Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Behandlung des bei der Beklagten versicherten H H (im Folgenden: der Versicherte)
in der Zeit vom 28. September bis zum 02. Oktober 2002 in der damaligen Landesklinik T. Diese rechtlich unselbständige Klinik
war der Aufsicht des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg (LASV) unterstellt, bis sie mit Wirkung
zum 15. Oktober 2006 einschließlich aller zum Krankenhausbetrieb gehörenden Vermögensgegenstände des Aktivvermögens an die
jetzige Klägerin veräußert wurde.
Der Versicherte war seit 1995 wiederholt in der Landesklinik in stationärer Behandlung, u.a. zwischen dem 10. Januar 2002
und dem 16. Mai 2002 in der Entwöhnungsabteilung des Fachbereichs Suchterkrankungen. Dieser Aufenthalt wurde zur akut-stationären
Behandlung eines Harnblasenkarzinoms dreimal für einige Tage unterbrochen.
Aufgrund einer Verordnung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Sch wurde der Versicherte, der nach eigenen Angaben
zum damaligen Zeitpunkt obdachlos war, am 13. September 2002 erneut stationär in die Landesklinik aufgenommen. Die Beklagte
gab Kostenübernahmeerklärungen für die Zeit bis zum 28. September 2002 ab. Den Antrag der Landesklinik vom 10. Oktober 2002
auf weitere Kostenübernahme bis zum 02. Oktober 2002, dem Tag der Entlassung des Versicherten in eine sozialtherapeutische
Langzeiteinrichtung, begründete diese wie folgt:
"weiter bestehende emotionale Instabilität bei Grundpersönlichkeit, hoher Suchtdruck; ausgeprägtes Craving, Trinkwünsche;
geplantes Prozedere -> Übergang in LZE zur Verhinderung der Rückfälligkeit und erneute Entgiftung -> sofortiger Anschluß bei
gering ausgeprägten Bewältigungsmechanismen, wenig Kapazitäten andrängende Impulse abzuwehren"
Ausweislich ihrer Patientenakte führte die Landesklinik folgende Behandlungsmaßnahmen in der Zeit vom 28. September bis zum
2. Oktober 2002 durch:
- Blutentnahme und -analyse am 02. Oktober 2002
- Oberarztvisite am 01. Oktober 2002 mit folgenden Eintragungen:
-- deutlich erhöhte innere Anspannung aufgrund "Rückfälle" auf Station
-- beklagt Suchtdruck
-- kann hier in Station gut damit umgehen
-- jetzt Aufgabe: Kostenübernahme Ichthys -> perspektivisch LZT
-- weiterhin eher hypoman; in Stationskontakt co-therapeutisch
- Gruppentherapie am 30. September 2002
- Bewegungstherapie am 01. Oktober 2002
- Musiktherapie am 30. September 2002
- Abendkreis täglich zwischen 28. September und 01. Oktober 2002
- InfoMed am 01. Oktober 2002
- Blutdruckmessung täglich zwischen dem 28. September und 01. Oktober 2002
Die Beklagte bezahlte nach eigenen Angaben "am 17.10.2002 die Rechnung des Klägers vom 09.10.2002 für den Zeitraum vom 22.09.
bis 28.09.2002 voll". Für den darüber hinaus gehenden Zeitraum, für den die Landesklinik mit Rechnung vom 19. September 2003
einen Betrag von 580,02 EUR geltend machte, lehnte die Beklagte, gestützt auf eine Stellungnahme der Diplom-Medizinerin H
vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 27. Januar 2003, eine Zahlung ab, da für die stationäre Behandlung
des Versicherten über den 28. September 2002 hinaus eine medizinische Indikation nicht erkennbar sei.
