LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2014 - 11 KR 1727/13
Erstattung von Kosten einer stationär durchgeführten Knieoperation mit Spendertransplantat
Fundstellen: NZS 2014, 621
Normenkette: KHEntgG § 6 Abs. 2a ,
KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 2 ,
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Vorinstanzen: SG Heilbronn 19.03.2013 S 11 KR 1878/11
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.03.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer stationär durchgeführten Knieoperation, bei der ein Spendertransplantat
verwendet wurde.
Der 1984 geborene Kläger ist Zimmermann und bei der Beklagten krankenversichert. Bei dem Kläger wurde 2006 bei Instabilität
des linken Kniegelenks eine hintere Kreuzbandrekonstruktion durchgeführt. 2010 bestand erneut eine Instabilität des linken
Kniegelenks, der Kläger war aufgrund dessen in seiner Tätigkeit als Dachdecker arbeitsunfähig.
Am 25.08.2010 ging bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung der Orthopädischen Klinik M. (OKM) ein, mit welcher der
Chefarzt Dr. R. um Kostenübernahme einer geplanten Operation bat. Es sei ein komplexstabilisierender Eingriff mit vorderer
und hinterer Kreuzbandrekonstruktion sowie Augmentation des Innenbandes geplant, für die vordere und hintere Kreuzbandrekonstruktion
sei jedoch eine Spendersehne notwendig. Es werde um Übernahme im Rahmen der Fallpauschale plus Kosten für die Spendersehnen
von 2.500,00 EUR gebeten. Alternativ müsse eine Quadrizepssehnenentnahme beidseits erfolgen, welche die Morbidität jedoch
erheblich vergrößern würde.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten
vom 10.09.2010 führte Dr. P. aus, es bestehe zweifelsfrei eine medizinische Indikation zur Rekonstruktion der Kreuzbänder,
gerade in Hinsicht auf einen bereits fehlgeschlagenen Stabilisierungsversuch. Die Versorgung mit einem Patellarsehnentransplantat
sei bei kniendem Beruf ungünstig, da Beschwerden im Bereich der Kniegelenkscheibe auftreten könnten. Im DRG-System sei ein
gesondertes Entgelt für den Einsatz eines Spendertransplantats nicht vorgesehen, die Abrechnung könne über die DRG-Regelsätze
erfolgen. Mit Bescheid vom 21.09.2010 lehnte die Beklagte daraufhin die Übernahme der Kosten von 2.500,00 EUR für die Spendersehne
ab.
Mit Widerspruch vom 04.10.2010 machte der Kläger geltend, es liege eine ärztliche Bestätigung vor, wonach die Krankenbehandlung
unumgänglich unter Benutzung einer Spendersehne durchzuführen sei. Mit weiterem Gutachten vom 14.10.2010 führte Dr. P. für
den MDK klarstellend aus, für die Versorgung der Knieinstabilität stünden verschiedene Techniken zur Verfügung, die auf der
Verwendung von körpereigenem Material zum Ersatz der zerstörten Kniebänder basierten. Die Verwendung einer Spendersehne sei
eine selten angewandte Technik. Die komplexen Kniegelenkseingriffe seien über die DRG I 30 Z abrechenbar. Für die Erstattung
bestimmter hochpreisiger Prozeduren seien sogenannte Zusatzentgelte im Fallpauschalenkatalog aufgenommen. Diese könnten bei
Einsatz derselben zusätzlich durch die Krankenhäuser in Rechnung gestellt werden. Für den Einsatz einer Spendersehne in der
rekonstruktiven Kniegelenkschirurgie gebe es kein gesondert berechenbares Zusatzentgelt. Vorliegend sei die Stabilisation
mittels Spendertransplantats möglich, die Verwendung der eigenen Kniescheibensehne (die im Vorgutachten erwähnte Patellarsehnentransplantation)
eher ungünstig. Mit weiterem Bescheid vom 21.10.2010 erklärte die Beklagte die Übernahme der Kosten für den geplanten Eingriff
im Rahmen des DRG-Systems (Fallpauschale). Die Mehrkosten für die Spendersehne seien vom Kläger selbst zu tragen.
