LSG Hessen, Urteil vom 29.04.2009 - 4 KA 80/08
Vorinstanzen: SG Marburg 27.08.2008 S 12 KA 513/07
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 113.981,83 EUR festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Honorarhöhe in den Quartalen II/05, I/06 und II/06, insbesondere um die Honorarkürzungen
nach Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrages (Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der AOK
- Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen
e.V. (VdAK) - Landesvertretung Hessen, dem AEV - Arbeiter-Ersatzkassenverband e.V. - Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen
Krankenkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung
für die Quartale II/2005 bis IV/2005 vom 10. November 2005, im Folgenden: HVV), der für die Quartale I/06 und II/06 fortgeführt
wurde.
Die Klägerin ist eine aus zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Die
Ärzte nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung teil, aufgrund ihres phlebologischen Schwerpunkts und des Beschlusses des
Zulassungsausschusses ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung. Die Beklagte ordnete sie im Rahmen der Honorarverteilung
der Fachgruppe der "sonstigen Ärzte" (VFG 80-00) zu.
Das Nettohonorar der Klägerin im Quartal II/05 betrug 114.719,64 EUR bei einem angeforderten Honorarvolumen (EBM) in Höhe
von 165.465,90 EUR (Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK: 101,23/79,76). Dem lag eine Kürzung des Honoraranspruchs gemäß
Ziff. 7.5 HVV zu Grunde (Referenzfallwert im Quartal II/04: 65,2906 EUR; relevanter Fallwert im Quartal II/05 177,9007 EUR;
fallbezogener Kürzungsbetrag 109,3456 EUR; relevante aktuelle Fallzahl: 1613; Kürzungsbetrag insgesamt: 176.374.43 EUR). Die
fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV war ausgesetzt worden, da die ambulante Fallzahl im aktuellen Quartal die
Fallzahl des Ausgangszeitraums nicht überschritten hatte (Fallzahlgrenze: 1595; Aktuelle Fallzahl: 1566).
Das Nettohonorar der Klägerin im Quartal I/06 betrug 67.409,14 EUR bei einem angeforderten Honorarvolumen (EBM) in Höhe von
208.568,57 EUR (Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK: 36,75/37,07). Auch in diesem Quartal war der Honoraranspruch u. a.
gemäß Ziff. 7.5 HVV gekürzt worden (Referenzfallwert im Quartal I/05: 59,1128 EUR, relevanter Fallwert im Quartal I/06 78,0510
EUR; fallbezogener Kürzungsbetrag 44,0254 EUR; relevante aktuelle Fallzahl 1773; Kürzungsbetrag insgesamt: 78.056,98 EUR).
Außerdem war eine fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV durchgeführt worden (Fallzahlgrenze: 1650; Aktuelle Fallzahl:
1740; anerkennungsfähiges Honorarvolumen: 96,12 % des angeforderten relevanten Honorarvolumens).
Das Nettohonorar der Klägerin im Quartal II/06 betrug 129.991,10 EUR bei einem angeforderten Honorarvolumen (EBM) in Höhe
von 205.579,94 EUR. (Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK: 36,35/36,69). Auch in diesem Quartal war der Honoraranspruch
gemäß Ziff. 7.5 HVV gekürzt worden (Referenzfallwert II/05: 68,5551 EUR; relevanter Fallwert im Quartal II/06: 78,9416 EUR,
fallbezogener Kürzungsbetrag: 7,5599 EUR; relevante aktuelle Fallzahl 1790; Kürzungsbetrag insgesamt: 13.532,25 EUR). Im Quartal
II/06 war keine fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV durchgeführt worden, da die Arzt-/Fachgruppe in ihrer gesamten
Fallzahlentwicklung im aktuellen Quartal im Vergleich zum Ausgangsquartal um weniger als 1% gestiegen war (Fallzahlgrenze:
1583; Aktuelle Fallzahl: 1771).
Gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/05 (Bescheid vom 23. Januar 2006, später ersetzt durch den Bescheid 29. Juni
2006), I/06 (Bescheid vom 21. Januar 2007) und II/06 (Bescheid vom 4. Februar 2007) legte die Klägerin jeweils am 13. Februar
2006, 6. März 2007 und 26. März 2007 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie betreffend das Quartal II/05 aus, dass die
Beklagte falsche Referenzfallwerte im Ausgangsquartal des Jahres 2004 verwendet habe. Für die Berechnung der Ausgleichsregelung
habe die Beklagte einen zu hohen Honoraranspruch von ca. 290.000,00 EUR zugrunde gelegt. Bei annähernd gleichem Anforderungsvolumen
habe sich nach dem neuen EBM 2005 ein Honorar von 132.954,00 EUR ergeben, was nur durch die neuen Abrechnungsmodalitäten zu
erklären sei, nicht durch eine Zunahme der erbrachten Leistungen. Die Quartale II/04 und II/05 seien nicht vergleichbar, und
die Ausgleichsregelung könne nur auf Basis der angeforderten Gesamtpunktmenge berechnet werden. Für das Quartal I/06 bestehe
ein Anspruch auf Auszahlung des vollständigen angeforderten Honorars. Die Härtefallregelung nach Ziff. 7.5 HVV sei rechtswidrig
und verstoße gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Artikel 12 Abs. 1 i.V.m. Artikel 3 Abs. 1 GG. Die Gestaltungsfreiheit der Vertragspartner sei durch den gesetzlichen Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung eingeschränkt.