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin die Zahlung weiterer Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 580,02 EUR,
die Beklagte im Wege der Widerklage die Zahlung von 193,34 EUR mit der Begründung begehrt, sie habe einen Pflegetag zuviel
bezahlt. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. J G (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie,
Facharzt für Psychotherapeutische Medizin) vom 30. September 2004 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 08. April 2005
veranlasst und mit Urteil vom 25. Oktober 2005 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den damaligen Kläger, das Land Brandenburg,
580,02 EUR zu zahlen; die Widerklage hat es abgewiesen. Darüber hinaus hat es der Beklagten "Mutwillenskosten" in Höhe von
150,00 EUR auferlegt. Zur Begründung hat das Sozialgericht unter Berufung auf den Sachverständigen ausgeführt, dass hinsichtlich
der Prüfung zur Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung über den 29. September 2002 hinaus zu wenig und lediglich
am Rande auf die Persönlichkeitsstörung des Versicherten hingewiesen worden sei, obwohl diese bekannt gewesen sei und im ausführlichen
Bericht der Entwöhnungsabteilung der Landesklinik T im gleichen Jahr (2002) beschrieben worden sei. Diese - vor allem narzisstische
- Persönlichkeitsstörung gehe nicht nur mit den Hauptabwehrmechanismen Verdrängung, Verleugnung und Rationalisierung, sondern
auch mit einer erheblichen Verletzlichkeit des Selbstwertgefühls einher, wodurch sehr sensibel z. B. auf Kritik, Zurückweisung,
Niederlagen, körperliche Erkrankungen, Rückfälle und dergleichen reagiert werde. Hierauf sei durch die Ärzteeinrichtung des
klagenden Landes zu wenig hingewiesen worden. Auch die Belastungen des Versicherten durch die Krebskrankheit habe zu wenig
Erwähnung gefunden, obwohl der Versicherte aufgrund seiner Alkohol-, Persönlichkeits- und Krebskrankheit zu der Gruppe von
Patienten zu zählen sei, die im Vergleich zu anderen mit einer ganz erheblich erhöhten Suizidgefahr versehen sei. Von Seiten
des MDK sei die Betrachtung der Folgen der Persönlichkeitsstörung und der Folgen der Krebserkrankung nahezu gänzlich vernachlässigt
worden. Dass die beim Versicherten bestehenden Erkrankungen psychopathologisch - befundmäßig - nur zeitweise und nur partiell
sichtbar würden, liege auch an seinen bereits beschriebenen krankheitsbedingten Abwehrmechanismen. Bezüglich der vom MDK festgestellten
mangelhaften Dokumentation in den Patientenunterlagen habe der Sachverständige auf seine langjährige Erfahrung als Gutachter
und seine frühere langjährige Erfahrung als Oberarzt und zuletzt als kommissarischer Chefarzt verwiesen und ausgeführt, dass
gerade bei Patienten, die an körperlichen Alkoholentzugserscheinungen leiden würden, die Betrachtung des Klinikpersonals dazu
neige, primär auf das organische und weniger auf das psychische ausgerichtet zu sein und dass daher psychopathologischerseits
persönlichkeitsstörungsbedingte Defizite/Auffälligkeiten im Befund oft nicht dargelegt oder nicht ausführlich beschrieben
würden. Dies bedeute im konkreten Fall jedoch nicht, dass der Versicherte im streitigen Zeitraum ab dem 13. September 2002
frei von Persönlichkeitsstörungsauffälligkeiten gewesen sei. Diese Persönlichkeitsstörung wirke sich ganz erheblich verschlimmernd
hinsichtlich seiner Neigung zu Depressionen und hinsichtlich seiner Alkoholabhängigkeit aus. Unter Berücksichtigung der nicht
erfolgreich verlaufenden Alkoholentwöhnungsbehandlung im Jahr 2002, aufgrund des Hinzutretens der Krebserkrankung im Januar
2002 und einer schwierigen sozialen Situation sei er verlaufsmäßig betrachtet in seinen psychischen Funktionen im September
2002 sehr alteriert gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Verlängerung der stationären Krankenhausbehandlung über den 28.
September 2002 hinaus medizinisch gerechtfertigt, denn die Alkoholrückfallgefahr, die Suizidgefahr und die Gefahr des Umschlagens
der Depression in eine Manie seien gegeben gewesen, so dass die Mittel stationärer Klinikbehandlungen hätten angewandt werden
müssen. Dass dem Versicherten ab dem elften Behandlungstag Stadtausgang gewährt worden sei, sei ein Risiko gewesen, welches
die Klinikärzte eingegangen seien. Hieraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass seit diesem Behandlungstag die Belastbarkeit
des Versicherten wiederhergestellt gewesen sei, wie der MDK meine. Dass nach erfolgter Alkoholentgiftung eine pharmakologische
Behandlung mittels eines Antidepressivums nicht begonnen worden sei, spreche nicht für eine etwaige Leichtgradigkeit der Depression
und erst recht nicht gegen das Vorliegen einer relevanten Persönlichkeitsstörung. Unabhängig von der entsprechenden Dokumentation
seitens der Landesklinik dürfte es der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, dass sich die Patienten bei einer derartigen
Häufung von Gesundheitsstörungen wohl in einem Ausnahmezustand psychischer Art befänden.
Gegen dieses ihr am 18. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 19. Dezember 2005 (Montag).
