Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
Rechtmäßigkeit der Rücknahme und Neufestsetzung von Honorarbescheiden
Ausübung des Schätzungsermessens durch die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung
Das Schätzungsermessen im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung als sachlich-rechnerische Richtigstellung ist auch dann ordnungsgemäß
ausgeübt, wenn die falsch abgerechneten Gebührenordnungspositionen gestrichen und nicht in niedriger bewertete Gebührenordnungspositionen
umgesetzt werden. Denn die KÄV ist nicht verpflichtet, die Abrechnungsunterlagen auf mögliche ungenutzte Abrechnungspotentiale
hin zu überprüfen.
1. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die KÄV über die Berichtigung einzelner Leistungspositionen hinausgehend den gesamten Honorarbescheid aufheben und das
Quartalshonorar neu festsetzen, wenn die Honorarabrechnung des Vertragsarztes erwiesenermaßen einen Fehlansatz aufweist, bei
dem ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
2. Denn in diesem Fall erfüllt die jeder Quartalsabrechnung beizufügende sogenannte Sammelerklärung nicht mehr ihre Garantiefunktion
und gilt damit als nicht wirksam abgegeben, sodass die gesamte quartalsbezogene Honorarabrechnung zu Fall kommt.
3. Die Aufhebung des gesamten Honorarbescheids hat zur Folge, dass das Honorar insgesamt neu festzusetzen ist, wobei eine
Schätzung erfolgen kann und nach der Rechtsprechung des BSG in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn die KÄV das Honorar in der Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe festsetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rücknahme und Neufestsetzung der Honorarbescheide für die Quartale 2/05
- 2/06. Der Kläger war ab dem 01.07.2002 als Frauenarzt (und später zusätzlich als Praktischer Arzt) in A-Stadt zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Mit einem seit dem 23.04.2008 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts C-Stadt wurde der Kläger
wegen Abrechnungsbetrug in 16 Fällen (Quartale 1/03 bis 4/06) zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von insgesamt 16.000 EUR (160
Tagessätze) verurteilt. Daraufhin wurden dem Kläger die Zulassung sowie die Approbation entzogen, nach Mitteilung des Klägerbevollmächtigten
jedoch die Approbation zwischenzeitlich wiedererteilt. Aufgrund eines weiteren Strafbefehls des Amtsgerichts C-Stadt (rechtskräftig
seit 25.04.2012) wurde der Kläger erneut wegen Abrechnungsbetrug in sechs Fällen (Quartale 1/07 - 2/08) zu einer Gesamtgeldstrafe
in Höhe von insgesamt 1.400 EUR (70 Tagessätze) verurteilt. Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 21.04.2009 eine Plausibilitätskontrolle
für das Quartal 2/2005 aufgrund Auswahl nach dem Zufallsprinzip (§ 7 bzw. § 8 Gesamtvertrag Regionalkassen/Ersatzkassen) ein.
Soweit hier streitgegenständlich, verwies sie auf Unklarheiten bezüglich des Ansatzes der Gebührenordnungspositionen 31608,
31695 und 31697 EBM (postoperative Behandlung nach der Erbringung von bestimmten Leistungen bei Überweisung durch den Operateur),
da der Kläger selbst der Operateur gewesen sei sowie des Ansatzes der Gebührenordnungsposition 31112 EBM (Eingriff an der
Brustdrüse der Kategorie B2). Der Kläger verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die Unterscheidung im Rahmen der postoperativen
Behandlung zwischen Behandlung durch den Operateur selbst und "bei Überweisung durch den Operateur" durch den EBMplus zum
01.04.2005 neu eingeführt worden sei und von ihm versehentlich nicht erkannt und berücksichtigt worden sei. Er bat um eine
entsprechende Korrektur der Abrechnung. Hinsichtlich des Ansatzes der Gebührenordnungsposition 31112 EBM vertrat er die Auffassung,
die Abrechnungsvoraussetzungen hätten jeweils vorgelegen. Mit Schreiben vom 20.08.2009 informierte die Beklagte den Kläger
über die Erweitung der Prüfung auf die Quartale bis einschließlich 2/06. Eine außergerichtliche Rückzahlungsvereinbarung unterzeichnete
der Kläger nicht. Mit Bescheid vom 02.11.2009 nahm die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale 2/05 - 2/06 insoweit
zurück, als sie den Honoraranspruch für Regional- und Ersatzkassen betrafen und setzte das Honorar für die einzelnen Quartale
