Beitragsbescheid zur Sozialversicherung
Einstweiliger Rechtsschutz
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs
Zulässigkeit einer Beitragsschätzung
Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden
Überwiegendes Suspensivinteresse
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.10.2015 ist unbegründet.
Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich
der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils [...]). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt
aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses
an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die
Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte.
Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier
des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren
möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage
zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat,
Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils [...]).
Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich,
dass sich der auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) ergangene Bescheid vom 1.10.2015 als rechtswidrig erweisen wird. Das gilt auch eingedenk des Umstandes, dass das Anhörungsverfahren
einen Fehler aufweist (hierzu unter 1.). Es sprechen keine maßgeblichen Gesichtspunkte dagegen, dass die Antragsgegnerin einen
Summenbescheid nach §
28f Abs.
2 Satz 1
SGB IV erlassen durfte (hierzu unter 2.). Die Einwände des Antragstellers gegen die dabei vorgenommene Schätzung greifen nicht durch
(hierzu unter 3.). Überwiegende Bedenken gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen bestehen nicht (hierzu unter 4.) Eine
besondere Härte für den Antragsteller aufgrund einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides ist nicht ersichtlich
oder dargetan (hierzu unter 5.). Zur Klarstellung war auch die Zwischenverfügung des SG vom 17.12.2015 aufzuheben (hierzu unter 6.).
1. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers rechtfertigt sich nicht aufgrund eines Mangels
des Anhörungsverfahrens. Insoweit kann der Senat dahinstehen lassen, ob der Antragsgegnerin ein Verfahrensfehler unterlaufen
ist, weil sie im Anhörungsschreiben vom 19.2.2015 noch angenommen hat, der Antragsteller habe montags bis donnerstags vier
und an den übrigen Tagen fünf Arbeitnehmer beschäftigt, während sie im Bescheid vom 1.10.2015 von sechs Arbeitnehmern je Wochentag
ausgegangen ist.
Gegen einen Verfahrensfehler könnte dabei sprechen, dass auch das Anhörungsschreiben bereits einen wöchentlichen Arbeitsbedarf
von 414 Stunden ausgewiesen hat. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Eine etwaige Verletzung der Verfahrensvorschrift
des § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) kann nämlich nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs führen, wenn sie noch nachgeholt werden
kann (Senat, Beschluss v. 19.12.2012, L 8 R 289/12 B ER, [...], m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn das Widerspruchsverfahren bereits abgeschlossen ist, weil die Nachholung,
wie hier (ggf. nach Aussetzung des Hauptsacheverfahrens gemäß §
114 Abs.
1 SGG) noch bis zur letzten Tatsacheninstanz möglich ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X).
2. Soweit die Antragsgegnerin die Beitragsnacherhebung nicht personenbezogen durch Summenbeitragsbescheid geregelt hat, findet
dies seine Grundlage in §
28f Abs.
2 Satz 1
SGB IV. Danach kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber
gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und
dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Ob der prüfende Rentenversicherungsträger
einen Summenbescheid erlassen darf, beurteilt sich nach den Verhältnissen bei Bekanntgabe des Bescheides. Entscheidend ist,
ob aufgrund einer Gesamtwürdigung der Erlass eines Summenbescheides verhältnismäßig ist. Dies kann im gerichtlichen Verfahren
voll überprüft werden (BSG, Urteil v. 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R, SozR 3-2400 § 24f Nr. 3; Senat, Urteil v. 28.4.2010, L 8 R 30/09, [...], jeweils m.w.N.).
a) Die derzeitigen Erkenntnisgrundlagen tragen die Annahme der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller seine Aufzeichnungspflicht
nach § 28f Abs. 1
SGB VI nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
Der Antragsteller hat trotz Hinweises im Anhörungsschreiben vom 19.2.2015, er habe Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung
angemeldet und seine Aufzeichnungspflichten verletzt, vollständige Entgeltaufzeichnungen nicht vorgelegt. Auch im gerichtlichen
Eilverfahren hat er dies unterlassen. Stattdessen hat er sich darauf beschränkt, die Schätzungen der Antragsgegnerin anzugreifen
und alternative Schätzmethoden vorzuschlagen. Dies bestätigt, dass den gesetzlichen Anforderungen genügende Entgeltunterlagen
nicht vorhanden sind. Dem entspricht es, dass der Antragsteller den Aussagen der vom Hauptzollamt (HZA) vernommenen Zeugen
zufolge keine Stundenaufzeichnungen führt. Auch der Schlussbericht des HZA vom 8.1.2015 kommt zu dem Ergebnis erheblicher
Pflichtverletzungen im Bereich der Führung von Entgeltunterlagen.
b) §
28f Abs.
2 Satz 2
SGB IV greift nicht ein. Danach ist ein Summenbescheid rechtswidrig, wenn ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt
werden kann, dass Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Aufgrund der fehlenden Aufzeichnungen
war dies der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall gerade nicht möglich. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren demgegenüber
auf die vor Inkrafttreten des §
28f SGB IV ergangene Rechtsprechung des BSG vom 17.12.1985 (12 RK 30/83 = BSGE 59, 235) hinweist, verkennt er, dass §
28f Abs.
