Tatbestand
Streitig ist Regelaltersrente.
Der 1938 in Marokko geborene Kläger kam 1963 unter dem Namen B D nach Deutschland und war hier bis Juni 1978 erwerbstätig,
zunächst vom 16.4.1963 bis zum 28.8.1965 als Kranhelfer bei der Bauunternehmung P KG X, danach vom 31.8.1965 bis zum 30.4.1969
bei der Stadt X, vom 5.5.1969 bis zum 31.3.1970 bei der G & Co. KG X und zuletzt als Fahrzeugreiniger vom 1.7.1970 bis zum
30.6.1978 bei der (damaligen) Deutschen Bundesbahn, Bahnwerk X W. Während der Tätigkeit bei der Stadt X will der Kläger am
9.10. und am 10.12.1966 Arbeitsunfälle mit Verletzung im Kopfbereich erlitten haben. Während der Tätigkeit bei der Deutschen
Bahn AG erlitt er am 9.10.1970 einen Arbeitsunfall mit Knieverletzung rechts. Wegen der Unfallfolgen "Leichtes Wackelknie
rechts infolge einer Lockerung des äußeren Seitenbandes, Muskelminderung am rechten Ober- und Unterschenkel und beginnende
chronisch verbildende Veränderungen im rechten Kniegelenk" gewährte ihm die Eisenbahn Unfallkasse (EUK) "Unfallrente" nach
einer MdE um 20 vH. Diese "Unfallrente" wurde später abgefunden (Bescheid vom 2.6.1978; Betrag: DM 64.060,20). Am 24.6.1978
reiste der Kläger zurück nach Marokko und lebt seither dort.
Am 9.6.1978, also kurz vor seiner Ausreise, beantragte der Kläger bei der Bahnversicherungsanstalt (fortan: BVA), Rechtsvorgängerin
der Beklagten bis zum 30.9.2005, die Erstattung der von ihm zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge
und fügte dem Antrag eine beglaubigte Vollmacht für seinen Stiefbruder M B bei, auf dessen Konto bei der Stadt Sparkasse X
das Geld überwiesen werden solle. Die Beklagte leitete den Antrag (mit Entgeltbescheinigungen) am 1.12.1978 weiter an ihre
Bezirksleitung in S und informierte den Kläger darüber schriftlich (nach Marokko). Nachdem die vor dem 1.7.1970 für den Kläger
zuständige LVA Rheinprovinz (seit dem 1.10.2005: DRV Rheinland) die Versicherungskarten 1 und 2 übermittelt hatte, fragte
die BVA beim Stiefbruder des Klägers (als Bevollmächtigtem) schriftlich nach, aus welchen Gründen 1964, 1965 und 1970 nicht
belegte Zeiträume vorhanden seien (Anfrage vom 30.3.1979). Dazu teilte der Kläger selbst handschriftlich mit, er sei in den
fraglichen Zeiträumen in Marokko im Urlaub gewesen (Schreiben vom 16.5.1979).
Die BVA erstattete dem Kläger "nach § 1303
RVO" die Hälfte der von ihm in der Zeit vom 16.4.1963 bis zum 30.6.1978 zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge.
Die Erstattung schließe weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen
Weiterversicherung aus, auch wenn die für diese Zeiten entrichteten Beiträge nicht erstattet worden seien. Die Erstattung
in Höhe von DM 19.655,30 erfolgte wunschgemäß an den Stiefbruder des Klägers (an den Kläger in Marokko adressierter Bescheid
vom 29.5.1979, abgesandt am 5. Juni 1979). Ein Zustellungsnachweis oder ein Überweisungsbeleg (auf das Konto des Stiefbruders)
findet sich nicht in den Akten. Ein in den Akten befindlicher "Beitragsnachweis" für 1970-1972 sowie die ebenfalls in den
Akten befindlichen Versicherungskarten 1-3 der LVA Rheinprovinz einschließlich Aufrechnungsbescheinigung enthalten sämtlich
den Stempelaufdruck "Beiträge nach § 1303
RVO erstattet".
Im Oktober 2009 beantragte der Kläger unter seinem jetzigen neuen Namen bei der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BVA Altersrente
("pension de vieillesse") mit der Begründung, er habe 15 Jahre in Deutschland gearbeitet. Die Beklagte entnahm den bei ihr
elektronisch gespeicherten Daten, dass 1978 eine Beitragserstattung erfolgt war, und lehnte den Antrag deshalb ab.
Im Mai 2010 stellte der Kläger (dieses Mal auf Deutsch) einen weiteren Rentenantrag ("Rentenbetrag"), den die Beklagte in
einem zweisprachig in Deutsch und Französisch gehaltenen Bescheid aus den gleichen Gründen ablehnte (Bescheid vom 14. September
2010). Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, er habe das Recht von seiner Versicherung und seine Renten immer noch nicht
erhalten. Er habe in Deutschland drei Unfälle erlitten, bei denen zweimal der Kopf und einmal das Knie betroffen gewesen seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4.7.2011).
