Tatbestand:
Am 1. März 2002 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi), den die Beklagte mit Bescheid vom
18.03.2002/Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 mangels Vorbezugszeiten (versicherungsrechtliche Voraussetzung gemäß § 190 Abs. 1
SGB III, Vorfrist: 01.03.2001 bis 28.02.2002) ablehnte.
Die dagegen zum Sozialgericht Landshut (SG) gerichtete Klage unter dem Az.: S 6 AL 173/02 war erfolglos (Urteil vom 28.04.2004).
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Az.: L 8 AL 233/04).
Zur Begründung trägt die Klägerin vor (Schriftsatz 11.07.2005), dass durch die Entscheidung des SG Landshut in der Krankenversicherungssache
die Probleme geklärt würden. Das eine Jahr, das ihr fehle, sei nun ersetzt. Beschwert sei sie aber, weil sie im Zeitraum vom
19.03.2002 bis 31.08.2003 keine Leistung bekäme.
Mit Bescheid vom 05.07.2005 hat die Beklagte ab 01.09.2002 Arbeitslosengeld (Alg) geleistet, aber ab 19.03.2002 den Anspruch
nicht weiter erfüllt, weil es an der Meldung gefehlt habe (Säumniszeitbescheid vom 05.07.2005). Des Weiteren hat die Beklagte
vom 01.09.2003 bis 13.02.2004 für 166 Tage (Erschöpfung des Anspruchs) Alg geleistet.
Gegen den versagenden Bescheid (Säumniszeitbescheid vom 05.07.2005) erhob die Klägerin, was der beigefügten Rechtsmittelbelehrung
entsprach, Widerspruch; später Klage und Berufung (S 6 AL 269/05 bzw. L 8 AL 93/08).
Mit Bescheid vom 20.03.2006 bezog die Klägerin vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 erneut Alhi.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG vom 28.04.2004 sowie des Bescheides vom 18.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2002 zu verurteilen,
ihr Arbeitslosenhilfe ab dem 01.03.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nicht zu verneinen. Anders als durch eine Berufung kann die Klägerin ihren behaupten Anspruch
auf Alhi nicht durchsetzen, da die Beklagte diesen weiterhin verneint.
Gegenstand des Verfahrens ist das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.04.2004, mit welchem der Bescheid der Beklagten
vom 18.03.2002/Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 bestätigt worden ist. Dieser Bescheid hat zum Gegenstand die Versagung
von Alhi ab dem 01.03.2002 ohne einen Endzeitpunkt zu nennen. Allgemein ist damit nicht nur eine im angefochtenen Bescheid
ausgesprochene Ablehnung des Anspruchs auf Alhi bezogen auf den betreffenden Beginnenszeitpunkt, sondern die gesamte Folgezeit
bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG Gegenstand des Verfahrens.
Zwar soll nach § 190 Abs 3 Satz 1
SGB III in der bis zum 31.03.2004 geltenden Fassung die Alhi "jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden" und sind vor einer
erneuten Bewilligung die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der den Alhi-Anspruch
ablehnende Bescheid der Beklagten nur auf den Zeitraum eines Jahres bezieht und mangels Dauerwirkung nur eine zeitlich eingeschränkte
Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfordert (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 26 - zur Vorgängervorschrift des § 139a Arbeitsförderungsgesetz). Der Arbeitslose ist nicht gehalten, die Anspruchsvoraussetzungen für den Alhi-Anspruch ständig bzw. jährlich zu erneuern.