2 SGB IV gegenüber dieser Rechtsprechung eine erstmalige Normierung der Möglichkeit zum Erlass eines Summenbescheides enthält (vgl.
zur Rechtsentwicklung eingehend BSG, Urteil v. 7.2.2002, a.a.O.).
3. Auch die auf der Grundlage von §
28f Abs.
2 Satz 3 u. 4
SGB IV durchgeführte Schätzung der Antragsgegnerin begegnet gegenwärtig keinen überwiegenden Bedenken (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, [...]).
a) Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Schätzung ist nach §
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV zulässig. Nach dieser Vorschrift hat der prüfende Träger der Rentenversicherung, soweit er die Höhe der Arbeitsentgelte nicht
oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, diese zu schätzen. Wie oben bereits unter 2. a)
dargelegt hat der Antragsteller seine Aufzeichnungspflichten verletzt. Die Arbeitnehmer des Antragstellers haben zudem ebenfalls
keine Stundenaufzeichnungen erstellt und auch bei ihren Vernehmungen als Zeugen durch das HZA keine verwertbaren bzw. teilweise
falsche Angaben zu ihren Arbeitszeiten gemacht.
Ist im Einzelfall eine Schätzung zulässig, so ist auch diese gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass dem prüfenden Rentenversicherungsträger
ein Ermessen eingeräumt wäre. Bei der Wahl der Schätzmethoden ist der Träger der Rentenversicherung frei, auch wenn das Ergebnis
für den Beitragsschuldner nicht das günstigste ist, er muss lediglich von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen
(vgl. Werner in jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, §
28f Rdnr. 65 ff.; Senat, Beschlüsse v. 6.12.2011, L 8 R 701/11 B ER und vom 6.6.2016, L 8 R 972/14 B ER, jeweils [...]). Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz nur möglichen summarischen Prüfung genügt die Schätzung
durch die Antragsgegnerin diesen Maßgaben.
a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der angenommenen Zahl geleisteter Arbeitsstunden.
aa) Die Antragsgegnerin stützt sich insoweit in zulässiger Weise auf die Feststellungen des HZA. Dass hiergegen keine durchgreifenden
Bedenken bestehen, hat der Senat bereits entschieden (Beschluss v. 11.8.2016, L 8 R 1096/14 B ER; Beschluss v. 27.6.2016, L 8 R 181/15 B ER; jeweils [...]). Dabei kann insbesondere auch der Vermerk des HZA v. 24.9.2014 über die Grundlagen der Erhebungshilfe
verwendet werden. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers rügt, dieser Vermerk sei ihm nicht bekannt, ist dies für den
Senat nicht nachvollziehbar. Er befindet sich auf Bl. 148 der Verwaltungsvorgänge des HZA, welche in die dem Senat vorliegende
Verwaltungsakte der Antragsgegnerin eingegangen sind. In diese Verwaltungsvorgänge hatte der Bevollmächtigte des Antragstellers
zu einem Zeitpunkt Akteneinsicht, als der Vermerk bereits existierte (Schriftsatz v. 9.12.2014, Bl. 202 Verwaltungsvorgang).
Er hat die Unvollständigkeit des - durchfoliierten - Vorgangs nicht gerügt. Unabhängig davon ergeben sich die dort niedergelegten
Berechnungsgrundlagen aber auch aus dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheid.
bb) Das HZA hat der Schätzung des geleisteten Arbeitsvolumens die Öffnungszeiten des Unternehmens des Antragstellers zugrunde
gelegt, was grundsätzlich schon eine Annahme zu seinen Gunsten ist, weil erfahrungsgemäß in gastronomischen Betrieben Arbeiten
auch vor und nach den offiziellen Öffnungszeiten zu leisten sind. Dabei ist es von im Schnitt sechs Arbeitnehmern pro Stunde
ausgegangen. Diese Schätzung ist mit dem Ergebnis seiner Ermittlungen jedenfalls nicht offensichtlich unvereinbar. So hat
z.B. der Zeuge T bekundet, außer ihm arbeiteten am Wochenende in der Pizzeria noch vier andere Arbeitnehmer und fünf Fahrer,
unter der Woche noch drei andere Arbeitnehmer und drei Fahrer.
cc) Der Antragsteller ist der Schätzung nicht wirksam entgegengetreten. Soweit er sich z.B. auf Umsatzzahlen beruft, sind
diese aus den genannten Gründen ebenfalls nicht verlässlich. Im Übrigen mag der Antragsteller das Hauptsacheverfahren nutzen,
statt eigener Schätzungen wahrheitsgemäße Zahlen und Angaben zum Personaleinsatz vorzulegen.
dd) Durchgreifende Bedenken gegen die Schätzung ergeben sich schließlich nicht aus der "Hochrechnung" von 414 wöchentlichen
Arbeitsstunden auf 1.800,90 Stunden monatlich. Ein "Herunterbrechen" auf einzelne Tage hätte nämlich annähernd zu demselben
Ergebnis geführt (414 Stunden./. 7 Wochentage x 365 Tage pro Jahr./. 12 Kalendermonate = 1.799 Stunden pro Monat).
b) Es wird sich auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen, dass die Antragsgegnerin ihrer
Schätzung die Mindestlöhne nach dem am 4.5.2012 abgeschlossenen Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe
in Nordrhein-Westfalen, für allgemeinverbindlich erklärt mit Wirkung vom 4.9.2012 (Allgemeinverbindlicherklärung [AVE] v.
