Festsetzung des Streitwerts im sozialgerichtlichen Verfahren in Statusfeststellungsverfahren
Gründe
I.
Gegenstand des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht München war die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status
des Beigeladenen in seiner Tätigkeit für die Klägerin gemäß §
7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Höhe des vom Sozialgericht festgesetzten Streitwerts.
Mit der gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2009 erhobenen
und nicht begründeten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die vom Beigeladenen für die Klägerin verrichtete
Tätigkeit selbstständig und nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde (S 31 R 2889/09). Angaben zum Streitwert wurden nicht gemacht. Der Gerichtskostenvorschuss wurde auf der Grundlage eines vorläufigen Streitwerts
von 5000 EUR erhoben. Die Klage ruhte von Juni 2010 bis Juli 2013 und wurde nach einer die dieselben Beteiligten betreffenden
Entscheidung des Sozialgerichts Rostock vom 30.04.2013 von den Beteiligten wieder aufgenommen und im September 2013 durch
Anerkenntnis der Beklagten erledigt (S 31 R 1495/13).
Mit Beschluss vom 06.12.2013 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 5000 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt,
dass der Streitwert in Statusfeststellungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf den Regelstreitwert
des § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen sei. Im Anhörungsverfahren hatte die Klägerin die Festsetzung eines Streitwerts von 49.060 EUR beantragt und
dazu vorgebracht, dass sich der Wert des klägerischen Interesses und somit der Streitwert des Verfahrens nach der Rechtsprechung
des Bayerischen Landessozialgerichts nach den wirtschaftlichen Folgen bemesse, die für die Klagepartei eingetreten wären,
wenn die Auffassung der Beklagten richtig gewesen wäre. Die wirtschaftlichen Folgen seien die Sozialabgaben, die dem Arbeitgeber
drohen würden, berechnet auf die Dauer des Mitarbeiterverhältnisses, maximal drei Jahre. Hier gehe es um Oktober 2007 bis
August 2008 und Oktober 2008 bis September 2009. In diesen 23 Monaten hätte die Klägerin an den Beigeladenen 264.278,88 EUR
bezahlt. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Betrag von 11.489,09 EUR ergebe sich, dass er jeweils über der Beitragsbemessungsgrenze
für die Sozialversicherung verdient habe. Unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenzen für die Jahre 2007, 2008 und
2009 würden sich Sozialversicherungsbeiträge von 122.650 EUR ergeben (für 2007: 15.750 EUR; für 2008: 58.300 EUR, für 2009:
48.600 EUR). Bei Sozialversicherungsabgaben in Höhe von 40 % errechne sich ein Wert von 49.060 EUR, der als Streitwert festzusetzen
sei (Schriftsatz vom 29.11.2013).
Gegen den Beschluss hat die Klägerin am 11.12.2013 Beschwerde eingelegt und beantragt,
den Streitwert wie mit Schriftsatz vom 29.11.2013 beantragt auf 49.060 EUR festzusetzen.
Unzutreffend sei zunächst, dass § 52 Abs. 2 GKG einen Regelstreitwert normiere. Wie das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach festgestellt habe, handele es sich um eine Auffangregelung für Fälle, in denen keine Anhaltspunkte für die Bewertung
des Streitwerts bestehen. Es handele sich bei § 52 Abs. 2 GKG um eine Ausnahmevorschrift und gerade nicht um eine regelmäßig anzuwendende Vorschrift. Dem vom Sozialgericht in der angefochtenen
Entscheidung zitierten Beschluss des BSG vom 05.03.2010 (B 12 R 8/09 R) habe ein Ausnahmefall nach § 52 Abs. 2 GKG zugrunde gelegen. Demgegenüber würden hier sehr wohl Anhaltspunkte für die Festsetzung des Werts des klägerischen Interesses
vorliegen. Die schon zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts werde vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
geteilt (Beschluss vom 10.12.2013, L 8 R 650/12 B). Der Ansatz eines Werts von 5000 EUR entspreche nicht annähernd dem Interesse der Klagepartei.
Das Sozialgericht München hat der dort eingegangenen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht
vorgelegt.
Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für rechtmäßig und hat sinngemäß die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
Sie hat dargelegt, dass Ermittlungen zu in Statusfeststellungsverfahren nicht gegenständlichen Fragen zu führen wären, wenn
der Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG zu bestimmen wäre. Außerdem wäre die Höhe des Streitwerts maßgeblich in das Ermessen des Auftraggebers gestellt. Denn die
Frage, ob sich genügend Anhaltspunkte für die Ermittlung einer mutmaßlichen Beitragszahlung ergeben oder ob vom Auffangstreitwert
auszugehen ist, wäre regelmäßig durch den Auftraggeber beeinflussbar, der entscheiden könnte, ob entsprechende Angaben über
Vergütung/ Honorare/ Entgelte gemacht werden oder nicht.