Der Kläger schloss daraufhin mit der OKM einen Behandlungsvertrag/Wahlleistungsvereinbarung. Die stationäre Behandlung wurde
sodann in der OKM vom 25. bis 29.11.2010 durchgeführt. Für die stationäre Behandlung wurden dem Kläger mit Rechnung vom 18.02.2011
1.350,49 EUR in Rechnung gestellt. Berechnet war die Durchführung der Operation nebst entsprechender Visiten und Untersuchungen
nach GOÄ, Kosten für das Spendertransplantat selbst wurden dem Kläger nicht in Rechnung gestellt. Die Beklagte zahlte an die OKM die
von dieser für die Operation nach DRG I 30 Z geforderte Vergütung iHv 3.279,29 EUR.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten vertagte am 15.02.2011 ihre Entscheidung und holte eine weitere Stellungnahme des MDK
ein. Darin wurde ausgeführt, dass bei Primär- und Revisionseingriffen in 75% bzw. 67% gute oder sehr gute Ergebnisse mit allogenen
(= körperfremden) Transplantaten erzielt werden können. Grundsätzlich sei bei Primäreingriffen die Verwendung von körpereigenen
Transplantaten das Verfahren der Wahl, allogene Transplantate würden für Revisionseingriffe empfohlen, bei denen bereits autogene
Sehnen am Kniegelenk entnommen worden seien und bei Patienten, bei denen eine Kontraindikation für die Entnahme autogener
Sehnen bestehe. Als weitere Indikation würden multiple Bandrekonstruktionen gesehen. Zusammenfassend sei der Eingriff schonender,
da die Eigensehnenentnahme wegfalle, die Nachbehandlung sei jedoch aufwendiger und die Rehabilitation länger. Die Ergebnisse
seien akzeptabel. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2011 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten sodann den Widerspruch
zurück. Nach der sozialmedizinischen MDK-Bewertung seien die stationäre Behandlung und der operative Eingriff mit dem autogenen
Transplantat die adäquate Behandlungsform, welche unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes der medizinisch geeigneten
Versorgungsform entspreche und den Versorgungsauftrag erfülle. Die Beklagte sei mit der Kostenübernahme im Rahmen des DRG-Regelsatzes
I 30 Z ihrer Kostenverpflichtung nachgekommen. Darüber hinaus sei zu erwähnen, dass die allgemeinen Krankenhausleistungen
über die in § 7 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) genannten Entgelte (insbesondere Fallpauschalen und Zusatzentgelte) abgerechnet würden. Mit diesen Entgelten würden
alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet. Eine zusätzliche Vergütung
oder Zusatzentgelt für die Transplantation einer Spendersehne sei nicht vereinbart. Demnach sei auch eine Abrechnung dieser
Kosten im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen nicht möglich. Die aufgrund der vereinbarten Wahlleistung entstandenen
Mehrkosten habe der Kläger selbst zu zahlen.
Hiergegen richtet sich die am 20.05.2011 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, er habe den Behandlungsvertrag und die Wahlleistungsvereinbarung nur deshalb unterschrieben,
weil die Beklagte ihm zuvor die Kostenübernahme der Spendersehne abgelehnt habe. Er habe sich auf Empfehlung seines Orthopäden
bei Dr. R. vorgestellt. Dieser habe ihn darauf hingewiesen, dass bei ihm ausschließlich eine Knieoperation unter Einsatz einer
Spendersehne in Betracht komme. Hierfür würden laut Dr. R. Kosten anfallen, bei denen nicht gesagt werden könne, ob die Krankenkasse
diese voll übernehme. Nachdem die Beklagte die Übernahme der von Dr. R. bescheinigten Kosten abgelehnt habe, habe ihm Dr.
