Voraussetzungen des gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Sozialhilfeträger; Verjährung übergegangener Ansprüche
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt als Sozialhilfeträgerin die Beklagten aus übergegangenem Recht auf Ersatz von Sozialhilfeaufwendungen in
Anspruch, die sie für Gaby W. erbracht hat, sie bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden ist.
Gaby W. hat am 5. April 1985 gegen 0.40 Uhr unter Alkoholeinfluß eine verkehrsreiche Großstadtstraße (mit je drei Fahrspuren
in jeder Fahrtrichtung) in etwa 200 m Entfernung von einer Ampelanlage zu überqueren versucht und ist dabei von einem - mit
überhöhter Geschwindigkeit fahrenden - Pkw Porsche 924 erfaßt worden, dessen Halter und Fahrer der Beklagte zu 2) und dessen
Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 1) war. Gaby W. hat unter anderem schwere Schädel- und Hirnverletzungen erlitten und
hat seit dem Unfall das Bewußtsein nicht wieder erlangt. Sie befindet sich nach vor angegangenem Krankenhausaufenthalt seit
dem 14. April 1989 als Dauerpflegefall in einem Pflegeheim. Seit dem 9. September 1989 kommt die Klägerin gemäß ihrem bestandskräftigen
Sozialhilfebescheid vom 18. September 1989 für die Pflegekosten auf, nachdem die vorher angefallenen Behandlungskosten von
der Allgemeinen Ortskrankenkasse als gesetzlichem Krankenversicherungsträger der Verletzten W. getragen worden waren. Im Unfallzeitpunkt
hat sich die vermögenslose Gaby W., die einen Sonderschulabschluß erreicht hatte, im zweiten Lehrjahr in einer öffentlich
geförderten Ausbildungsstatte für Lernbehinderte befunden.
Mit den Folgen des Unfallgeschehens waren im Laufe der Zeit verschiedene Ämter und Untergliederungen der Behörde für Arbeit,
Jugend und Soziales der befaßt. Am 7. August 1985 wurde das Landesamt für Rehabilitation, eine Untergliederung des Amtes
für Soziales und Rehabilitation, zum Amtspfleger für Gaby W. bestellt, unter anderem mit dem Wirkungskreis "Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen". Sozialhilfeleistungen erhält die Verletzte W. vom Landessozialamt, einer anderen Untergliederung
des Amtes für Soziales und Rehabilitation.
Hingegen wird die Bearbeitung von Regressen aus Sozialhilfeleistungen durch die Rechtsabteilung des Amtes für Verwaltung der
Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales der Klägerin vorgenommen, der dort zuständige Sachbearbeiter hat erstmals durch Schreiben
des Landessozialamts vom 19. Dezember 1989, ihm zugegangen am 21. Dezember 1989, Kenntnis vom Schadensfall und dem Schädiger
erlangt. Die vorliegende Klage ist am 30. August 1991 bei Gericht eingereicht und am 16. September 1991 zugestellt worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten seien unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Gaby W. zu 75 % für die
haftungsrechtlichen Folgen des Unfallgeschehens verantwortlich. Insoweit sei der Schadensersatzanspruch der Verletzten im
Umfang der zu erbringenden Sozialhilfeleistungen auf die Klägerin übergegangen. Die Beklagten haben in erster Linie die Einrede
der Verjährung erhoben, da die Klägerin als Amtspfleger der Gaby W. spätestens im Herbst 1985 die erforderliche Kenntnis vom
Unfallgeschehen erlangt habe. Desweiteren haben sich die Beklagten auf einen am 11. Juni 1989 zwischen der Beklagten zu 1)
und der Allgemeinen Ortskrankenkasse geschlossenen Abfindungsvergleich berufen, der auch die streitgegenständlichen Ansprüche
betreffe und eine Sozialhilfebedürftigkeit der Gaby W. ausschließe.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Erstattungsanspruch
in Höhe von 50 % ihrer Sozialhilfeaufwendung den für die Verletzte W. zuerkannt. Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten
ihr Begehren auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin hat sich der Revision mit dem Ziel angeschlossen, eine Haftung der Beklagten
zu einer Quote von 75 % zu erreichen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten fest, der Beklagte zu 2) habe den Unfall dadurch schuldhaft verursacht,
daß er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 20 km/h überschritten habe. Andererseits treffe die Verletzte W.
ein erhebliches unfallursächliches Mitverschulden, weil sie in grob verkehrswidriger Weise bei Dunkelheit und in dunkler Kleidung
eine mehrspurige Großstadtstraße ohne Rücksicht auf den Fahrzeugverkehr zu überqueren versucht habe, hingegen habe die Alkoholisierung
der W. [Original: Klägerin] keinen feststellbaren Einfluß auf das Unfallgeschehen gehabt. Unter Berücksichtigung der Verkehrsverstöße
der Beteiligten und der Betriebsgefahr des Pkw des Beklagten zur Hälfte für die Schaden der Verletzten W. für angemessen.