Anerkannt seien hierbei sachlich gerechtfertigte Gründe, wie Honorarbegrenzungsmaßnahmen zur Verhinderung einer übermäßigen
Mengenausdehnung mit dem Ziel der Punktwertstabilisierung (BSG SozR 3-2500 § 85 Nrn. 4,11), strukturelle Entscheidungen der
Gesamtvertragspartner zur Leistungsmengenbegrenzung (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 4) sowie gesamtvertraglich vereinbarte, sich
auf bestimmte Arztgruppen oder Leistungsbereiche beziehende Vergütungen, die an die betroffenen Ärzte weitergegeben werden
müssen (BSG SozR 3 2500 § 85 Nrn. 10,12). Vorliegend handele es sich nicht um eine Regelung zur Verhinderung der übermäßigen
Ausdehnung. Es würden auch nicht gesamtvertragliche Vereinbarungen umgesetzt. Vielmehr würde gegen diese, nämlich den EBM
2005 als Bestandteil des Bundesmantelvertrages verstoßen, wenn rechtmäßig abgerechnete Leistungen ohne sachlichen Grund nicht
vergütet würden. Ein sachlicher Grund könne auch nicht in der Stützung von Praxen liegen, welche durch die Vorgaben des EBM
2005 eine Fallwertminderung zu verzeichnen hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei eine Kürzung hoher
Fallwerte zu Gunsten einer Stützung niedriger Fallwerte bei existenzgefährdeten Praxen in der Honorarverteilung unzulässig
(BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 7). Im Übrigen sei auch die Berechnung rechtswidrig.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2007 als unbegründet zurück. Lediglich der ungewöhnlich
hohe Punktwert im Quartal II/05 habe zu dem hohen Honoraranspruch geführt. Die Abrechnung sei korrekt erfolgt und nicht zu
beanstanden. Die Arztgruppe der "sonstigen Ärzte" (VFG 80-00) gehöre nicht zu den in Anlage zu 6.3 HVV genannten Arztgruppen,
so dass deren Fälle und Honorarforderungen nicht den Regelleistungsvolumina unterlägen. Die Fallzahlbegrenzung gemäß Ziffer
5.2.1 HVV sei nur für das streitgegenständliche Quartal I/06 und korrekt erfolgt. Die Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5
HVV sei ebenfalls korrekt umgesetzt worden und habe in allen streitbefangenen Quartalen zu Kürzungen geführt. Weiche der Fallwert
mehr als 5% nach oben oder nach unten ab, könne nach Ziff. 7.5 HVV ein Ausgleich im Sinne der Auffüllung bei Abweichungen
von mehr als 5% nach unten bzw. eine Kappung des Fallwertzuwachses beim Wachstum von mehr als 5% nach oben erfolgen. Die für
eine Stützung der Fallwertminderungen notwendigen Honoraranteile gingen zulasten der jeweiligen Honoraruntergruppen, der die
Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet sei. Diese seien gegebenenfalls durch eine weitergehende Quotierung der Bewertung bzw.
Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5% resultierenden Honoraranteile
nicht ausreichend sein sollten. Hinsichtlich der auf dem Nachweis zur Ausgleichsregelung angegebenen Fallwerte könne es hier
zu Missverständnissen kommen. Wenn die zur Verfügung stehende Geldmenge nicht ausreiche, um die Ausgleichsregelung zu bedienen,
müsse neben dem sog. ersten Rechnungslauf (Honoraranspruch ohne Ausgleichsregelung) ein weiterer Rechnungslauf erfolgen. Dabei
werde die Auszahlungsquote vermindert und ein neuer Fallwert ermittelt. Daraus ergebe sich ein von der Darstellung abweichender
Fallwert, der zur Berechnung des Kürzungs- bzw. Auffüllungsbetrages herangezogen werde. Auf dem Nachweis der Ausgleichsregelung
werde darauf hingewiesen, dass die zusätzliche Quotierung der Punktwerte gegebenenfalls dazu führen könne, dass der Fallwert
im aktuellen Quartal praxisindividuell mehr als 5% von dem Fallwert des Ausgangsquartals abweiche. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit
sei nicht verletzt.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Dezember 2007 Klage erhoben, mit der sie sich insbesondere gegen die Kürzungen aufgrund der
Ausgleichsregelung der Ziff. 7.5 HVV wendete. Ihrer Auffassung nach verstößt diese Regelung gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit,
die Vorgaben des EBM 2005 würden unterlaufen. Die Berechnung sei im Quartal I/06 fehlerhaft erfolgt. Unklar bleibe auch, weshalb
bei der Berechnung des Ausgleichs im Quartal II/06 im Gegensatz zum Fallwert im Quartal II/05 in Höhe von 177,9007 EUR ein
Referenzfallwert von 68,5551 für das Quartal II/05 herangezogen werde. Die im Honorarbescheid ausgewiesenen Fallwerte ergäben
unter Berücksichtigung von + 5% einen Korrekturbetrag von 6,9588 EUR. Nach Ziffer 7.5.1 erfolge die Berechnung nach Feststellung
der Punktwerte. Eine darüber hinausgehende Quotierung sei unzulässig, da von Ziffer 7.5 HVV nicht mehr gedeckt. Hinsichtlich
Ziffer 7.5 HVV fehle es für den Eingriff in die Rechte der Klägerin an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Der Bestandsschutz vertragsärztlicher Praxen sei von § 85 SGB V nicht gedeckt. Eine Fallwertbudgetierung sei für die im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 zur Bildung
von Regelleistungsvolumina nicht benannten Ärzte nicht vorgesehen. Sie unterlägen allein den Abrechnungsbestimmungen des EBM
2005 ohne Regelleistungsvolumina sowie einer Fallzahlbegrenzung. Für eine Anfangs- und Erprobungsregelung bestehe kein Raum.
Hinsichtlich des Quartals II/06 wende die Beklagte Ziffer 7.5 HVV unzutreffend an, in dem sie die Fallwerte des Vergleichsquartals
II/05 auf der Grundlage des Vorstandsbeschlusses, Rundschreiben der Beklagten in info.doc Nr. 6, Oktober 2006 ermittelte (Zugrundelegung
von Honorarzahlungen ohne Berücksichtigung der Erhöhung der Gesamtvergütung für das Quartal II/05 bei Durchführung der Ausgleichsregelung
im Quartal II/06).
Mit Urteil vom 27. August 2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. In den Entscheidungsgründen
hat es ausgeführt, die Honorarbescheide seien rechtswidrig, soweit eine Honorarkürzung auf Ziffer 7.5 HVV gestützt worden
sei. Mit dieser Regelung verstoße der HVV gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses. Ziffer 7.5 HVV führe faktisch
ein Vergütungssystem vergleichbar mit so genannten Kopfpauschalen ein. Es weiche davon insofern ab, als es nicht allen Vertragsärzten
bzw. allen Vertragsärzten einer Honorargruppe gleiche Honorarbeträge für einen Behandlungsfall zuweise, sondern die Höhe der
Honorarzuweisung pro Fall am Fallwert des entsprechenden Vorjahresquartals der einzelnen Praxis orientiere und zunächst einen
Honorarkorridor von 95% des 105% hierfür vorgebe. Seien die Ausgleichsbeträge wesentlich höher als die Kürzungsbeträge, so
könne der Korridor nach unten abweichen, da mit Ausnahme des Quartals II/05 keine weiteren Gelder aus Rücklagen zugeführt
worden seien und die Entnahme aus dem Honorartopf zur Abgeltung der Ausgleichsansprüche nur in dem Umfang erfolgen dürfe,
dass der Punktwert nicht unterhalb den so genannten Stützpunktwert falle. Die einzelne Praxis, die weder einen Ausgleichs-
noch Kürzungsbetrag erhalte, werde von der Ausgleichsregelung indirekt betroffen, wenn die Ausgleichsbeträge insgesamt einer