R. erklärt, er müsse einen Behandlungsvertrag unterschreiben, um sich operieren lassen zu können. Dies habe er dann getan
und anschließend einen Kredit aufgenommen. An dem operierten Knie sei er mittlerweile beschwerdefrei. Ergänzend hat der Kläger
eine ärztliche Bescheinigung von Dr. R. vom 25.05.2011 vorgelegt, wonach das operative Vorgehen mit vorderer und hinterer
Kreuzbandrekonstruktion und der Verwendung eines Spendertransplantats dringend indiziert gewesen sei, um die Funktionsfähigkeit
des Kniegelenks zu erhalten und eine frühzeitige Kniegelenksarthrose zu vermeiden. Dieser aufwendige, technisch sehr anspruchsvolle
Eingriff werde nur von sehr wenigen Kliniken angeboten und könne nur von sehr erfahrenen Operateuren durchgeführt werden.
In seiner Abteilung führe ausschließlich er selbst diese Operation durch.
Das SG hat ergänzend Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat ausgeführt, dass die von der OKM mit End-Rechnung
vom 20.11.2012 geforderte Vergütung nach DRG I 30 Z nebst Zuschlägen in Höhe von insgesamt 3.279,29 EUR gezahlt worden sei.
Der Kläger habe die Durchführung des operativen Eingriffs im Rahmen von Wahlleistungen gewünscht, für die Chefarzt-Behandlung
OP seien vom Kläger 1.350,49 EUR gezahlt worden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, die Kosten der Operation seien im Rahmen der DRG I 30 Z (komplexe
Knieeingriffe) mit der Klinik abgerechnet worden. Hinsichtlich der DRG handele es sich um Daten der Kalkulationskrankenhäuser.
Die ausgewiesenen Sachkosten in Höhe von 167,10 EUR beinhalteten alle im Rahmen der Operation benötigten Materialien. Der
Betrag stelle einen Mittelwert aller Kalkulationskrankenhäuser dar. In den ausgewiesenen Sachkosten seien daher auch die Kosten
für die Spendersehnen enthalten. Sollte in den Fällen der Spendersehne der Kostenansatz nicht ausreichen, hätte von Seiten
des Krankenhauses eine Zusatzvereinbarung mit den Krankenkassen abgeschlossen werden müssen, denn Organe an sich könnten nicht
als Sachleistung abgerechnet werden. Eine solche Zusatzvereinbarung sei von der Klinik offensichtlich nicht angefragt worden.
Bei der vorliegenden Rechnung handele es sich um eine Privatrechnung des Chefarztes. Die Leistung, die hier in Rechnung gestellt
werde, sei aber von der Beklagten schon im Rahmen der DRG I 30 Z erstattet worden. Die reinen Kosten der Spendersehne seien
aus der Rechnung nicht ersichtlich und insoweit auch nicht nachvollziehbar.
Mit Urteil vom 19.03.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die für die Operation entstandenen Kosten
in Höhe von 1.350,49 EUR zu erstatten. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs
aus § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V) seien erfüllt. Die Beklagte habe zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger den begehrten stationären Eingriff (Knieoperation unter
Verwendung einer Spendersehne) zu gewähren. Dem Kläger seien dadurch, dass er sich die notwendige Leistung - die privatärztlich
abgerechnete Knieoperation mit Einsatz einer Spendersehne - selbst verschafft habe, die von ihm geltend gemachten Kosten entstanden.