Der Schadensersatzanspruch sei gemäß § 116
SGB X auf die Klägerin in der Weise übergegangen, daß die Beklagten ihr 50 % der Sozialhilfeaufwendungen für Gaby W. zu erstatten
hatten. Der Anspruchsübergang nach § 116
SGB X auf den Sozialhilfeträger erfolge jedenfalls dann bereits im Zeitpunkt des Schadensereignisses, wenn schon zu diesem Zeitpunkt
mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abzusehen sei, daß zukünftig unfallbedingt Sozialhilfeleistungen erbracht werden müßten.
Diese Voraussetzungen seien hier angesichts der Schwere der Verletzungen des Unfallopfers W., ihrer Vermögenslosigkeit und
ihrer sozialen Situation gegeben, es sei bereits im Unfallzeitpunkt ernsthaft in Betracht z ziehen gewesen, daß Gaby W. eines
Tages unfallbedingt Sozialhilfeleistungen werde in Anspruch nehmen müssen.
Für den Beginn der Verjährungsfrist im Sinne der §§
852
BGB,
14
StVG sei daher auf die Kenntnis der Klägerin von Schaden und Person des Schädigers, und zwar im einzelnen auf die Kenntnis des
zuständigen Sachbearbeiters des mit der Bearbeitung der Schadensersatzregresse betrauten Amtes abzustellen. Auf die Kenntnis
der Mitarbeiter der Klägerin, die im Rahmen der Amtspflegschaft und der Bewilligung von Sozialhilfe tätig geworden seien,
komme es nicht an. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn sei somit der 21. Dezember 1989, so daß die am 30. August 1991 eingereichte
Klage die Verjährung noch habe rechtzeitig unterbrechen können.
Die Beklagten könnten sich auch nicht auf einen zwischen der Allgemeinen Ortskrankenkasse und der Beklagten zu 1) geschlossenen
Abfindungsvergleich berufen, da dieser die Klägerin nicht binde und auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzansprüche
nicht berühren könne. Die Voraussetzungen der Gewährung von Sozialhilfe könnten seitens der Beklagten bereits im Hinblick
auf die Bindungswirkung des Sozialhilfebescheids nach § 118
SGB X nicht in Frage gestellt werden.
II. Gegen diese Überlegungen des Berufungsgerichts wenden sich sowohl die Revision der Beklagten als auch die Anschlußrevision
der Klägerin ohne Erfolg.
1. Die Revision der Beklagten nimmt die Beurteilung des Berufungsgerichts hin, daß die Beklagten haftungsrechtlich zu 50 %
für die unfallbedingten Schäden der Gaby W. einzustehen haben. Die dahingehenden Überlegungen des Berufungsgerichts lassen
auch in der Sache einen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten nicht erkennen. Zu den danach gemäß §
843 Abs.
1
BGB zu ersetzenden vermehrten Bedürfnissen der Verletzten gehören auch die Kosten ihrer Unterbringung in einem Pflegeheim.
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß der in diesem Umfang bestehende Schadensersatzanspruch
der Gaby W. gegen die Beklagten bereits im Unfallzeitpunkt insoweit gemäß § 116 Abs. 1
SGB X auf die Klägerin übergegangen ist, als diese kongruente Sozialhilfeleistungen zu erbringen hat.
a) Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß sich die Legalzession zu Gunsten der Klägerin unter den hier gegebenen
Umstanden bereits im Zeitpunkt des Schadensereignisses vollzogen hat. Die Überlegungen des Oberlandesgerichts befinden sich
in Übereinstimmung mit dem nach Verkündung der Berufungsentscheidung ergangenen Senatsurteil vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 271/94 - VersR 1996, 349 ff. (zur Veröffentlichung in BGHZ 131, 274 ff. bestimmt). Dort hat der erkennende Senat die Frage, wann Schadensersatzansprüche eines sozialhilfebedürftigen Geschädigten
gemäß § 116 Abs. 1
SGB X auf den Träger der Sozialhilfe übergehen, unter Auseinandersetzung mit den hierzu im Schrifttum vertretenen verschiedenen
Auffassungen dahin beantwortet, daß es maßgeblich auf den Zeitpunkt ankommt, in welchem in folge des schädigenden Ereignisses
aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten, mit der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers
ernsthaft zu rechnen ist. Hieran halt der Senat fest.