Honorargruppe nicht von den Kürzungsbeträgen abgedeckt werden können, da sich dann der Punktwert bis zur Grenze des so genannten
Stützpunktwertes verringern könne. Soweit die Regelung im Einzelfall zu Ausgleichsbeträgen geführt habe, sei sie bisher nicht
beanstandet worden, da in ihr eine Härteregelung zur Abfederung der Veränderungen aufgrund des zum Quartal II/05 eingeführten
EBM 2005 zu sehen sei. Sachliche Gründe dafür, dass Praxen, die höhere Fallwerte als im Vorjahresquartal erzielten, über den
allgemeinen Beitrag eines gegebenenfalls geringeren Punktwertes hinaus durch die Kürzungsbeträge zur Finanzierung herangezogen
wurden, seien nicht ersichtlich. Die eigentliche Honorarbegrenzung und Steuerung habe aber durch die vom Bewertungsausschuss
zum Quartal II/05 auf gesetzlicher Grundlage eingeführten Regelleistungsvolumina zu erfolgen. Für Praxen, die zu Kürzungsbeträgen
herangezogen wurden, bedeute die Ausgleichsregelung eine Vergütung nach einem praxisindividuellen Individualbudget. Die Vertragsparteien
seien aber an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden gewesen und nicht befugt, im Rahmen der Ausgleichsregelung Kürzungsbeträge
vorzusehen. Der Bewertungsausschuss sei seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Absatz 4a SGB V unter anderem durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch
die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (BRLV) nachgekommen. In den Bestimmungen des BRLV sei eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses
zu sehen. Dies sei bereits für die von der Beklagten vorgenommene und gegen die Vorgaben des Bewertungsausschusses verstoßende
Einbeziehung von Dialyseleistungen in die Regelleistungsvolumina festgestellt worden (vgl. Urteil des SG vom 26. September 2007, S 12 KA 822/06; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts - HLSG - vom 23. April 2008, L 4 KA 69/07). In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung werde festgestellt, dass die Vorgaben des Bewertungsausschusses auch insofern
verbindlich seien, als daneben nicht Regelungen geschaffen werden könnten, die faktisch zu einem praxisindividuellen Individualbudget
führen. Ziff. III.2.2 Abs. 1 BRLV setze voraus, dass bereits vergleichbare Steuerungsinstrumente vorhanden sind, die bis Ende
2005 fortgeführt werden könnten. Die hier strittige Ziff. 7.5 HVV sei aber neu eingeführt worden. Soweit es der Beklagten
allgemein nicht verwehrt sei, auch bei Vorgaben des Bewertungsausschusses weitere Steuerungsmaßnahmen im HVV zu vereinbaren,
so gelte dies dann nicht, soweit zwingende Vorgaben durch den BRLV bestünden. Die mit dieser Normsetzungskompetenz des Bewertungsausschusses
verbundenen Ziele könnten nur erreicht werden, wenn die KÄVen im Rahmen der Honorarverteilung an die Vorgaben des EBM gebunden
sind. Sie dürften deshalb weder Arztgruppen von der Budgetierung ausnehmen, die der EBM einbeziehe, noch die Bereiche der
budgetierten und der nicht budgetierten Leistungen anders als im EBM festlegen. Aufgrund der eindeutigen Nichtbeachtung der
Vorgaben des Bewertungsausschusses sei Ziff. 7.5 HVV, soweit die Regelung zu Kürzungsbeträgen führe, von Anfang an rechtswidrig
und könnten die Grundsätze einer so genannten Anfangs- und Erprobungsregelung nicht angewandt werden. Die Rechtswidrigkeit
führe nicht zwingend dazu, dass dem Kläger der Kürzungsbetrag in vollem Umfang zurückzuerstatten ist. Die positive Ausgleichsregelung
sei jedenfalls in den streitbefangenen Quartalen noch zulässig. Die Beklagte habe daher einen neuen Punktwert zu errechnen
auf der Grundlage, dass ihr insgesamt keine Kürzungsbeträge zur Verfügung stehen. Der neu errechnete Punktwert sei maßgebend,
soweit er oberhalb des Stützungspunktwerts liege. Liege er darunter, sei der Stützungspunktwert maßgebend. Ferner habe die
Beklagte Abschnitt 2.2 Abs. 3 Satz 3 zu Anlage 1 zu Ziffer 7.2 HVV zu beachten, wonach eine Kappung des Punktwertes bei einer
15%igen Abweichung des Punktwerts von dem dort genannten Durchschnittspunktwert erfolge. Diese Regelung sei möglicherweise
für das Quartal II/05 nicht angewandt worden. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ziff. 7.5 HVV, soweit die Regelung zu Kürzungsbeträgen
führe, könne dahinstehen, ob die Beklagte die Vorgaben der Ziff. 7.5 HVV überhaupt eingehalten habe.
