Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; Anforderungen an eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Mai 1960 geborene Kläger hat von März 1976 bis Januar 1979 eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann erfolgreich absolviert.
An Umschulungsmaßnahmen hat er nach seinen eigenen Angaben nicht teilgenommen und auch keine anderen Qualifikationen erlangt;
ein Anlernverhältnis bestand ebenfalls nicht. Der Kläger war nach dem Abschluss der Berufsausbildung und Zeiten des Wehrdienstes
zunächst als Lagerist versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1988 bis 1993/1994 war er als Musikproduzent im deutschen Schlagerbereich
tätig (Tonstudio, Texte, Komponieren, Arrangieren). Von 1994 bis 2003 war er im Büro einer Spedition tätig, im Anschluss daran
von 2000 bis 2007 wieder als selbständiger Musikproduzent. Zuletzt war er von Oktober 2009 bis April 2011 bei der Fa. R. in
Österreich, dann noch vom 4. Mai bis 12. Mai 2011 in einem Imbiss, als Koch versicherungspflichtig beschäftigt.
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 8. November 2011 über den österreichischen Rentenversicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung
von der Beklagten. Auf deren Veranlassung erstellte Dr. Z. am 15. Februar 2012 ein nervenärztliches Gutachten. Der Sachverständige
stellte beim Kläger eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion (DD: Burn-out-Syndrom) fest. Die vorliegenden Befunde
ließen nicht erkennen, dass der Kläger weniger als 6 Stunden belastbar sei, weder in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als
ungelernter Koch noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 7. März 2012 den Antrag ab.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger darauf, er leide nach wie vor bei Stresssituationen
unter Panik- und Angstattacken. Er legte einen Abschlussbericht des Zentrums für psychosoziale G. S. über einen stationären
Aufenthalt vom 7. März bis 30. Mai 2012 vor. Hierin werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode, ein Erschöpfungssyndrom
(Burn-out-Syndrom), ein Mangel an Entspannung und Freizeit, eine arterielle Hypertonie sowie ein Zustand nach Kieferabszess
rechts (März 2012) genannt. Der Kläger wurde in weitgehend stabilem und verbessertem psychopathologischem Zustandsbild entlassen.
Es werde weitere psychophysische Schonung empfohlen.
Die Beklagte zog weitere Befundberichte und einen Änderungsbescheid des Versor- gungsamts L. vom 29. Oktober 2012 (GdB 40)
bei. Aktenkundig wurde auch ein psychiatrisches Gutachten von Dr. H. vom 12. September 2012, das für das Landesgericht I.
im Rahmen eines Klageverfahrens gegen den die Gewährung einer Invaliditätspension ablehnenden Bescheid des österreichischen
Rentenversiche- rungsträgers erstellt worden ist. Aus psychiatrischer Sicht ergeben sich danach beim Kläger Hinweise für das
Vorliegen einer Anpassungsstörung mit vordergründigen Erschöpfungsgefühlen bei Zustand nach multiplen Belastungsfaktoren.
Der Kläger könne noch leichte und mittelschwere geistige Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen mit durch- schnittlichem und
fallweise besonderem bzw. überdurchschnittlichem Zeitdruck vollschich- tig verrichten. Aus psychiatrischer Sicht bestünden
keine Einschränkungen der körperli- chen Belastbarkeit.
Nachdem der Kläger die Klage vor dem Landesgericht I. zurückgenommen hatte, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 12. April 2013 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und erklärt, sein Zustand habe sich weiterhin verschlechtert. Er leide unter Taubheitsgefühlen am linken Oberschenkel,
längeres Stehen verursache starke Rückenschmerzen, auch bei langsamem Gehen müsse er nach wenigen Metern eine Pause einlegen,
seine Depressionen seien mittlerweile chronisch.
Das SG hat diverse Befundberichte beigezogen sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S.vom 6. September 2013, das
vom österreichischen Rentenversicherungsträger auf den neuerlichen Rentenantrag des Klägers vom 12. Juli 2013 eingeholt worden
war. Danach leide der Kläger unter einer Anpassungsstörung (depressive Reaktion), einer Adipositas sowie einem Schwindel.