aa) Soweit es um einen Träger der Sozialversicherung geht, findet der in § 116 Abs. 1
SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des
zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungstrager bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine
Leistungspflicht in Betracht kommt (vgl. dazu BGHZ 19, 177, 178 und 48, 181, 186 f.). Knüpfen hingegen Sozialleistungen, wie dies beim Sozialhilfeträger oder auch bei der Bundesanstalt
für Arbeit, etwa bei Rehabilitationsleistungen) der Fall ist, nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses
an, sondern an gänzlich andere Voraussetzungen, so muß das besondere Band des Versicherungsverhältnisses, dessen Vorliegen
beim Sozialversicherungsträger regelmäßig schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses die Grundlage für den Forderungsübergang
bietet, durch andere Umstande ersetzt werden, die auf die Pflicht zur Erbringung von Sozialleistungen schließen lassen, erforderlich
ist daher für den Rechtsübergang auf diese Leistungsträger, daß nach den konkreten Umstanden des jeweiligen Einzelfalls Sozialleistungen
durch sie ernsthaft in Betracht zu ziehen sind (vgl. im einzelnen Senatsurteile BGHZ 127, 120, 126 und vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 271/94 - aaO., 350). Je nach der gegebenen tatsächlichen Sachlage kann sich daher der Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger
bereits im Unfallzeitpunkt, möglicherweise aber auch erst erheblich später vollziehen.
bb) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht zweifelhaft sein, daß im vorliegenden
Fall mit der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers im dargestellten Sinne bereits im Unfallzeitpunkt ernsthaft zu rechnen
war. Aufgrund der Schwere der Verletzungen der Gaby W., insbesondere des von ihr erlittenen Schädelhirntraumas mit Schädelfraktur
und hieraus folgendem apallischem Syndrom, bestand von vornherein die naheliegende Gefahr, daß die Verletzte zum Pflegefall
werden könnte. Im Hinblick auf die Vermögenslosigkeit der Gaby W. war ab zusehen, daß, sollte auf Dauer eine Heimunterbringung
oder eine ähnliche Versorgung nötig werden, hierfür letztlich nur die Finanzierung durch einen Sozialhilfeträger in Betracht
kommt. Regelungen zur gesetzlichen Pflegeversicherung bestanden im Unfallzeitpunkt noch nicht.
cc) Ein sofortiger Anspruchsübergang auf die Klägerin im Unfallzeitpunkt führt nicht zu einem Widerspruch zu dem in § 2
BSHG normierten Nachrang der Sozialhilfe. Das Zusammenspiel dieses Subsidiaritätsgrundsatzes mit der zu Gunsten des Sozialhilfeträgers
in § 116 Abs. 1
SGB X angeordneten Legalzession ist, wie der Senat im bereits mehrfach zitierten Urteil vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 271/94 - aaO., 351 im einzelnen dargelegt hat, dadurch gekennzeichnet, daß dem Geschädigten trotz Übergangs seines Anspruchs auf
den Sozialhilfeträger gegenüber dem Schädiger auch weiterhin eine Ermächtigung verbleibt, die Schadensersatzleistung einzufordern.
Eine derartige Ermächtigung stand daher auch nach dem Anspruchsübergang zunächst Gaby W., hier vertreten durch den Amtspfleger,
zu.
b) Entgegen der Auffassung der Revision steht einem Anspruchsübergang auf die Klägerin auch nicht die Regelung des § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X entgegen. Diese gesetzliche Bestimmung schließt - bei nur quotenmäßiger Haftung des Schädigers - den Anspruchsübergang aus,
soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes
werden.