Die Beklagte bringt vor, allem Anschein nach habe der Krankenhausaufenthalt zur Überbrückung der Zeit bis zur Langzeittherapie
dienen sollen, wobei offenbar dem Wunsch des Versicherten entsprochen worden sei, der sich nicht habe vorstellen können, bis
dahin in ein Übergangswohnheim zu ziehen. Die unstreitig nicht ordnungsgemäße Dokumentation seitens der Landesklinik begründe
unzweifelhaft keine Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung. Die Folgen fehlender Dokumentation gingen nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) zu Lasten der Klägerin. Diese habe aber auch keinen Nachweis darüber erbringen können, dass
über die vorhandene Dokumentation hinaus Befunde vorgelegen hätten oder Behandlungsmaßnahmen erforderlich oder zumindest tatsächlich
durchgeführt worden seien, die auch im strittigen Zeitraum noch einen stationären Aufenthalt erfordert hätten. Die Ausführungen
des Sachverständigen seien ungeeignet, da er lediglich auf allgemeine Erwägungen aufgrund seiner ärztlichen Erfahrung zurückgreife.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Oktober 2005 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Klägerin zu verurteilen,
an die Beklagte 193,34 € zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Der Krankenhausaufenthalt des Versicherten vom 13. September bis zum 02.
Oktober 2002 habe auch die Reha-Fähigkeit des Versicherten für die Langzeiteinrichtung wiederherstellen sollen. Die Beklagte
wisse sehr gut, dass ein Patient, der bei Aufnahme eindeutig intoxiert und depressiv sei und an den Auswirkungen seiner narzisstischen
Persönlichkeitsstörung gelitten habe, in diesem Zustand auf gar keinen Fall in irgendeine Langzeiteinrichtung aufgenommen
werde. Stationsgebot werde nur in ganz besonders schweren Fällen - bei den chronisch mehrfach geschädigten Patienten - oder
zu Beginn einer Behandlung angeordnet. Stadtausgänge stellen Belastungserprobungen dar, in deren Rahmen die Patienten zeigen
sollten, ob sie der normalen Alltagssituation schon wieder gewachsen seien und ob sie die Copingstrategien, die ihnen die
Psychotherapie an die Hand gegeben habe, auch im Alltag umsetzen könnten. Das Weglassen einer - vom Gutachter empfohlenen
- Medikation mittels eines Antidepressivums bedeute nicht, dass die Depression nicht behandlungsbedürftig gewesen sei. Darüber
hinaus missachte die Beklagte, dass nicht die Entgiftung mit den damit einhergehenden Medikamenten, sondern die Psychotherapie
im Vordergrund gestanden habe. Hierbei unterziehe sich der Patient aber hauptsächlich Gruppen- und Einzeltherapien, bei denen
er Krankheitseinsicht gewinnen und Bewältigungsstrategien erlernen solle; eine Medikation sei nicht unbedingt erforderlich.
In der Psychotherapie sei darüber hinaus auch nicht unbedingt eine ausführliche Dokumentation erforderlich. Berichte über
Gruppentherapien seien zum einen nicht erforderlich und üblich, zum anderen aber auch nicht machbar. Ein Therapeut könne innerhalb
eines Gruppengesprächs wohl kaum jede Äußerung oder jede Gefühlsregung aller Teilnehmer dokumentieren. Er müsse sich schließlich
darauf konzentrieren, die Gruppe zu führen. Auch Einzelgespräche würden anders als bei einem Einzeltherapeuten, der seine
Patienten ambulant und ein bis zweimal in der Woche betreue, nur stichpunktartig festhalten. Hätte der Versicherte im streitigen
Zeitraum im Rahmen einer ambulanten oder tagesklinischen Behandlung ab Nachmittag bis zum nächsten Morgen in ein Obdachlosenheim
gehen müssen, wäre er in diesem nicht stabilen Umfeld sofort wieder rückfällig geworden. Die Klinik habe auf zurückliegende
Dokumentationen zurückgreifen können, weil es sich bei dem Versicherten um einen bekannten "Drehtürpatienten" gehandelt habe.
Nachdem im Erörterungstermin vom 01. Juni 2007 seitens des Gerichts darauf hingewiesen worden sei, dass erstinstanzliche Gutachten
sei nicht ausreichend und ggf. sei ein ergänzendes Gutachten einzuholen, werde nächst darum gebeten, den erstinstanzlichen
Gutachter ergänzend zur Erläuterung etwaiger Ungereimtheiten aufzufordern.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte,
die Verwaltungsakte und die von der Klägerin geführte, den Versicherten betreffende Patientenakte, die beigezogen wurden und
Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben. Die Klage ist unbegründet, die Widerklage
dagegen begründet.
I. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Denn sie ist - ausweislich der Auskunft des Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit
und Familie vom 19. Mai 2008 im Rechtsstreit L 9 KR 630/07 - durch den Kauf- und Übertragungsvertrag mit dem Land Brandenburg (UR-Nr. 1096/2005 vom 16. Dezember 2005 des Notars D R)
Inhaberin der zunächst dem Land Brandenburg als Trägerin der (damaligen) Landesklinik T zustehenden Vergütungsforderungen
geworden. Aufgrund der Bezeichnung "Kauf- und Übertragungsvertrag" ist davon auszugehen, dass das neben dem Kaufvertrag als
Verpflichtungsgeschäft erforderliche Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung gleichfalls Gegenstand der vertraglichen Regelungen
wurde. Möglichen Formvorschriften für die Abtretung (vgl. Rohe, in: Beck'scher Online-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
Stand: 01. Februar 2009, § 398 Rd. 53) ist damit Genüge getan.