Gegen das ihr am 4. September 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. September 2008 Berufung beim HLSG eingelegt
und diese wie folgt begründet: Der Rechtsauffassung des SG stehe der durch den Erweiterten Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina
nach § 87 b Abs. 2 und 3 SGB V getroffene Beschluss entgegen. Nach Teil A Nummern 1-4 dieses Beschlusses könnten die Partner der Gesamtverträge im Rahmen
eines so genannten Konvergenzverfahrens eine schrittweise Anpassung der Regelleistungsvolumina beschließen, sofern Honorarverluste
durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet sind. Teil A. 2. des Beschlusses des Erweiterten
Bewertungsausschusses sehe vor, dass die Partner der Gesamtverträge prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen
im Vergleich zum Vorjahresquartal feststellen. Diese dürften nach Teil A Nr. 2 a des Beschlusses nicht durch von der Praxis
zu verantwortende Gründe entstanden sein, nicht gewollt und müssten durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue
Systematik begründet sein. In Teil A Nr. 2 c geregelte Voraussetzung sei, dass der Fallwert der jeweiligen Praxis im Abrechnungsquartal
um mehr als die vereinbarte Höhe der Grenzwerte von dem entsprechenden Fallwert des Vorjahresquartals abweiche. Die Beklagte
habe mit den Landesverbänden der Krankenkassen in Ziff. 7.5 HVV bereits ab dem Quartal II/05 eine Regelung eingeführt, die
den Erwägungen des Erweiterten Bewertungsausschusses in dem Beschluss vom 15. Januar 2009 Rechnung trage. Danach seien Fallwertsteigerungen
ebenfalls im Rahmen eines Ausgleichs zu berücksichtigen. Sofern der Erweiterte Bewertungsausschuss die Konvergenzphase zur
Umsetzung der Regelleistungsvolumina in seinem Beschluss vom 15. Januar 2009 vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2010 vorgesehen
habe, sei dieser Zeitraum nicht verbindlich. Die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik sei im Bereich der
Beklagten früher als bei anderen KÄVen bereits zum Quartal II/05 umgesetzt worden. Berücksichtige man, dass der BRLV zunächst
keine Erwägungen zu einem Konvergenzverfahren vorgesehen habe, dass erstmals in der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses
in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 in Teil F unter
3.7 ein Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten vorgesehen gewesen sei und nun auch von dieser Vorgabe nach Teil
A 2. des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 15. Januar 2009 abgewichen werden könne, liege nahe, dass die
aus der neuen Systematik resultierenden Verwerfungen vom Bewertungsausschuss zunächst nicht in vollem Umfang bedacht und geregelt
worden seien. Es sei von einer planwidrigen Regelungslücke in den Beschlüssen des Bewertungsausschusses auszugehen. Dem BRLV
sei nicht zu entnehmen, dass über die dort vorgesehenen Regelleistungsvolumina hinaus keine Ausgleichsregelung wie Ziff. 7.5
HVV vereinbart werden dürfe. Ziff. 7.5 HVV sei keine Honorarbegrenzungsregelung zum Zwecke der Mengensteuerung, sondern eine
Maßnahme für bereits vor dem Beginn des Quartals II/05 bestehende Praxen gegenüber Honorarverwerfungen durch Einführung des
EBM 2005. Ein Widerspruch zum BLRV könne aufgrund unterschiedlicher Regelungsziele nicht vorliegen. Selbst wenn die Regelung
der Ziffer 7.5 HVV im Hinblick auf Kappungen mit einer Honorarbegrenzungsmaßnahme vergleichbar sei, habe die Beklagte nach
der Rechtsprechung des erkennenden Senats Gestaltungsspielräume gehabt. Der Senat gehe in seinem Urteil vom 23. April 2008,
L 4 KA 69/07 davon aus, aus der einleitenden Formulierung des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V "insbesondere" folge, dass Regelleistungsvolumina nicht die einzige Gestaltungsmöglichkeit für Mengen begrenzende Regelungen
seien. Schließlich sei die Regelung in Ziff. 7.5 HVV zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung
rechtmäßig. Bei den der Honorarverteilung zu Grunde liegenden Maßgaben handle es sich um hochkomplexe Regelungswerke, deren
Auswirkungen von der Beklagten bei deren Einführung nicht zuverlässig hätten eingeschätzt werden können. Der erkennende Senat
habe im Urteil vom 26. November 2008, L 4 KA 14/08 selbst darauf hingewiesen, dass dem Normgeber bei der Neuregelung komplexer Materien unter dem Gesichtspunkt der Anfangs-
und Erprobungsregelung ein besonders weiter Ermessensspielraum zustehe. Der Senat habe die Regelung der Ziff. 7.5 HVV im Quartal
II/05 lediglich im Hinblick auf junge Praxen für ergänzungsbedürftig erachtet. Die rechtliche Tragfähigkeit einer zulässigen
Ergänzung in Form einer Sonderregelung setzte nach Ansicht der Beklagten die Rechtmäßigkeit der übrigen Regelungsteile voraus.