Die Beklagte habe zu Unrecht die Kostenübernahme im Rahmen der Fallpauschale plus Kosten für die Spendersehne von 2.500,00
EUR abgelehnt, indem sie den Kläger darauf hingewiesen habe, er habe die Kosten für die Spendersehne selbst zu tragen. Sinngemäß
sei der Antrag auf volle Kostenübernahme der begehrten Knieoperation gerichtet. Unter Zugrundelegung der sozialmedizinischen
Gutachten des MDK vom 10.09. und 14.10.2010 sei die Verwendung der eigenen Kniescheibensehne in diesem Fall eher ungünstig
und die vom Kläger begehrte operative Stabilisation mittels Spendertransplantat medizinisch indiziert. Mithin habe der Kläger
Anspruch auf volle Kostenübernahme der von ihm begehrten und medizinisch notwendigen Operation durch die OKM als zugelassenen
Leistungserbringer. Im konkreten Fall sei dies die Operation durch Dr. R., welcher der einzige Arzt in seiner Abteilung sei,
der diese schwierige Operation durchführe. Die in der OKM selbst beschaffte Leistung habe der von der Beklagten abgelehnten
Leistung - was die volle Kostenübernahme betreffe - entsprochen. Ohne Belang sei, dass sich der Kläger vor der Operation zur
Behandlung durch den Chefarzt verpflichtet habe. Er habe sich nämlich nicht auf eine Behandlung durch Oberärzte der OKM verweisen
lassen müssen. Was die Höhe der abgerechneten Leistung betreffe, dringe die Beklagte mit ihrem Einwand nicht durch, die reinen
Kosten der Spendersehne seien in der Rechnung vom 18.02.2011 nicht ersichtlich. Der Erstattungsumfang sei bei § 13 Abs 3 SGB V nicht auf die Sachleistungssätze begrenzt, vielmehr seien die Kosten der selbstbeschafften Leistung grundsätzlich in der
tatsächlich entstandenen Höhe zu erstatten. Der Versicherte solle so gestellt werden, als hätte die Krankenkasse die Sachleistung
rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Erzwinge die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung
des Versicherten, zögen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem
die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung. Der Kläger könne auch nicht lediglich die Mehrkosten für die
Spendersehne verlangen. Die beantragte Operation sei nicht zwischen selbst zu zahlenden Mehrkosten für die Spendersehne und
einer über die Fallpauschale vertragsärztlich abzurechnenden Standardoperation ohne Verwendung einer Spendersehne teilbar.
Die Beklagte habe vorliegend dem Kläger trotz wiederholter Kontaktaufnahme und der daraus erkennbaren Dringlichkeit des Anliegens
eines operativen Eingriffs keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostenfreien Krankenhausbehandlung gewährt. Im
konkreten Fall hätte es sich insbesondere aufgedrängt, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er einen Sachleistungsanspruch
auf die begehrte stationäre Spendersehnen-Operation durch die OKM habe. Die Ablehnung des Antrags des Klägers sei mithin die
wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung gewesen.
Gegen das ihr am 28.03.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.04.2013 eingelegte Berufung der Beklagten. Das SG habe die Beklagte zu Unrecht zur zusätzlichen Kostenerstattung verurteilt, denn es verkenne die Systematik der Krankenhausabrechnung
nach diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG). Als zugelassener Leistungserbringer habe sich die OKM an die an die Zulassung geknüpften
Vertragsbedingungen zu halten. Entsprechend dem DRG-System seien mit der Ziffer I 30 Z für komplexe Knieeingriffe alle bei
der Operation anfallenden Leistungen pauschaliert erfasst. Es werde bei der Kreuzbandoperation keine Unterscheidung gemacht,
ob künstliche Sehnen, eigene Sehnen oder Spendersehnen eingesetzt würden. Für die Erstattung bestimmter hochpreisiger Prozeduren
seien sogenannte Zusatzentgelte im Fallpauschalenkatalog aufgenommen worden. Für den Einsatz einer Spendersehne in der rekonstruktiven
Kniegelenkschirurgie gebe es kein solches gesondert berechenbares Zusatzentgelt. Seien für bestimmte Leistungen noch keine
Entgelte auf Bundesebene vereinbart, sehe § 6 KHEntgG die Möglichkeit vor, eine solche Vereinbarung - auch krankenhausindividuell
- zu treffen. Eine solche Vereinbarung liege nicht vor. Daneben bestehe die Möglichkeit, für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
(NUB) zu erreichen, dass eine gesonderte Entgeltvereinbarung geschlossen werden könne. Dazu müsste die NUB jedoch in dem Katalog