Aus psychiatrischer Sicht sei der Kläger in seiner Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit derart beeinträchtigt, dass ihm derzeit
keine geregelten Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar seien.
Das SG hat gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. Dr. W ... Der Sachver- ständige hat
in seinem Gutachten vom 15. November 2013 beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradig, sowie
eine Neurasthenie diagnostiziert. Der Kläger sei noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel
zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu ebener Erde zu verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen
von Lasten, Zwangshaltungen, Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, Treppensteigen, Zeitdruck und Verkaufstätigkeiten. Als Koch
sei der Kläger nicht mehr ausreichend belastbar, der allgemeine Arbeitsmarkt stehe jedoch offen. Die Umstellungsfähigkeit
sei für Arbeiten mit den Merkmalen Einarbeitung und Einweisung erhalten. Mehrmonatige Umschulungen würden derzeit jedoch eine
Überforderung darstellen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, er beziehe mittlerweile eine Invaliditätspension vom österreichischen Rentenversicherungsträger.
Er müsse daher auch vom deutschen Versicherungsträger eine Rente erhalten. Er hat weitere Befundberichte behandelnder Ärzte
vorgelegt.
Nachdem Dr. Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Januar 2014 ausgeführt hatte, aus den weiteren Befundberichten
ergebe sich keine Änderung der sozialmedizinischen Beurteilung, hat das SG die Klage mit Urteil vom 30. April 2014 unter Berufung auf das Gutachten von Dr. Dr. W. abgewiesen. Danach bestehe noch ein
Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht. Der Kläger genieße keinen Berufschutz. Er habe die Tätigkeit als Koch ohne
jegliche Vorbildung verrichtet. Es habe sich daher lediglich um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt. Gegenteiliges sei auch
nicht vorgetragen worden.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und darauf verwiesen, er sei psychisch nicht
stabil und beziehe deshalb bereits eine Invaliditätspension aus Österreich. Das Gutachten sei widersprüchlich. Es enthalte
eine riesige Aufstellung, was er alles nicht könne, dies aber dann für mindestens 6 Stunden. Mit dem Gutachten von Dr. Dr.
W. sei er nicht einverstanden.
Der Senat hat diverse Befundberichte beigezogen, eine Arbeitgeberauskunft bei der Firma B. eingeholt und Dr. C. mit der Erstellung
eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 14. Januar 2015 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen
festgestellt:
1. Degeneratives Zervikalsyndrom mit Verkalkung des vorderen Längsbandes multisegmental, aktuell ohne wesentliche Funktionseinschränkung
und ohne neurologische Defizite 2. Morbus Forrestier mit fortgeschrittener teil- bzw. vollständiger Ankylosierung der Bewegungssegmente
der Brustwirbelsäule und der oberen Lendenwirbelsäule 3. Lumbosacrale Spondylarthrose mit chronischer Lumbalgie ohne neurologische
Defizite 4. Statische Verformung Vorfuß beidseits mit Senk-Spreizfußdeformität beidseits. Anlaufende initiale Großzehengrundgelenksarthrose
beidseits. Planetarer und achillärer Fersensporn beidseits. Zustand nach Spontanfraktur wohl überlastungsbedingt; beide Füße
derzeit beschwerdefrei. 5. Meralgia parästhetika Oberschenkel links mit Einklemmungsphänomen des Nervus cutaneus femoris lateralis
links unter dem Leistenband bei Adipositas im Rahmen des metabolischen Syndroms bei Adipositas per magna.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis fallweise mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung schwerer körperlicher Arbeit,
gehend, stehend und sitzend sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien
das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus, häufiges Bücken, Zwangshaltungen.