Dagegen hat der Kläger am 5.8.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und seinen Rentenanspruch weiter verfolgt. Er habe lange in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet,
sei dort krank gewesen und habe drei Unfälle erlitten. Eine Erstattung habe er nicht erhalten. Er möchte seine "Rechtsrenten"
erhalten.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.7.2012, ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht in den Akten).
Gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger mit am 5.9.2012 beim SG und am 12.9.2012 beim erkennenden Gericht eingegangenem Schreiben vom 8.8.2012 gewandt, darauf hingewiesen, dass er den Bescheid
vom SG erhalten habe und seine Angelegenheit auf "Altersrenten als Krankgeld" weiterverfolge. Er habe schon drei Unfälle gehabt,
sei damals krank geworden und sei jetzt noch krank. Deswegen sei er in seine Heimat zurückgereist und dort geblieben. Er bitte
um sein Recht auf Altersrente von seiner Versicherung. Er hat im Berufungsverfahren einen Bescheid der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen
(UK NRW) vom 1.2.2013 zu den Akten gereicht, mit dem ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines Unfalls aus dem Jahr 1966
abgelehnt wurde.
Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens
verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er habe die Ladung zum Termin erhalten, könne selbst nicht anreisen,
warte auf den Termin und traue dem Gericht (Schreiben vom 13.3.2014).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihrer Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft der EUK eingeholt. Aufgrund eines Schreibens des Klägers vom 25.5.2010 sei ein "mehrmaliger Schriftverkehr"
erfolgt, in den auch die zuständige Verbindungsstelle einbezogen worden sei. Nachdem der Kläger nicht mehr reagiert habe,
sei Anfang 2012 weiterer Handlungsbedarf nicht mehr gesehen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich
der Verwaltungsakten der früheren BVA, der beigezogenen Verwaltungsakten der EUK und der Gerichtsakten Bezug genommen. Sämtliche
Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung
entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§
63 Abs.
1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), 175
Zivilprozessordnung i.V.m. Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl
II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 13.3.2014 bietet keine
Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag
weder ausdrücklich noch konkludent gestellt hat, sondern sein Nichterscheinen zum Termin und außerdem - sinngemäß - erklärt
hat, er sei auch mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit einverstanden.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 2.7.2012
wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 5.7.2012 zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit
der Zustellung, §§
153 Abs
1 i.V.m. §
87 Abs
1 S 2, 151
SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr.
11 zu §
151 SGG). Auch wenn sich bei den Akten kein Zustellungsnachweis befindet und der genaue Zeitpunkt der Übergabe/Zustellung des Gerichtsbescheides
deshalb nicht feststeht, ist doch die Berufung unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids
selbst mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 12.9.2012 noch innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 14.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2011 (§
95 SGG), mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf (Regel-)Altersrente erneut ablehnt. Nur gegen diese ablehnende Regelung
wendet sich der Kläger, wenn er unter Hinweis auf seine 15jährige Beschäftigungszeit in Deutschland (mit unterschiedlichen
Formulierungen) eine Altersrente aus seiner Versicherung begehrt. Soweit er außerdem auf seine 3 (Arbeits-)Unfälle und seine
daraus resultierenden Krankheiten hinweist, dient dieses Vorbringungen (nur) zur Untermauerung des Rentenanspruchs. Dass er
insoweit nicht weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte (als sachlich unzuständigen Leistungsträger) geltend macht, entnimmt
der Senat auch daraus, dass dazu zwischenzeitlich eigenständige Verfahren bei der EUK und bei der UK NW anhängig (gewesen?)
sind.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 14.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
4.7.2011 nicht beschwert, §§
54 Abs.
2 S. 1
SGG. Die Klage ist unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift
des §
35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
Nach §
35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger
das 65. Lebensjahr (bereits 2003) vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit
beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, §
50 Abs
1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet
werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§
51 Abs
1 und 4, 54 f
SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit kurzen Unterbrechungen) von April 1963 bis Juni 1978 in Deutschland gearbeitet und Beiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten
vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1979 nach
der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7
Reichsversicherungsordnung (
RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist.
Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur
Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, §
210 Abs
6 S 2 und 3
SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7
RVO gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und
nicht teilweise beansprucht werden kann, §
210 Abs
6 Satz 1
SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt
bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§
210 Abs
6 Satz 2
SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet
wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1979 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich
vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid
und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend §
362 des
Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei [...]). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben in den Verwaltungsakten der Beklagten,
insbesondere der früheren BVA und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers
mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest,
dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach dem Inhalt der Akten der BVA hat der Kläger am 9.6.1978 kurz vor seiner Rückkehr nach Marokko bei der Beklagten eigenhändig
die Beitragserstattung durch Überweisung des Erstattungsbetrages auf ein Konto seines Stiefbruders beantragt. Der auf diesen
Antrag ergangene Erstattungsbescheid vom 29.5.1979 wurde am 5.6.1979 an den Kläger abgesandt. Urkunden, die die Haupttatsachen
des Zugangs dieses Bescheides und des Eingangs des Erstattungsbetrags auf dem angegebenen Konto des Stiefbruders unmittelbar
belegen (Zustellungsnachweis; Überweisungsträger; Eingangsbestätigung der Sparkasse X; Empfangsquittung), befinden sich nicht
bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der Kläger (bzw. sein Stiefbruder als Bevollmächtigter)
den Erstattungsbescheid erhalten hat, und der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers
bzw. seines (insoweit auch geldempfangsbevollmächtigten) Stiefbruders gelangt ist, die Beklagte damit den Erstattungsanspruch
auch vollständig erfüllt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie
- Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a.
SGG. Kommentar. 10. Auflage 2010. §
128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig.
SGG. Stand August 2007. §
128 Rdnr 96; Zeihe. Das
SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor §
103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei [...]). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der
allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht
Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN;
Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung
lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr
des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei [...]; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06 LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst
keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des
Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR
hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig
dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist,
darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht
nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren zur
Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht (mehr) erhält.
Dies kommt auch im vorliegenden Fall besonders deutlich zum Tragen. Der Kläger hat nämlich im Verwaltungsverfahren auf die
Nachfrage der BVA (gerichtet an seinen Stiefbruder) selbst (wohl aus Marokko) handschriftlich mitgeteilt, dass er in den von
der BVA bezeichneten, nicht mit Beiträgen belegten Zeiten in Marokko Urlaub gemacht habe. Dies zeugt von seinem Interesse
an einem raschen Abschluss des Erstattungsverfahrens. Wenn er bei dieser Sachlage später nicht mehr zeitnah nach dem (Aus-)Gang
des Verfahrens fragt, lässt dies nur den Schluss zu, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und das Geld vollständig
in seine oder mindestens seines Stiefbruders Verfügungsgewalt gelangt ist.
Hinzu kommt, dass der Kläger mit der Beitragserstattung 1978/79 die (damals) einzige Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung
seiner Beiträge wahrgenommen hat. Denn es gab im Zeitpunkt der Beitragserstattung (noch) keine Möglichkeit, Renten aus der
deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in ihrem Heimatland lebende Marokkaner zu zahlen; damit war es für einen in sein
Heimatland zurückkehrenden Marokkaner sinnlos, die Beiträge auf seinem Versicherungskonto stehen zu lassen. Einer (späteren)
Rentenzahlung stand die Regelung des § 1315 Abs 1 Nr 1
RVO aF (gleichlautend § 105 Abs 1 Nr 1 RKG aF) entgegen; danach ruhte die Rente eines Ausländers, der sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Bundesgebiets aufhielt.
Deshalb konnte der Kläger zur damaligen Zeit die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge lediglich in Form der Beitragserstattung
(§ 1303
RVO, entsprechend § 95 RKG) verwerten. Etwas anderes galt damals auch nicht kraft eines Sozialversicherungsabkommens, da das DMSVA vom 25.3.1981
erst 1986 in Kraft trat (BGBl II 1986; 550ff, 562, 772; vgl zu alledem BSG SozR 3 - 6610 Artikel 5 Nr 1). Dies alles spricht aus Sicht des Senats dafür, dass die jetzigen abweichenden Angaben des Klägers ("keine Erstattung
erhalten") nicht den objektiven Tatsachen entsprechen. Der Senat hält sie deshalb nicht für geeignet, Zweifel an der Richtigkeit
des angenommenen typischen Geschehensablaufs zu begründen. Im Gegenteil bestätigen die Stempelaufdrucke auf Versicherungskarten
1-3 der LVA Rheinprovinz einschließlich Aufrechnungsbescheinigung "Beiträge nach § 1303
RVO erstattet", dass man ein ordnungsgemäß abgeschlossenes Erstattungsverfahren stattgefunden hat.
Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen
Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne
von §
53 SGB VI.
Selbst wenn man dem Vorbringen des Klägers (außerdem) entnähme, er begehrte (hilfsweise) auch eine "Rente wegen Krankheit",
also nach der Systematik des
SGB VI eine "Rente wegen (voller) Erwerbsminderung, gälte für eine solche Rente im Ergebnis das das zuvor Gesagte gleichermaßen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 Satz 1,
193 Abs
1 S 1
SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des §
160 Abs
1 oder 2
SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.