gelistet sein, den das Institut für Entgeltkalkulationen (InEK) jeweils zu Beginn des Jahres in einem Methodenkatalog, für
den gesonderte Entgelte vereinbart werden könnten, aufführe. Hinsichtlich von Kreuzbandplastiken seien keine NUB im Katalog
aufgeführt. Die Aussage des Dr. R., dass diese Operationen am Kreuzband häufiger von ihm durchgeführt würden und die Tatsache,
dass das Krankenhaus nicht von der Möglichkeit Gebrauch mache, entsprechende Zusatzentgelte für diese spezielle Operation
auszuhandeln, ließen den Rückschluss zu, dass die Kalkulation für das Krankenhaus ausreichend sei und auch die verschiedenen
Operationsmöglichkeiten mit der DRG-Vergütung kalkuliert seien. Selbst wenn bei der OKM die Operation nur durch den Chefarzt
durchgeführt werde, sei diese Operation mit der DRG-Ziffer I 30 Z abzurechnen. Die Beklagte sei durch die Vergütung der stationären
Behandlung ihrer Verpflichtung zur Sachleistungsgewährung nach § 39 Abs 1 SGB V nachgekommen. Mit der Rechnung vom 18.02.2011 seien nur die ärztlichen Leistungen erfasst, ohne dass die Kosten der Spendersehne
darin enthalten seien. Die Rechnung beinhalte eine Vielzahl von Leistungen, die mit der DRG-Ziffer pauschal abgegolten worden
seien wie fachbezogene Untersuchungen, das präoperative Gespräche, die Visiten, Narkose-Untersuchungen und die Durchführung
der Operation an sich. Ausgangspunkt sei jedoch der Antrag auf Übernahme von Kosten für die Spendersehne in Höhe von 2.500,00
EUR gegeben. Wenn nun die Privatrechnung die Kosten der Spendersehne, die eingefordert worden seien, gar nicht enthalte, verkenne
das SG, dass die Chefarztrechnung nichts mit den Kosten für ein Transplantat zu tun habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.03.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger habe im Interesse seiner Gesundheit, aber auch seiner Arbeitsfähigkeit diese Operation durchführen lassen müssen
und habe aufgrund der unberechtigten Ablehnung durch die Beklagte keine andere Chance gehabt, als dies über die Vereinbarung
mit dem Arzt zu machen. Mit der Verweigerung der ordentlichen Gesundheitsmaßnahme habe die Beklagte den Kläger in eine Wahlbehandlungsvereinbarung
zwangsweise hineingetrieben. Eine Krankenkasse dürfe bei einer absolut gebotenen Gesundheitsmaßnahme nicht mit irgendwelchen
Vereinigungen oder Gremien eine Zahlungslücke für ihre eigenen Versicherungsnehmer bestehen lassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG)) eingelegte Klage ist statthaft (§ 143 SGG) und damit insgesamt zulässig, sie ist auch in der Sache begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 21.09.2010 und 21.10.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der privatärztlichen Abrechnung der Kniegelenksoperation durch Dr. R ...
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V sind nicht erfüllt. Diese Rechtsnorm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem
Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe
zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende
Voraussetzungen erfüllt sind: Bestehen eines Primär-/Naturalleistungs-Anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige
Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die Krankenkasse, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch
den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbstbeschafften
Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Beklagte hat es schon nicht abgelehnt, die begehrte stationäre Behandlung zur vorderen und hinteren Kreuzbandrekonstruktion
sowie Augmentation des Innenbandes auch unter Verwendung einer Spendersehne zu gewähren. Jedenfalls mit Bescheid vom 21.10.2010
hat die Beklagte klargestellt, dass sie die Kosten für den geplanten Eingriff im Rahmen des DRG-Systems (Fallpauschale) übernimmt,
nicht jedoch die im Antrag geltend gemachten Kosten in Höhe von 2.500,00 EUR für die Spendersehne. Entsprechend hatte die
Beklagte auch bereits mit Schreiben vom 21.09.2010 an die OKM ausgeführt, dass im DRG-System ein gesondertes Entgelt für den
Einsatz eines Spendertransplantates nicht vorgesehen sei und die Abrechnung über die DRG-Regelsätze erfolgen könne, weshalb
2.500,00 EUR für eine Spendersehne nicht übernommen werden könnten. Damit hat die Beklagte dem Kläger die von ihr geschuldete
Sachleistung zur Verfügung gestellt und ihre Leistungspflicht erfüllt.