neu fest. Der zu erstattende Rückforderungsbetrag belief sich insgesamt auf 26.449,27 EUR, wobei auf die noch streitgegenständlichen
Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697 EBM ein Betrag von 4998,29 EUR und hinsichtlich der Gebührenordnungspositionen
31112 EBM ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 7042,44 EUR entfiel. Die Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697
EBM dürften nicht in Ansatz gebracht werden, wenn die postoperative Behandlung durch den Operateur erfolgt sei. In diesen
Fällen sei jeweils eine andere, niedriger bewertete Ziffer anzusetzen. Diese Abrechnungsauffälligkeiten zeigten sich über
den gesamten Prüfzeitraum. Hinsichtlich der Gebührenordnungsposition 31112 EBM führte die Beklagte aus, dass sich die eingereichten
Dokumentationen zum Teil widersprächen. In den Karteikartenauszügen fände sich der Vermerk einer "FNP" (Feinnadelpunktion)
und in den vorgefertigten OP-Berichten werde eine "Mamma-PE", also eine Mamma-Probenentnahme, dokumentiert. Nach Rücksprache
mit dem medizinischen Fachexperten sei bei einer Feinnadelpunktion die Leistung einer Punktion in Ansatz zu bringen. Bei einer
Mamma-PE handele es sich um einen operativen Eingriff, hier müsse die Leistung einer Operation abgerechnet werden. Von dem
Kläger seien vorgefertigte OP-Berichte verwendet worden, die nicht alle erforderlichen Inhalte aufwiesen. Auf Grund der geringen
wie auch zum Teil widersprüchlichen Dokumentation in den eingereichten Unterlagen sei nicht erkennbar, welchen Eingriff der
Kläger tatsächlich durchgeführt habe. Deshalb erfolge eine Kürzung der Gebührenordnungsposition 31112 EBM. Aus den vom Kläger
nachgereichten Histologiebefunden sei ersichtlich, dass es sich bei einem Großteil der durchgeführten Operationen um eine
Feinnadelpunktion bzw. um eine Mamma-Stanze handele. Eine Mamma-PE, wie vom Kläger dargestellt und abgerechnet, liege in den
seltensten Fällen vor. Der Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des Ansatzes der Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697
EBM eingeräumt. Auf Grund der eingereichten Histologiebefunde ergebe sich, dass der Leistungsinhalt der Gebührenordnungsposition
31112 EBM nicht erbracht worden sei. Zudem ergebe sich aus der Durchsicht der eingereichten Dokumentationen sowie aus den
Stellungnahmen des Klägers, dass zum Teil Ergänzungen zu der bereits vorliegenden Dokumentation gemacht worden seien. Als
Ergebnis der durchgeführten Plausibilitätsprüfung stehe fest, dass Leistungen unter Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich
genauen Abrechnung zur Abrechnung gebracht worden seien. Die Beklagte führte einzelne Fälle aus den Quartalen 2/2005 bis 2/2006
auf, in denen der Leistungsinhalt nicht erbracht bzw. nachträglich Ergänzungen der Dokumentationen vorgenommen worden seien.
Es stehe nach Überzeugung der Beklagten fest, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt
habe und deshalb von zumindest grob fahrlässigem Handeln auszugehen sei. Die Sammelerklärungen hätten ihre Garantiefunktion
damit gänzlich verloren. Ein lediglich versehentlicher Pflichtverstoß sei auszuschließen. Hinsichtlich der Gebührenordnungspositionen
31608, 31695 und 31697 EBM sei in den Quartalen 2/2005 bis 2/2006 eine 100%ige Kürzung vorgenommen worden, da in allen überprüften
Fällen der nicht für den Operateur gültige postoperative Behandlungskomplex abgerechnet worden sei. Der Ansatz der Gebührenordnungsposition
31112 EBM sei bei acht von zehn ausgewerteten Dokumentationen nicht berechtigt gewesen. Die Kürzungsquote betrage hier 80%.
Die errechneten Quoten habe die Beklagte auch den Quartalen 3/2005 bis einschließlich 2/2006 im Wege der Schätzung zugrunde
gelegt. Die Prüfung dieser Quartale habe ergeben, dass das Abrechnungsverhalten in Bezug auf die dargestellten Sachverhalte
nach Art und Umfang mit dem Abrechnungsverhalten im Referenzquartal vergleichbar sei. Zur Berücksichtigung der Unwägbarkeiten
im Rahmen der Schätzung sei im Rahmen der Rückforderung bezüglich der Gebührenordnungsposition 31112 EBM ein Sicherheitsabschlag
von 10% gewährt worden.
Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.04.2010).
In seiner Klage zum Sozialgericht München führte der Kläger aus, die streitgegenständlichen Gebührenordnungspositionen 31608,
31695 und 31697 EBM hätten nicht gestrichen, sondern in die niedriger bewerteten Gebührenordnungspositionen 31609, 31696 und
31698 EBM umgesetzt werden müssen. Die Honorarkürzung bezüglich der GOP 31112 EBM sei nicht rechtmäßig, denn die Bezeichnungen "Feinnadelpunktion" und "Mamma-Probenentnahme" wiesen denselben Bedeutungsinhalt
auf. Der Kläger beanspruche bei den Zweifelsfällen zumindest die Vergütung der Leistung auf der Basis der niedriger bewerteten
Feinnadelpunktion nach der GOP 02341 EBM. Der Beklagte verneinte einen Anspruch des Klägers auf Umsetzung der nicht vergüteten Leistungen.
Das Sozialgericht München gab der Klage mit Urteil vom 7. Februar 2013 entsprechend dem letzten Klägerantrag statt und verpflichtete
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides, die vom
Kläger begehrte Umsetzung statt der Streichung der GOPs durchzuführen und die Leistungen unter Verrechnung des bereits vorgenommenen
Sicherheitsabschlag in Höhe von 10 % bei der GOP 31112 EBM nachzuvergüten. Es sei unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach berechtigt gewesen sei, die Honorarbescheide
für die Quartale 2/05 - 2/06 zurückzunehmen und das Honorar neu festzusetzen. Zu beanstanden sei jedoch die Höhe der von der
Beklagten vorgenommenen Honorarkürzung. Soweit davon auszugehen sei, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht
worden seien, habe die Beklagte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95 nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen.
Bei der Neufestsetzung habe sie allerdings ein weites Schätzungsermessen. Unter Berücksichtigung dieser maßgeblichen Rechtsprechung
des BSG stelle sich die von der Beklagten vorgenommene Kürzung der Ansätze für die Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697
EBM zu 100 % bzw. für die Gebührenordnungspositionen 31112 EBM zu 80 % ohne Berücksichtigung der tatsächlich vom Kläger erbrachten
Leistungen als unverhältnismäßig dar. Nach Auffassung der Kammer, die die Schätzung selbst vorzunehmen habe, lägen die Voraussetzungen
für die jeweils alternativen Gebührenordnungspositionen vor, deshalb habe die Beklagte keine Schätzung im eigentlichen Sinne
vornehmen müssen, sondern nur die angesetzten Ziffern in die beantragten Ziffern umsetzen und die Honoraranforderung entsprechend
reduzieren müsse. Darauf, dass der nachträgliche Austausch von Leistungspositionen nach den Vorschriften des HVM/HVV grundsätzlich
ausgeschlossen sei, komme es nicht an. Denn ein solcher Ausschluss sei nach der Rechtsprechung des BSG nicht mit dem Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässigen
falschen Angabe auf einem Behandlungsausweis vereinbar. Ein solcher Ausschluss hätte nur dann zum Tragen kommen können, wenn
die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung in allen infrage stehenden Behandlungsfehlern der streitgegenständlichen
Quartale einzeln den Nachweis der Unrichtigkeit der Abrechnung geführt hätte.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten zum Bayerischen Landessozialgericht. Der Kläger habe die streitgegenständlichen
Leistungen unstreitig fehlerhaft abgerechnet. Die Höhe der vorgenommenen Honorarkürzung sei verhältnismäßig und sei vom Erstgericht
zu Unrecht beanstandet worden. Insbesondere ergebe sich die vom SG angenommene Pflicht zur Umsetzung der streitgegenständlichen GOPs nicht aus dem zitierten Urteil des BSG. Mit den jeweiligen Sammelerklärungen habe der Kläger durch seine Unterschrift die sachlich rechnerische Richtigkeit der
Abrechnung bestätigt und garantiert, dass die Angaben in den von ihm eingereichten Abrechnungsunterlagen zuträfen. Es sei
die Pflicht des Klägers, sich anhand der ihm zur Verfügung stehenden Verträge, Abrechnungsvorschriften, Gebührenordnungen,
Anleitungen etc. die notwendige Kenntnis darüber zu verschaffen, wie die von ihm erbrachten Leistungen korrekt abzurechnen
seien. Die Beklagte habe nicht zu prüfen, welche Leistungen statt der fehlerhaft angesetzten GOPs hätten abgerechnet werden
können. Außerdem ergebe sich aus einem Urteil des Senats vom 27.05.2009, L 12 KA 549/07, dass der Beklagten nicht zumutbar sei, die Abrechnungsunterlagen auf mögliche ungenutzte Abrechnungspotentiale hin zu durchforsten.