§
323 Abs.
1 Satz 2
SGB III bestimmt, dass Alg und Alhi als mit der persönlichen Arbeitslosmeldung beantragt gelten. Weder §
323 noch § 190
SGB III kann entnommen werden, dass der Arbeitslose seine Arbeitslosmeldung entsprechend dem jährlichen Bewilligungsturnus des §
190 Abs 3
SGB III zu erneuern hätte. Dies hat das BSG für den nach früherem Recht noch als materielle Anspruchsvoraussetzung konzipierten Antrag
auf Alhi bereits mehrfach entschieden (zuletzt BSGE 87, 262, 268 = SozR 3-4300 § 196 Nr. 1; Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 13 Rn. 249 m.w.N). Entsprechendes
gilt für die Arbeitslosmeldung, die als reine Tatsachenerklärung so lange fortwirkt, bis der Arbeitslose diese Wirkung durch
eine Gegenerklärung beseitigt (vgl. BSG SozR 3-4300 § 122 Nr. 1). Die Fortwirkung der Arbeitslosmeldung und damit des Antrags
auf Alhi gilt nicht nur für weitere Bewilligungszeiträume, sondern auch dann, wenn der Antrag auf Gewährung von Alhi von der
Beklagten abgelehnt worden war (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2005 - B 7a/7 AL 34/04 R).
Im vorliegenden Fall aber hat die Beklagte durch weiteres Verwaltungshandeln einen Folgezeitraum explizit eigenständig geregelt.
Die Klägerin beantragte am 01.09.2003 erneut Alhi und meldete sich arbeitslos. Ab diesem Zeitraum versagte die Beklagte mit
Bescheid vom 10.09.2003/Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003. Hieran schloss sich das Klageverfahren S 6 AL 596/03 sowie das Berufungsverfahren L 8 AL 484/05 an. Die Klägerin bezog vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 erneut Alhi (Bescheid vom 20.03.2006).
Diese Umstände führen nicht zu einer Einbeziehung im Sinne von §
96 Abs.
1 SGG. Denn eine Entscheidung ab 01.09.2003 ersetzt nicht eine Entscheidung für einen vorangegangenen Zeitraum, sie ändert diese
auch nicht ab. Der ursprüngliche Verwaltungsakt (VA) vom 18.03.2002 über Ablehnung von Alhi ab 01.03.2002 ist nicht durch
einen neuen VA vom 05.07.2005 über eine Bewilligung von Alg abgeändert oder ersetzt worden. Eine Änderung liegt insoweit nicht
vor, weil der neue Verwaltungsakt den alten nicht teilweise aufgehoben oder durch eine Neuregelung ersetzt hat. Allgemein
setzt ein Abändern oder Ersetzen voraus, dass der Regelungsgegenstand des neuen einzubeziehenden VA mit dem des früheren identisch
ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden
(vgl. u.a. BSG 47, 168, 170). Hier ist es aber so, dass die negative Entscheidung weiterhin bestehen bleibt, dass eben keine
Alhi zustehe.
Eine entsprechende Anwendung des §
96 SGG setzt voraus, dass die durch den neuen Bescheid getroffene Regelung sich auf den Streitstoff des anhängigen Rechtsstreits
auswirken kann (BSG SozR 1500 § 96 Nr. 27; näher zur entsprechenden Anwendung Pawlak, in Hennig, Rn. 116 ff). Das ist zwar
schon der Fall. Deswegen spricht die Beklagte gelegentlich vom Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses. Eine Einbeziehung ginge
aber zu weit. Dies erfordert die Prozessökonomie nicht. Ansonsten wird der Rechtsstreit auch überaus unübersichtlich.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, Rn. 9 zu §
96) in der Arbeitslosenversicherung/Arbeitsförderungsrecht erfolgt beispielsweise eine Einbeziehung der Bewilligung von Unterhaltsgeld
im Rechtsstreit um die Bemessung von Arbeitslosengeld, bei Folgebescheiden zur Leistungshöhe und dann, wenn die Bewilligung
von Alg oder Alhi (ab 2005 "Alg II") ab einem bestimmten Zeitpunkt aufgehoben wird und während des nachfolgenden Klageverfahrens
ein weiterer Aufhebungsbescheid für einen anderen Zeitraum ergeht. Insbesondere sind Folgebescheide zur Leistungshöhe i.d.R.
