Gründe:
Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Streitverfahren zum Az. S 44 SB 1670/09, in dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" vorliegen,
zu Unrecht zurückgewiesen.
Die Klägerin, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht - auch nicht
in Raten - aufbringen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
114 Zivilprozessordnung -
ZPO-).
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art.
20 Abs.
3 GG und dem aus Art.
19 Abs.
4 S. 1
GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten
bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt
zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf
die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahren an die Stelle des Verfahrens der Hauptsache treten zu lassen
(BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe
nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen
Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG aaO.).
Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende
Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält bzw. - sofern der Tatsachenstoff noch nicht
geklärt ist - eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (so
BVerfG aaO. mit weiteren Nachweisen).
Hiernach ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über den
Prozesskostenhilfeantrag, nämlich dem Tag des Eingangs der vollständigen Unterlagen, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht
abzusprechen.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die Klage nicht bereits mangels Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach §
78 SGG unzulässig.
Nach ihrem Verschlimmerungsantrag vom 2. Februar 2007 beantragte die Klägerin am 10. März 2008 die Zuerkennung des Merkzeichens
"B". Beide Anträge lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2008 ab. Obwohl die Klägerin hiergegen ohne Einschränkung
Widerspruch eingelegt hatte, beschied der Beklagte sie mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009 lediglich hinsichtlich ihres
Verschlimmerungsantrags. Das Fehlen eines Widerspruchsbescheides hinsichtlich des Merkzeichens "B" führt jedoch nicht zu der
Unzulässigkeit ihrer Klage, mit der sie dieses Begehren weiterverfolgt. Vielmehr ist das Verfahren analog §
114 Abs.
2 SGG auszusetzen, damit der Widerspruchsbescheid nachgeholt werden kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Rn.
3a zu §
78 SGG).
Da angesichts der detaillierten Schilderung der Klägerin, dass sie wegen ihrer Behinderungen öffentliche Verkehrsmittel nicht
eigenständig besteigen könne und in fahrenden Verkehrsmitteln einer erhöhten Unfallgefahr durch Stürze und Umkippen ausgesetzt
sei, eine Beweiserhebung - nicht zuletzt mangels aktueller Befundberichte - notwendig sein dürfte, ist die Erfolgsaussicht
der Klage nicht zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).