Tatbestand
Die Klägerin wendet sich, als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehegatten, gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken-
und Pflegeversicherung im Zeitraum vom 01.01.2013 - 31.12.2014 und die hieraus resultierende Nachforderung von Beiträgen i.H.v.
2.710,62 EUR.
Der im Dezember 1943 geborene, 2018 verstorbene Ehegatte der Klägerin (Versicherter) war im streitgegenständlichen Zeitraum
bei der Beklagten zu 1) in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegepflichtversichert.
Er bezog (jedenfalls) ab dem 01.01.2011 von der Bank of America (BoA) eine Betriebsrente, die der Verbeitragung zur Kranken-
und Pflegeversicherung unterlag. Der Abführung von Beiträgen lag hierbei ab dem 01.01.2013 ein Betrag von 1.181,59 EUR, ab
dem 01.07.2013 ein solcher von 1.179,77 EUR, ab dem 01.01.2014 ein solcher von 1.234,41 EUR und ab dem 01.07.2014 ein Betrag
von 1.222,17 EUR zu Grunde.
Unter dem 07.07.2016 wandte sich die Beklagte zu 1) unter Hinweis darauf, dass ihr Datenbestand zwei Versorgungsbezüge beinhalte,
an die BoA und bat um Mitteilung, ob ein bzw. zwei Versorgungsbezüge gezahlt würden und ggf. in welcher Höhe. Diese teilte
hierzu mit Schreiben vom 14.07.2016 mit, dass der Versicherte von ihr eine Betriebsrente beziehe, deren monatliche Höhe sich
zum 01.01.2011 auf 1.736,71 EUR (brutto), zum 01.01.2013 auf 1.838,97 EUR (brutto) und ab dem 01.01.2016 auf 1.881,16 EUR
(brutto) belaufen habe.
Mit Schreiben vom 20.07.2016 teilte die Beklagte zu l) dem Versicherten mit, dass der BoA für die Zeit ab 01.10.2012 aufgrund
eines Erfassungsfehlers ein zu niedriger beitragspflichtiger Anteil mitgeteilt worden sei. Die Meldung sei korrigiert worden.
Dies habe zur Folge, dass die BoA rückwirkend ab 01.10.2012 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachfordern werde.
Hiergegen erhob der Versicherte mit Schreiben vom 12.08.2016 Widerspruch, woraufhin ihm die Beklagte zu 1) unter dem 23.08.2016
mitteilte, dass es sich bei dem Schreiben vom 20.07.2016 um ein Informationsschreiben gehandelt habe, gegen das ein Widerspruch
nicht zulässig sei. Sie, die Beklagte zu 1), habe eine Aufstellung der zu erwartenden Nachforderung erstellt und zum Abgleich
an die BoA gesandt. Sobald dieser vorliege, werde ein Beitragsbescheid ergehen. Der jetzige Widerspruch werde als Widerspruch
hiergegen anerkannt werden.
Mit Bescheid vom 20.09.2016 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
für die Zeit ab 01.01.2013 fest. Auf Grundlage eines Zahlbetrages der Betriebsrente i.H.v. 1.838,97 EUR setzte sie den Beitrag
zur Krankenversicherung ab dem 01.01.2013 bei einem Beitragssatz von 15,5 % auf 285,04 EUR, den zur Pflegversicherung bei
einem Beitragssatz von 2,3 % auf 42,30 EUR fest. Hieraus ergebe sich für die Zeit vom 01.01.2013 - 31.07.2014, eine Nachforderung
i.H.v. 2.710,62 EUR (über die auf der Grundlage der bisher zu Grunde gelegten Bemessungsgrundlage von der BoA abgeführten
Beiträge hinaus). Ab dem 01.01.2015 belaufe sich bei einem Zahlbetrag i.H.v. 1.838,97 EUR der Beitrag zur Krankenversicherung
bei einem Beitragssatz von 15,4 % auf 283,20 EUR, der zur Pflegversicherung bei einem Beitragssatz von 2,6 % auf 47,81 EUR.