Der Senat hat die Beteiligten zu der Absicht angehört, die Beschwerde zurückzuweisen. Bei Klageerhebung seien entgegen § 61 GKG Angaben zum Streitwert nicht gemacht worden. Es würden Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung gemäß § 52 Abs. 1 GKG fehlen. Aus dem Klageantrag lasse sich das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der angestrebten Entscheidung nicht
ersehen. Die Klage sei weder vor dem Ruhensbeschluss noch nach der Wiederaufnahme des Verfahrens begründet worden. Im Klageverfahren
seien keine Angaben zur Höhe des Verdienstes des Beigeladenen gemacht worden, so dass Schlussfolgerungen auf die Höhe der
Sozialversicherungsbeiträge, die die Klägerin mit dieser Klage letztlich abwehren wollte, nicht möglich seien (Schreiben vom
03.12.2014).
Die Klägerin hat eingewendet, dass bei Klageerhebung zwar keine Angaben zum Wert des Streitgegenstands gemacht worden seien.
Dies könne aber nachgeholt werden. Nach § 61 Satz 2 GKG könnten die Angaben jederzeit berichtigt werden. Hinzu komme, dass im Anhörungsverfahren Anhaltspunkte für das wirtschaftliche
Interesse der Klägerin geliefert worden seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeakte und die Akten des Sozialgerichts München Bezug genommen.
II.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Für die Entscheidung über eine Streitwertbeschwerde
ist zwar gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Einzelrichter zuständig, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde (str., vgl. zum Streitstand
Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Auflage 2014, §
155 Rn. 9d; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31.05.2013, L 1 KR 103/12 B, [...] 16). Das Verfahren ist aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG vom Einzelrichter auf den Senat übertragen worden.
Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist, die Beschwerde statt, wenn
wie hier der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt. Die Frist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist gewahrt.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Streitwert zu Recht auf 5000 EUR festgesetzt, weil der Sach-
und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts nach der Bedeutung der Sache keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage des §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. § 52 GKG. Wenn der Klageantrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt nicht betrifft (§ 52 Abs. 3 GKG), ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach-
und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5000 EUR anzunehmen (Auffangwert).
Bei der Streitwertbestimmung ist von dem im Verfahren gestellten Antrag auszugehen. In einem Statusfeststellungsverfahren
wird regelmäßig die Aufhebung bzw. Abänderung der von der Beklagten gemäß §
7a SGB IV getroffenen Entscheidung über das Vorliegen einer Beschäftigung und das Bestehen einer Versicherungspflicht in einzelnen
Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung begehrt. Da es also nicht um eine bezifferte Geldleistung und auch nicht auf einen
hierauf bezogenen Verwaltungsakt geht, kommt die Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG in Betracht.
Bei der Beurteilung, welche sich aus dem Antrag des Klägers ergebende Bedeutung die Sache hat, ist bei Statusfeststellungsverfahren
die Besonderheit zu berücksichtigen, dass mit der Feststellung des Vorliegens einer Beschäftigung und des Bestehens von Versicherungspflicht
in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zwangsläufig die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
gemäß §
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV verbunden ist, die Beitrags- und Zahlungspflicht dem Statusfeststellungsverfahren aber zeitlich nachgelagert ist. Gemäß §
7a Abs.
6 Satz 2
SGB IV wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung
vorliegt, unanfechtbar geworden ist. Wegen dieser auf Gesetz beruhenden Verzahnung von Statusklärung und Beitrags- und Zahlungspflicht
hält es der Senat entgegen der Auffassung der Beklagten für gerechtfertigt, bei der Streitwertbestimmung nach § 52 Abs. 1 GKG an die dem Statusfeststellungsverfahren nachgelagerte Pflicht zur Zahlung der Beiträge anzuknüpfen (so auch die ständige
Rechtsprechung des 5. Senats des Bayer. LSG, Beschluss vom 04.03.2011, L 5 R 647/10 B; vom 22.11.2012, L 5 KR 312/12). Das bedeutet konkret, dass die Sozialversicherungsbeiträge zugrunde zu legen sind, die den Arbeitgeber im Fall der rechtskräftigen
Feststellung von Beschäftigung und Versicherungspflicht zahlen müsste, wobei je nach Fallgestaltung der Gedanke des § 42 GKG (dreifacher Jahresbetrag bei wiederkehrenden Leistungen) zu beachten sein wird (zu den Einzelheiten vgl. Bayer. LSG, Beschluss
vom 04.03.2011, L 5 R 647/10 B; Beschluss des Senats vom 09.02.2015, L 16 R 278/14 B).