II. Die Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch besteht nicht.
1.) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V i.V.m. dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 01. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung
vom 22. Dezember 1997 für das Land Berlin (ABK-Vertrag).
a.) Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten,
wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser i.S. des §
109 Abs.
4 Satz 2
SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung, jeweils in der im Jahre 2000 geltenden Fassung, in der Pflegesatzvereinbarung
zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, Az.: B 1 KN 1/07 KR R und
B 1 KN 3/08 KR R, veröffentlicht in Juris). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht insoweit unabhängig von
einer schriftlichen Kostenzusage, die nur als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen ist (BSGE 86, 166), unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem - wie hier - zugelassenen
Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist.
b.) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung.
Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich alle allgemeinen Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme von Leistungen der GKV sowie speziell von Krankenhausbehandlung, insbesondere deren Erforderlichkeit, vorliegen.
Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung
(§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V) wird gemäß §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre
Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§
108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nach-stationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen (§
27 Abs.
1 Satz 3
SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen
und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V; vgl. BSG vom 16. Dezember 2008, aaO.).
c.) Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines
Krankenhauses erforderlich macht. Maßnahmen dürfen daher z.B. nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit
zu begegnen; ebenso unterfallen rein pflegerische Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der Krankenkassen, vielmehr müssen
diese als Teil einer ärztlichen Behandlung dieser Behandlung untergeordnet sein (BSG aaO.).
Besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter
oder rufbereiter Arzt (BSG aaO.). Dabei erfordert die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder den Einsatz aller dieser
Mittel noch ist er stets ausreichend. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg
angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung
zukommen. Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten
und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation
die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSG aaO.).
d.) Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen
Erfordernissen. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere
durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre
Behandlung. Das gilt auch dann, wenn der Versicherte zur Sicherstellung der ambulanten Behandlung einer Betreuung durch medizinische
Hilfskräfte in geschützter Umgebung bedarf und eine dafür geeignete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung
steht. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist es, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen
oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§
1 Satz 1
SGB V). Es geht dabei um die Bereitstellung der für diese Zwecke benötigten medizinischen Versorgung. Das lässt sich aus zahlreichen
Einzelvorschriften des Leistungsrechts, insbesondere aus der Beschreibung der Leistungsziele in §
11 Abs.
1 und §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V sowie aus dem Leistungskatalog in §
27 Abs.
1 Satz 2
SGB V ersehen.
Zu den Aufgaben der GKV gehört es dagegen nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen
und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums
auszugleichen. Für derartige Risiken haben die Krankenkassen nicht einzustehen. Sie haben auch keine Möglichkeit, strukturelle
Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu beheben, etwa eine Unterversorgung bei den Betreuungseinrichtungen für psychisch
schwer kranke Patienten. Sie tragen dafür weder Verantwortung noch dürfen sie hierfür Geldmittel verwenden. Soweit ausnahmsweise
etwas anderes gelten soll, legt das Gesetz dies ausdrücklich fest. Angesichts einer über mehrere Jahrzehnte unveränderten,
im krankenversicherungsrechtlichen Schrifttum akzeptierten Rechtsprechung, die durch Fortschreibung des durch sie konkretisierten
Rechtszustandes Eingang in das geltende Recht gefunden hat, ist für eine Auslegung des Gesetzes, die den Anwendungsbereich
des §
39 Abs.
1 SGB V auf andere als medizinisch begründete Behandlungsnotwendigkeiten erweitert, kein Raum (BSG aaO.).
e.) Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung kommt es auf die medizinischen Erfordernisse
im Einzelfall und nicht auf eine abstrakte Betrachtung an. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben hierbei im Streitfall
uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dabei haben
sie zwar von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen,
wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen.
Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der
Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist,
bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage. Auch Vereinbarungen in den Normsetzungsverträgen auf Landesebene können daher nicht
bewirken, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven
Maßstäben getroffen wird, sondern im Ergebnis der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes überlassen bleibt (BSG aaO.).
