Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft die Frage, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB VI) zusteht.
Der im Jahr 1966 geborene Kläger ist gelernter Maurer. Nach Ablegen der Gesellenprüfung 1985 arbeitete er bis 01.01.2002 in
diesem Beruf. Zum 02.01.2002 meldete er sich arbeitslos. Seither hat er keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen.
Im Jahr 1998 trat beim Kläger eine akute rheumatische Erkrankung auf; in einem Entlassungsbericht des Rheuma-Zentrums G-Stadt
(stationäre Krankenhausbehandlung vom 18.08. bis 16.09.1998) vom 03.10.1998 wurde angegeben, es bestehe eine HLA-B-27-assoziierte
postinfektiöse reaktive Oligoarthritis mit deutlicher Entzündungstätigkeit. Im gleichen Jahr zog er sich einen Trümmerbruch
am rechten Ellenbogen zu. Am 05.06.2002 wurde der Kläger von Dr. G. vom Arbeitsamt C-Stadt untersucht. Dieser befand ihn für
fähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten zu verrichten (primäre Diagnosen:
fortgeschrittene Aufbraucherscheinung des unteren Lendenwirbelsäulen(LWS)-Segments mit wiederkehrendem Schmerzsyndrom, rheumatoide
Gelenkentzündung - derzeit laborchemisch zumindest nicht mehr wesentlich aktives rheumatisches Krankheitsbild). Der Allgemeinmediziner
Dr. E. nannte in einem Befundbericht vom 26.07.2002 die Diagnose Depression.
Im August 2002 wurde der Kläger im Rahmen eines Verfahrens bezüglich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom Internisten
Dr. P. (ärztlicher Dienst der Beklagten) untersucht, der eine erheblich gefährdete Erwerbsfähigkeit sah (Gutachten vom 23.08.2002).
So kam es vom 24.09. bis 22.10.2002 zu einer stationären Leistung der medizinischen Rehabilitation im Rheuma- und Orthopädie-Zentrum
G-Stadt. Der Entlassungsbericht vom 04.11.2002 weist aus, als Maurer könne der Kläger nicht mehr arbeiten. Er sei aber in
der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Vom 19.02. bis 04.03.2003 folgte eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung im Rheuma-Zentrum G-Stadt. Im Entlassungsbericht
vom 19.03.2003 wurde angegeben, es bestehe eine somatoforme Schmerzstörung mit einer ausgeprägten Tendenz zur Schmerzgeneralisation
sowie mit einer vegetativen Begleitsymptomatik. Bezüglich der daneben vorliegenden HLA-B-27-assoziierten postinfektiösen reaktiven
Oligoarthritis sei klinisch und labortechnisch keine Aktivität feststellbar.
Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Regensburg, das einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
betraf, wurde der Kläger von Dr. J. W. untersucht (Gutachten vom 14.05.2004). Dieser Arzt stellte fest, leichte bis gelegentlich
mittelschwere Arbeiten seien noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. In Folge dieses sozialgerichtlichen Prozesses
kam es zur Abklärung beruflicher Eignung und Arbeitserprobung des Klägers beim Berufsförderungswerk E., R. (bfz). Das bfz
befürwortete eine Umschulung zum Bürokaufmann, auch wenn es diesen Beruf nicht für ideal hielt. Da die Beklagte dem Kläger
die Umschulung zum Bürokaufmann nicht gewährte, beschritt dieser erneut den Klageweg zum Sozialgericht Regensburg. Dieses
veranlasste wiederum eine Begutachtung durch Dr. W. (Gutachten vom 04.05.2005). Der stellte in seinem Gutachten vom 04.05.2005
gegenüber seinem Vorgutachten keine richtungsweisenden Änderungen fest. Dieser Rechtsstreit wurde rechtskräftig durch das
Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 25.01.2006 - L 13 R 677/05) zu Ungunsten des Klägers entschieden.
