Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache;
Fahrlässigkeit im Rahmen von Meldepflichten Arbeitsloser
Gründe:
I. Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Am 20.10.2008 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber einen vom 23.10.2008 bis 22.04.2009 befristeten Arbeitsvertrag - 3.
Verlängerung -, im Rahmen dessen er darauf hingewiesen wurde, dass er sich drei Monate vor Ablauf des Vertragsverhältnisses
persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden müsse. Vom 01.04.2009 bis 02.05.2009 war der Kläger arbeitsunfähig
erkrankt. Er meldete sich am 15.04.2009 telefonisch arbeitsuchend und beantragte persönlich Arbeitslosengeld ab 03.05.2009.
Wegen einer Urlaubsabgeltung bezog er ab 15.04.2009 bis zu dessen Erschöpfung Arbeitslosengeld (Bescheid vom 28.05.2009; Leistungsbetrag
täglich: 17,26 EUR).
Mit Bescheid vom 22.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2009 stellte die Beklagte nach Anhörung den
Eintritt einer Sperrzeit vom 23.04.2009 bis 29.04.2009 fest. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses habe nicht konkret
in Aussicht gestanden. Unter anderem aus dem letzten abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag sei dem Kläger die Pflicht
zur rechtzeitigen Meldung bekannt.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er habe erst kurz vor Ablauf der Befristung erfahren, dass das Arbeitsverhältnis nicht verlängert werde. Den befristeten
Arbeitsvertrag habe er nicht gelesen, von der Regelung zur frühzeitigen Meldung habe er nichts gewusst. Er lebe seit 1991
in Deutschland.
Mit Urteil vom 27.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei seiner Mitteilungspflicht gemäß §
38 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) nicht nachgekommen, so dass die Sperrzeit eingetreten sei. Aus dem letzten befristeten Arbeitsvertrag vom 20.10.2008 habe
er die Obliegenheit zur rechtzeitigen Arbeitsuchendmeldung kennen müssen und er habe sich fahrlässig nicht rechtzeitig arbeitsuchend
gemeldet. Regelmäßig liege zumindest fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Leistungsbezieher u.a. durch seinen Arbeitgeber
auf die Meldepflicht hingewiesen worden sei. Wenn sich der Kläger trotz seines Aufenthaltes in Deutschland seit 1991 auf mangelnde
Sprachkenntnisse berufe, so müsse er sich den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens gefallen lassen, der jeden treffe, der einen
Arbeitsvertrag unterschreibe, ohne dessen Inhalt zu kennen.
Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Die Berufung sei wegen grundsätzlicher
Bedeutung zuzulassen. Es gebe keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob das Nichtlesen eines Arbeitsvertrages
die Beklagte berechtige, dem Kläger fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Eine Verpflichtung eines Arbeitnehmers, einen zivilrechtlichen
Arbeitsvertrag auf eventuell später auftretende sozialrechtliche Verpflichtungen hin durchzulesen, könne dem Gesetz nicht
entnommen werden.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II. Die vom Kläger fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht.
Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs
1 Satz 2
SGG).
Nach §
144 Abs
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des
Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
Der Kläger macht alleine eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Hinweise auf einen Verfahrensfehler oder ein
Abweichen des SG von obergerichtlicher Rechtsprechung bestehen nicht.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter
Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des
Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
144 RdNr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur
nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten
ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4).
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zutreffend hat das SG im Rahmen der Prüfung des vorwerfbaren Verhaltens bezüglich der nicht rechtzeitig erfolgten Meldung einen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff
angewandt und ist im Rahmen der Einzelfallprüfung durch Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dem Kläger sei wegen Nichtlesens
des Arbeitsvertrages vom 20.10.2008, der entsprechende Hinweise enthalte, fahrlässiges Verhalten hinsichtlich der nicht rechtzeitigen
Erfüllung seiner Meldepflicht vorzuwerfen. Er habe von der bestehenden Obliegenheit aufgrund der Ausführungen im Arbeitsvertrag
Kenntnis erlangen können, habe diesen jedoch nicht gelesen. Dabei ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass sich
ein Kläger nicht damit exculpieren könne, er habe die Hinweise nicht gelesen (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.1987 - 5b RJ 36/86
- veröffentlicht in Juris Rn 14 zur Frage der groben Fahrlässigkeit). Eine grundsätzliche Bedeutung kommt dabei auch der Frage,
ob eine Verpflichtung bestehe, zivilrechtliche Arbeitsverträge im Hinblick auf eventuell später auftretende sozialrechtliche
Verpflichtungen vorsorglich durchzulesen, nicht zu, denn die Antwort hierauf ergibt sich eindeutig aus der vom Gesetzgeber
geschaffenen Regelung des §
2 Abs
2 Satz 2 Nr
3 SGB III. Die Informationspflicht des Arbeitgebers hiernach tritt praktisch an die Stelle derjenigen Belehrungspflichten, die der
Gesetzgeber der Agentur für Arbeit auferlegt, bevor als Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen
für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld eintreten können (BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - veröffentl.
in Juris Rn 22). Soweit der Kläger die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen will, muss er sich über den Inhalt des
Arbeitsvertrages Klarheit verschaffen (BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 11 Rar 89/96 - veröffentl. in Juris Rn 23).
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§
145 Abs
4 Satz 4
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).