Zumindest im streitgegenständlichen Quartal II/05 habe die Beklagte Steuerungsinstrumente fortgeführt, die im Sinne von Teil
III.2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar seien. Selbst wenn man davon ausginge, dass für eine Fortführung von Steuerungsinstrumenten eine abgestaffelte
Restleistungsvergütung hätte gelten müssen, wäre dies im Hinblick auf die bis zum Quartal II/05 geltende Honorarverteilung
unter Berücksichtigung der Regelungen in Anlage 3 zu Leitzahl 702 des ab 1. Juni 2003 geltenden Honorarverteilungsmaßstabs
zu bejahen gewesen. Bereits zum 1. April 2005 hätten Regelungsinstrumente existiert, die sowohl Regelleistungsvolumina als
auch eine abgestaffelte Restleistungsvergütung bzw. Quotierungen vorsahen. Ziff. 7.5 HVV stünden keine zwingenden Vorgaben
des BRLV entgegen. Der Bewertungsausschuss formuliere zwar Vorgaben für die Bildung von Regelleistungsvolumina der Arztgruppen,
die in Anlage 1 des Beschlusses aufgeführt würden, räume aber den Vertragspartnern eine Handlungsermächtigung ein, dass zur
Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung und Zielerreichung einer Maßnahme (Maßnahme zur Steuerung arztgruppenspezifischer
Auswirkungen - III.1) im Honorarverteilungsvertrag Anpassungen der Regelleistungsvolumina vorgenommen werden könnten. Außerdem
sei im Falle etwaiger Ergänzungen oder Änderungen des HVV im vorliegenden Verfahren eine notwendige Beiladung der Vertragspartner
der Beklagten erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für rechtmäßig. Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird
auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Krankenkassenverbände waren als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung nicht notwendig beizuladen. Es handelt
sich um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, die im Ermessen des Gerichts steht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung
oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an
der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig
wird (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2008, B 6 KA 47/07 R; BSG SozR 3 2500 § 115 Nr. 1 S. 3 für die Gesamtvertragspartner; BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr. 12 S 35 für die Bundesmantelvertragspartner; ebenso BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 5 Rdnr. 6 für den
EKV-Z).
Das Urteil des Sozialgerichts Marburg ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 I/06
und II/06 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23 November 2007 sind insoweit rechtswidrig, als eine Honorarkürzung auf
Ziff. 7.5 HVV gestützt worden ist. Die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung verstößt gegen zwingende Vorgaben des Bewertungsausschusses
in dessen Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die kassenärztlichen
Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V - mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (im Folgenden: BRLV) und ist nicht durch die Ermächtigungsgrundlage in § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. Art. 12 GG gedeckt.
Nach § 85 Abs. 4 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz
- GMG) vom 14. November 2003, BGBI l S. 2190 mit Gültigkeit ab 1. Januar 2005, verteilt die Kassenärztliche Vereinigung in
der vertragsärztlichen Versorgung die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen
Versorgung an die Vertragsärzte (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig
bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab (vorliegend der HVV) an (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat unter anderem Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes
vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen
mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina, § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit
abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, unter anderem erstmalig bis zum 29. Februar 2004 auch den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen. Die nach § 85 Abs. 4 a SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben für die regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe sind nach § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V Bestandteil der an die Stelle der bisherigen Beschlussfassung durch die kassenärztlichen Vereinigungen tretenden HVM-Vereinbarungen
nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der Fassung des GMG, was in seiner rechtlichen Bindungswirkung der Vereinbarung des Bundesmanteltarifvertrages als "allgemeiner
Inhalt der Gesamtverträge" nach § 82 Abs. 1 SGB V entspricht. Dabei kommen im Falle einer divergenten Regelung den bundeseinheitlichen Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses
der Vorrang zu. Die Vertragspartner des HVV waren und sind an die Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses in der Weise
gebunden, dass sie rechtswirksam keine abweichenden Regelungen treffen konnten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23.
April 2008, L 4 KA 69/07; BSG, Urteil vom 28. Januar 2004, B 6 KA 52/03 R). Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen sich aus dem vorgenannten Senatsurteil keine von den zwingenden Vorgaben des
Bewertungsausschusses abweichende Gestaltungsräume der Beklagten bzw. der Kassenverbände ableiten. Dass Regelleistungsvolumina
nicht die einzige Gestaltungsmöglichkeit für Mengen begrenzende Regelungen sind, wurde dort im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle
der Entscheidungen des Bewertungssausschusses erörtert, gleichzeitig aber klargestellt, dass der Gesetzgeber diese verbindlich
vorschreiben wollte.
Nach Wortlaut und Zweck der Neufassung des § 85 Abs. 4 SGB V durch das GMG ist davon auszugehen, dass die Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigungen und ihrer Vertragspartner
bei der Honorarverteilung nunmehr jedenfalls insoweit eingeschränkt ist, als für alle Honorarverteilungsverträge Regelleistungsvolumina
nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und eine Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungsmenge mit abgestaffelten
Punktwerten verbindlich vorgegeben worden sind. Die bis dahin verwendeten Steuerungsinstrumente sind nur noch einsetzbar,
wenn sie das System der Regelleistungsvolumina und abgestaffelten Punktwerte ergänzen, nicht jedoch zu ihnen im Widerspruch
stehen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2008, L 5 KA 2054/08). Die Inhaltsbestimmung durch den Bewertungsausschuss gemäß § 85 Abs. 4 a Satz 1 2. Halbsatz SGB V hat sich ebenfalls an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren.
Der Bewertungsausschuss ist u. a. mit dem BRLV seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4 a SGB V nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum
im jeweiligen Kalenderjahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages
(gegebenenfalls jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind, überschreitende Leistungsmengen
sind mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten (III. 2. 1 BRLV). In Anlage 1 sind unter den Arztgruppen,
für die Arztgruppentöpfe gemäß III. 1 gebildet werden, Fachärzte für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Phlebologie nicht genannt.