Bereits am 17.04.2003 hatte der Kläger ohne Erfolg eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Den streitgegenständlichen
Rentenantrag stellte er am 10.07.2006. Im Verwaltungsverfahren kam es am 16.08.2006 zu einer Begutachtung durch den Chirurgen
Dr. B. (medizinischer Dienst der Beklagten) mit einer internistischen Zusatzuntersuchung. Der Gutachter führte aus, eine massive
Aggravation sei kaum übersehbar gewesen; der Kläger habe seine Beschwerden eindeutig übertrieben. Radiologisch habe sich eine
Osteochondrose L5/S1 gezeigt. Die unteren Abschnitte der Wirbelsäule seien mittelgradig funktionsbeeinträchtigt gewesen. Zwar
sei die Leistungsfähigkeit des Klägers zweifelsohne eingeschränkt. Jedoch seien ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch
leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zuzumuten. Mit Bescheid vom 25.08.2006 lehnte die Beklagte
den Antrag ab, weil sie keine Erwerbsminderung sah. Den am 04.09.2006 eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid
vom 09.10.2006 zurück.
Am 12.10.2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben. Dieses hat erneut ein Gutachten nach persönlicher
Untersuchung durch Dr. W. veranlasst. An den Gelenken, so Dr. W. im Gutachten vom 27.03.2007, hätten sich noch keine stärkergradigen
Deformitäten entwickelt. Der Kläger sei im Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens
sechs Stunden täglich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Sodann hat das Sozialgericht gemäß §
109 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ein internistisch-rheumatologisches Gutachten von Dr. H. eingeholt (Gutachten vom 13.12.2007). Röntgenologisch hat der Sachverständige
deutliche degenerative Veränderungen an der LWS, jedoch keinen Anhalt für Sacroiliitis festgestellt. Als Hauptdiagnosen hat
er genannt
- somatoforme Schmerzstörung,
- HLA-B 27-assoziierte Oligoarthritis (aktuell klinisch und labortechnisch keine Krankheitsaktivität),
- degeneratives Wirbelsäulensyndrom,
- polytopes Arthrosesyndrom (Ellenbogen rechts, initial Schultern).
Bislang, so der Gutachter, sei es zu keinen Destruktionen an den Gelenken und zu keiner knöchernen Gelenkbeteiligung gekommen.
Eine Entzündungsaktivität in den letzten Jahren lasse sich nicht nachweisen. Dr. H. hat ein mindestens sechsstündiges tägliches
Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt. Zu meiden seien schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken,
Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Kälte, ungünstige Witterungseinflüsse/Feuchtigkeit, Schicht- und Akkordarbeiten; an die
nervliche Belastbarkeit dürften keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Ein nervenärztliches Gutachten sei anzuraten.
Dieser Empfehlung folgend hat das Sozialgericht ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einholen wollen. Jedoch hat sich
der Kläger geweigert, sich dem zu unterziehen. Stattdessen hat er ein weiteres Gutachten nach §
109 SGG (chirurgisches Gutachten von Dr. C.) beantragt. Dem hat das Sozialgericht nicht entsprochen, sondern die Klage mit Urteil
vom 27.05.2008 abgewiesen. Es hat sich dabei im Wesentlichen dem Gutachten des Dr. H. angeschlossen. In der Begründung hat
es darauf hingewiesen, der Kläger habe einerseits bei unveränderter Befundlage energisch unter Einschaltung der Gerichte eine
Umschulung zum Bürokaufmann angestrebt, andererseits trage er nun aber vor, er könne nicht mehr arbeiten. Zudem hat es auf
Aggravations- und Demon-strationstendenzen hingewiesen. Erforderlich sei ein nervenärztliches Gutachten; das jedoch habe der
Kläger trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderung, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, verweigert.
Am 03.11.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Auch vor dem Senat hat sich der Kläger zunächst einer neurologisch-psychiatrischen
Begutachtung verweigert, weil er dies nicht für erforderlich halte. Unterzogen hat er sich dagegen einer orthopädischen Begutachtung
durch Dr. D. (mit Erstellung eines Medikamentenspiegels durch Dr. B., der in der gleichen Praxis wie Dr. D. arbeitet). Dr.