aa) Dies setzt jedoch ein Kausalitätsverhältnis zwischen Anspruchsübergang und Sozialhilfebedürftigkeit voraus. Ein Anspruchsübergang
soll nur dann ausscheiden, wenn durch ihn die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe beim Verletzten herbeigeführt
(oder jedenfalls verstärkt) wird, nicht jedoch, wenn Sozialhilfebedürftigkeit aus anderen Gründen eintritt (vgl. z.B. Geigel/Plagemann,
Haftpflichtprozeß, 21. Aufl., § 30 Rdn. 70, Wussow/Schloen, Unfallhaftpflichtrecht, 14. Aufl., TZ 2470). Der Nachranggrundsatz
der Sozialhilfe soll gewahrt bleiben, der Verletzte soll nicht deshalb auf Sozialhilfe verwiesen werden, weil die Legalzession
seines Schadensersatzanspruchs zu Gunsten eines Sozialversicherungsträgers greift (vgl. z.B. Wannagat, Sozialgesetzbuch, Rdz.
48 zu § 116 SGB X/3).
bb) Eine derartige Kausalität zwischen Anspruchsübergang und Sozialhilfebedürftigkeit ist jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden
von vornherein nicht gegeben. Der Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger setzt - wie dar gestellt - voraus, daß wegen
konkreter Anhaltspunkte (auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten) mit der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ernsthaft
zu rechnen ist, die Bedürftigkeit zeichnet sich somit bereits ohne die Zession ab. Durch den Anspruchsübergang wird sodann
die Sozialhilfebedürftigkeit weder herbeigeführt noch verstärkt. Vielmehr verbleibt dem Geschädigten, gerade um ihm die Möglichkeit
zu geben, den Schadensersatzanspruch zu realisieren und - im Interesse des gesetzlichen Nachrangs der Sozialhilfe - nicht
hilfebedürftig zu werden, die bereits naher beschriebene Einziehungsermächtigung (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 1995
- VI ZR 271/94 - aaO.). Die Legalzession zu Gunsten des Sozialhilfeträgers hat daher zunächst nur einen für den zukünftigen Fall einer Inanspruchnahme
sichernden Charakter, sie nimmt dem Geschädigten hingegen gerade keine wirtschaftliche Position, die er zur Abwehr einer Hilfebedürftigkeit
benötigt.
cc) Bei dieser Rechts- und Sachlage kann Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X nicht da durch eintreten, daß der - quotenmäßig beschränkte - Schadensersatzanspruch frühzeitig, hier bereits im Unfallzeitpunkt,
auf den Sozialhilfeträger übergeht. Dementsprechend sind auch im vorliegenden Fall die Voraussetzungen eines Ausschlusses
der Legalzession durch § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X nicht erfüllt, der Übergang des Schadensersatzanspruchs der Gaby W. auf die Klägerin, soweit es um kongruente Sozialhilfeleistungen
geht, hat in keiner Weise zur Sozialhilfebedürftigkeit der Verletzten beigetragen.
3. Die Revision der Beklagten greift die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht an, daß der nach Behauptung der Beklagten
geschlossene Abfindungsvergleich zwischen der Beklagten zu 1) und der Allgemeinen Ortskrankenkasse die Gläubigerstellung der
Klägerin hinsichtlich des hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs nicht berühren konnte. Dieses Ergebnis des Berufungsgerichts
ist auch in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden.
Ein auf die Allgemeine Ortskrankenkasse als Legalzessionarin übergegangener Schadensersatzanspruch, über den sie gegebenenfalls
in einem Abfindungsvergleich verfügen konnte, war mit dem Schadensersatzanspruch, soweit er gemäß § 116 Abs. 1
SGB X (bereits im Unfallzeitpunkt) auf die Klägerin überging, nicht deckungsgleich, so daß letzterer Anspruch keinesfalls von dem
hier in Rede stehenden Abfindungsvergleich erfaßt werden konnte, die Leistungen, die die AOK einerseits, die Klägerin andererseits
zu erbringen haben und aufgrund deren zu ihren Gunsten die Legalzession eintritt, sind jeweils zu unterschiedlichen Schadenspositionen
der Gaby W. sachlich kongruent. Daß die Beklagten der Klägerin eine möglicherweise im Hinblick auf die Regelungen des Abfindungsvergleichs
fehlende Sozialhilfebedürftigkeit der GAby W. ereits wegen der in § 118
SGB X angeordneten Bindungswirkung des bestandskräftigen Sozialhilfebescheids nicht entgegenhalten können, hat das Berufungsgericht
zutreffend ausgeführt.
4. Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß der auf die Klägerin übergegangene
Schadensersatzanspruch nicht verjährt ist. Das Berufungsgericht geht ohne Rechtsfehler davon aus, da die dreijährige Verjährungsfrist
gemäß §
852 Abs.
1
BGB am 21. Dezember 1989 zu laufen begonnen hat und durch Klageerhebung rechtzeitig unterbrochen worden ist. Die für den Verjährungsbeginn
maßgebliche Kenntnis des Anspruchsinhabers von Schaden und Person des Schädigers richtete sich vorliegend allein nach dem
Wissensstand der Klägerin, für diesen wiederum ist im Berufungsurteil zu Recht darauf ab gestellt, wann der Sachbearbeiter
der für Regresse aus Leistungen der Sozialhilfe zuständigen Rechtsabteilung des zur Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales
der Klägerin gehöhrenden Amtes für Verwaltung die erforderliche Kenntnis erlangt hat.
a) Da der Schadensersatzanspruch, soweit er kongruente Sozialhilfeleistungen umfassen konnte, hier bereits im Augenblick seiner
Entstehung mit dem Schadensereignis auf die Klägerin übergegangen ist, kann für den Beginn der Verjährung nur auf die Kenntnis
der Klägerin abgehoben werden (vgl. zu dieser Folge der sich bereits im Unfallzeitpunkt vollziehenden Legalzession BGHZ 48,
181, 192).
aa) Der Klägerin als juristischer Person des öffentlichen Rechts wird die Kenntnis durch ihre Bediensteten vermittelt, zu
Recht geht das Berufungsgericht davon aus, da nach den zu §
852 Abs.
1
BGB in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen insoweit nicht die Kenntnis eines jeden Bediensteten zugerechnet werden darf,
sondern jeweils zu prüfen ist, ob es sich bei dem Bediensteten um einen Wissensvertreter handelt (vgl. dazu z.B. Senatsurteile
vom 19. März 1985 - VI ZR 190/83 - VersR 1985, 735, vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85 - VersR 1986, 917, 918, vom 11. Februar 1992 - VI ZR 133/91 - VersR 1992, 627, 628). Das ist nach dem hier heranzuziehenden Rechtsgedanken des §
166
BGB dann der Fall, wenn der Bedienstete vom Anspruchsinhaber mit der Erledigung der betreffenden Angelegenheit, hier also mit
der Betreuung und der Verfolgung der in Frage stehenden Regreßforderung, in eigener Verantwortung betraut worden ist (vgl.
Senatsurteil vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93 - VersR 1994, 491 m.w.N.).
An diesen Grundsätzen halt der Senat fest. Entgegen der Auffassung der Revision gibt die Rechtsprechung zur Wissensvertretung
im Sinne des §
166
BGB in anderen Fallen keine Veranlassung, von der bisherigen Beurteilung abzuweichen. Eine Wissenszurechnung in diesem Sinne
setzt grundsätzlich voraus, daß derjenige, auf dessen Kenntnisse (allein oder im Zusammenwirken mit dem Wissensstand anderer)
abgestellt werden soll, in den betreffenden Aufgabenkreis eingebunden war (vgl. dazu z.B. BGHZ 117, 104, 106 f., BGH, Urteil vom 31. Januar 1996 - VIII ZR 297/94 - WM 1996, 824, 825). Soweit Gründe des Verkehrsschutzes in bestimmten Fallgestaltungen eine weitergehende Wissenszurechnung im Bereich
rechtsgeschäftlichen Handelns von Unternehmen gebieten mögen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94 - WM 1996, 594, 596 f.), treffen solche im Rahmen des §
852
BGB nicht zu.
bb) Im vorliegenden Fall war daher maßgeblich, wann der für die Vorbereitung und Verfolgung des Regreßanspruchs zuständige
Bedienstete innerhalb der Behördenorganisation der Klägerin die erforderlichen Kenntnisse vom Schadensfall erlangt hat. Dies
war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts am 21. Dezember 1989 der Fall, als der Mitarbeiter A.
der für die Regreßbearbeitung zuständigen Rechtsabteilung des Amtes für Verwaltung die die Verletzte W. betreffenden Unterlagen
erhielt. Hingegen kam es auf einen früheren Kenntnisstand des Landessozialamtes (das nur mit der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen
befaßt war) oder des Landesamtes für Rehabilitation (das als Amtspfleger der Gaby W. nur mit der Verfolgung der Interessen
der Verletzten betraut war) nicht an.
