Aussetzung des Verfahrens im sozialgerichtlichen Verfahren bei Zweifeln an der Prozessfähigkeit
Gründe:
I. Mit Urteil vom 25. Juni 2008 (Az.: S 7 KA 59/04) wies das Sozialgericht Gotha die Klage des Beschwerdeführers ab und setzte den Streitwert auf 3.234,06 Euro fest.
Unter dem 24. November 2008 forderte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts den Beschwerdeführer mit ihrer
Kostenrechnung auf, Gebühren in Höhe von 305,55 Euro zu zahlen und legte dabei den Streitwert von 3.234,06 Euro zugrunde.
Am 13. Januar 2009 hat der Beschwerdeführer der Kostenrechnung widersprochen. Mit Beschluss vom 7. Januar 2010 hat der Vorsitzende
der 7. Kammer des Sozialgerichts das Erinnerungsverfahren "bis zur Klärung der Prozessfähigkeit des Klägers" ausgesetzt. Der
für die Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständige 11. Senat des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) habe in einer
Reihe von Berufungs- und Beschwerdeverfahren begründete Zweifel an dessen Prozessfähigkeit geäußert und eine Verhandlung allein
zur Prozessfähigkeit angekündigt. Daher sei es sachdienlich, das Verfahren bis zur Klärung der Prozessfähigkeit auszusetzen.
Die Bestellung eines besonderen Vertreters komme nicht in Betracht, weil weder ein Betreuungsverfahren eingeleitet noch die
Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers festgestellt sei.
Am 26. Januar 2010 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und auf seine "amtsärztlich" festgestellte Prozessunfähigkeit
sowie die Bestellung eines besonderen Vertreters in anderen Verfahren des erkennenden Senats (= Beschluss vom 10. Mai 2007
- Az.: L 6 B 149/06 SF u.a.) hingewiesen. Die Aussetzung sei nicht sachdienlich und verzögere nur das Verfahren. Einzige "faire und humane" Lösung
seiner Verfahren sei ein Vergleich mit den verschiedenen "Beklagten" seiner Verfahren.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 7. Januar 2010 aufzuheben.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2010 hat der 11. Senat beim Amtsgericht Jena die Einrichtung einer Betreuung des Beschwerdeführers
angeregt (Az.: L 11 KA 809/08 u.a.). Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 24. März 2010 nach entsprechender Anhörung Justizoberinspektor D. F. zum
besonderen Vertreter bestellt. Dieser hat am 9. April 2010 der Beschwerdeerhebung zugestimmt.
II. Gegenstand der Entscheidung ist nur die Aussetzung des Verfahrens. Damit verbieten sich Erörterungen über einen Vergleich
zu nicht gegenständlichen Sachverhalten.
Zuständig für die Entscheidung ist nach der internen Senatsverteilung (Beschluss vom 9. Dezember 2009) der Unterzeichner.
Angesichts des Beschlusses vom 29. April 2010 (Az.: L 6 B 45/10 SF) liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 6 S. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) für eine Übertragung auf den Senat nicht vor.
Die Beschwerde ist begründet.
Hängt nach §
114 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines
anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen,
dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen
ist. Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet bereits deshalb aus, weil hier kein "Rechtsverhältnis" festzustellen
ist.
Die nur für "eng umgrenzte Fälle" (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992 - Az.: 7 RAr 16/91, nach juris) mögliche entsprechende Anwendung des §
114 Abs.
2 SGG kommt nicht in Betracht. Zum einen hat der Senat bereits einen besonderen Vertreter nach §
72 SGG bestellt. Damit entfällt zum jetzigen Zeitpunkt der Sinn der Aussetzung, denn dieser kann alle Rechte des Beschwerdeführers
ausüben.
Allerdings lagen die Voraussetzungen der Aussetzung auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz nicht vor. Bei einer
erwiesenen oder nicht klärbaren (auch partiellen) Prozessunfähigkeit scheidet die Aussetzung bis zur Bestellung eines Betreuers
aus (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2010 - Az.: L 6 B 45/10 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999 - Az.: L 13 B 56/99 in NZS 1999, 416; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
114 Rdnr. 5a); vielmehr muss ein besonderer Vertreter bestellt werden. Gleiches gilt, wenn nur Zweifel an der Prozessfähigkeit
bestehen oder diese - wie hier - überhaupt nicht bezweifelt wird. Aus der Formulierung des §
72 SGG ("bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren") ergibt sich, dass mit der Vorschrift ein
"Schwebezustand" bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters geregelt werden soll und die Aussetzung in solchen Fällen grundsätzlich
nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2010, aaO.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999, aaO.).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).