D. hat im Gutachten vom 30.09.2009 geschrieben, der Kläger habe wegen von ihm angegebener Beschwerden eine Prüfung des Bewegungsapparates
kaum zugelassen. Beziehe man den Medikamentenspiegel mit ein, so sei nicht von einem größeren Leidensdruck auszugehen. Denn
das Medikament Sulfasalazin, das bei entzündlichen Gelenkerkrankungen eingenommen werde, sei nicht nachzuweisen gewesen. Es
liege trotz der objektivierten, jedoch nicht ausgeprägten Verschleißveränderungen kein durch nachweisbare Funktionseinbußen
einzelner Gelenke herbeigeführter Zustand vor, der den Kläger außer Stande setze, einer leichten Tätigkeit im Wechselrhythmus
im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Gegenüber den in erster Instanz eingeholten Gutachten hätten sich
keine Änderungen ergeben. Ausscheiden würden Arbeiten im Akkord oder Zeitdruck sowie Arbeiten in Zwangshaltungen.
In Reaktion auf dieses Gutachten hat der Kläger mitgeteilt, er sehe nach wie vor keine Veranlassung für ein neurologisch-psychiatrisches
Gutachten. Nachdem nun aber eine orthopädische Begutachtung von Amts wegen erfolgt sei, solle nun nach §
109 SGG ein Gutachten von Dr. C. eingeholt werden. Dem hat der Senat entsprochen. Seine Beurteilung einleitend hat Dr. C. im Gutachten
vom 24.02.2010 mitgeteilt, er versuche, zusammenfassend und ganzheitsmedizinisch eine Beurteilung zu finden, wobei er auf
seine weiteren fachärztlichen Ausbildungen als Allgemein- und Arbeitsmediziner neben der Chirurgie und der Unfallchirurgie
hinweise. Das Ergebnis beruhe auf zahlreichen Untersuchungen und Besprechungen einschließlich einer "psychosomatischen und
soziologischen Einschätzung". Beim Kläger, so Dr. C., bestehe ein polyarthritisches Pseudo-Bechterew-Syndrom. Die "Fibromyalgie"
als Ausdruck vielfältiger Schmerzsyndrome passe in das vorliegende Krankheitsbild. Weiter hat Dr. C. geschrieben, auch die
Hautveränderungen und die zeitweise aufgetretene depressive Verstimmung mit psychopathischen, teils neurotischen Symptomen,
ließen bei der extremen Multimorbidität, die den Kläger seit Jahren fixativ beschäftige, ein Fortschreiten der Verschlimmerung
im Gesamtbild seines Gesundheitszustands erkennen. Eine Beendigung des Verfahrens mit Erwerbsunfähigkeit wäre wünschenswert.
Unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger auf Dauer nicht mehr erwerbstätig sein. Dr.
D. hat auf Veranlassung des Senats unter dem Datum 23.03.2010 zu dem Gutachten des Dr. C. Stellung genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2010 hat sich der Kläger erstmals bereit erklärt, sich einer nervenärztlichen Begutachtung
zu unterziehen. Mit Schriftsatz vom 28.06.2010 hat er diese Zustimmung zurückgezogen und um eine Entscheidung ohne weitere
mündliche Verhandlung gebeten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 01.07.2010 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch
Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.
August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2006 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts
und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch
auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Da beide Parteien ihr Einverständnis erteilt haben, hat der Senat gemäß §
153 Abs.
1, §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden können.
Die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung liegen im gesamten streitgegenständlichen
Zeitraum nicht vor. Folgende materiell-rechtliche Regelungen sind maßgebend:
Nach §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebens- jahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind und die im Gesetz genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert
sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI).