b) An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß bei einer Legalzession nach § 116 Abs. 1
SGB X auf den Sozialhilfeträger, wie sie hier zu Gunsten der Klägerin gegeben ist, dem Geschädigten - wie bereits erörtert - zunächst
eine Einziehungsermächtigung verbleibt, die ihn (im vorliegenden Fall Gaby W., vertreten durch den Amtspfleger) befugt, die
Schadensersatzforderung gegen den Schädiger (zwecks Abwendung der Sozialhilfebedürftigkeit) weiter geltend zu machen.
aa) Allerdings wird der Geschädigte durch eine solche Einziehungsermächtigung in die Lage versetzt, im Wege der Klageerhebung
eine Unterbrechung der Verjährung des (übergegangenen) Schadensersatzanspruchs nach §
209 Abs.
1
BGB herbeizuführen (vgl. BGHZ 78, 1, 5), eine solche Vorgehens weise hatte hier auch dem Amtspfleger der Gaby W. offen gestanden. Hieraus folgt jedoch nicht
umgekehrt, daß sich der Sozialhilfeträger als Anspruchsinhaber, macht der Verletzte von der Einziehungsermächtigung keinen
verjährungsunterbrechenden gebrauch, dessen Kenntnis vom Schadensfall im Sinne des §
852 Abs.
1
BGB für den Beginn der Verjährungsfrist entgegenhalten lassen muß.
(a) Hat ein Forderungsinhaber einem Dritten eine Einziehungsermächtigung rechtsgeschäftlich erteilt, so mag er sich dessen
Kenntnis hinsichtlich der Forderung auch im Sinne des §
852 Abs.
1
BGB zurechnen lassen müssen, in einem derartigen Fall ist der Einziehungsermächtigte mit der "Bearbeitung der Forderung " in
einer Weise betragt worden, die eine Wissenszurechnung nach den bereits dargelegten Grundsätzen im Hinblick auf den Rechtsgedanken
des §
166
BGB rechtfertigen könnte.
(b) Die tatsächliche und rechtliche Situation, welche die Einziehungsermächtigung kennzeichnet, die dem Geschädigten im Verhältnis
zum Sozialhilfeträger als Lagalzessionar zusteht, ist hingegen anders geartet. Diese Einziehungsermächtigung erwachst dem
Geschädigten kraft Gesetzes, ohne jede Mitwirkung des Sozialhilfeträgers als Anspruchsinhaber. Mit der Einziehungsermächtigung
soll der Geschädigte nicht seitens des Forderungsgläubigers mit einer "Bearbeitung der Forderung " betraut werden. Vielmehr
soll er bereits im Vorfeld (vor einer Einschaltung des Sozialhilfeträgers) durch die Einziehung des Schadensersatzanspruchs,
wenn und soweit möglich, seine Sozialhilfebedürftigkeit vermeiden und damit - im Sinne des Nachranggrundsatzes - überhaupt
eine Befassung des Sozialhilfeträgers mit dem Schadensfall und seinen Folgen überflüssig zu machen versuchen. Diese Sachlage
rechtfertigt eine Wissenszurechnung aus dem Rechtsgedanken des §
166
BGB gerade nicht.
bb) Eine Nichtberücksichtigung des Kenntnisstandes des geschädigten als Einziehungsermächtigten steht auch nicht in Widerspruch
zur besonderen Interessenlage der Beteiligten.
(a) Die Regelung des § 116 Abs. 1
SGB X will die möglichst weitgehende Gleichstellung des Sozialhilfeträgers mit den Sozialversicherungsträgern erreichen (vgl. Senatsurteil
vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 271/94 - aaO., 350). Diesem Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, wenn im Falle des Sozialhilfeträgers hinsichtlich des Verjährungsbeginns
dem Kenntnisstand des einziehungsbefugten Verletzten Bedeutung beigemessen würde, während beim Sozialversicherungstrager ausschließlich
auf die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der jeweiligen Regreßabteilung abzustellen ist, dies müßte zu einer nicht
gerechtfertigten Schlechterstellung des Sozialhilfeträgers führen.