Die Pflicht zur Umsetzung würde im Übrigen auch den Bestimmungen des HVV zuwiderlaufen (Punkt 7 VII), wonach ein nachträglicher
Austausch von Leistungspositionen generell ausgeschlossen sei. Die Beklagte bestreitet zudem das Vorliegen der Voraussetzungen
für die alternativen GOPs. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, zu überprüfen, ob der Leistungsinhalt dieser alternativen
GOPs tatsächlich erbracht worden sei. Zu beachten sei hier auch, dass die Patientendokumentationen vom Kläger nachträglich
verändert bzw. ergänzt worden seien, so dass der Beweiswert der Dokumentationen infrage zu stellen sei. Würde man die vom
Kläger unstreitig fehlerhaft abgerechnete operative Leistung nach der GOP 31112 EBM in die GOP 02341 EBM umsetzen, müsste in diesen Fällen auch der Ansatz der GOP 31608 EBM (postoperative Behandlung) und GOP 31503 EBM (postoperative Überwachung) korrigiert werden. Wenn vom Kläger nämlich lediglich eine Punktion erbracht wurde,
könnten postoperative Überwachung und Behandlung nicht abgerechnet werden. Eine derartige Umsetzung der streitgegenständlichen
Leistungen würde sich damit gegebenenfalls sogar zum Nachteil des Klägers auswirken. Die Beklagte habe ihr Schätzungsermessen
ordnungsgemäß ausgeübt, indem aus der Vergütung ausgenommen nur solche Leistungen wurden, die vom Kläger nachweislich fehlerhaft
abgerechnet worden seien.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.02.2013, S 28 KA 336/10, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend. Da für den hier vorliegenden Fall klar und unstreitig sei, welche Leistungen mindestens erbracht worden seien
und nach welchen GOPs sie abzurechnen seien, gelte der Einwand der Beklagten, es könne ihr nicht zugemutet werden, nachzuprüfen,
ob und welche Leistung der Arzt tatsächlich erbracht habe, nicht. Die Durchführung der alternativen GOPs ergebe sich aus den
vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Soweit Unregelmäßigkeiten bei Patientendokumentationen nachgewiesen worden seien, beträfen
diese andere Leistungskomplexe. Der Kläger wehre sich gegen einen Generalsverdacht der Falschabrechnung.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat den Bescheid vom 02.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2010 zu Unrecht zum Teil aufgehoben. Die
isolierte Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 SGG) ist vielmehr unbegründet, denn die Beklagte hat zu Recht für die Quartale 2/05 bis 2/06 ein (soweit hier noch streitgegenständlich)
um 12.040,53 EUR niedrigeres Honorar festgesetzt und den überzahlten Betrag vom Kläger zurückgefordert. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Umsetzung der fehlerhaft abgerechneten GOPs 31608, 31695, 31697 und 31112 EBM in die niedriger bewerteten GOPs
31609, 31696, 31698 sowie 02341 EBM.
Rechtsgrundlage hierfür ist §
106a Abs.
1 und
2 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V; hier anzuwenden in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003), wonach die KÄV die sachliche und
rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt. Eine Richtigstellung hat demnach zu erfolgen, wenn
ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührenordnungspositionen ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistungen
nicht erfüllt ist oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf. Dasselbe gilt, wenn der Vertragsarzt Leistungen
unter Verstoß gegen die Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchführt und
abgerechnet hat.
Nach der Rechtsprechung des BSG kann die KÄV über die Berichtigung einzelner Leistungspositionen hinausgehend den gesamten Honorarbescheid aufheben und das
Quartalshonorar neu festsetzen, wenn die Honorarabrechnung des Vertragsarztes erwiesenermaßen einen Fehlansatz aufweist, bei
dem ihm - wie vorliegend - grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Denn in diesem Fall erfüllt die jeder Quartalsabrechnung
beizufügende sogenannte Sammelerklärung nicht mehr ihre Garantiefunktion und gilt damit als nicht wirksam abgegeben, sodass
die gesamte quartalsbezogene Honorarabrechnung zu Fall kommt (vgl. Clemens in: jurisPK-
SGB V, 2. Aufl., §
106a Rdnr. 212). Die Aufhebung des gesamten Honorarbescheids hat zur Folge, dass das Honorar insgesamt neu festzusetzen ist, wobei
eine Schätzung erfolgen kann und nach der Rechtsprechung des BSG (aaO) in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn die KÄV das Honorar in der Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe festsetzt.
Die genannten Voraussetzungen liegen in den hier streitigen Quartalen vor. Dies hat der Kläger auch nicht bestritten. Der
Kläger ist vielmehr nur der Auffassung, die abgesetzten Ziffern hätten in die niedriger bewerteten Ziffern umgesetzt werden
müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der Vertragsarzt, der grob fahrlässige Falschabrechnungen und damit die Abgabe
einer unrichtigen Sammelerklärung zu verantworten hat, kann gerade keine möglichst genaue Alternativberechnung beanspruchen
(so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. November 2014, L 3 KA 70/12, Rn. 29 [...]), sondern muss sich als Folge seines gravierenden Fehlverhaltens auf eine mehr oder weniger grobe Schätzung
verweisen lassen. Dies beinhaltet auch, dass die zu Unrecht abgerechneten Ziffern vollumfänglich abgesetzt werden. Bezüglich
der GOP 31608, 31695 und 31697 EBM hat die Beklagte demnach zutreffend sämtliche angesetzten Leistungspositionen sachlich-rechnerisch
richtig gestellt, da der Kläger unstreitig selbst Operateur war, während die vorgenannten Ziffern nur bei Überweisung durch
den Operateur abgerechnet werden können. Auch die Absetzung der GOP 31112 EBM im Umfang von 80 % der angesetzten Leistungen ist nicht zu beanstanden, da die stichprobenartige Prüfung der Beklagten
im Quartal 2/05 eine entsprechende Fehlerquote ergeben hatte und diese im Rahmen des weiten Schätzungsermessen auf die übrigen
Quartale übertragen werden konnte. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, würde ein Anspruch des Klägers auf Umsetzung in die
jeweils niedriger bewertete alternative GOP dazu führen, dass der Kläger trotz seines Fehlverhaltens kein Risiko bei der Falschabrechnung tragen würde. Dies würde die
Pflicht des Klägers zur peinlich genauen Abrechnung ad absurdum führen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Abrechnungsunterlagen
auf mögliche ungenutzte Abrechnungspotentiale hin zu überprüfen (Entscheidung des Senats vom 27.05.2009, L 12 KA 549/07). Zudem stünde der Kläger bei einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Rahmen eines Plausibilitätsverfahrens nach
festgestellter grobfahrlässiger Falschabrechnung besser als nach Durchführung einer quartalsgleichen oder nachgehenden sachlich-
rechnerischen Richtigstellung. Denn in diesem Fall könnte sich die Beklagte auf den Ausschluss einer Umsetzung durch HVV bzw.
die Abrechnungsbestimmungen stützen, während ihr dies im Rahmen des weiten Schätzungsermessen nach Durchführung einer Plausibilitätsprüfung
verwehrt wäre. Nach dem in den streitgegenständlichen Quartalen 2/05 bis 2/06 geltenden Honorarverteilungsvertrag (HVV), Erster
Abschnitt, Ziffer 7 (I), sind abrechnungsfähig nur Leistungen, die zur vertragsärztliche Versorgung gehören und auf der Grundlage
der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen, unter anderem den Abrechnungsbestimmungen der KVB, erbracht
worden sind. Nach Ziffer 7 Abs. VII des Ersten Abschnitts des HVV (Stand 01.04.2005) ist die nachträgliche Berichtigung oder
Ergänzung von fehlerhaft oder unvollständig durchgeführten Leistungen für bereits zur Abrechnung eingereichte Behandlungsfälle
durch den Arzt ausgeschlossen. Eine Nachvergütung einzelner, vom Vertragsarzt aus welchem Grund auch immer nicht fristgerecht
mit der Quartalsabrechnung geltend gemachter Leistungen scheidet damit aus (so auch Entscheidung des Senats vom 06.12.2006,
L12 KA 272/05). Das ausgeübte Schätzungsermessen der Beklagten in Form der vollständigen Absetzung der zu Unrecht angesetzten
Ziffern, ist nicht zu beanstanden und insbesondere im Vergleich mit einer (quartalsgleichen) sachlich-rechnerischen Richtigstellung
nicht unverhältnismäßig.
Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).