Gemäß §
43 Abs.
2 Satz 1
SGB VI haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie neben
der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen voll erwerbsgemindert sind. Das ist nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI dann der Fall, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann (§
43 Abs.
3 SGB VI).
Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger - trotz aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen - im gesamten streitbefangenen
Zeitraum weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung gegeben ist oder war. Der Kläger ist vielmehr in der Lage,
unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch mindestens sechs
Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat folgt insoweit den übereinstimmenden medizinischen Gutachten von Dr. W., Dr.
D. und insbesondere von Dr. H ... Betrachtet man die drei Gutachten in einer Zusammenschau, so sind sehr sorgfältig Befunde
erhoben und bewertet worden. Keines der Gutachten lässt fachliche oder methodische Schwächen erkennen, die sich negativ auf
die Überzeugungskraft auswirken könnten. Gerade das Gutachten des Dr. H. vermittelt ein lückenloses, in allen Facetten bestens
nachvollziehbares, plausibles und abgewogenes Bild vom Gesundheitszustand und der Leistungsfähigkeit des Klägers; die große
Fachkompetenz, Erfahrung und Akribie des Sachverständigen sind unübersehbar. Hinzu kommt, dass auch das im Verwaltungsverfahren
erstellte Gutachten des Dr. B. zu überzeugen vermag und zu gleichen Ergebnissen wie die gerichtlich eingeholten kommt.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen beim Kläger in erster Linie am Stütz- und Bewegungsapparat. Insbesondere bestehen
deutliche Verschleißerscheinungen im Wirbelsäulensegment L5/S1. Stärkere arthrotische Veränderungen weist daneben nur das
rechte Ellenbogengelenk auf, geringere die Schultergelenke sowie die Halswirbelsäule (HWS) und Brustwirbelsäule. Die 1998
akut aufgetretene rheumatische Erkrankung hat sich nicht signifikant an den Gelenken des Klägers manifestiert. So hat Dr.
H. weder an den Händen noch an den Füßen arthritische Direktzeichen gefunden. Aktive Entzündungsprozesse der Gelenke liegen
nicht vor. Eine Sakroiliitis (Entzündung der Kreuzdarmbeingelenke) ist nicht nachgewiesen. Die HLA-B 27-assoziierte Oligoarthritis
ruht seit geraumer Zeit; klinisch und labortechnisch lässt sich keine Krankheitsaktivität feststellen. Dieses aus Sicht des
Klägers positive Bild lässt sich mit den allgemeinen medizinischen Erfahrungen gut in Einklang bringen. So hat Dr. H., der
Rheumatologe und Oberarzt in der Rheuma-Klinik G-Stadt ist, darauf hingewiesen, dass der Verlauf einer infektassoziierten
Gelenkentzündung, wie sie 1998 zunächst diagnostiziert worden ist, im Allgemeinen durch eine hohe Spontanheilungstendenz gekennzeichnet
ist; chronische Verläufe kommen nur in seltenen Fällen vor. Die beim Kläger offenbar bestehende Überzeugung, er leide an Morbus
Bechterew, entspricht somit nicht den Tatsachen.
Zusammenfassend stellen sich die objektiven Gesundheitsstörungen, die den Stütz- und Bewegungsapparat betreffen, als vergleichsweise
maßvoll dar. Die Befunde lassen plausibel erscheinen, dass der Kläger der Tätigkeit als Maurer nicht mehr nachgehen kann.
Dadurch lässt sich aber nicht das Schmerzausmaß erklären, das der Kläger von 2002 an in den Untersuchungssituationen kontinuierlich
demonstriert hat. Nähme man das Schmerzerleben, wie es der Kläger geäußert hat, zum Maßstab, müsste man ihn als einen in höchstem
Maß leidenden Menschen einstufen. Der Kläger hat sich bei den persönlichen Untersuchungen so präsentiert, als sei er schmerzbedingt
nur zu wenigen Bewegungen fähig. Wenn dem so wäre, läge nicht nur eine außerordentliche Schmerzintensität, sondern auch deren
Allgegenwärtigkeit nahe, die angesichts der Fähigkeit des Klägers zur Alltagsbewältigung nicht glaubhaft ist.