Eine solche Schlechterstellung wäre umso weniger zu begründen, als die Rechtskonstruktion der Einziehungsermächtigung bei
der Legalzession auf den Sozialhilfeträger lediglich das Ziel verfolgt, dem gesetzlichen Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe
gerecht zu werden und diesen mit der Regelung des § 116 Abs. 1
SGB X in Einklang zu bringen, keineswegs hingegen den Sozialhilfeträger in seiner Regreßmöglichkeit starker als den Sozialversicherungstrager
beschneiden will. Eine Verjährung des Schadensersatzanspruchs, deren Lauf der Sozialhilfeträger mangels Kenntnis der bei ihm
zuständigen Bediensteten nicht verhindern kann, würde - entgegen dem Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe - dazu führen,
daß für zu erbringende Sozialhilfeleistungen nicht beim Schädiger Rückgriff genommen werden könnte.
(b) Die Kenntnis des einziehungsermächtigten Verletzten von Schaden und Schädiger hat daher für die Verjährung des bereits
im Zeitpunkt des Schadensereignisses auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Schadensersatzanspruchs unberücksichtigt zu
bleiben. Dem stehen auch keine berechtigten Interessen des Schädigers entgegen. Unabhängig davon, ob dieser von der Einziehungsermächtigung
des Verletzten weiß oder nicht, ist in allen Fällen, in denen ein Forderungsübergang auf Träger von Sozialleistungen in Frage
kommt, ein Vertrauen des Schädigers darauf nicht schutzwürdig, die Verjährungsfrist werde auch ohne Kenntnis der maßgeblichen
Stellen des Sozialleistungsträgers zu laufen beginnen.
cc) An der Bedeutungslosigkeit der Kenntnis des Geschädigten ändert es auch nichts, daß im konkreten Fall die Verletzte W.
durch eine Dienststelle der Klägerin (das Landesamt für Rehabilitation als Amtspfleger) vertreten war, letzteres hatte von
seinem Aufgabenbereich her mit der für die Fragen des Schadensregresses zuständigen Stelle der Klägerin nichts zu tun.
5. Der Revision der Beklagten war daher insgesamt der Erfolg zu versagen. Auch die Anschlußrevision der Klägerin, die sich
ausschließlich gegen die nach §§
254
BGB,
9
StVG vorgenommene Abwägung der Verantwortungsbeitrage der Haftungsbeteiligten wendet, muß erfolglos bleiben.
Die Anschlußrevision vermag keine Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen, die im Rahmen der beschränkten revisionsrechtlichen
Überprüfung der tatrichterlichen Abwägungsüberlegungen (vgl. dazu Senatsurteile vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 82/87 - VersR 1988, 412, 413, vom 12. Januar 1993 - VI ZR 75/92 - VersR 1993, 442, 443 und vom 13. Dezember 1994 - VI ZR 283/93 - VersR 1995, 427, 428) durchgreifen und dazu führen könnten, die Bewertung des Haftungsanteils der Beklagten mit nur 50 % aus Rechtsgründen
in Frage zu stellen
a) Der Anschlußrevision ist allerdings darin zuzustimmen, daß bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeitrage weniger
auf das Maß des jeweiligen Verschuldens, als vielmehr darauf abzustellen ist, wer den Schaden überwiegend verursacht hat (vgl.
z.B. Senatsurteil vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238, 1239). Entgegen ihrer Auffassung ist dem Berufungsurteil jedoch bei verständiger Würdigung seiner Ausführungen zu entnehmen,
daß auch das Berufungsgericht maßgeblich auf die unfallursächliche Beteiligung des Beklagten zu 2) einerseits, der Verletzten
Gaby W. andererseits abstellen wollte, wenn es auch deren zum Unfall führende Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem darin
zum Ausdruck kommenden schuldhaften Verhalten dargelegt hat.
b) Der Senat vermag auch in der Gewichtung, die das Berufungsgericht den einzelnen Verursachungsbeiträgen im Hinblick auf
ihre Bedeutung für das Unfallgeschehen hat angedeihen lassen, keinen Rechtsfehler zu erkennen. Das Berufungsgericht hat in
revisionsrechtlich beanstandungsfreier Weise einerseits die zum Schaden führende erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung
des Beklagten zu 2) und die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs, auf der anderen Seite das außerordentlich unfallträchtige
Verhalten der Klägerin gewürdigt, die bei Nacht und dunkel gekleidet eine mehrspurige Großstadtstraße ohne Rücksicht auf den
Fahrzeugverkehr zu überqueren versucht hat. Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die Unfallverursachung beiden Beteiligten
zur Hälfte angelastet hat, so ist dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern
III. Die Rechtsmittel beider Parteien waren daher mit der Kostenfolge aus §§
97 Abs.
1,
92 Abs.
1
ZPO zurückzuweisen.