Arbeiten am PC sowie im Bürobereich seien möglich. Dies gelte auch für Tätigkeiten wie Warenaufmacher, Pförtner und Telefonist
und Verrichtungen, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Eine wesentliche Einschränkung
der Wegefähigkeit liege nicht vor. Der Kläger könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen sowie einen PKW fahren. Die Umstellungsfähigkeit
sei nicht erkennbar beeinträchtigt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
In seiner Stellungnahme hierzu hat der Kläger darauf verwiesen, er habe aufgrund seiner Depressionen und seines Burn-Out Rente
beantragt. Ein öffentliches Verkehrsmittel könne er keinesfalls benutzen. Ihm sei in Österreich ein Behinderten-Parkausweis
ausgestellt worden, weil er auf ein Auto angewiesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 30. April 2014 sowie des Bescheids der Beklagten
vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2013 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung
entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente
wegen voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§
43 Abs.
1,
240 Abs.
1,
2 SGB VI zu.
Gem. §
43 Abs.
1,
2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert
sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer
Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. Dr. W. und Dr. C. ist der Kläger noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich
zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erledigen.
Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet.
Bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. Dr. W. fanden sich in neurologischer Hinsicht regelgerechte Verhältnisse in Bezug
auf Hirnnerven, Reflexe, Motorik, Psychomotorik, Sensibilität und Koordination. Die Sensibilität war abgesehen von einer Hypästhesie
und einer Algesie links im Oberschenkelbereich im Sinne einer Meralgie unauffällig.
Im psychischer Hinsicht war der Kläger vollorientiert, bewusstseinsklar, ungestört kontaktfähig sowie formal in allen Stücken
geordnet. In Bezug auf Aufmerksamkeit, Vigilanz, Kognition und Gedächtnis zeigten sich keinerlei Defizite. Die Stimmung des
Klägers war themengebunden unfroh. Hierbei imponierten insbesondere der Tod des Vaters, der zuletzt vom Kläger gepflegt worden
war, Konflikte mit dem alkoholkranken Bruder sowie das Scheitern der Ehe und einer anschließenden Partnerschaft des Klägers.
Abgesehen hiervon war die Stimmung des Klägers aber nicht unfroh, die Auslenkbarkeit war erhalten. Dr. Dr. W. hat darauf hingewiesen,
dass der Kläger zu einem übergeneralisierenden und stark verallgemeinernden, vor allem aber zu einem katastrophisierenden
Urteilsstil neigt mit einer - möglicherweise auch verfahrensbezogenen - Neigung zur subjektiven Selbstlimitierung. Eine schwergradige
Verkürzung der affektiven Beweglichkeit und emotionalen Ausdrucksfülle konnte der erfahrene Gerichtssachverständige beim Kläger
aber nicht feststellen. Die klassischen Zeichen eines tiefergreifenden depressiven Erlebens wie etwa Vitalstörungen oder tageszeitabhängige
Stimmungsschwankungen fehlten.
Nach den Ausführungen von Dr. Dr. W. hat der Kläger zwar in 2011 eine mehrfache Überlastungssituation in beruflicher und privater
Hinsicht durchlebt, die zu einer depressiven Krise geführt hat. Diese hat sich aber wieder zurückgebildet. Geblieben sind
Versagens- und Zukunftsängste bei allenfalls mäßig gedrückter Stimmungslage. Die vom Kläger als verkürzt angegebene Antriebslage
konnte von Dr. Dr. W. nicht nachvollzogen werden. Eine solche erschließt sich auch nicht für den Senat, wenn man sich das
vom Kläger gegenüber Dr. Dr. W. angegebene, nicht gravierend eingeschränkte Aktivitätsspektrum vor Augen führt. So erledigt
der Kläger zusammen mit einer Freundin den Haushalt, wobei das Kochen alleine vom Kläger übernommen wird. Er unterstützt seine
Freundin bei Recherchen im Internet, am Nachmittag werden zusammen kleine Unternehmungen gestaltet. Der Kläger geht auch noch
Hobbys nach (Malen Acryl auf Leinwand, Schreiben von Gedichten und kleinen Geschichten, Dekorieren).
Hieraus hat Dr. Dr. W. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass dem Kläger noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarkts 6 Stunden täglich zumutbar sind.