Auf Grundlage eines Zahlbetrages der Betriebsrente i.H.v. 1.881,16 EUR belaufe sich der Beitrag zur Krankenversicherung ab
dem 01.01.2016 bei einem Beitragssatz von 15,6 % auf 293,46 EUR, der zur Pflegeversicherung bei einem Beitragssatz von 2,6
% auf 48,91 EUR. Für die Zeit vom 01.01.2015 - 31.07.2016 bestehe eine Nachforderung i.H.v. 1.951,92 EUR, die von der BoA
direkt - durch verminderte Auszahlungen - nacherhoben werde. Die Beklagte zu 1), führte hierzu aus, dass die BoA in der Vergangenheit
von ihr, der Beklagten zu 1), fälschlicherweise dahingehend informiert worden sei, dass die Versorgungsbezüge nicht in voller
Höhe der Beitragspflicht unterlägen, weil sie davon ausgegangen sei, dass der Versicherte einen weiteren Versorgungsbezug
der BoA erhalte. Diese Fehlinformation sei zwischenzeitlich korrigiert und die Zahlstelle darüber informiert worden, dass
die Versorgungsbezüge in voller Höhe der Beitragspflicht unterlägen.
Zur Begründung seines hiergegen am 27.09.2016 erhobenen Widerspruchs brachte der Versicherte vor, die Beklagte habe jederzeit
Kenntnis darüber gehabt, welche Versorgungsbezüge er erhalte. Dass die Beklagte hierbei einem rechtlichen Irrtum hinsichtlich
der Beitragspflicht unterlegen sei, sei nicht ihm anzulasten, eine Änderung der Beitragsfestsetzung nach den §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nicht mehr möglich; er berufe sich insofern auf die Verjährung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2017 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken-
und Pflegeversicherung und die hieraus resultierende Nachforderung i.H.v. 2.710,62 EUR zurück. Sie führte aus, dass bei Versicherungspflichtigen
auch Versorgungsbezüge zu den beitragspflichtigen Einnahmen rechneten. Die Beiträge entstünden kraft Gesetzes. Im Hinblick
auf die Höhe der Beiträge bestehe kein Vertrauensschutz, dass diese der Höhe nach gleich bleiben müssten; das öffentliche
Interesse an der richtigen Beitragshöhe und der Gleichbehandlung der Versicherten sei höher zu bewerten, als das Interesse
des Beitragsschuldners an der Beibehaltung der rechtswidrigen Begünstigung; die Vorschriften der §§ 45, 48 SGB X seien nicht einschlägig. Die ab 01.01.2013 fälligen Beiträge seien auch noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrage
vier Jahre. Auch liege keine Verwirkung vor.
Gegen den am 18.01.2017 eingegangenen Widerspruchsbescheid hat der Versicherte am 16.02.2017 Klage zum Sozialgericht Konstanz
(SG) erhoben, mit der er sich gegen die Beitragsfestsetzung für den Zeitraum vom 01.01.2013 - 31.12.2014 und die hieraus resultierende
Nachforderung i.H.v. 2.710,62 EUR gewandt hat. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, die Beklagte zu 1) habe jederzeit Kenntnis
darüber gehabt, welche Versorgungsbezüge er, der Kläger, erhalten habe. Er berufe sich daher auf Verjährung bzw. Verwirkung
der Forderung. Die Regelungen der §§ 45, 48 SGB X seien zumindest entsprechend anzuwenden.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Auf Anfrage des SG haben sie mitgeteilt, dass erstmals mit Bescheid vom 20.09.2016 über die Beiträge für die Zeit vom 01.01.2013 - 31.12.2014
entschieden worden sei, zuvor sei kein Beitragsbescheid ergangen.
Mit Urteil vom 06.02.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass aufgrund des Klageantrages lediglich die
Beitragsfestsetzung für den Zeitraum vom 01.01.2013 - 31.12.2014 streitgegenständlich sei. Der Bescheid vom 20.09.2016 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2017 sei rechtmäßig und verletze den Versicherten nicht in seinen Rechten.
Die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sei nicht zu beanstanden. Der Versicherte sei in der KVdR
versicherungspflichtig (§
5 Abs.
1 Nr.
11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V)) und damit nach §
20 Abs.
1 Nr.
11 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) auch in der Pflegeversicherung pflichtversichert. Die beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner seien
in §
237 SGB V (für die Pflegeversicherung i.V.m. §
57 Abs.
1 Satz 1
SGB XI) geregelt. Danach werde der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 1)
auch der Zahlbetrag der, der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr. 2) zu Grunde gelegt. Da §
237 SGB V die Regelung des §
229 SGB V für entsprechend anwendbar erkläre, unterlägen auch die dort genannten Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht.