Versicherte - wie der Kläger - haben nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Versicherte haben nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung
umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit
für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs
1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung (§ 39 Abs 1 Satz 3 SGB V).
Die OKM ist als Plankrankenhaus ein zugelassenes Krankenhaus iSv § 108 Nr 2 SGB V. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass vorliegend eine vollstationäre Behandlung erforderlich war. Der Kläger
litt an einer vorderen und hinteren Kreuzbandinsuffizienz sowie Innenbandinsuffizienz des linken Kniegelenks. Bei Zustand
nach früherer hinterer Kreuzbandrekonstruktion mit Augmentation lateral bestand zweifelsfrei eine medizinische Indikation
zur Rekonstruktion der Kreuzbänder, wie aus dem Gutachten des MDK vom 10.09. und 14.10.2010 zu entnehmen ist. Ausdrücklich
führt Dr. P. aus, dass ein Patellarsehnentransplantat (unter Verwendung der eigenen Patellarsehne als Ersatz für das zerstörte
Kreuzband) aufgrund der beruflichen Anforderungen mit häufigem Knien als ungünstig anzusehen ist, da Beschwerden im Bereich
der Kniegelenkscheibe auftreten können. Bei Revisionseingriffen wird nach Ausführungen des MDK in der wissenschaftlichen Literatur
die Verwendung allogener Transplantate durchaus empfohlen, ebenso besteht eine Indikation bei multiplen Bandrekonstruktionen
wie hier. Die Verwendung einer Spendersehne bei Durchführung der Operation in vollstationärer Krankenhausbehandlung wurde
nach alledem vom MDK durchaus als medizinisch notwendig angesehen.
Mit der Zusage, die Kosten für die stationäre Leistung nach DRG I 30 Z zu übernehmen, hat die Beklagte jedoch - wie oben ausgeführt
- bereits die Operation des linken Kniegelenks unter Einsatz einer Spendersehne als Sachleistung zur Verfügung gestellt. §
2 Abs 2 Satz 1 KHEntgG definiert: "Allgemeine Krankenhausleistungen sind die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung
der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige
und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind." Diese "allgemeinen Krankenhausleistungen" werden nach § 7 Abs 1
Satz 1 KHEntgG gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit folgenden Entgelten abgerechnet: (1.) Fallpauschalen nach
dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 9), (2.) Zusatzentgelte nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog
(§ 9), (3.) gesonderte Zusatzentgelte nach § 6 Abs 2a, (4.) der Ausbildungszuschlag (§ 17a Abs 6 KHG) und sonstige Zu- und Abschläge (§ 17b Abs 1 Satz 4 und 6 KHG sowie § 4 Abs 2a, 7, 9 und 10, § 5 Abs 4 und § 12 Satz 3), (5.) Entgelte für besondere Einrichtungen und für Leistungen, die noch nicht von den auf Bundesebene
vereinbarten Fallpauschalen und Zusatzentgelten erfasst werden (§ 6 Abs 1), (6.) Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
die noch nicht in die Entgeltkataloge nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 aufgenommen worden sind (§ 6 Abs 2), (7.) Qualitätssicherungszuschläge nach § 17b Abs 1 Satz 5 KHG sowie Qualitätssicherungsabschläge nach§ 8 Abs 4.
