Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente auf Grund der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
Die 1952 geborene Klägerin arbeitete im Reinigungsdienst des Universitätsklinikums AX Stadt, Standort A-Stadt, und war in
dieser Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Bei ihrer versicherten Tätigkeit
stürzte sie am 1. November 2008 einige Treppenstufen hinunter. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. Dr. D., Direktor der Klinik und
Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Gießen, diagnostizierte eine Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers bei bekannten
degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Die Beklagte zog die Behandlungsunterlagen der Klägerin bei. Danach hatte
die Klägerin schon vor dem Unfall ein Stützkorsett getragen und an einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung gelitten (Bericht
im Besuchsdienst vom 6. November 2008). Aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. E. vom 5. November 2003 ergeben sich als
vorbestehende Diagnosen Cervikodorsalgie, Schulter-Engpasssyndrom rechts, Epikondylitis lateralis rechts, Lumboischialgie
links, S1 Reizung links, ISG Blockade links, Blockade obere BWS. Festgestellt wurde von den behandelnden Ärzten vor dem Unfall
zudem ein Fibromyalgiesyndrom (Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 25. April 2005; Arztbrief des Dr. E.
vom 2. März 2005). Bezüglich der Unfallfolgen konnte Prof. Dr. Dr. D. schon bei seiner Untersuchung am 4. Dezember 2008 eine
deutliche Besserung der Fußheber- und Fußsenkerschwäche feststellen, Druckschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule hätten
kaum noch bestanden (ausführlicher fachärztlicher Bericht vom 4. Dezember 2008). Im weiteren Verlauf wird mitgeteilt, die
Klägerin beklage unverändert Schmerzen im Bereich der LWS, Schmerzausstrahlung in das linke Bein; eine angegebene Fußheberschwäche
könne klinisch kaum verifiziert werden (Bericht des Prof. Dr. Dr. D. vom 5. Februar 2009). Eine neurologische Abklärung durch
den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., Ambulantes G-Zentrum A-Stadt, ergab keine neurologischen Ausfälle, aber eine
deutliche Aggravation (Bericht dieses Arztes vom 6. Februar 2009). In seinem Bericht vom 5. März 2009 teilte Prof. Dr. Dr.
D. mit, die Beschwerdesymptomatik sei unverändert, ein Klopfschmerz im Bereich der LWS sei nicht auslösbar, die Röntgenaufnahmen
der LWS zeigten einen unveränderten Befund bei knöcherner Konsolidierung der ehemaligen Fraktur. Die Behandlung sei mit Datum
vom 5. März 2009 zu Lasten der Beklagten abgeschlossen. Die unfallunabhängigen Beschwerden seien ab diesem Zeitpunkt als führend
anzuerkennen.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. J. vom 19. Februar
2010 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2010 das Ereignis als Arbeitsunfall an, lehnte die Zahlung von Rente
aber mit der Begründung ab, es sei mehr als vier Monate nach dem Unfall zu einem guten Ausheilungsergebnis gekommen. Bereits
vor dem Unfall hätten massive Vorerkrankungen im Wirbelsäulenbereich vorgelegen, die für die jetzigen Beschwerden verantwortlich
seien. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. März 2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai
2010 zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin erhob am 6. September 2010 Klage beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) mit der Begründung, zwar treffe es
zu, dass sie schon vor dem streitigen Unfall Gesundheitsbeeinträchtigungen im Wirbelsäulenbereich gehabt habe. Entgegen der
Auffassung der Beklagten dauerten jedoch die Beschwerden an, die auf die Verletzungen am Unfalltag zurückzuführen seien. Sie
habe Probleme beim Bücken, Heben, langen Sitzen und beim langen Stehen.
Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte der Klägerin bei dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales in Gießen
zum Verfahren beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung zweier Gutachten von Amts wegen auf orthopädischem und psychiatrischem
Fachgebiet. Dr. K., Facharzt für Orthopädie, Oberarzt der Orthopädischen Klinik Gießen, kommt in seinem Gutachten vom 27.