Versorgungsbezüge seien nach §
229 Abs.
1 Satz 1
SGB V neben anderen Versorgungsleistungen insb. Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung
der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Als Renten der betrieblichen Altersversorgung
seien Leistungen anzusehen, die entweder vom Arbeitgeber erbracht werden oder aber, soweit sie von Dritten gezahlt werden,
von Institutionen der betrieblichen Altersversorgung wie etwa Pensionskassen erbracht werden oder etwa auf einer Direktversicherung
als Form einer betrieblichen Altersversorgung beruhen. Danach handele es sich bei der von der BoA gezahlten Betriebsrente
um einen Versorgungsbezug i.S.d. §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V, für den nach §
248 SGB V der allgemeine Beitragssatz gelte. Einwände gegen die konkret festgesetzte Höhe der Beiträge seien nicht geltend gemacht
worden. Die Beitragsfestsetzung unterliege vorliegend auch nicht den sich aus den §§ 45, 48 SGB X ergebenden Einschränkungen, da die Beiträge von der Beklagten zu 1) erstmals im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzt
worden seien. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge seien bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids auch noch
nicht verjährt gewesen. Nach §
25 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Bei Erlass
des Bescheides vom 20.09.2016 seien daher die Beiträge für den hier streitigen Zeitraum 01.01.2013 - 31.12.2014 noch nicht
verjährt gewesen, insb. als die Verjährung durch den Erlass des Bescheides nach § 52 Abs. I SGB X gehemmt worden sei. Die Beitragsansprüche seien schließlich auch nicht verwirkt. Eine solche Verwirkung setze neben einem
langen Zeitablauf voraus, dass der Verpflichtete, vorliegend der Versicherte, infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten,
hier der Beklagten zu 1) darauf vertrauen durfte und vertraut hat, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und
sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung
des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Eine derartige Situation sei vorliegend nicht anzunehmen. Die Beklagte
zu 1) habe vorliegend lediglich der Zahlstelle gegenüber eine inhaltlich falsche Erklärung abgegeben. Da ein Bescheid des
Inhalts, dass der Kläger aus der Versorgungsrente geringe Beiträge zu tragen habe, nicht ergangen sei, habe die falsche Meldung
an die BoA dem Versicherten keine besondere Rechtsposition verliehen, die ihm ein Vertrauen hätte vermitteln können. Es fehle
daher an einem vertrauensbegründenden Verhalten der Beklagten.
Gegen das am 05.04.2018 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 09.04.2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg
eingelegt. Zu deren Begründung hat er ausgeführt, der Beitragsfestsetzung stehe entgegen, dass die Beklagte zu 1) keine Entscheidung
i.S.d. §§ 45, 48 SGB X getroffen habe und insoweit die dort normierte Ein-Jahres-Frist abgelaufen sei. Auch habe das SG die Frage der Verjährung bzw. der Verwirkung fehlerhaft bewertet. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass die Beklagte zu 1)
selbst im Schreiben vom 20.07.2016 ausgeführt habe, dass sie, als Krankenkasse der BoA mitteile, ob und in welcher Höhe Versorgungsbezüge
der Beitragspflicht unterlägen. Hierbei handele es sich um einen Verwaltungsakt, der die Beitragspflicht des Versicherten
regele. Nachdem der Versicherte am 04.09.2018 verstorben ist, ist mitgeteilt worden, dass das Verfahren von der Klägerin,
der Witwe des Versicherten, fortgeführt werde. Hierzu ist ein Erbschein des Amtsgerichts Tettnang vom 31.07.2019 des Inhalts,
dass der Versicherte von seiner Ehefrau alleine beerbt worden ist, vorgelegt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 06.02.2018 sowie den Bescheid vom 20.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.01.2017 für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 aufzuheben, soweit hierin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
für die Zeit vom 01.01.2013 - 31.12.2014 festgesetzt worden sind.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil.
Die Klägerin hat unter dem 14.02.2020, die Beklagte zu 1) unter dem 06.02.2020 und unter dem 21.02.2020 auch für die Beklagte
zu 2) das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei
der Beklagten zu 1) geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (vgl. §
151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet
(§§
153 Abs.
2,
124 Abs.
2 SGG), ist nach §
143 SGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG erforderlichen Betrag von 750,- EUR übersteigt und überdies die Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung
für mehr als ein Jahr gegenständlich ist (vgl. §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 20.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2017,
mit dem diese, auch im Namen der Beklagten zu 2), gegenüber dem Versicherten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
aus einer Betriebsrente der BoA und eine Beitragsnachforderung betr. die Zeit vom 01.01.2013 - 31.12.2014 i.H.v. 2.710,62
EUR festgesetzt hat.