Der Grundsatz, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im Prozess vom Gericht vollständig zu überprüfen ist, gilt
auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich für einen zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Auch in
dieser Konstellation ist eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse unter Berufung auf einen
vermeintlichen Einschätzungsvorrang des verantwortlichen Krankenhausarztes weder vom Gesetz vorgesehen noch von der Sache
her erforderlich und deshalb mit dem rechts-staatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar. Eine Besonderheit
besteht - wie schon ausgeführt - lediglich darin, dass die Berechtigung der Krankenhausbehandlung nicht rückschauend aus der
späteren Sicht des Gutachters zu beurteilen ist, sondern zu fragen ist, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung
bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse
und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat (BSG aaO.).
2.) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten im streitigen Zeitraum
nicht erforderlich.
a.) Der Versicherte litt im streitigen Zeitraum an folgenden Erkrankungen:
- Alkoholabhängigkeit - chronische Phase - mit sensibler Polyneuropathie im Bereich der unteren distalen Gliedmaßen und mit
chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung
- rezidivierende Episoden einer reaktiven, zumindest leichtgradig ausgeprägten Depression
- Harnblasenkrebs, Harnröhrenstriktur
- Ulcus cruris bei beiderseitigen Unterschenkelkrampfadern
- Zustand nach Sprunggelenksfraktur links
- Zustand nach Fraktur im Bereich des rechten Obersprunggelenkes
Darüber hinaus bestand ein ab dem 27. September 2002 abklingendes vegetatives Entzugssyndrom. Zu diesen Feststellungen gelangt
der Senat auf der Grundlage des insoweit überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen G.
Auf welcher Grundlage der Sachverständige darüber hinaus eine steatosis hepatis diagnostizierte, erschließt sich allerdings
nicht. Die Sonographie vom 19. September 2002 ergab keinen Hinweis auf eine chronische Leberschädigung. Zugleich jedoch fehlen
auch Hinweise, dass diese Erkrankung entscheidungserheblich sein könnte.
aa.) Nicht nachvollziehbar ist hingegen die Diagnose "mittelgradige depressive Episode". Die in der ICD - 10 (in der in den
Jahren 2001 bis 2003 geltenden Version 2.0)unter der Überschrift "affektive Störungen" zusammengefassten depressiven Episoden
(Code F 32.-) werden wie folgt definiert:
"Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden, leidet der betroffene
Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zur Freude, das Interesse
und die Fähigkeit zur Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten.
Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt.
Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle und Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert
sich von Tag zu Tag wenig. Reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von "somatischen" Symptomen begleitet werden, die Interessenverlust
oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmungen, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust
und Libidoverlust."
Von einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1) wird gesprochen, wenn vier oder mehr dieser Symptome vorhanden sind
und der betroffene Patient meist große Schwierigkeiten hat, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.
Dies ist im Falle des Versicherten anhand der Patientenakte nicht nachvollziehbar. So ist der ärztlichen Dokumentation keines
dieser Symptome zu entnehmen. Aus der Pflegedokumentation ergibt sich ein (teilweise auf Zahnschmerzen zurückzuführender)
gestörter Schlaf sowie eine nicht unerhebliche Unruhe und Nervosität. Ein viertes Symptom, das die Einstufung als mittelgradig
rechtfertigen würde, ist nicht ersichtlich. Widersprüchlich erscheint auch, dass der Versicherte im fraglichen Zeitraum ausweislich
der Patientenakte nur als subdepressiv beschrieben wird, sodass unklar bleibt, ob die Schwelle zur Depression überhaupt überschritten
wurde.
Der Senat weist an dieser Stelle aus gegebenem Anlass darauf in, dass sich die Dokumentation eines Krankenhauses nicht auf
das Festhalten eines Ergebnisses (Depression) beschränken darf, ohne dies durch Aufzählung der einzelnen Symptome zu begründen.
Das Vorliegen einer (schwer-, mittel- oder leichtgradigen) Depression hätte die Klägerin mittels der Patientenakte nur dadurch
nachweisen können, dass sie für jeden Tag, an dem ihre behandelnden Mitarbeiter von einer Depression des Versicherten ausgingen,
die hierfür erforderlichen Symptome der o.g. Definition aufzeichnet. Erst wenn diese Symptome in einer bestimmten Anzahl vorliegen,
kann daraus auf eine (schwer-, mittel- oder leichtgradige) Depression geschlossen werden.
bb.) Auch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung konnte der Senat nicht feststellen.
Die in Kapitel V der ICD-10 (Version 1.3) insbesondere unter den Kennziffern F 60 bis F 62 erfassten Persönlichkeitsstörungen
sind "tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale
Lebenslagen zeigen. Sie verkörpern gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen,
Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen. Solche Verhaltensmuster sind meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige
Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen. Häufig gehen sie mit einem unterschiedlichen Ausmaß persönlichen
Leidens und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher." Bei den spezifischen Persönlichkeitsstörungen (F 60.-) handelt
es sich "um schwere Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens der betroffenen Person, die nicht direkt auf eine Hirnschädigung
oder -krankheit oder auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen sind. Sie erfassen verschiedene Persönlichkeitsbereiche
und gehen beinahe immer mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Persönlichkeitsstörungen treten meist in
der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und bestehen während des Erwachsenenalters weiter." Die narzisstische Persönlichkeitsstörung
ist der Gruppe der sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörung (F 60.8) zugeordnet.