5.11.2012), zugrunde gelegt hat.
aa) Der Senat kann im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu dieser Frage Stellung nehmen, ohne das Verfahren nach § 98 Abs. 6 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) aussetzen zu müssen. Die Aussetzung eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Klärung einer entscheidungserheblichen
(Vor-)Frage im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens würde dem durch Art.
19 Abs.
4 Satz 1
Grundgesetz auch grundrechtlich geschützten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zuwiderlaufen.
bb) Hinsichtlich der Wirksamkeit der AVE bestehen keine überwiegenden Zweifel. Das nach § 98 Abs. 6 ArbGG zur Beurteilung dieser Frage zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat die Wirksamkeit festgestellt (Beschluss v. 9.12.2015, 4 BVL 1/15, vollständig veröffentlicht und damit dem
Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ohne weiteres zugänglich in LAGE § 98 n.F. ArbGG 1979 Nr. 3). Dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) den hiergegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden teilweise stattgegeben
hat und eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss beim BAG anhängig ist (Az.: 10 ABR 42/16), führt allenfalls dazu, dass die Rechtsfrage offen ist. Offensichtliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Entscheidung
des LAG Düsseldorf sind indessen weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
cc) Der Senat kann angesichts dessen ausdrücklich offenlassen, ob er an seinen Entscheidungen festhält, die aufschiebende
Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Betriebsprüfungsbescheide der Antragsgegnerin aufgrund von Bedenken gegen AVEen betreffend
hier nicht einschlägige, zeitlich vorangegangene Entgelttarifverträge der Branche anzuordnen (Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER, ASR 2014, 26 ff. m.w.N.).
dd) Angesichts dessen kommt es für die Beitragsberechnung ab dem Zeitpunkt der AVE nicht auf die tatsächlich vom Antragsteller
gezahlten Löhne, sondern die tarifvertraglich geschuldeten Tariflöhne an. Nach §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV entsteht der Beitragsanspruch, sobald seine im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.
Ob der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt, ist unerheblich. Insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht
- anders als das Steuerrecht - nicht dem Zufluss-, sondern dem sogenannten Entstehungsprinzip (BSG, Urteil v. 3.6.2009, B 12 R 12/07 R, SozR 4-2400 § 43a Nr. 5, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; zur Verfassungsmäßigkeit des Entstehungsprinzips BVerfG, Beschluss v. 11.9.2008, 1 BvR 2007/05, SozR 4-2400 § 22 Nr. 3).
ee) Schließlich bestehen überwiegende Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht deshalb, weil die
Antragsgegnerin die Stundenlöhne des Entgelttarifvertrages auch schon für die Zeit vor seiner AVE ihrer Beitragsberechnung
zugrunde gelegt hat. Insofern ist jedenfalls im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz ihr Hinweis im angefochtenen
Bescheid nicht von der Hand zu weisen, dass andernfalls eine - für den Antragsteller ungünstigere - Hochrechnung der gezahlten
Nettolöhne gemäß §
14 Abs.
2 Satz 2
SGB IV in Betracht gekommen wäre.
4. Die von der Antragsgegnerin herangezogene Rechtsgrundlage des § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV trägt auch die Erhebung von Säumniszuschlägen gemäß §
24 SGB IV (u.a. Senat, Beschluss v. 20.1.2015, L 8 R 70/14 B ER; im Einzelnen hierzu auch Scheer, in: jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28p Rdnr. 213). Überwiegende Bedenken gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen im vorliegenden Fall
bestehen nach Grund und Höhe nicht.
Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Säumniszuschläge festzusetzen, folgt aus §
24 Abs.
1 SGB IV. Für eine unverschuldete Nichtentrichtung der Beiträge nach §
24 Abs.
2 SGB IV bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist angesichts der Verletzung der Aufzeichnungspflichten durch den Antragsteller davon
auszugehen, dass die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen zumindest bedingt vorsätzlich erfolgt ist.
5. Dass die sofortige Vollziehung des Bescheides v. 1.10.2015 für den Antragsteller eine besondere Härte bedeuten würde, ist
nicht ersichtlich und von ihm auch nicht geltend gemacht worden.
6. Der Beschluss des SG vom 17.12.2015 ist an und für sich durch Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gegenstandslos geworden. Da das SG indessen die aufschiebende Wirkung dem Wortlaut des Beschlusses nach für das gesamte Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz
(also auch das Beschwerdeverfahren) angeordnet hat, hat der Senat ihn zur Klarstellung aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).