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LSG Hamburg, Urteil vom 05.04.2018 - 1 SF 4/17
Kosten einer auswärtigen Eingliederungsmaßnahme Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens Beurteilung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer Gerichtliche Ausübung der verfahrensgestaltenden Befugnisse
1. Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens ist als maßgeblicher Zeitraum die Gesamtverfahrensdauer, wie sie § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert.
2. Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, bewirken daher nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer; es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung insbesondere zu überprüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden; maßgeblich ist, ob am Ende des Verfahrens die Angemessenheitsgrenze überschritten worden ist.
3. Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt.
4. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind; so ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen, auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt.
5. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt. Erst wenn die Verfahrenslaufzeit in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung dieses Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor.
Normenkette:
GVG § 198 Abs. 1 S. 2
,
GVG § 198 Abs. 6 Nr. 1
,
GG Art. 20 Abs. 3
,
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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