Mit diesen Entgelten werden nach § 7 Abs 1 Satz 2 KHEntgG alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen
Krankenhausleistungen vergütet. Komplexe Kniegelenkseingriffe - wie hier - sind über die DRG I 30 Z abrechenbar. Dies ist
zwischen den Beteiligten unstreitig, die Beklagte hat die von der OKM mit Endabrechnung vom 20.11.2012 geforderten 3.279,29
EUR gezahlt. In der Fallpauschale nach DRG I 30 Z sind 167,10 EUR Sachkosten enthalten für Implantate, die vom InEK aufgrund
der Daten der Kalkulationskrankenhäuser angesetzt worden sind. Ein Zusatzentgelt für den Einsatz einer Spendersehne nach dem
auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog ist hierfür nicht vereinbart, ebenso wenig ein gesondertes Zusatzentgelt nach
§ 6 Abs 2a KHEntgG oder § 7 Abs 6 KHEntgG. Die OKM als zugelassenes Krankenhaus ist an die Fallpauschalen gebunden und kann
eine davon abweichende einzelfallbezogene Vergütung nicht verlangen. Für die ursprünglich geforderten Kosten in Höhe von 2.500,00
EUR für eine Spendersehne besteht daher keinerlei Rechtsgrundlage. Auffällig ist insoweit, dass derartige Kosten im weiteren
Verlauf auch überhaupt nicht angefallen sind, es ist von Dr. R. von der OKM nicht offen gelegt worden, ob und in welcher Höhe
überhaupt Kosten für die Spendersehne angefallen sind.
Die nunmehr streitigen Kosten in Höhe von 1.350,49 EUR beruhen auf einer privatärztlichen Abrechnung nach GOÄ der bereits über die Fallpauschale vergüteten Operation aufgrund des vom Kläger mit der OKM geschlossenen Behandlungsvertrag
bzw Vertrag über Wahlleistungen. Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist Voraussetzung, dass der Versicherte einer wirksamen Kostenforderung ausgesetzt ist. Nach § 17 KHEntgG dürfen neben den Entgelten für die voll- und teilstationäre Behandlung andere als die allgemeinen Krankenhausleistungen
als Wahlleistungen gesondert berechnet werden, wenn die allgemeinen Krankenhausleistungen durch die Wahlleistungen nicht beeinträchtigt
werden und die gesonderte Berechnung mit dem Krankenhaus vereinbart ist. Diagnostische und therapeutische Leistungen dürfen
als Wahlleistungen nur gesondert berechnet werden, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Leistungen ua von
einem Arzt erbracht werden. Wahlleistungen sind daher andere als die allgemeinen Krankenhausleistungen. Sind diese Voraussetzungen
nicht erfüllt, besteht kein ärztlicher Vergütungsanspruch und kann Kostenerstattung nicht verlangt werden (st Rspr BSG 27.03.2007, B 1 KR 25/06 R, SozR 4-2500 § 116b Nr 1). Trotzdem geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt nach Bereicherungsrecht zurückfordern (Bundesgerichtshof (BGH)
23.03.2006, III ZR 223/05, NJW 2006, 1879 ff). Wirksamkeit kann einer Honorarvereinbarung nur zugebilligt werden, wenn der Versicherte vollständig über die Risiken
aufgeklärt ist und in dem Bewusstsein den Vertrag eingeht, dass er eine entsprechende Leistung gleicher Qualität ohne eigene
Kosten bei einem zugelassenen Behandler in Anspruch nehmen könnte (BSG 02.11.2007, B 1 KR 3/97 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 17). Ob hier letztlich ein wirksamer Behandlungsvertrag/Wahlleistungsvereinbarung zustande gekommen ist und inwieweit
die Rechnung vom 18.02.2011 schon deshalb zu beanstanden ist, weil möglicherweise bereits als allgemeine Krankenhausleistungen
über die DRG-Pauschale nach I 30 Z vergütete Positionen enthalten sind, kann vorliegend dahin stehen, denn der Anspruch auf
Kostenerstattung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte hier die dem Kläger geschuldete Sachleistung nicht abgelehnt
hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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