Insoweit bleibt der Sachverständige die Darstellung der das Ergebnis "Persönlichkeitsstörung" rechtfertigenden Symptome schuldig.
Erforderlich gewesen wäre insofern die Beschreibung, welche konkreten starren Reaktionen der Versicherte auf welche konkreten
unterschiedlichen persönlichen und sozialen Lebenslagen zeigt und inwiefern sein Wahrnehmen, Denken, Fühlen und seine Beziehungen
zu anderen im einzelnen von der Mehrheit der Bevölkerung abweicht. Erst diese Angaben erlauben es Dritten - sei es Kostenträger
oder Gericht -, die Diagnose "Persönlichkeitsstörung" nachzuvollziehen. Die bloße Übernahme einer Diagnose aus einem früheren
Entlassungsbericht genügt hingegen nicht.
Hinzu kommt, dass die Grenze zu einfach auffälligem oder als störend empfundenem Verhalten, das nicht als krankhaft anzusprechen
ist, zu exzentrischen Wesenszügen, aber auch zur bloßen Kriminalität schwer zu ziehen ist (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
(Hrgb.), Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 6. A., 2003, S. 552 ff.). Für die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung hätte daher zusätzlich dargelegt werden müssen, aufgrund welcher konkreter Umstände beim Versicherten
eine behandlungsbedürftige narzisstische Störung der Persönlichkeit vorliegt. Dass die Landesklinik für den streitigen Zeitraum
diese Diagnose nicht gestellt hat, spricht entscheidend zumindest gegen die Behandlungsbedürftigkeit einer solchen Erkrankung
im vorliegenden Fall.
b.) Die vom Senat festgestellten Erkrankungen lassen nicht den Schluss auf die Erforderlichkeit vollstationärer Krankenhausbehandlung
im streitigen Zeitraum zu, zumal nach den Feststellungen des Senats allenfalls eine stationäre Rehabilitation stattgefunden
hat.
aa.) Zwar spricht gegen das Vorliegen von stationärer Behandlung nicht bereits der Umstand, dass die o.g. Einzelmaßnahmen
jeweils für sich auch in einem ambulanten Setting hätten durchgeführt werden können. Denn nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen
Erkenntnissen erfordert die Behandlung schwerer psychischer Leiden einen komplexen Behandlungsansatz unter Zusammenwirken
eines multiprofessionellen Teams von Ärzten, Diplompsychologen, Sozialpädagogen, Ergo- und Bewegungstherapeuten mit fachlich
besonders geschultem und erfahrenem psychiatrischen Pflegepersonal im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes (BSG, Urteile vom
16. Februar 2005, Az.: B 1 KR 18/03 R, und vom 20. Januar 2005, Az.: B 3 KR 9/03 R, veröffentlicht jeweils in Juris und jeweils unter Bezugnahme auf Weig/Gelhausen, SGb 96, 577 ff.). Daher spricht auch allein
der Umstand, dass bei der Behandlung des Versicherten in hohem Maße Angehörige nicht-medizinischer Berufe zum Einsatz kamen
und der Einsatz ärztlich koordiniert werden musste, nicht per se gegen das Vorliegen (und das Erfordernis) stationärer Behandlung.
Der Leistungsanspruch des Versicherten - und somit der Vergütungsanspruch der Klägerin - hängt vielmehr entscheidend von der
Schwere der Krankheit und die hierauf bezogenen, mit dem Gesamtbehandlungsplan verfolgten Behandlungsziele ab (BSG, Urteil
vom 16. Februar 2005, aaO.).
Angaben zum Gesamtbehandlungsplan sowie insbesondere zu den im streitgegenständlichen Zeitraum verfolgten Zielen ergeben sich
jedoch weder aus der Patientenakte noch dem Vorbringen der Klägerin. Zu den im streitgegenständlichen Zeitraum verfolgten
Zielen hat zwar im vorgerichtlichen Verfahren das LASV als damalige Aufsichtsbehörde der Landesklinik T in ihrem Schreiben
an die Beklagte vom 08. Mai 2003 angegeben, es habe die therapeutisch relevante differenzialdiagnostische Überlegung im Raum
gestanden, ob es sich nach dem 27. September 2002 bei dem Versicherten um eine agitierte Depression oder den Wechsel in ein
manisches Bild gehandelt habe; durch die Teilnahme am komplex psychiatrischen Therapieprogramm habe die Diagnose einer agitierten
depressiven Episode gestellt werden können. Diese Darstellung überzeugt deswegen nicht, weil der ärztliche Verlaufsbericht
schon für den 17. und 19. September 2002 eine subdepressive und am 24. September 2002 eine deutlich depressive Stimmung feststellte.