Eine abweichende Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach in Verfahren gemäß §
7a SGB IV stets der Auffangwert von 5.000 EUR maßgeblich wäre, ist dem Senat nicht bekannt. In Statusfeststellungsverfahren setzt das
BSG den Streitwert entweder auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 GKG fest (vgl. Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R: 6.500 EUR) oder es geht vom Auffangwert aus, wenn genügende Anhaltspunkte für die Wertbestimmung fehlen (vgl. Urteil vom
04.06.2009, B 12 R 6/08 R; Beschluss vom 05.03.2010, B 12 R 8/09 R).
Die Festsetzung des Streitwerts auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 GKG ist in Statusfeststellungsverfahren allerdings nur möglich, wenn nach Aktenlage feststellbar ist, welche konkrete Beitrags-
und Zahlungspflicht dem Arbeitgeber droht. Wenn die klagende Partei gemäß § 61 GKG bei der Antragstellung Angaben zum Streitwert gemacht hat, werden die entsprechenden Tatsachen in der Regel aktenkundig sein.
Nach § 61 GKG ist bei jedem Antrag der Streitwert, sofern dieser nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, kein fester Wert bestimmt
ist oder sich nicht aus früheren Anträgen ergibt, und nach Aufforderung auch der Wert eines Teils des Streitgegenstand schriftlich
oder zu Protokoll der Geschäftsstelle anzugeben (Satz 1), wobei die Angabe jederzeit berichtigt werden kann (Satz 2). Die
Notwendigkeit der Streitwertangabe "bei jedem Antrag" dient dem Zweck, etwaige Unklarheiten über den Streitwert frühzeitig
zu beseitigen. Liegen entsprechende Angaben bei Klageerhebung vor, kann auch der Gerichtskostenvorschuss in zutreffender Höhe
berechnet werden.
Hier bestanden nach dem Sach- und Streitstand bei Beendigung des Klageverfahrens durch Anerkenntnis nicht genügende Anhaltspunkte
für eine Streitwertbestimmung gemäß § 52 Abs. 1 GKG. Die Klägerin hatte entgegen § 61 GKG keine Angaben zum Streitwert gemacht. Sie äußerte sich weder bei Klageerhebung noch im weiteren Verlauf des Klageverfahrens
zum Streitwert. Sie nannte nicht einen bestimmten Betrag und sie machte auch keine Ausführungen zur Dauer der streitgegenständlichen
Tätigkeit und zur Höhe des vom Beigeladenen erzielten Verdienstes.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass die genügenden Anhaltspunkte zur Streitwertbestimmung auch noch nach Beendigung
eines Verfahrens geliefert werden könnten. Dieser Sicht kann sich der Senat nicht anschließen. Zum einen kommen Ermittlungen
des Gerichts zur Aufklärung der für eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG erforderlichen Tatsachen nach Beendigung eines Verfahrens nicht in Betracht (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage 2014,
§ 52 GKG Rn. 20; Meyer, GKG/ FamGKG, 14. Auflage 2014, § 52 GKG Rn. 21; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.05.2013, 10 L 17.13). Zum anderen würde die von der Klägerin
vorgeschlagene Handhabung dem Grundgedanken des § 61 GKG widersprechen. Angaben zum Streitwert haben frühzeitig bei oder nach Beginn eines Verfahrens zu erfolgen.
Soweit sich die Klägerin auf § 61 Satz 2 GKG beruft, ist festzustellen, dass eine Berichtigung der Streitwertangabe zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist.
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass er eine Streitwertfestsetzung im Wege der Vervielfachung des Auffangwerts von 5.000
EUR für nicht gesetzeskonform hält. Die Vervielfachung des Auffangwerts würde auf die Einführung eines speziellen Auffangwerts
für Statusfeststellungsverfahren hinauslaufen, wofür die Regelungen des Gerichtskostengesetzes keine Grundlage bieten (vgl. BSG, Beschluss vom 05.03.2010, B 12 R 8/09 R; Urteil vom 08.12.2008, B 12 R 37/07 B).
Dieses Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Die Beschwerde zum Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).