Das LSG hat die Berufung der Klägerin nach medizinischen Ermittlungen zurückgewiesen. Die seelische Störung der Klägerin bedinge
keinen höheren GdS als 30, wie der Senat schon zuvor im Schwerbehinderten-Streitverfahren zum Grad der Behinderung der Klägerin
geurteilt habe (Beschluss vom 13.2.2017).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es den medizinischen Sachverhalt unzureichend aufgeklärt
habe.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
der behauptete Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde, wie im Fall der Klägerin, darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf
dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§
103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt
ist. Daran fehlt es hier.
Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags iS von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG gehört werden, wenn er einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt und noch zumindest
hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.4.2006 - B 1 KR 97/05 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn
- wie hier - das LSG von der ihm durch §
153 Abs
4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn
es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den
Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach §
153 Abs
4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung
mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als
förmliche Beweisanträge iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten
oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche
Beweisanträge stellen (vgl BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - Juris RdNr 4 f mwN).
Die Klägerin legt nicht dar, ob und falls ja welche Beweisanträge sie nach Zugang der Anhörungsmitteilung aufrechterhalten
oder gestellt hätte. Daher kann sie nicht mit Erfolg eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG rügen.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.