Da Angaben zu den Inhalten der vom Versicherten im streitigen Zeitraum wahrgenommenen Therapieeinheiten fehlen, ist darüber
hinaus nicht nachvollziehbar, welche konkreten Erkenntnisse oder Veränderungen zur Diagnose "agitierte Depression" geführt
haben.
bb.) Die im streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführten therapeutischen Maßnahmen hätten aber insbesondere im Rahmen einer
stationären Rehabilitationsbehandlung erfolgen können. Denn sie unterscheiden sich letztlich nicht wesentlich von solchen,
die auch in einer Rehabilitationseinrichtung erforderlich gewesen wären; die Übergänge zwischen Krankenhausbehandlung und
Rehabilitation sind insoweit fließend (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005, aaO.). Dieser Umstand belegt die besonderen Schwierigkeiten,
bei psychischen/psychiatrischen Erkrankungen stationäre Krankenhausbehandlung und stationäre medizinische Rehabilitation voneinander
abzugrenzen, weil Rehabilitationseinrichtung und Krankenhaus sich darin decken, dass beide auf die Behandlung von Krankheiten
und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind. Es lässt sich kaum unterscheiden, was noch zur Behandlung
der Krankheit gehört, welche Therapieformen insbesondere bei chronischen Krankheiten noch zur Krankheitsbekämpfung zu rechnen
sind und wann eine Maßnahme "nur" zur Sicherung des Erfolges einer vorangegangenen Behandlung dient. Während in der somatischen
Medizin die Berücksichtigung der psychosozialen Probleme ganz vorrangig Aufgabe der Rehabilitation ist, gilt dies im Bereich
der Psychosomatik/Psychotherapie nicht in diesem Maße; Schädigung und Schädigungsfolgen sind hier eng miteinander verwoben,
sodass schon die Krankenhausbehandlungsphase rehabilitative Elemente enthalten muss.
Deshalb kann eine Unterscheidung im Wesentlichen nur nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel
der Behandlung getroffen werden, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln. Anhaltspunkte zur Differenzierung
bietet vor allem §
107 SGB V: Danach ist für eine Rehabilitationseinrichtung insbesondere kennzeichnend, dass die Behandlungsziele nach einem ärztlichen
Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie
oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie zu verfolgen sind §
107 Abs.
2 Nr.
2 SGB V. Demgegenüber ist ein Krankenhaus gemäß §
107 Abs.
1 Nr.
3 SGB Vmit jederzeit verfügbaren ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet,
die Behandlungsziele vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen zu erbringen (BSG aaO.; Urteil vom 10. April
2008, Az.: B 3 KR 14/07 R, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de).
cc.) Hiervon ausgehend sind Tatsachen, die die Erforderlichkeit vollstationärer Krankenhausbehandlung belegen, ebenso wenig
erkennbar wie Behandlungsmaßnahmen im Rahmen akut-stationärer Behandlung.
(1) Pflegerische Leistungen erhielt der Versicherte im streitigen Zeitraum nicht. Der ärztliche Kontakt des Versicherten beschränkte
sich auf die Oberarztvisite am 1. Oktober 2002. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass auch die Gruppentherapie
am 30. September 2002 - der Patientenakte sind diesbezüglich nicht einmal Angaben zur Art der Therapie zu entnehmen - durch
einen Arzt und nicht z.B. einen Psychologen geleitet wurde, wurden die - dem Senat unbekannten - Behandlungsziele jedenfalls
nicht "vorwiegend durch ärztliche und pflegerischen Hilfeleistungen" verfolgt.
Auch ist anhand der Patientenakte nicht nachzuvollziehen, warum die o.g. therapeutischen Maßnahmen nach dem 27. September
2002 die stationären Bedingungen eines Akutkrankenhauses erforderten. Nach den Eintragungen in der Pflegedokumentation hielt
sich der Versicherte tagsüber nur zu den Mahlzeiten auf der Station auf und war in den Abendstunden überwiegend mit Tischtennis-
oder Billardspielen beschäftigt. Insbesondere geht weder aus der gesamten Dokumentation noch aus dem klägerischen Vorbringen
hervor, welchen "mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen" (BSG aaO.) die o.g. therapeutischen Maßnahmen dienen
sollten und warum sie nicht in ebenso Erfolg versprechender Weise ambulant oder im Rahmen einer stationären Rehabilitation
durchführbar waren.