über § 96 einzubeziehen (vgl. u.a. BSG SozR 3-4300 § 134 Nr. 1; BSG 25.03.2003, B 7 AL 114/01 R, info also 03, 266). Letztlich sind dies alles Fälle, in denen tatsächlich bereits eine Bewilligung erfolgt ist und deswegen
gegebenenfalls Nachteile für den Kläger abzuwenden sind, wenn er übersieht, weitere Rechtsbehelfe einzulegen. Eine derartige
Sachlage besteht hier nicht, zumal eine entsprechende Anwendung dem Willen der Beteiligten unterliegt. Hier haben die Beteiligten
ein eigenständiges Klageverfahren gewählt. Hieran schloss sich das Klageverfahren S 6 AL 596/03 sowie das Berufungsverfahren L 8 AL 484/05 an. Es besteht keine Notwendigkeit, die Klägerin hier in dem Sinne zu schützen, dass durch analoge Anwendung von §
96 SGG prozessuale Nachteile von ihr abzuwenden wären. Ein Betroffener soll vor Rechtsnachteilen geschützt werden, die ihm dadurch
erwachsen, dass er im Vertrauen auf einen eingelegten Rechtsbehelf weitere Schritte unterlässt (BSG SozR Nr. 14 zu §
96 SGG; SozR 1500 §
96 Nr. 24; vgl. auch allg zu §
96: Dreher SGb 82, 284 ff.; Behn ZfSH/SGB 89, 459 ff.). Die Klägerin hat rechtzeitig ihre Rechtsbehelfe erhoben und die Anspruchsprüfung
ab 01.09.2003 durch Gerichte bewirkt.
So weit das BSG die Entscheidung nicht mehr dem Willen der Beteiligten unterstellt, sondern eine zwingende Einbeziehung vornimmt
(Urteil vom 17.11.2005, Az.: B 11a/11 AL 57/04 R, noch offen gelassen in BSGE 47, 168, 171 = SozR 1500 §
96 Nr. 13; bejahend Binder in Handkommentar zum
SGG, §
96 Rn. 19) respektiert es dennoch die Dispositionsmaxime. Es erörtert zwar zunächst in dieser Entscheidung, ob bei analoger
Anwendung des §
96 SGG ein Wahlrecht des Klägers zwischen Einbeziehung und selbstständiger Anfechtung besteht. "Ein Wahlrecht und damit ein wirksamer
Widerspruch gegen eine Einbeziehung sei jedoch wegen der Wirkung des §
96 SGG - Klageänderung kraft Gesetzes - auch bei dessen analoger Anwendung zu verneinen. Dies gelte auch dann, wenn - wie hier -
das SG §
96 SGG übersehen bzw. von der Existenz der Folgebescheide nichts erfahren hat". Das BSG führt dann unter der Randnummer 22 weiter
aus (17.11.2005, Az.: B 11a/11 AL 57/04 R): "Die unabhängig vom Willen der Beteiligten kraft Gesetzes eintretende Klageänderung
hindert allerdings die Beteiligten nicht, über den Verfahrensgegenstand im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis zu
verfügen (vgl. BSG SozR 3-1500 § 29 Nr. 1 S 6 f). So hätte die Klägerin ihre Klage ausdrücklich auf die Anfechtung des ersten
Verwaltungsakts beschränken können (vgl. bereits BSGE 18, 31, 33 = SozR Nr. 15 zu §
96 SGG)". So ist es aber im hier zu entscheidenden Falle geschehen.
Auch eine Einbeziehung im Sinne von §
96 Abs.
1 SGG für die Regelung des später zu- erkannten Anspruchs auf Alg kommt nicht in Betracht. Durch Mitteilung vom 05.07.2005 an die
Klägerin bzw. Bewilligungsbescheid vom selben Datum ist der Klägerin wegen des zugesprochenen Krankengeldanspruchs (versicherungspflichtige
Beitragszeit in der Arbeitslosenversicherung mit der Folge des Erwerbs einer neuen Anwartschaft) ein Anspruch auf Alg in der
Zeit vom 01.03.2002 bis 18.03.2002 zuerkannt worden. Hiergegen hat die Klägerin keinen Rechtsbehelf ergriffen. Lediglich gegen
den Bescheid wegen der Säumniszeit hat sie Widerspruch eingelegt und ein Klageverfahren (Az: S 6 AL 269/05) sowie ein Berufungsverfahren betrieben. Insoweit aber handle es sich um völlig verschiedene Leistungen mit unterschiedlichen
Tatbestandsvoraussetzungen. Damit sind auch diese Bescheide nicht Gegenstand des Verfahrens geworden.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Materiell-rechtlich ist der Anspruch unter keinerlei Gesichtspunkt gegeben.