Dr. Dr. W. steht damit auch in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern mit Ausnahme des Dr. S ... Die Einschätzung von Dr. S.,
das Leistungsvermögen des Klägers sei völlig aufgehoben, konnte den Senat nicht überzeugen. Einer nachvollziehbaren Begründung
hierfür bleibt Dr. S. schuldig. Auch Dr. S. hat den Kläger als wach, allseits ausreichend orientiert und affektadäquat beschrieben.
Psychomotorik, Aufmerksamkeit, Konzentration und Denkvermögen waren ebenfalls unauffällig. Der Gedankenduktus war ohne Befund
und kohärent sowie ohne akute suizidale Einengung. Allein aufgrund einer nicht näher beschriebenen depressiven Stimmungslage
und behaupteten, aber in keiner Weise näher erläuterten Antriebsreduzierung ist dann Dr. S. davon ausgegangen, der Kläger
sei noch nicht ausreichend stabil und belastbar. Diese wenig substantiellen Ausführungen stellen für den Senat keine ausreichend
tragfähige Grundlage für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung dar.
Auch aus orthopädischer Sicht sind keine Gesundheitsstörungen des Klägers ersichtlich, die einer Arbeitsleistung von 6 Stunden
und mehr für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts entgegenstehen würden. Bei der Untersuchung des Klägers durch
Dr. C. waren Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet. Es zeigten sich kein Ikterus, keine Zyanose und keine allgemeinen
Gewebswassereinlagerungen. Die Pulse waren gut tastbar, der Tonus der peripheren Muskulatur war normal.
Die Rückenform des Klägers war physiologisch bei normalen Schwingungsverhältnissen der Wirbelsäule und regulär ausgebildeter
paravertebraler Muskulatur. Gravierendste Gesundheitsstörung des Klägers aus orthopädischer Sicht ist die Einsteifung der
Wirbelsäule insbesondere im Bereich der BWS im Rahmen eines Morbus Forrestier. Es handelt sich hierbei um rein degenerative
Veränderungen, die keinen entzündlich- rheumatischen Charakter aufweisen. Diese Erkrankung führt zu Einschränkungen der Beweglichkeit
insbesondere im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule. So ist die Links- und Rechtsrotation um etwa 1/3, die Lateralflexion
um die Hälfte eingeschränkt. Dem Kläger gelang aber noch die Ausführung des Fersen-, des Zehenspitzen- und des Einbeinstands
problemlos. Auch das Wiederaufrichten aus der Vorneige geschah aus rückeneigener Kraft ohne Zuhilfenahme der Hände. Hinweise
für eine Beteiligung der Nervenwurzeln fehlten. Das Zeichen nach Lasegue war beidseits negativ. Den Langsitz konnte der Kläger
schmerzfrei einnehmen.
An den oberen Extremitäten waren sämtliche Gelenkskonturen symmetrisch ohne Muskelathropien, Weichteilschwellungen oder Ergussbildungen.
Die Schulterfunktionsgriffe konnte der Kläger problemlos durchführen. Die grobe Kraft war seitengleich nicht gemindert. Ellbogen,
Handgelenke, Hände und Finger waren gänzlich unauffällig. Die Hände zeigten eine seitengleiche normale Beschwielung, sämtliche
Funktionsgriffe waren dem Kläger vollständig möglich.
An den unteren Extremitäten war die Muskulatur ebenfalls normal ausgebildet ohne Ödeme, trophische Störungen, Entzündungs-
oder Stauungszeichen. Hüft-, Knie- und Sprunggelenke waren frei beweglich und ohne jegliche Auffälligkeiten.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Arbeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten.
Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden
allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen wäre. Die von Dr.