Die im Rahmen der Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung ist nicht mit dem in § 85 Abs. 4 SGB V in der Fassung des GMG sowie im BRLV als Teil des HVV verbindlich vorgegebenen System der Regelleistungsvolumina nach arztgruppenspezifischen
Grenzwerten und der abgestaffelten Restleistungsvergütung vereinbar und stellt auch keine zulässige Ergänzung zu diesem System
dar. Zum einen wurde vom SG zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausgleichsregelung für Praxen, die zu Kürzungsbeträgen herangezogen wurden, praktisch
eine Vergütung nach einem praxisindividuellen Individualbudget darstellt, das aus dem Produkt von Fallwert im Referenzquartal
und aktueller Fallzahl errechnet wurde. Individualbudgets sind jedoch mit dem System der Regelleistungsvolumina nach § 85 Abs. 4 SGB V in der Fassung des GMG nicht vereinbar, da ihnen keine arztgruppenspezifischen Grenzwerte zu Grunde liegen, bis zu denen
die Leistungen des Vertragsarztes bzw. hier der Gemeinschaftspraxis mit einem festen Punktwert zu vergüten sind, und für eine
eventuell überschreitende Leistungsmenge keine (abgestaffelte) Restleistungsvergütung vorgesehen ist (vgl. auch LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 29. Oktober 2008, L 5 KA 2054/08). So führte im Falle der Klägerin, die nicht den Regelleistungsvolumina unterliegt, die Anwendung von Ziff. 7.5 zu vom Fallwert
im Referenzquartal abgeleiteten Fallwertbegrenzungen ohne Restleistungsvergütung.
Zum anderen ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Honorarverteilungsregelung, durch die der Honoraranspruch bei Praxen
mit hohem Fallwert vermindert wird, wegen des alleinigen Anknüpfens an den Fallwert durch § 85 Abs. 4 Abs. 1 SGB V i.V.m. Artikel 12 GG nicht gedeckt (BSG, Urteil vom 24. August 1994, 6 RKa 15/93, veröffentlicht in Juris). Die in Ziff. 7.5 geregelte Honorarkürzung steht nicht mit der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V in der nach dem GMG maßgeblichen Neufassung in Einklang. Auch nach der Neufassung des § 85 Abs. 4 SGB V ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz eine andere Verteilung der Gesamtvergütung als nach den Gesichtspunkten
der Qualität und Quantität der vom abrechnenden Arzt erbrachten Leistungen zulassen wollte. Für eine Berücksichtigung der
Einkommenssituation finden sich im Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte. Auch die gesetzliche Zielvorgabe zur Verhinderung
einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V) bietet keine Rechtsgrundlage dafür, dass von besonders ertragreichen Praxen (übermäßig ausgedehnten Praxen) ein bestimmter
Übermaßbetrag abgezogen, und anderen Praxen, die nicht übermäßig ausgedehnt sind, zugewiesen wird. Vielmehr ist davon auszugehen,
dass durch diese gesetzliche Vorgabe bereits das Entstehen solcher Übermaßbeträge durch übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit
des Arztes verhindert werden soll (BSG, aaO., Rz. 28).
Die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung entspricht nicht den inhaltlichen Anforderungen einer wirksamen Berufsausübungsregelung
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Von einer Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann ausgegangen werden, wenn die Regelung zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich, geeignet sowie den betroffenen
Ärzten zumutbar ist. Die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung ist für den angestrebten Zweck weder geeignet noch zumutbar.
Ziel der nach der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V vorzunehmenden Honorarverteilung ist unter anderem die Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes.
Im Rahmen einer Verteilungsregelung wie der in Ziff. 7.5 HVV geregelten Honorarkürzung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, dass ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Fallwert ein Indiz dafür ist, dass der betreffende Arzt seine Leistungen
über das medizinisch Erforderliche hinaus ausgedehnt hatte und weiter ausdehnen würde, während dies bei Ärzten mit durchschnittlichem
oder unterdurchschnittlichem Fallwert nicht zu befürchten ist. Durch die Anknüpfung ausschließlich an die Höhe der durchschnittlichen
Vergütung pro Behandlungsfall, nicht auch an das Gesamthonorar, führt die Regelung nicht lediglich zu einer Stützung einkommensschwacher,
sondern auch Praxen mit hoher Fallzahl, sofern die Punktzahl je Behandlungsfall unter dem Durchschnittswert der Fachgruppe
lag. Umgekehrt führt die Regelung bei Praxen mit geringer Fallzahl, bei denen der Fallwert wegen Spezialisierung über dem
Durchschnittswert lag, ungeachtet der möglicherweise schlechten Ertragssituation zu weiteren Honorarbegrenzungen. Darüber
hinaus ist das BSG davon ausgegangen, dass derartige Maßnahmen der Regulierung den freien Wettbewerb zwischen den Ärzten beeinträchtigen
und nach Ausmaß und Intensität so weit in Artikel 12 Abs. 1 S. 2 GG eingreifen, dass sie nicht mehr von der KÄV als Vertreterin von Verbandsinteressen vorgeschrieben werden dürften (BSG, aaO.,
Rdnr. 30). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der HVV von der Beklagten zusammen mit den Kassenverbänden
vereinbart wird.