Gemäß § 198
SGB III (Grundsatz) gelten der Anspruch auf Alg, der Anspruch auf Anschlussunterhaltsgeld und der Anspruch auf Alhi, soweit nichts
anderes bestimmt ist, als einheitlicher Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit. Auf die Alhi sind die Vorschriften
über das Alg insbesondere hinsichtlich
1. der Arbeitslosigkeit,
2. der persönlichen Arbeitslosmeldung,
3. des Anspruchs bei Minderung der Leistungsfähigkeit, der Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und des Anspruchs unter
erleichterten Voraussetzungen,
4. des Leistungsentgelts und der Leistungsgruppe,
5. der Anpassung und Zahlung,
6. des Zusammentreffens des Anspruchs mit sonstigem Einkommen und des Ruhens des Anspruchs und
7. der Erstattungspflichten für Arbeitgeber entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten der Arbeitslosenhilfe nicht
entgegenstehen.
Daneben besteht das Erfordernis einer Anknüpfung an versicherungsrechtliche Voraussetzungen. So haben gemäß § 190 Abs. 1
SGB III Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, die
1. arbeitslos sind,
2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben,
3. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben,
4. in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer
von insgesamt 24 Wochen erlosen ist und
5. bedürftig sind.
Für den Zeitraum der Bewilligung von Alg scheitert ein Anspruch auf Alhi schon am Negativtatbestand (einen Anspruch auf Alg
nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben - § 190 Abs. 1 Nr. 3
SGB III). Dies gilt offensichtlich vom 01.03.2002 bis 18.03.2002 wegen der erfolgten Zahlung. Aber auch danach hat die Klägerin keinen
Anspruch auf Alhi, weil nur diejenigen Arbeitnehmer Anspruch auf Alhi haben, bei denen das Fehlen von Alg auf einer Nichterfüllung
der Anwartschaftszeit beruht. Bei der Klägerin hat dies andere Ursachen, nämlich Meldeversäumnisse.
Hier hat die Klägerin einen Anspruch auf Alg erworben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ab 19.03.2002 die Erfüllung
dieses Anspruchs nicht erfolgt (Siehe oben). Die Klägerin ist einer Meldung zum 04.03.2002 mit persönlichem Erscheinen deswegen
nicht nachgekommen, weil sie nach ihren Behauptungen arbeitsunfähig war. Diese Feststellungen erfolgten zunächst bis zum 18.03.2002
und später dann am 18.03.2002 bis zum 31.03.2002. In diesem Zusammenhang wurde der Klägerin am 01.03.2002 eindringlich vorgehalten,
dass sie wirklich gesund sein müsse. Sie wurde davor gewarnt, wie bisher "ihr Spielchen mit den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
zu betreiben". Es wurde auch unverzüglich eine erste Einladung für den 11.03.2002 um 8.00 Uhr ausgesprochen. Laut Vermerk
vom 18. März wurde dann eine zweite Einladung zum 25.03.2002 ausgesprochen. Die BeWa Vermerke wurden dann beendet.
Der gesamte hier geltend gemachte Anspruch ist damit auch im Sinne von § 196
SGB III erloschen. Danach erlischt ein Anspruch, wenn (Nr. 1.) der Arbeitslose durch Erfüllung der Anwartschaftszeit einen Anspruch
auf Alg erwirbt.
Auch diese Berufung ist unbegründet. Denn es bestand kein Anspruch auf Alhi.
Kosten sind nicht zu erstatten, §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen.