Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Voraussetzungen eines vollständigen und bewilligungsreifen
Antrags zur Prüfung der Erfolgsaussichten
Gründe:
I. Die Klägerinnen wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 28. März 2011, mit dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das von ihnen vor dem SG geführte Klageverfahren S 24 AS 2301/08 abgelehnt worden ist.
Die Klägerinnen stehen bereits langjährig im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung
für Arbeitsuchende (SGB II). Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. September 2007 beantragten sie die Rücknahme des - von ihnen
nicht genauer bezeichneten - Bescheides für den Bewilligungszeitraum von Januar bis Juni 2005. Der Beklagte lehnte diesen
Antrag mit der Begründung ab, dass der Antrag keine ausreichende Begründung enthalten habe und deshalb unzulässig sei (Bescheid
vom 29. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2008). Im Widerspruchsbescheid wurde außerdem
eine Kostenerstattung für das Vorverfahren abgelehnt und die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für nicht notwendig erachtet.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 14. August 2008 beim SG Klage erhoben und zunächst folgenden Antrag angekündigt:
Der Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2008 und der Ausgangsbescheid vom 29. November 2007 werden aufgehoben a) und die Beklagte
b) festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig war.
Mit Schriftsatz vom 12. August 2010 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen "vorerst und vorbehaltlich weiterer
unbekannter Bescheide" folgenden Klageantrag mit:
Unter Abänderung des Ausgangsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids wird die Beklagte verurteilt: 100 % der Kosten
des Vorverfahrens zu erstatten und festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig war.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG beantragte der Prozessbevollmächtigte für die Klägerinnen,
den Bescheid des Beklagten vom 29. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2008 aufzuheben und hilfsweise
den Beklagten zu verurteilen, festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren notwendig war und
im Falle der Ablehnung des Antrages, die Berufung zuzulassen.
Den erst am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten PKH-Antrag hat das SG mit Beschluss vom 28. März 2011 wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt. Zur Begründung hat das SG auf das klagabweisende Urteil vom 8. Februar 2011 verwiesen, wonach die Klage durch den Schriftsatz vom 12. August 2010 auf
die Anfechtung der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid beschränkt worden sei. Durch diese Beschränkung des Rechtsschutzbegehrens
sei der Widerspruchsbescheid im Übrigen (d.h. hinsichtlich der Leistungsansprüche der Klägerinnen) bestandskräftig geworden.
Eine Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren sei zutreffend abgelehnt worden, weil der Widerspruch weder erfolgreich
gewesen noch ausschließlich wegen eines Verfahrensfehlers erfolglos geblieben sei. Der Anfechtung der Entscheidung über die
Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis,
da für das Widerspruchsverfahren kein Kostenerstattungsanspruch bestehe.
Gegen den den Klägerinnen am 7. April 2011 zugestellten PKH-Beschluss richtet sich ihre am 2. Mai 2011 eingelegte, inhaltlich
jedoch nicht näher begründete Beschwerde. Die ebenfalls am 2. Mai 2011 gegen das Urteil vom 8. Februar 2011 eingelegte Berufung
haben die Klägerinnen am 25. Mai 2011 zurückgenommen. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch
unbegründet. Das SG hat die Gewährung von PKH für das erstinstanzliche Klageverfahren zutreffend abgelehnt. Es fehlt bereits an einem vollständigen
und damit bewilligungsreifen PKH-Antrag.
Ein vollständiger und damit bewilligungsreifer PKH-Antrag setzt voraus, dass die Antragsteller eine substantiierte Darlegung
des Streitverhältnisses vorlegen, die es dem Gericht ermöglicht, die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu prüfen (sog.
Beibringungsgrundsatz nach §
117 Abs
2 Zivilprozessordnung (
ZPO), vgl. im Einzelnen: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. April 2010 - 1 BvR 362/10 - zitiert nach juris; ebenso: Burkiczak, NZS 2011, 326, 328 m.w.N.; ähnlich: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. März 2010 - L 5 AS 344/09 B, Rn 21 - zitiert nach juris). Die Klägerinnen haben dagegen bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens keine solche substantiierte
Darstellung des Streitverhältnisses vorgelegt. Schon die Begründung ihres Rechtsmittels ist durchgängig rudimentär geblieben.
Zudem haben die Klägerinnen die Klageanträge mehrfach geändert bzw. umformuliert, ohne dass das prozessuale Verhältnis dieser
unterschiedlichen Anträge erläutert worden wäre (z. B. als Antragsbeschränkung, Klagerücknahme oder aber -erweiterung). Der
mit der Klageschrift vom 14. August 2008 angekündigte Antrag war zudem offensichtlich unvollständig: Das vom Prozessbevollmächtigten
der Klägerinnen verwendete Muster einer Klageschrift war nämlich unter Punkt a) überhaupt nicht ausgefüllt worden. Den Klägerinnen
und ihrem Prozessbevollmächtigten scheint es zwar im Wesentlichen - möglicherweise auch sogar ausschließlich - um die Kosten
der Rechtsverfolgung, nicht dagegen um Sozialleistungen gegangen zu sein. Dies ist jedoch bis zum Ende des Berufungsverfahrens
offen geblieben, nachdem die Klägerinnen selbst die entsprechende Anfrage des Senats vom 6. Mai 2011 inhaltlich nicht beantwortet
sondern stattdessen die Berufung zurückgenommen haben. Trotz des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsprinzips
ist es jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, im PKH-Verfahren Versäumnisse der Antragsteller bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten
in der Aufarbeitung des Streitstoffs oder sogar in der Bezeichnung des Streitgegenstands auszugleichen (vgl. hierzu eingehend:
Burkiczak, aaO. mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Hiergegen spricht auch nicht, dass das SG im Urteil vom 8. Februar 2011 sorgfältig und im Ergebnis überzeugend herausgearbeitet hat, wie das Rechtsschutzbegehren der
Kläger bei wohlwollender und im Interesse der Klägerinnen erfolgender Auslegung verstanden werden kann. Denn der Prozessbevollmächtigte
der Klägerinnen hat es bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens unterlassen, das dem Verfahren zugrunde liegende Streitverhältnis
substantiiert darzulegen und den Streitgegenstand definitiv zu bezeichnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
127 Abs
4 ZPO.