Mai 2011 zu dem Ergebnis, wegen des durch den Arbeitsunfall eingetretenen Bruchs am zweiten Lendenwirbel sei eine MdE von
10 v. H. festzustellen. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht. Die aktenkundige Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit
zum 5. März 2009 sei schadensangemessen gewesen. Seither bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Hiervon abzugrenzen
seien Arbeitsunfähigkeitszeiten durch die unfallunabhängigen und altbekannten degenerativen Veränderungen an der Hals- und
an der Rumpfwirbelsäule der Klägerin und durch das sich durch körperliche Beschwerden ausdrückende psychiatrische Krankheitsbild
der somatisierten Depression. Der Sachverständige Dr. L., Klinikdirektor der VITOS-Kliniken für Psychosomatik Herborn und
Weilmünster/Hessen, kommt in seinem psychiatrischen Gutachten vom 29. September 2012 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege
eine rezidivierende depressive Störung vor, gegenwärtig mittelgradige Episode ohne somatisches Syndrom, chronifiziert im Sinne
einer anhaltenden affektiven Störung vor (ICD-10 F33) und des Weiteren eine somatoforme Schmerzstörung multipler Lokalisation
(ICD-10 F45.4), comorbide zur depressiven Störung. Das Unfallereignis vom 1. November sei geeignet gewesen, eine vorübergehende
psychische Befindlichkeitsstörung hervorzurufen, allerdings nicht als alleinige Ursache für eine dauerhafte psychiatrische
Störung. Unfallunabhängige Faktoren hätten die psychische Symptomatik ausgelöst, denn die Depression und die Schmerzsymptomatik
(z.B. Fibromyalgie) hätten eindeutig schon vor dem Unfall bestanden. Die aktuelle psychische Symptomatik werde aufrechterhalten
durch schmerzbedingten Bewegungsmangel und dadurch hervorgerufene Adipositas. Aufrechterhaltende bzw. auch auslösende Faktoren
für die somatoformen Störungen seien die mangelnde Intelligenz und eingeschränkte Kommunikation der Klägerin durch Analphabetismus
neben einer sozialen Problemsituation. Eine eigene unfallbedingte MdE auf seinem Fachgebiet sei nicht festzustellen.
Das Sozialgericht hat die Klägerin, ihre Betreuerin und ihren Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung
am 24. Januar 2014 darauf hingewiesen (Sitzungsprotokoll vom 24. Januar 2014), dass das Verfahren auf Grund der beiden von
Amts wegen eingeholten Gutachten derzeit keine Aussicht auf Erfolg habe. "Soweit sie das Verfahren fortsetzen wolle, weise
er sie auf §
192 SGG hin und darauf, dass eventuelle Kosten damit für die Klägerin verbunden seien. Es handele sich hier um ein altes Verfahren,
in dem das Gericht sorgfältig und umfangreich ermittelt habe. Die Klägerin müsse im Fall eines Urteils von Verschuldenskosten
in Höhe zwischen 300,00 EUR und 1.000,00 EUR ausgehen. Endgültig werde dies das Gericht im Urteil festsetzen".
Nach dem Inhalt des Sitzungsprotokolls hat der Prozessbevollmächtigte daraufhin mitgeteilt, nach Rücksprache mit Klägerin
und Betreuerin wolle er das Verfahren fortsetzen. Die Klägerin hat angegeben, die Unfallfolgen seien "unrichtig" festgestellt.
Mit Urteil vom 24. Januar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zudem festgestellt, von den Kosten des Rechtsstreits
habe die Klägerin einen Betrag von 300,00 EUR zu tragen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin habe
keinen Anspruch auf Rente. Über die im Bescheid vom 15. März 2010 festgestellten Unfallfolgen hinaus seien keine weiteren
Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Nur ein Teil der Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule sei auf
den fest verheilten Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers zurückzuführen. Daneben würden bei der Klägerin zahlreiche Erkrankungen
vorliegen, die in keinem Zusammenhang mit dem Unfall ständen und zumeist schon vorher festgestellt worden seien. Dies hätten
die beiden im Gerichtsverfahren von Amts wegen eingeholten Zusammenhangsgutachten der beiden im Unfallversicherunrecht erfahrenen
Sachverständigen erbracht, die für das Gericht überzeugend seien und den zahlreichen im Verwaltungsverfahren beigezogenen
Befunden entsprechen würden. Zu seiner Kostenentscheidung führt das Sozialgericht wie folgt aus: "Ein Kostenerstattungsanspruch
der Beteiligten untereinander besteht bei dieser Rechtslage nicht (§
193 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-). Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin einen Betrag von 300,00 EUR zu tragen, denn sie hat den Rechtsstreit
fortgeführt, obwohl ihr vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden ist und sie auf die
Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist (§
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG). Bei der Höhe der von der Klägerin zu tragenden Kosten, konnte die Kammer nicht von der Regelung des §
192 Abs.
1 Satz 3
SGG Gebrauch machen, denn bei dem hier vorliegenden Rechtsstreit handelte es sich um ein äußerst langwieriges und kostenintensives
Verfahren. Allein die Kosten der Begutachtung betrugen ca. 2.250,00 EUR. Rechnet man Arbeitsstunden der Gerichtsverwaltung,
für Berufsrichter und ehrenamtliche Richter hinzu, so ist hier von Gesamtkosten in Höhe von mindestens 4.000,00 EUR auszugehen.
Bei dieser Sachlage wäre es gerechtfertigt, der Klägerin einen Teilbetrag von 1.000,00 EUR aufzuerlegen. Da die Klägerin nach
dem Bekunden ihrer Betreuerin Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat die Kammer in Ausschöpfung ihres gesamten Ermessens hier einen Betrag von lediglich 300,00 EUR festgesetzt."
Die Klägerin hat gegen das ihr am 21. Februar 2014 zugestellte Urteil am 14. März 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
in Darmstadt eingelegt. Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen aufzuheben und gemäß dem erstinstanzlich zuletzt
gestellten Antrag zu entscheiden. Zur Begründung hat sie (ihr damaliger Prozessbevollmächtigter) vorgetragen, das Urteil des
Sozialgericht sei jedenfalls im Hinblick darauf, dass der Klägerin nach §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG Kosten in Höhe von 300,00 EUR auferlegt worden sind, nicht haltbar. In dem Urteil werde von Missbräuchlichkeit ausgegangen,
ohne etwas zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer solchen Missbräuchlichkeit auszuführen. Dafür sei nicht ausreichend,
dass ein Beteiligter den Prozess trotz ungünstigen Beweisergebnisses weiterführe, weil er die Hoffnung auf einen günstigen
Ausgang noch nicht aufgegeben hat. Das gelte auch, wenn dieser uneinsichtig sei, sofern die Uneinsichtigkeit nicht ein besonders
hohes Maß erreicht habe. Dazu, warum auf Seiten der Klägerin ein besonders hohes Maß an Uneinsichtigkeit vorgelegen haben
soll, finde sich in dem Urteil nichts. Auch im Hinblick auf die Höhe der auferlegten Kosten sei das Urteil fehlerhaft. Es
dürften nur diejenigen Kosten auferlegt werden, die tatsächlich durch das von §
192 SGG erfasste Verhalten verursacht werden. Das Sozialgericht habe aber auch die Kosten des Rechtsstreits einbezogen, die nicht
nach, sondern vor dem Hinweis der Kostenauferlegung entstanden sind, wie die Kosten der Begutachtung. Auch bei seiner Begründung,
warum es nicht von §
192 Abs.
1 Satz 3
SGG Gebrauch mache, berücksichtige das Gericht Gesichtspunkte, die vor dem erteilten Hinweis liegen, wie die Tatsache, das Verfahren
sei äußerst langwierig und kostenintensiv gewesen. Alle diese Kosten seien keinesfalls durch das Verhalten der Klägerin verursacht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 24. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Änderung des Bescheids
vom 15. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2010 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 1. November
2008 Rente nach einer MdE in Höhe mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat am 31. Januar 2017 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. Die Betreuerin hat in diesem Termin
vorgetragen, die Klägerin befinde sich aktuell in einer psychiatrischen Klinik und möchte die Befunde aus dieser Klinik zum
Nachweis vorlegen, dass auch ihre psychischen Störungen Unfallfolgen seien. Die Beteiligten beantragten das Ruhen des Verfahrens
bis zum Abschluss des Klinikaufenthaltes und der Vorlage der Befunde.
In der Folgezeit äußerte die Betreuerin der Klägerin den Wunsch auf Einsichtnahme in die Akten (Schreiben vom 16. März 2017).
Die Akten wurden daraufhin mit gerichtlicher Verfügung vom 31. Mai 2017 nochmals der Prozessbevollmächtigen zur Einsichtnahme
und zur Besprechung des Inhalts mit der Betreuerin übersandt. Mit Schreiben vom 11. September 2017 wurden die Akten dem Senat
von der Prozessbevollmächtigen zurückgesandt mit der Mitteilung, die Betreuerin der Klägerin habe sich trotz mehrmaliger Aufforderung
nicht im Büro der Prozessbevollmächtigen zur Akteneinsicht eingefunden. Um gerichtliche Entscheidung werde gebeten.
Der Senat hat das Verfahren wieder aufgerufen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt (Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 24. Juni 2019; Schreiben der Beklagen vom 1. Juli 2019).
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakten
der Beklagten und die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Gießen verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist zu Recht ergangen und das erstinstanzliche
Urteil hat in der Sache zutreffend die Klage abgewiesen.
Das Urteil war indes insoweit zu korrigieren und aufzuheben, als der Klägerin Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind
(Ziff. 3 des Tenors des erstinstanzlichen Urteils).
Da schon der Tatbestand der missbräuchlichen Rechtsverfolgung nicht erfüllt ist, konnte der Senat dahinstehen lassen, ob das
Sozialgericht überhaupt Verschuldenskosten in der von ihm festgesetzten Höhe hat auferlegen können.