Dr. W. und Dr. C. aufgeführten und oben wiedergegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen, die der Senat bei seiner Prüfung
zu Grunde legt, sind nicht ungewöhnlich und schränken die Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht
im besonderen Maße ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die oberen Extremitäten des Klägers keinerlei Funktionsbehinderungen
aufweisen. Dr. C. hat auch ausdrücklich festgestellt, dass die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten zu verrichtenden Arbeiten
wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren usw. dem Kläger bei insoweit erhaltener Umstellungsfähigkeit noch zugemutet werden
können. Auch hat er - in genauer Kenntnis der berufskundlichen Anforderungen an diese Berufe aufgrund der Übersendung einer
berufskundlichen Stellungnahme des LAA Hessen vom 11. Februar 2013 zu Tätigkeiten als Warenaufmacher, Tagespförtner und Telefonist
- festgestellt, dass dem Kläger diese Tätigkeiten noch mindestens 6 Stunden täglich zumutbar sind.
Schließlich besteht auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke
von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der
Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 unter Hinweis auf großer Senat in BSGE 80, 24,35). Bei der Frage, ob der Versicherte derartige Fußstrecken zurücklegen kann, sind alle zumutbaren und dem Versicherten
verfügbaren Mobilitätshilfen zu berücksichtigen, wobei es bei dem anzulegenden generalisierenden Maßstab auf die besondere
Beschaffenheit eines konkreten Weges (z.B. Unebenheiten, Steigungen, Glatteis) nicht ankommt.
Für eine Beschränkung der Wegstrecke gibt es keinerlei plausible Gründe. Dr. C. und Dr. Dr. W. haben dementsprechend auch
keine Einschränkung angenommen. Gegen die vom Kläger geltend gemachte Einschränkung der Wegefähigkeit spricht auch, dass die
Fußsohlen nach den Feststellungen von Dr. C. seitengleich kräftig beschwielt waren. Dies ist ein Indiz dafür, dass der Kläger
noch tatsächlich Wegstrecken zurücklegt. Der Kläger benutzt auch keine Stockstütze oder ähnliche Hilfsmittel. Das Gangbild
war nach den Feststellungen von Dr. C. zwar adipositasbedingt beschwerlich, aber hinkfrei. Auch ist der Senat davon überzeugt,
dass der Kläger noch in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus welchen Gründen dies nicht mehr möglich
sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Davon abgesehen ist der Kläger, wie bereits Dr. Dr. W. festgestellt hat und
wie sich auch aus dem Schriftsatz des Klägers vom 26. Januar 2015 entnehmen lässt (Hinweis auf Behinderten-Parkausweis), im
Besitz eines Führerscheins und eines Kfzs. Der Kläger kann damit mittels seines Kraftfahrzeugs einen Arbeitsplatz erreichen.
Dem Kläger steht schließlich auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben auch vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte, die berufsunfähig
sind (§
240 Abs.
1 SGB VI).
Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation
mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs
Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit.
Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorü- bergehend
eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164).
In der maßgeblichen letzten versicherungspflichtigen, eine nennenswerte Zeit ausgeübte Tätigkeit vom 5. Oktober 2009 bis 11.
April 2011 - eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Österreich steht insoweit einer solchen in Deutschland gleich -
hat der Kläger nach der Auskunft der Firma B. vom 23. Februar 2015 als Hilfskoch ungelernte Tätigkeiten verrichtet. Diese
Angaben sind für den Senat nachvollziehbar, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben keine Ausbildung als Koch durchlaufen
und auch kein Anlernverhältnis bestanden hat. Der Kläger ist damit uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar,
ohne dass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfte. Wie bereits oben dargelegt, ist der Kläger davon abgesehen
aber auch noch in der Lage, Tätigkeiten als Warenaufmacher, Pförtner oder Telefonist mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Dr. W. ist die Umstellungsfähigkeit des Klägers für Tätigkeiten, die - wie die
genannten - eine Einarbeitung oder Einweisung erfordern, erhalten. Damit kommt die Gewährung einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ebenfalls nicht in Betracht.
Abschließend sei der Kläger darauf hingewiesen, dass allein aus einem Rentenbezug in Österreich nicht folgt, auch in Deutschland
bestehe ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Vielmehr ist zunächst vom deutschen wie vom österreichischen
Rentenversicherungsträger und ggf. dann von den Gerichten unter Zugrundelegung der jeweils eigenen nationalen Bestimmungen
zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Rentengewährung gegeben sind.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§§
183,193
SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.