Die internistischen Gesundheitsstörungen fallen in Bezug auf das Rentenbegehren des Klägers nicht ins Gewicht. Bei der internistischen
Zusatzuntersuchung, die im Zuge der Begutachtung durch Dr. B. durchgeführt wurde, hat eine spirometrische Untersuchung eine
leichte obstruktive Lungenventilationsstörung gezeigt, allerdings bei nicht optimaler Mitarbeit. Bei der Begutachtung durch
Dr. H. hat eine Lungenfunktionsprüfung keinen Anhalt für eine Ventilationsstörung ergeben. Der gleiche Sachverständige hat
zu einer vom Kläger angegebenen Gesundheitsstörung mit Harndrang und häufigem Wasserlassen sowie Brennen beim Wasserlassen
darauf hingewiesen, dass der Kläger beim Ausfüllen der Erhebungsbögen im Rahmen der persönlichen Untersuchung (außerhalb des
Untersuchungszimmers) circa alle fünf Minuten die Toilette aufgesucht habe, während der etwa zwei Stunden später durchgeführten
80-minütigen Untersuchung dagegen nicht mehr. Dass der Kläger diverse, den internistischen Bereich betreffenden Medikamente
einnimmt (Blutdruckmittel, Mittel gegen Harndrang, Prostatamedikament, Magenmittel), ändert nichts daran, dass die Probleme
mit den inneren Organen keine nennenswerte Leistungseinschränkung zur Folge haben. Die Hautveränderungen sind irrelevant.
Die Schmerz- und Beschwerdeäußerungen des Klägers im Verlauf der durchgeführten gutachterlichen Untersuchungen sowie das in
diesem Rahmen gezeigte Verhalten lassen einen desolaten Gesundheitszustand befürchten. Passive Bewegungen hat der Kläger jeweils
durch heftiges Gegenspannen nicht oder nur ansatzweise zugelassen, bei aktiven Bewegungen hat er zum großen Teil Insuffizienz
demonstriert. Bei Berührungen ist es teils zu heftigen Schmerzäußerungen gekommen. Gleichwohl sind die Gutachter - mit Ausnahme
des Dr. C. - einmütig zum Ergebnis gekommen, der Kläger sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Übereinstimmung besteht nicht nur bezüglich der quantitativen, sondern
weitgehend auch bezüglich der qualitativen Leistungseinschätzung. Sogar die Befunde und Diagnosen decken sich in ungewöhnlich
hohem Maß.
Der Senat ist davon überzeugt, dass dieses Ergebnis richtig ist. Der tatsächliche Leidensdruck ist weitaus geringer als es
der Kläger zeigt. So erfolgt nach den Feststellungen der Dres. D./B. die Einnahme von Sulfasalazin jedenfalls in geringerem
Umfang, als es der Kläger angibt. Überdies fällt auf, dass bei ihm praktisch keine Muskelverschmächtigungen vorliegen. Wer
aber so intensive und permanente Schmerzen auszuhalten hat, wie es der Kläger darstellt, wird versuchen, jede auch nur halbwegs
vermeidbare Bewegung zu unterlassen. Dann aber tritt zwangsläufig eine Muskelverschmächtigung auf, zumal wenn wie hier die
Schmerzen in der demonstrierten Intensität bereits seit 2002 bestehen sollen. Von Aussagekraft ist auch, dass fast bei allen
Untersuchungen im Rahmen des Rentenverfahrens nennenswerte Muskelverspannungen nicht bestanden haben (Ausnahme: Dr. H.). Aus
der von Dr. B. genannten Medikamentenliste lässt sich herauslesen, dass der Kläger keine Schmerzmedikation im eigentlichen
Sinn einnimmt: Sulfasalazin und Prednihexal wirken entzündungshemmend (wobei beim Kläger seit langer Zeit keine entzündlichen
Aktivitäten im Gang sind). Nebivolol ist ein Blutdruckmittel, Emselex soll Harndrang eindämmen, Tamsulosin ist eine Prostatamedikament
und Pantiprazol ein Magenmittel. Auch das relativiert den behaupteten Leidensdruck.
Die in eine andere Richtung weisende Schmerz- und Beschwerdedarstellung des Klägers erscheint inkonsistent und nicht glaubhaft.
Die Sachverständigen haben in den Gutachten - auch in denen, die in vorangegangenen Verfahren eingeholt worden waren - diesbezüglich
verschiedene Widersprüche explizit benannt. Bereits im Entlassungsbericht des Rheuma- und Orthopädiezentrums G-Stadt vom 04.11.2002
ist festgehalten, es bestehe eine gewisse Diskrepanz zwischen den verbliebenen Beschwerden und den zugrunde liegenden Befunden.
Das erste Gutachten des Dr. W. vom 14.05.2004 spricht davon, beim An- und Ausziehen sei der Bewegungsumfang deutlich größer
gewesen als bei der Bewegungsprüfung durch den Sachverständigen. Dr. B. hat festgehalten, massive Aggravationen seien kaum
übersehbar gewesen; der Kläger habe seine Beschwerden eindeutig übertrieben. Im Gutachten vom 27.03.2007 hat Dr. W. bemerkt,
die Bewegungsprüfung an der Wirbelsäule und an den Extremitäten sei durch heftiges Gegenspannen bei jedem Ansatz einer Bewegungsprüfung
massiv erschwert worden. Dagegen sei beim An- und Ausziehen an fast allen Gelenken ein deutlich größerer Bewegungsumfang zu
sehen gewesen (zum Beispiel sei bei der Untersuchung der Schürzengriff zur Beurteilung der Schulterbeweglichkeit nicht ausgeführt
worden, beim An- und Ausziehen habe der Arm in rotierter Stellung am Rücken bis zur Gegenseite bewegt werden können; im Liegen
sei keinerlei Beugung des Hüftgelenks zugelassen worden, beim Ausziehen im Sitzen seien die Hüftgelenke bis 90 Grad gebeugt
worden). Dr. H. hat implausible Schmerzreaktionen festgestellt: Sämtliche Gelenke seien bei der Untersuchung als ausgeprägt
druck- und bewegungsschmerzhaft angegeben worden, ebenso die Weichteile vor allem an Unter- und Oberarmen, der Schulter- und
Nackenregion sowie im Bereich des Hinterkopfes. Die Schmerzreaktion entspreche jedoch nur Ritchie Grad I (d.h. Angabe von
Schmerzempfinden, jedoch ohne jegliche Schmerzreaktion, z.B. Ausweichbewegung). Wie schon vorher Dr. W. hat auch Dr. H. gesehen,
dass die Beweglichkeit des Klägers bei anderen Untersuchungen bzw. in anderen Situationen am gleichen Tag erheblich besser
war, als es dieser zunächst demonstriert hatte. Dr. H. hat weiter festgestellt, die erhobenen radiologischen und sonographischen
Befunde stünden in Diskrepanz zu der bei der klinischen Untersuchung vom Kläger angegebenen Beschwerdesymptomatik und Bewegungseinschränkung.
Am Untersuchungstag habe eine deutliche Neigung zur Aggravation bestanden. Dr. D. hat sich zu der Einschätzung in der Lage
gesehen, teilweise (oberes Sprunggelenk, Knie) würden die geschilderten Bewegungsausmaße mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
das Ausmaß der tatsächlich erhaltenen Bewegungsfähigkeit wiedergeben.
Nicht nur wegen dieser von den Gutachtern festgestellten Widersprüche ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger in seiner
Leistungsfähigkeit nicht so massiv eingeschränkt ist, wie er es darstellt. Seine Biografie in den letzten acht Jahren weist
zahlreiche Punkte auf, die sich mit dem von ihm geschilderten Beschwerdebild nicht vereinbaren lassen. Auch ohne spezifisch
medizinischen Sachverstand vermag der Senat diese Widersprüche zu erkennen und sie zur Verifizierung der Gutachtensergebnisse
(ohne das Gutachten des Dr. C.) zu verwenden:
- Gerade vor Dr. C. hat der Kläger betont, im Jahr 2006 sei eine gravierende Verschlechterung seines Gesundheitszustands eingetreten.
Würde man den Beschwerdedarstellungen, die der Kläger seit 2002 nahezu konstant liefert, ohne Abstriche Glauben schenken,
wäre das nicht plausibel. Denn bereits bis 2005 liegen diverse Begutachtungen vor, bei denen sich der Kläger ganz ähnlich
bewegungseingeschränkt und schmerzgeplagt präsentiert hat. Daraus lässt sich mindestens schließen, dass entweder die Schmerzdarstellung
vor 2006 übertrieben war oder 2006 gerade keine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist.
- Bereits 2002 gab sich der Kläger höchst schmerzgeplagt. Damit lässt sich nicht vereinbaren, dass er im Juli 2002 Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt, eine Berufsfindungsmaßnahme beim bfz durchlaufen und im Lauf der Berufsfindung Präferenzen
für die Berufe Kunststofftechniker, Steuerfachgehilfe und Bürokaufmann entwickelt hatte, deren körperliche Anforderungen sich
mit dem von ihm selbst gezeichneten Beschwerdebild in keiner Weise vereinbaren lassen. Der Kläger war von seiner Leistungsfähigkeit
sogar so überzeugt, dass er wegen einer Umschulung zum Bürokaufmann einen Sozialgerichtsprozess führte, der erst im Jahr 2006
durch ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts rechtskräftig entschieden wurde.
- Vor Dr. B. hat der Kläger behauptet, er habe eine völlig versteifte Wirbelsäule. Er hat bei dieser Untersuchung vehemente
Schmerzen vorgetragen und sich offenbar nicht ohne erhebliches Klagen berühren lassen. Dennoch ist er zu dieser Untersuchung
mit dem Auto gekommen, wobei er zum Teil auch gefahren ist. Dies ist mit dem Beschwerdevortrag nicht vereinbar.
- 2004 hat der Kläger im Rahmen der Berufsfindungsmaßnahme beim bfz gerade in konzentrativen Bereichen gute Ergebnisse erzielt.
Dieser Umstand spricht gegen eine signifikante Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch die angegebene permanente Schmerzbeeinträchtigung.
- Vor Dr. C. hat der Kläger seine Schmerzen als belastungsabhängig angegeben. In den übrigen Untersuchungssituationen hat
er dagegen jeweils einen gänzlich belastungsunabhängigen Schmerz dargestellt, wo in weitem Umfang bloße Berührungen durch
die Ärzte zu - teils heftigen - Schmerzangaben geführt haben. Zudem hat der Kläger vor Dr. C. eine Abstufung nach "schweren"
und weniger schweren Schmerzen gemacht hat. Bei schweren Schmerzen, so der Kläger, wären Belastungen überhaupt nicht mehr
möglich. Bei "Normalschmerz" sieht er also noch gewissen Raum für körperliche Belastungen. Nach dieser Diktion hatte er bei
allen Untersuchungen immer unter allerstärksten Schmerzen gelitten; denn dort war nicht nur keine Belastung, sondern auch
kaum eine Bewegung möglich. Im Endeffekt ist daraus zu folgern, dass der Schmerz des Klägers in der Regel weitaus geringer
ist, als dieser es in den Untersuchungssituationen geäußert hat.
Das Gutachten des Dr. C. ist nicht geeignet, Zweifel an der vollen quantitativen Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt aufkommen zu lassen. Seine Schwächen sind zahlreich und gravierend: Wie Dr. D. richtig angemerkt hat, hat Dr.