Da die Klägerin, die als (Allein-)Erbin des Versicherten im vorliegenden Verfahren prozessführungsbefugt ist, sowohl die Festsetzung
von Kranken- wie von Pflegeversicherungsbeiträgen und die hieraus resultierende Beitragsnachforderung angefochten hat, richten
sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2).
Die Beklagte zu 1) war hierbei berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2) auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung
festzusetzen. Nach §
46 Abs.
2 Satz 4
SGB XI in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (Art 1 Nr. 31 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008, BGBl I 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder,
die - wie vorliegend - ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen
haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen
Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen
Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§
46 Abs.
2 Satz 5
SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in ihren Bescheid vom 20.09.2016 erteilt.
Die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum vom 01.01.2013 - 31.12.2014 ist indes rechtlich
nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 20.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2017 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Umfang der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt,
für den Beiträge erhoben werden. Der Versicherte war im hier streitigen Zeitraum ab 01.01.2013 in der KVdR versicherungspflichtig
(§
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V). Nach §
237 Satz 1
SGB V sind der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 1) und dem Arbeitseinkommen
(Nr. 3) der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr.
2) zu Grunde zu legen. §
226 Abs.
2 SGB V und die §§
228,
229 und
231 SGB V gelten insofern nach §
237 Satz 4
SGB V entsprechend.
Für die Bemessung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung bei Mitgliedern der Pflegeversicherung, die in der gesetzlichen
Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten nach §
57 Abs.
1 Satz 1
SGB XI die §§
226 bis
238 und §
244 SGB V entsprechend. Die Beitragsbemessung folgt daher den gleichen Regeln wie in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten nach §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V auch die "Renten der betrieblichen Altersversorgung" soweit sie - entsprechend der Formulierung in der Einleitung des §
229 Abs.
1 Satz 1
SGB V - "wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Die Berücksichtigung
von Versorgungsbezügen einschließlich der Bezüge aus betrieblicher Altersversorgung bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge
versicherungspflichtiger Rentner begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23.07.2014 - B 12 KR 28/12 R -, in juris unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06.12.1988 - 2 BvL 18/84 -, in juris).
Der Anwendungsbereich des §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V ist nicht auf die im
BetrAVG genannten Durchführungswege beschränkt. Das Bundessozialgericht hat den Begriff der betrieblichen Altersversorgung stets
eigenständig nach Sinn und Zweck der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften angewandt (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 30.03.2011 - B 12 KR 16/10 R -, in juris). Zur betrieblichen Altersversorgung gehören Bezüge vom (früheren) Arbeitgeber, von bestimmten Institutionen
oder Einrichtungen (z.B. Pensionskassen, Unterstützungskassen, Versicherungen), bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen
der Zugehörigkeit zu einer solchen Sicherungsform und einer Erwerbstätigkeit besteht (sog. institutionelle Abgrenzung). Dabei
ist es ausreichend, dass bei der jeweiligen Sicherungsinstitution typisierend von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist.
Auch Modalitäten der individuellen Beitragsgestaltung (z.B. teilweise oder volle Beitragstragung durch den Arbeitnehmer) in
der betrieblichen Altersversorgung und des Leistungsrechts bleiben unberücksichtigt (Peters in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
Bd. 2, §
229 SGB V, Rn. 13, Stand: Dez. 2017 mit Verweisen auf die Rspr. des BSG).
Nach diesen Vorgaben ist die dem Versicherten von der BoA ab dem 01.01.2013 gewährte Betriebsrentenzahlung i.H.v. 1.838,97
EUR monatlich als Leistung der betrieblichen Altersvorsorge zu bewerten. Dies wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen nach §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V i.V.m. §
237 Satz 1 Nr. 2, Satz 2
SGB V knüpft nach ihrem Wortlaut allein daran an, dass eine Rente der betrieblichen Altersversorgung ausgezahlt wurde. Das ist
hier der Fall, denn es ist dem Grunde nach unstreitig, dass der Versicherte entsprechende Zahlungen der BoA erhalten hat.
Diese beliefen sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur auf 1.181,59 EUR (01.01. - 30.06.2013), auf 1.179,77 EUR
(01.07. - 31.12.2013), auf 1.234,41 EUR (01.01. - 30.06.2014) bzw. auf 1.222,17 EUR (01.07. - 31.12.2014) monatlich, die die
BoA der Beitragsabführung zu Grunde gelegt hat, sondern, auf monatlich 1.838,97 EUR (vom 01.01.2013-31.12.2015), die zur Kranken-
und Pflegeversicherung zu verbeitragen waren. Dass die Beklagte zu 1) bei der konkreten Festsetzung der Beiträge fehlerhafte
Beträge zu Grunde gelegt hat oder sonstige Berechnungsfehler vorliegen, ist weder vorgetragen, noch dem Senat anderweitig
ersichtlich.
Die Beiträge aus Versorgungsbezügen sind nach §
250 Abs.
1 Nr.
1 SGB V vom Mitglied der Krankenkasse selbst zu tragen. Hierbei haben gemäß §
256 Abs.
1 Satz 1
SGB V bei Versicherungspflichtigen, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, die Zahlstellen der Versorgungsbezüge
die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen. §
256 Abs.
1 SGB V regelt jedoch nur die Beitragsberechnung und -abführung, gewährt der Zahlstelle jedoch kein eigenes Entscheidungsrecht. Vielmehr
dürfen die Krankenkassen ungeachtet dieses Verfahrens über die vom Versicherten nach §
250 Abs.
1 Nr.
1 SGB V für einen bestimmten Zeitraum zu tragenden Beiträge aus Versorgungsbezügen durch Verwaltungsakt entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R -, in juris, dort Rn. 19; vgl. auch Urteil vom 17.10.1986 - 12 RK 15/86 -, in juris), wenn eine Nacherhebung bei der Zahlstelle nicht mehr möglich ist. Von dieser Befugnis hat die Beklagte zu 1)
Gebrauch gemacht und die vom 01.01.2013 - 31.12.2014 zu tragenden Beiträge aus dem Versorgungsbezug der BoA festgesetzt und
die Höhe der Differenz zwischen den abgeführten Beiträgen und der tatsächlichen zutreffenden Festsetzung als Nachforderung
geltend gemacht.
Die Beklagte zu 1) unterlag hierbei, anders als klägerseits geltend gemacht, nicht den Beschränkungen der §§ 45, 48 SGB X. § 45 SGB X regelt die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes, § 48 SGB X die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Beide Normen setzen bereits begrifflich
das Vorliegen eines zurückzunehmenden bzw. eines aufzuhebenden Verwaltungsaktes voraus. Da indes nach der Mitteilung der Beklagten
zu 1) vor dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20.09.2016 kein früherer Beitragsbescheid erlassen worden ist, der mit dem
Bescheid vom 20.09.2016 zurückgenommen oder aufgehoben worden wäre, war die Beklagte zu 1) berechtigt, ihre Entscheidung ungeachtet
der Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X zu treffen. Sie war insb. nicht an die klägerseits angeführte Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gebunden.
Auch sind die Beitragsansprüche der Beklagten zu 1) nicht verjährt. Für Beitragsansprüche nach §
255 Abs.
1 Satz 1
SGB V und nach §
60 Abs.
1 SGB XI gilt die vierjährige Verjährungsfrist des §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV (BSG, Urteil vom 23.05.1989 - 12 RK 66/87 -, in juris). Hiernach verjähren - vorbehaltlich des hier mangels vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung nicht in Betracht kommenden
§
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV - Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Bei Erlass des Bescheides
vom 20.09.2016 waren daher die Beiträge für den hier streitigen Zeitraum 01.01.2013 - 31.12.2014 noch nicht verjährt. Durch
Erlass dieses Bescheides ist die Verjährung gehemmt worden (vgl. § 52 Abs. I SGB X).
Die Beitragserhebung ist schließlich auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes
von Treu und Glauben nach §
242 BGB auch im Sozialverwaltungsrecht anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 6/14 R -, in juris). Die Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung eines Rechts während eines längeren Zeitraums
unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht
kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten als illoyal erscheinen
lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen" Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten
Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen
werde (Vertrauensgrundlage) und er tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand)
sowie sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung
des Rechts ein zumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 31.03.2017, a.a.O.). Da die Beklagte dem Versicherten gegenüber nie zu erkennen gegeben hat, dass aus den Versorgungsbezügen
keine - weiteren - Beiträge abzuführen seien, fehlt es vorliegend an einem Vertrauenstatbestand.
Mithin ist die Beitragsfestsetzung und -nachforderung im Bescheid vom 20.09.2016 (Widerspruchsbescheid vom 12.01.2017) nicht
zu beanstanden; die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 06.02.2018 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.