Die Beklagte kann sich zur Stützung ihrer entgegenstehenden Rechtsauffassung auch nicht auf den Beschluss des Erweiterten
Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina
nach § 87 b Abs. 2 und 3 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2009 berufen, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam und einheitlich mit den Landesverbänden
der Krankenkassen und Ersatzkassen (Partner der Gesamtverträge) im Rahmen eines so genannten Konvergenzverfahrens eine schrittweise
Anpassung der Regelleistungsvolumina beschließen, sofern Honorarverluste durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die
neue Systematik begründet sind. Der Beschluss ist weder im Hinblick auf seinen Geltungszeitraum noch inhaltlich auf den vorliegenden
Sachverhalt anwendbar. § 87 b SGB V wurde mit Wirkung vom 1. April 2007 eingeführt und regelt die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ab 1. Januar 2009 sowie
die Festlegung arzt- und praxisbezogenener Regelleistungsvolumina (§ 87 b Abs. 1 - 3 SGB V). Nach § 87 b Abs. 4 SGB V hatte der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina
nach § 87 b Abs. 2 und 3 SGB V sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen. Der Beschluss
des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 15. Januar 2009 beinhaltet lediglich die Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt-
und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina, wobei es sich um eine mit dem vorherigen System der Regelleistungsvolumina nach
arztgruppenspezifischen Grenzwerten nicht vergleichbare neue Systematik handelt. Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit der in
Ziff. 7.5 HVV geregelten und von der Beklagten vorgenommenen Honorarkürzung können daraus nicht gezogen werden. Unabhängig
davon ist Regelungsinhalt der Ziff. 7.5 HVV nicht die Anpassung von Regelleistungsvolumina, sondern der Ausgleich von Honorarverlusten
u. a. durch praxisindividuelle Fallwertbegrenzungen und dadurch resultierende Honorarkürzungen auch bei Praxen, die keinem
Regelleistungsvolumen unterliegen. Nachdem die Beklagte und die Kassenverbände bereits ab dem Quartal II/05 in Ziff. 6.3 HVV
und der Anlage hierzu die Einführung der Regelleistungsvolumina nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten vereinbart und umgesetzt
haben, die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung dieses System jedoch nicht in zulässiger Weise ergänzt, ist die Regelung
auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung wirksam. Aus dem Urteil des erkennenden Senats vom
26. November 2008, L 4 KA 14/08 folgt entgegen der Auffassung der Beklagten keine andere Beurteilung. Vielmehr hat der Senat im vorgenannten Urteil bereits
darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten mit den Kassenverbänden zu vereinbarende notwendige Ergänzung des HVV 2005
in Bezug auf junge Praxen auch in einer vollständigen Umgestaltung oder Abschaffung der unter Ziffer 7.5 HVV getroffenen Regelung
bestehen könnte, die vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24. August 1994, L 6 RKa 15/93, Juris Rdnrn. 27-31 zur "Segeberger Wippe") zumindest bis zur Änderung des HVV ab dem Quartal II/07 ohnehin als fragwürdig
erscheinen möge. Die hinsichtlich der Honorarkürzung nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. Art. 12 GG gedeckte Regelung der Ziff. 7.5 kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung Geltung beanspruchen.
Mit der in Ziff. 7.5 HVV geregelten Honorarkürzung sind nicht bisher vorhandene Steuerungsinstrumente im Sinne der Ausnahmeregelung
in Ziff. III.2.2 BRLV fortgeführt worden. Zum einen haben die Beklagte und die Kassenverbände bereits ab dem Quartal II/05
in Ziff. 6.3 HVV und der Anlage hierzu Regelleistungsvolumina nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und damit neue Steuerungsinstrumente
vereinbart. Zum anderen wurde eingangs bereits dargelegt, dass die bis dahin verwendeten Steuerungsinstrumente nur noch einsetzbar
sind, wenn sie das System der Regelleistungsvolumina nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und einer Restleistungsvergütung
nach abgestaffelten Punktwerten zulässig ergänzen, was hinsichtlich der in Ziff. 7.5 HVV geregelten Honorarkürzung nicht der
Fall ist. Nachdem Ziff. 7.5 HVV hinsichtlich der Honorarkürzung nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. Art. 12 GG gedeckt ist, kann die Regelung insoweit auch nicht auf der Grundlage der Ziff. III.2.2 BRLV Geltung beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO), die endgültige Streitwertfestsetzung auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) sowie die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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