Gegen die Erforderlichkeit vollstationärer Behandlung spricht ferner, dass im fraglichen Zeitraum nicht mehr alle der im (ersten)
Kostenübernahmeantrag vom 16. September 2002 genannten Therapiemittel im fraglichen Zeitraum eingesetzt wurden. So ist nicht
ersichtlich, dass die dort genannten Therapiemittel "tägliche ärztliche Visite mit Befundkontrolle und Therapieanpassung"
und "täglich ärztlich geleitete Psychotherapie" durchgeführt wurden. Mit letzterer dürfte eine Einzeltherapie gemeint sein,
da Gruppentherapie neben "Musik-, Ergo-, Bewegungs-, Physiotherapie" als weiteres Therapiemittel in diesem Antrag genannt
werden.
Soweit die Klägerin das Erfordernis stationärer Behandlung über den 27. September 2002 hinaus zunächst neben der Rückfallgefährdung
des Versicherten insbesondere mit einer mittelgradig ausgeprägten Depression begründete, dürfte dies im Widerspruch zu ihren
Verlängerungsanträgen vom 23. September 2002 und insbesondere vom 10. Oktober 2002 stehen. Gerade von diesem letzten, erst
über eine Woche nach der Entlassung des Versicherten gestellten Verlängerungsantrag bezüglich des hier streitigen Zeitraums
wäre die Erwähnung dieser Erkrankung als verlängerungsbegründend zu erwarten gewesen. Dass die Begründung dieses Antrages
stattdessen auch auf das geplante Prozedere - ein nahtloser Übergang von der stationären Behandlung in eine (rehabilitative)
Langzeiteinrichtung sollte erreicht werden - eingeht, ist ein Hinweis darauf, dass zumindest nicht nur medizinische Erfordernisse
Grundlage für den stationären Aufenthalt im streitigen Zeitraum waren.
Auch die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen überzeugen nicht. Er begründet die Erforderlichkeit stationärer
Behandlung insbesondere mit zusätzlichen, von den Krankenhausärzten therapeutisch nur unzureichend berücksichtigten Erkrankungen
(narzisstische Persönlichkeitsstörung, Krebserkrankung). Ungeachtet der Tatsache, dass der Senat eine narzisstische Persönlichkeitsstörung
nach den Kriterien der ICD-10 nicht feststellen konnte (s.o. unter 2. a. bb.) bleibt offen, welche spezifischen Mittel des
Krankenhauses zur Behandlung dieser zusätzlichen Erkrankungen erforderlich waren.
(2) Aus der von den einschlägigen medizinischen Fachgesellschaften erstellten Leitlinie "Psychotherapie der Depression" ergibt
sich nicht anderes. Nach Auffassung des BSG (Urteil vom 10. April 2008, aaO.) sind dieser Leitlinie (im Internet nach ihrem
Außer-Kraft-Treten nur noch unter http://aerzteblatt.lnsdata.de/download/files/2004/07/x0001045.pdf abrufbar) wichtige Anhaltspunkte
zur Frage zu entnehmen, welche ärztliche und nicht-ärztliche therapeutische Versorgung als krankenhaustypisch anzusehen ist.
Indikationen für eine stationäre Einweisung sind demzufolge
- eine schwere suizidale Krise,
- differentialdiagnostische Unklarheiten (somatische oder zusätzliche psychiatrische Erkrankung)
- deutliche Verschlechterung unter ambulanter Behandlung
- sehr ausgeprägte Schwere der Symptomatik (z. B. Antriebshemmung, psychotische Wahrnehmungen)
- weitgehende Unfähigkeit zur Alltagsbewältigung
- plötzlicher Zusammenbruch des sozialen Netzwerkes
- mittelschwere depressive Episode, wenn im Umfeld besonders belastende Faktoren vorliegen.
Im Falle des Versicherten lag keine dieser Indikationen vor. Die im Schreiben des LASV vom 08. Mai 2003 erwähnte "differentialdiagnostische
Überlegung" ist unbeachtlich, da die Gleichzeitigkeit von somatischen (Harnblasenkrebs, Ulcus cruris) und psychiatrischen
Erkrankungen offensichtlich und unstrittig ist. Eine mittelschwere depressive Episode bestand nach den Feststellungen des
Senats gerade nicht.
III. Die nach §
100 SGG zulässige Widerklage ist begründet.
Da nach den Feststellungen des Senats über den 27. September 2002 hinaus vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht mehr erforderlich
war und die Beklagte auch den 28. September 2002 vergütet hat, obwohl dieser Tag als reiner Entlassungstag gemäß § 14 Abs.
2 Satz 1, 2. Halbsatz Bundespflegesatzverordnung bei vollstationärer Behandlung nicht zu vergüten gewesen wäre, kann sie im
Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs die Rückzahlung dieser Vergütung beanspruchen.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.