C. offenbar keine passive Bewegungsprüfung durchgeführt und kaum Befunde angegeben, obwohl es sich doch um ein chirurgisches
Gutachten handeln soll. Er hat sich zudem in keiner Weise mit Vorgutachten beschäftigt. Diese ignorierend geht er auch nicht
auf eine mögliche Aggravation durch den Kläger ein. Weiter hat der Arzt eine Fibromyalgie in den Raum gestellt, ohne diese
"Diagnose" auch nur annähernd zu begründen. Der HLA-B 27-Nachweis, dem Dr. C. augenscheinlich großes Gewicht beigemessen hat,
ist tatsächlich ohne Aussagekraft. Wie der Senat durch eine Suche bei Wikipedia in Erfahrung gebracht hat, ist ein Zehntel
der Bevölkerung HLA-B 27-positiv, nur bei einem Bruchteil davon tritt aber tatsächlich eine entzündliche Gelenkerkrankung
auf. Entsprechend verhält es sich mit den von Dr. C. konstatierten erhöhten Yersinia-Werten. Im Fall des Klägers haben sich
diese Parameter nicht in Form einer Erkrankung des Bewegungsapparates manifestiert. Dr. C. hat sich zu sehr auf die Einlassungen
des Klägers gestützt und dessen Aufzeichnungen sogar zu Teilen des Gutachtens gemacht. Das erweckt den Eindruck, als ob er
eigene Befunderhebungen dadurch hat ersetzen wollen. Zudem erstaunt, dass Dr. C. die Befunde an der LWS nicht mehr thematisiert
hat, obwohl doch der Kläger im Rahmen der Begutachtung durch Dr. B. behauptet hat, seine gesamte Wirbelsäule sei steif; das
leuchtet umso weniger ein, als sich bei der LWS objektiv erhebliche Veränderungen finden lassen. Als einzigen Befund zur LWS
hat Dr. C. einen Finger-Boden-Abstand von 45 cm erhoben. Auch dieser Wert überrascht. Denn bei Voruntersuchungen hat sich
der Kläger steif - ohne die Möglichkeit, sich zu bücken - präsentiert.
Das Gutachten des Dr. C. wird auch nicht dadurch überzeugender, dass dieser versucht hat, sich eine besondere ganzheitlich-medizinische
Kompetenz zuzuschreiben. Diese Qualifikation ist durch nichts belegt und wird durch das unzureichende Gutachten widerlegt.
Wieso Dr. C. in einem orthopädischen Gutachten auf soziologische Erwägungen rekurriert, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
Unabhängig davon, dass der Gutachter auch diesbezüglich den Nachweis seiner Qualifikation schuldig geblieben ist, existiert
zwischen der hier fraglichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im rentenversicherungsrechtlichen
Sinn und der Soziologie als der Wissenschaft von den Voraussetzungen, Abläufen und Folgen des Zusammenlebens von Menschen
kein Zusammenhang.
Objektiv hätte es der weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts durch ein psychiatrisches Gutachten bedurft, zumal
der Kläger vereinzelt als depressiv beschrieben worden ist. Er hat sein Einverständnis hierzu aber mit Schriftsatz vom 28.06.2010
endgültig verweigert. Damit ist eine Situation der Unaufklärbarkeit entstanden, die sich der Kläger nach den Grundsätzen der
materiellen Beweislast zurechnen lassen muss. Ein psychiatrisches Gutachten hätte unbedingt einer persönlichen Untersuchung
bedurft, zumal massive Aggravationen im Raum stehen. Ein Gutachten nach Aktenlage hätte keinen hinreichenden Beweiswert und
wäre damit ein untaugliches Beweismittel. Unabhängig davon würde die fundamentale Ablehnungshaltung des Klägers ohnehin auch
ein Gutachten nach Aktenlage ausschließen; hätte der Senat gleichwohl ein solches eingeholt, hätte er den Kläger in dessen
allgemeinem Persönlichkeitsrecht verletzt.
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet schon wegen des Lebensalters des Klägers aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch vor dem Bayerischen Landessozialgericht ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.